Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Als Lorenzo in sein Zimmer zurückgekehrt war, um noch die eingegangenen Briefschaften durchzusehen, bevor er sich zum Nachtmahl in den Kreis seiner Familie begab, wurde ihm gemeldet, daß der Signor Bernardo Bandini ihn um Gehör bitte.
Lorenzos Miene wurde bei Nennung dieses Namens finster und streng, er zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann aber befahl er den Gemeldeten einzuführen.
Dieser war ein Mann von etwa dreißig Jahren, von schlanker und geschmeidiger Gestalt, reich in kostbare Stoffe gekleidet und zeigte in seiner Haltung die Sicherheit eines vornehmen Weltmannes. Sein Gesicht, von schwarzem, lang herabhängenden Haar umrahmt, war bleich und hatte regelmäßige, edle Züge, aber man sah in denselben Spuren wilder Leidenschaften, seine dunklen Augen blitzten lauernd unter den an der Nasenwurzel zusammenstoßenden Augenbraunen hervor und der feingeformte Mund mit dem spitzen Bart auf der hochmütig aufgeworfenen Oberlippe, verzog sich oft zu einem kalten, höhnischen Lächeln.
»Ich komme,« sagte er, indem er sich tief und ehrerbietig, aber doch mit dem Ausdruck des Bewußtseins einer gesellschaftlich gleichen Stellung verneigte, »nicht zu der Zeit, zu welcher Eure Magnificenz Audienz zu erteilen pflegt, weil ich Eure, den regelmäßigen Geschäften gewidmete Zeit nicht in Anspruch nehmen möchte und weil das, was ich Euch zu sagen, um die Erlaubnis bitte, nicht in zwei Worten abgemacht sein kann.«
Lorenzo hatte den Gruß des jungen Mannes mit einer ihm sonst nicht eigentümlichen, hochmütigen Kälte erwidert, er deutete auf einen Sessel und nahm selbst auf dem Arbeitsstuhl vor seinem Schreibtisch Platz.
»Ich darf wohl voraussetzen,« fuhr der als Bernardo Bandini gemeldete fort, »daß Eurer Magnificenz mein Name bekannt ist, da mein Geschlecht der Stadt Florenz entstammt. Mein Vater aber war im Dienst des Königs von Neapel bis zu seinem Tode, der mich frei gemacht hat, um dem Zug des Blutes und der Tradition zu folgen, und zu versuchen, dem Vaterlande meine Dienste zu weihen.« Lorenzo hörte unbeweglich zu, ohne daß ein Zug seines Gesichts sich bewegte. Betroffen schwieg Bandini einen Augenblick, fuhr aber schnell gefaßt fort: »Eurer Magnificenz starke und geschickte Hand leitet die Geschicke der Florentinischen Republik, und deshalb auch könnt Ihr meine Wünsche erfüllen, denn Ihr und die Republik braucht Männer, wie ich es bin, die gelernt haben, alles zu sehen und über alles zu schweigen. Ich will offen sein. Mein kleines, ererbtes Vermögen habe ich verbraucht, und ich will und muß mir eine Lebensstellung und Erwerb schaffen. Gern will ich Euch dienen, und durch mich werdet Ihr Vieles erfahren, was, bisher verborgen, vor Euch sich heimlich entwickelte. Eure Feinde arbeiten gegen Euch, und wohl thut es Not, Euch durch treue Diener warnen zu lassen, als zu warten, bis das Unheil herannaht.«
»Die Furcht,« sagte Lorenzo, sich stolz aufrichtend, »die Furcht überlasse ich denen, die eine ungerechte und unsichere Macht zu verteidigen haben. Meine Macht und Stellung ist fest gegründet auf dem Volkswillen und auf Arbeit und Kraft und bedarf nicht den Schutz der heimlichen Späherdienste.«
»Ich bedaure das,« erwiderte Bandini, »für Euch und für mich, denn ich wollte meine Dienste als Gegenleistung bieten, für die Hilfe, die ich zu erbitten kam. Ich weiß, es widerstrebt Eurem hochherzigen Sinn, den Sproß eines edlen Hauses in Bedrängnis zu lassen, und ich muß mich nun allein auf Eure Großmut verlassen.«
Kalt erwiderte Lorenzo, »meine Pflicht gebietet mir, zunächst denen zu helfen, die sich um das öffentliche Wohl verdient gemacht haben, wozu Ihr keine Gelegenheit hattet. Doch so weit ich kann, bin ich bereit Euch zu helfen, wenn Ihr mir Eure Lage und Bedürfnisse aufstellen und Eure Wünsche mitteilen wollt. Auch will ich versuchen, den hohen Rat der Signorie zu bestimmen, Euch ein Amt zu verleihen im Dienst der Republik.«
Bandini stand finster blickend auf, verbeugte sich tief, sprach einige Worte des Dankes und verließ schnell das Gemach.
»Er ist ein Abenteurer,« sagte Lorenzo, nachdem er wieder allein war, »und einer von den Schleichern, die im Finstern wandeln, der mich verraten würde, wie er jetzt andere verraten will. Das Werk meiner Vorfahren würde ich am sichersten zerstören, wenn ich mich dem finsteren Mißtrauen der Tyrannen hingeben wollte, – Was für die Sforza in Mailand und für die Arragonier in Neapel klug und notwendig sein mag, paßt nicht für die Medici. Wohl weiß ich, daß mir mächtige Feinde entgegenstehen, aber nicht hier in Florenz sind sie zu suchen. Die mich hier beneiden und vielleicht hassen mögen, sind ohnmächtig vor dem Vertrauen und der Liebe des Volks, die Feinde, welche gefährlich werden können, ziehen sich an der Grenze zusammen, des Grafen Girolamo Freundschaftsversicherungen traue ich nicht und ich werde darauf sinnen, eine Waffenmacht gegen ihn bereit zu halten. – Jedoch ist die Gefahr, die von ihm droht, nur kurz und auf das Leben des Papstes beschränkt, der ihn in seiner Stellung hält, die er selbst nicht behaupten könnte und wenn es mir gelingt, den Capitano Montesecco für den Dienst der Republik zu gewinnen, wozu er geneigt scheint, dann werde ich auch die starke Besatzung und die Bollwerke von Imola nicht scheuen. Doch fort mit diesen Gedanken und Sorgen! Wohl habe ich einen freundlichen und lieblichen Platz auf Erden, zu dem sie nicht dringen. Der gute Giuliano,« sagte er lächelnd, »ihn sollte ich bespähen, ihm die Freude seines Lebens verkümmern, dessen Blütezeit ohnehin nur zu bald verfliegen wird? Mag er sich freuen an den Blüten im Morgenlicht seines Daseins, auch er wird reifen und erstarken zu ernstem Ringen und sollte jemals, was ja wohl kommen kann, das Schwert gezogen werden müssen für die Freiheit des teuren Vaterlandes, das mit unserem Geschlecht verwachsen ist, so wird er an seinem Platz sein.«
Seine Miene wurde heiter und freundlich, als er die Treppe hinaufstieg und die prächtigen Räume des Mezzanins betrat, in welchem sich bereits Verwandte und Freunde des Hauses versammelt hatten. – –
Bandini blieb, als er den Palast verlassen, einen Augenblick auf der Straße stehen und blickte mit einer grimmigen Verwünschung nach den hell erleuchteten Fenstern zurück.
»Er hat mich abgefertigt wie einen Bettler,« knirschte er, »dieser hochmütige Emporkömmling, der da meint, sich über den alten Adel Italiens, den Fürsten gleich stellen zu können. – Ich hätte ihm helfen können, sich den Weg seines Ehrgeizes zu bahnen und seine Feinde in seine Hände zu geben, ich bedarf des Goldes, das er doch sonst, wo es die Verfolgung seiner Pläne gilt, mit vollen Händen um sich wirft und wir hätten beide unsere Rechnung gefunden bei dem Bündnis, das ich ihm vorschlug. Er hat mich verachtet wie einen Wurm, der unter seinen Füßen im Staube kriecht, – er soll es erfahren, daß dieser Wurm sich zu einer Schlange aufbäumen kann, die ihn von seiner Höhe herabreißt. Seine Klugheit hat ihn verlassen in dem verblendeten Selbstgefühl seines Hochmuts – ich war klüger, daß ich das Geheimnis, das ich erspäht, für mich behielt, jetzt ist sein Schicksal besiegelt, er soll es empfinden, daß meine Kraft, die er für sich nicht gewinnen wollte, doch ein schweres Gewicht bedeutet in der Wagschale seines Verderbens.
Er lachte hämisch, hüllte sich in seinen Mantel und ging schnellen Schrittes nach dem Palast der Pazzi.
Der düstere Bau, welcher einer kleinen Festung glich, lag finster und still da. Die Wohnräume gingen nach den Höfen hinaus und kein Licht war in den hohen Fenstern nach der Straße sichtbar, nur zwei Windlichter brannten vor dem Eingange.
Bandini ließ sich durch einen Diener, den er im Vestibül fand, bei Francesco Pazzi melden und wurde in dessen Wohnzimmer im Erdgeschoß geführt, das, wenn auch vornehm und reich ausgestattet, doch dem ganzen düsteren Charakter des Palastes entsprach und nichts von dem lichten Glanz zeigte, der das Haus der Medici überall erfüllte.
Francesco empfing den späten Besuch mit einer gewissen Befangenheit und fragte fast ungeduldig nach seinem Begehr.
»Ich komme zu Euch, edler Francesco,« sagte Bandini, »in einer ernsten Sache und bitte um Euer Gehör.«
»Ich stehe zu Euern Diensten,« sagte Francesco, indem er auf einen Sessel deutete, »doch muß ich Euch sagen, daß ich noch Besuch erwarte – in einer geschäftlichen Angelegenheit und daß meine Zeit heute gemessen ist.«
»Ich werde kurz sein,« erwiderte Bandini, »und bin gewiß, daß es nicht vieler Worte bedarf, um uns zu verstehen. Ich bin, wie Ihr wißt, nach langer Abwesenheit in die Stadt zurückgekehrt, der meine Familie entstammt und bin schmerzlich berührt durch die Zustände, die ich hier gefunden, habe. Die Freiheit der Stadt und der Republik von Florenz ist nur ein Schein und eine leere Form, in Wirklichkeit habe ich hier eine Tyrannei gefunden, wie sie schlimmer nicht in Neapel und in Mailand unter der unumschränkten Herrschaft der fürstlichen Allgewalt besteht.«
Francesco horchte auf.
»Ich verstehe Euch nicht,« sagte er.
»Die Republik besteht nur dem Namen nach,« fiel Bandini ein, die Willkür der Medici, von der Gunst des Pöbels getragen, herrscht hier, wo einst die alten Geschlechter mit Klugheit und Würde die Regierung führten und wenn es dem hochmütigen Lorenzo eines Tages gefallen sollte, eine Fürstenkrone auf sein Haupt zu setzen und sich mit gedungenen Söldlingen zu umgeben, so werden die Rechte der Republik vor dem Hauch seines Mundes zerstäuben, wie die welken Blätter vor dem Herbststurm.«
»Widersprecht mir nicht,« fuhr er fort, eine Bemerkung Francescos durch eine Handbewegung abwehrend, »ich weiß, Ihr denkt wie ich und seid entschlossen, diesem Zustand unwürdiger Knechtschaft ein Ende zu machen, wie es ja auch Eure Pflicht ist, als der Nachkomme einer langen Reihe edler und ritterlicher Vorfahren, die in Florenz geboren, ehe noch der Name der Medici aus dem Staube der Niedrigkeit emporgestiegen war – ich kenne Eure Gedanken und Eure Pläne.«
Erschrocken sprang Francesco auf.
»Ich verstehe Euch nicht,« sagte er mit bebender Stimme, »und begreife nicht, wie solche Gedanken Euch kommen können.«
»Fürchtet nicht,« sagte Bandini ruhig, »daß das Geheimnis bei mir schlecht bewahrt sei, – ich verstehe es in den Gedanken der Menschen zu lesen und weiß, daß Ihr denken müßt wie ich und wünschen und streben wie ich, hätte ich die Absicht, Euch zu bedrohen und zu verraten, so wäre ich nicht hier. – Ich komme zu Euch, um Euch meine Dienste anzubieten, aufrichtig und ohne Rückhalt, mein Kopf ist klar, mein Auge scharf und mein Arm weiß die Waffen zu führen und sicher und fest zu treffen. Das Alles sind Dinge, die Ihr gebrauchen könnt und ein Mann wiegt viel, wo es gilt, zwei Männer verschwinden zu lassen, um ein hohes und edles Ziel zu erreichen. Heute noch steht die Macht der Medici auf vier Augen; sind diese geschlossen, so ist die florentinische Republik frei und Ihr und die Euren werdet wieder den Platz einnehmen, der nach Eurer Geburt und der Geschichte Euch gebürt.«
»Ich weiß nicht,« sagte Francesco zögernd.
»– ob Ihr mir vertrauen könnt,« – fiel Bandini ein, »Ihr dürft es, Ihr müßt es, wenn Ihr es ernst mit der Befreiung Eures Vaterlandes meint, – die Klugheit muß wohl mißtrauisch sein, aber unbegründetes Mißtrauen ist eine Thorheit, wenn es eine Hilfe zurückweisen möchte, die offen und ernst geboten wird. Ihr unternehmt es, die Medici zu stürzen, deren Allmacht unbegrenzt scheint und solltet Euch nicht fähig fühlen, einen Verrat zu bestrafen? Durch mein offenes Wort gebe ich mich in Eure Hände und Ihr werdet mich nicht für so thöricht halten, dies zu thun, wenn mein Anerbieten nicht ernst gemeint wäre. Ich hasse die Medici wie Ihr, fast möchte ichs wagen, das Werk, das Ihr vorbereitet, allein zu unternehmen und so wahr ich vor Euch stehe, ich werde allein handeln und mein Leben einsetzen, wenn Ihr zu zaghaft seid.«
»Fast möchtet Ihr Recht haben,« sagte Francesco mit aufblitzenden Augen, »doch das Geheimnis, von dem Ihr sprecht, wenn es bestünde, wäre nicht das meinige.«
»Ich weiß es wohl, daß Ihr nicht allein steht,« fiel Bandini ein, »müssen ja doch viele Kräfte sich vereinigen, wenn ein Ziel sicher erreicht werden soll – vielleicht aber habt Ihr schon zu viel solcher Kräfte vereinigt. Wenn Ihr den Napoleone Francesci von San Gemignano, der im Dienste Frankreichs die Verschwörung gegen den Papst Bonifaz angestiftet und dem Könige Philipp dem Schönen bei seinen schmählichen Wuchergeschäften zur Hand ging, Euer Vertrauen geschenkt, so wäre es thöricht, es mir zu versagen.«
»Ihr wißt, –« rief Francesco erschrocken, – »Ihr kennt Napoleone Francesci?«
»Wie er mich kennt, –« erwiderte Bandini, »er weiß es wohl, was meine Hilfe wert ist bei Eurem Werk, mehr vielleicht als die seinige, da ich mich nicht scheue, die Waffen zu führen und Leben gegen Leben einzusetzen. Ihr seht also, Ihr habt mir kaum etwas zu sagen, das mir nicht schon bekannt wäre und wäre ich Euer Feind, wäre ich ein Verräter an der Pflicht gegen die alte Mutterstadt meiner Familie, so hätte ich nur nötig gehabt, zu Lorenzo zu gehen und ihm zu sagen, was ich Euch gesagt habe.«
»Bei Gott,« rief Francesco, »ich muß Euch Wohl vertrauen, doch bedenkt wohl, das ist eine Sache, bei welcher es sich um Leben gegen Leben handelt, ein Verrat würde seiner Strafe nicht entgehen.«
»Ich weiß das,« erwiderte Bandini kalt, »mein Leben steht in Eurer Hand, schon ist es fast verloren, ich bin, vom Unglück verfolgt, arm und hilflos, aber ich will seinen Wert wiedergewinnen, indem ich es einsetze für eine große That in Gemeinschaft mit denen, an deren Seite zu stehen mir mein Name das Recht giebt.«
»Ihr seid arm,« fragte Francesco, »und gebt Euer Leben verloren?«
»Die Welt würde es so nennen,« erwiderte Bandini, »welche nur im Reichtum den Wert des Lebens sucht. – Ich habe alles verloren, was ich besaß und bin so arm, daß ich kaum weiß, womit ich morgen mein Leben fristen soll, aber dennoch habe ich nicht vergessen, daß das edle Blut in meinen Adern mir die Pflicht auferlegt, meiner Vorfahren würdig zu bleiben.«
»Verzagt nicht,« sagte Francesco, Bandinis Hand drückend, »ein Mann, wie Ihr, soll sich nicht im niedrigen und unwürdigen Sorgen aufreiben. Kommt morgen zu mir, alle Sorgen sollen von Euch genommen werden und wenn es gelingt, unserem Vaterlande die Freiheit wiederzugeben, so soll bei Gott Euer Leben einen edleren Wert wieder erhalten, als ihn das Gold geben kann, das auch ich verachte.«
»Ich danke Euch, edler Francesco,« sagte Bandini scheinbar gleichgültig, »von Euch darf ich annehmen, was ich von keinem Anderen erbitten würde, – biete ich Euch doch Besseres als das Gold, das mir der Zufall nahm, wie er es Euch gegeben. Doch nun sagt mir, was ist zu thun, worin kann ich meine Dienste bieten? Stellt mich auf den schwierigsten und gefährlichsten Platz – Ihr werdet mich bereit finden.«
»Eure Frage soll sogleich beantwortet werden,« antwortete Francesco, »Ihr seid zur guten Stunde gekommen, ich erwarte Freunde, wie ich Euch gesagt und Ihr werdet Euern Platz in ihrem Kreise finden.«
Ein Diener trat ein und meldete Francesco, daß die Herren, welche er eingeladen, beisammen seien.
Francesco nahm Bandinis Arm und führte ihn über den Korridor zu einem Empfangssaal, in welchem eine große Gesellschaft, wie es schien in ernstem Gespräch, versammelt war.
Es befanden sich hier Jacopo Salviati, der Bruder des Erzbischofs von Pisa, diesem ähnlich in seinem feinen, mehr listigen als geistvollen Gesicht und seiner schmächtigen Gestalt, dann Jacopo Bracciolini, ein Schriftsteller von etwa fünfunddreißig Jahren, der sich in Gelehrtenkreisen schon einigen Ruf erworben hatte und in seiner gesucht ernsten Kleidung und seiner selbstbewußten, feierlichen Miene den Dünkel zeigte, der namentlich in der damaligen Zeit bei den Mitgliedern der Gelehrtenzunft zu finden war.
Mit ihm sprach ernst und eifrig ein magerer, noch junger Mann in Priestertracht mit bleichem Gesicht und leidenschaftlich funkelnden Augen. Es war Antonio Maffei von Volterra, ein zweiter Geistlicher, Stephano von Bagnone, der auch kaum das dreißigste Lebensjahr überschritten hatte, zeigte ganz im Gegenteil eine demütig gebückte Haltung, einen listigen Blick und ein stets um seine Lippen spielendes, süßliches Lächeln.
Napoleone Franzesi von San Gemignano war kurz zuvor gekommen und begrüßte mit fast herablassender Miene Jacopo Salviati und einige von dessen Verwandten, die er mitgeführt hatte. Er war bereits fünfzig Jahre alt, aber suchte durch seine Haltung, seine auffallend kostbare Kleidung, sowie durch den zierlich gestutzten Bart, das sorgfältig gelockte noch schwarze Haar den Schein der Jugend festzuhalten, was ihm auch bei der Geschmeidigkeit seiner sehnigen Gestalt einigermaßen gelang; seine Züge waren verwittert und von Leidenschaft zerrissen und um seine schmalen Lippen lag ein Zug hämischer Grausamkeit.
Auch Giovan de Montesecco war anwesend, er stand ernst, fast finster, die linke Hand an den Griff seines Degens gelegt, in militärischer Haltung da, ohne sich an dem Gespräch der Übrigen zu beteiligen.
Napoleone eilte zuerst dem eintretenden Francesco entgegen.
»Ah,« sagte er, »ich freue mich, daß ich Bernardo Bandini an Eurer Seite sehe, ich wußte es wohl, daß er sich zu uns halten würde und daß Ihr Euch mit ihm verstehen mußtet, einen besseren Verbündeten hätte ich unserer Sache nicht zuführen können als ihn.«
Die Übrigen blickten Bandini etwas mißtrauisch an, doch Francesco erklärte, daß er dem neuen Genossen vertraue und für ihn die Bürgschaft übernehme.
Dann ging er hinaus, um nach wenigen Augenblicken mit seinem Oheim Jacopo zurückzukehren, bei dessen Eintritt sich alle ehrerbietig verneigten.
Jacopo de Pazzi, etwa fünfzig Jahre alt, war das Haupt seiner Familie, weniger durch seine Thätigkeit und verständnisvolle Arbeit, als durch sein Alter und die natürliche Gabe, überall das Wort mit Geschick und Würde zu führen und die Pflichten der Repräsentation zu erfüllen; im Übrigen war er ein Lebemann, der trotz seiner vorgeschrittenen Jahre alle Passionen seiner Jugend sich bewahrt hatte und abweichend von den sonstigen Sitten der Pazzi einen verschwenderischen Haushalt führte.
Er nahm auf einem Lehnsessel Platz, die Übrigen gruppierten sich um ihn und Francesco begann:
»Ich weiß, mein lieber Oheim, daß Ihr wie ich bitter die Schmerzen der drückenden Knechtschaft empfindet, unter welcher die Republik bei der unrechtmäßigen Herrschaft der Medici seufzt – wir alle hier haben uns vereinigt, um diese Knechtschaft abzuschütteln, wir haben den Plan gefaßt, die beiden, des Hochverrats an dem Vaterlande schuldigen Brüder von ihrer angemaßten Höhe herabzustürzen und sind überzeugt, daß Ihr unser Vorhaben billigt und uns mit Euerm Rat unterstützen werdet. Deshalb habe ich Euch gebeten unserer Versammlung beizuwohnen und unsern Plan zu prüfen. Ihr kennt die Herren hier außer Jacopo Bracciolini, den ich Euch vorzustellen mir erlaube und Bernardo Bandini, der nach der Heimat seiner Vorfahren zurückgekehrt ist, beide schließen sich uns mit voller Überzeugung an und wenn unser Werk gelingt, so werden ihre Verdienste daran nicht vergessen werden.
Die beiden Genannten verbeugten sich.
Bracciolini sagte:
»Ich bin, edler Jacopo, von dem Grafen Girolamo Mario dazu bestimmt, seinen Neffen, den Kardinal Raffaelo, der in kurzem hier eintreffen wird, zu begleiten und ihn in allen Dingen mit meinem Rate zu unterstützen, den er wohl noch oft bedürfen wird, da er bei der Erhebung zu seiner hohen Würde seine Erziehung noch nicht vollendet hatte. Der Graf hat mich beauftragt, Lorenzo de Medici von meiner Sendung Kenntnis zu geben und ihm zu sagen, daß er sich in allen, den Kardinal betreffenden Dingen an mich wenden könne und dann hier Seine Eminenz zu erwarten. Ich habe mit tiefem Schmerz die Zustände kennen gelernt, unter welchen die florentinische Freiheit seufzt und mein Schmerz ist um so größer gewesen, da ich gesehen habe, daß der eitle und hochmütige Lorenzo es so wenig versteht, die Würde der Stellung, die sein Haus erklommen hat, zu wahren und zu vertreten. Florenz sollte der edelste Sitz der wahren Kunst und Wissenschaft sein, Lorenzo aber umgiebt sich mit Männern ohne Namen und Bedeutung, wie der junge Politiano und der flüchtige Chalcondylas und anderen, welche kein anderes Verdienst haben, als ihm kriechend zu schmeicheln und ich bin darum um so freudiger bereit an dem Werk der Befreiung mitzuarbeiten, als der Graf Girolamo mir zugleich den Auftrag gegeben hat, mich in allem der Führung des edlen Francesco anzuschließen, der mit ihm völlig übereinstimmt über das, was zur Errettung der florentinischen Republik und zum Heile des italienischen Vaterlandes notwendig sei.
Jacopo verneigte sich leicht, sein Blick streifte schnell und prüfend den Kreis der Anwesenden und ein flüchtiges, leicht spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen.
»Ihr habt gewiß gute Absichten, edle Herren,« sagte er, »und wohl wäre es zu wünschen, daß die Republik ihre alte Freiheit bewahrt hätte oder zu derselben zurückkehren könnte – ich sehe aber nicht ein, wie dies geschehen sollte. Ihr wollt die Medici stürzen, das ist ein schweres Werk, da das ganze Volk zu ihnen steht, gegen das wir keine Macht haben, das ist ein Bollwerk, stärker als feste Burgen und Mauern, Ihr werdet Euch den Kopf daran zerrennen, und nichts erreichen, als Euer eigenes Verderben. Die Macht der Medici wird stärker und fester sein als vorher, ich will davon nichts hören und bitte Euch, mir nicht mehr davon zu sprechen.«
Alle sahen sich betroffen an, sie hatten eine so bestimmte Ablehnung nicht erwartet.
Francesco aber sagte:
»Wohl habt Ihr Recht, mein Oheim, daß die Macht der Medici sich auf die Masse des Volks stützt, gegen die wir einzeln nichts auszurichten vermögen, aber die Volksmassen sind wankelmütig und feig, gelingt es uns nur, die beiden Brüder zu vernichten – und das wird ein Leichtes sein – und dann den ersten Ansturm des Volkes niederzuhalten, so wird die Masse sich bald fügen und ihren alten Herren, die sich auf das Recht der Vergangenheit stützen, ebenso zujubeln, wie sie es den rechtlosen Emporkömmlingen gegenüber thut. Und dafür ist gesorgt. Wenn der Kardinal Riario als Legat von Perugia hierher kommt und der Erzbischof von Pisa ihm zur Begrüßung entgegengeht, so wird es die Pflicht der Medici sein, diesen Kirchenfürsten, wenn derselbe auch in unserem Hause seine Wohnung nimmt, festlich zu empfangen und sie werden in ihrer Eitelkeit diese Pflicht mit besonderer Befriedigung erfüllen. Bei solchem Fest wird es ein Leichtes sein, uns der Beiden zu bemächtigen.«
»Und das Volk,« fiel Jacopo ein, »wird seine Lieblinge wieder befreien und sie höher erheben als bisher.«
»Auch dafür ist gesorgt, mein Oheim,« sagte Francesco. »Der Graf Girolamo hat bei Imola zweitausend Mann auserlesener Truppen versammelt, welche unter dem Befehl unseres Freundes, des tapferen Capitano de Montesecco stehen. Diese Truppen werden an dem zur Ausführung unseres Plans bestimmten Tage in kleinen Abteilungen bis an die Stadt heranrücken und sogleich nach geschehener That, ehe noch das Volk sich zusammenrotten kann, einziehen, die Stadt besetzen und jede Bewegung niederhalten, so daß wir vollkommen Herren der Lage sein werden und die beiden Brüder dem Grafen Girolamo, der dann in Imola anwesend ist, ausliefern können, um sie nach Rom zu führen, wo der heilige Vater selbst auf unsere Beschwerde über ihre Schuld das Urteil sprechen soll.«
Jacopo hatte aufmerksam zugehört.
Er wendete sich zu Montesecco und sagte:
»Der Plan klingt wohl überlegt – was meint Ihr dazu, mein tapferer Capitano?«
»Es ist,« erwiderte Montesecco mit einem leisen Seufzer, »wie der edle Franzesco es Euch gesagt – ich habe von meinem Herrn, dem Grafen Girolamo, den Befehl, an die Stadt heranzurücken, mich zur Verfügung des Herrn Francesco zu stellen und auf seinen Befehl die Brüder Lorenzo und Giuliano an den Grafen auszuliefern, auch bei deren Gefangennehmung hülfreiche Hand zu leisten.«
»Das klingt freilich besser und ist, wie mir scheint, wohlüberlegt,« sagte Jacopo. »Doch wenn dies geschehen, was wird Seine Heiligkeit dazu sagen? Wenn er keine Schuld an dem Medici fände, dann wäre es schlimmer für uns als vorher und wir haben keine Anklage wegen irgend welcher Gewalttaten – sie haben die Herrschaft, unter der wir freilich seufzen, nicht erzwungen, sondern vom freiem Willen des Volks erhalten.«
»War es nicht eine Gewaltthat ohne gleichen,« rief Francesco, »daß Lorenzo es gewagt, den Erzbischof von Pisa, einen edlen Florentiner, jahrelang von seinem Bischofssitz auszuschließen. War es nicht ein Trotz ohne gleichen, dem Papst die Beschaffung des Kaufgeldes von Imola unter nichtigen Vorwänden zu verweigern? Der Zorn Seiner Heiligkeit ist tief und wohl begründet und wenn er bis jetzt zurückgehalten wurde, so ist es nur geschehen, um nicht mit seinem Strahl die Stadt Florenz und das unwissende und bethörte Volk mit den Schuldigen zu treffen. Unser Wille und unser Plan, die Medici von ihrer anmaßenden Höhe herabzustoßen, ist dem heiligen Vater bekannt und von ihm durchweg gebilligt.
Seine Heiligkeit wird uns Dank wissen, wenn wir den trotzigen Medici seinem Gericht ausliefern und unser Werk, das unserem Vaterlande die Freiheit bringt, ist auch des Segens der Kirche gewiß. Der Papst hat unseren Plan gebilligt und auch dafür wird der Capitano mein Zeuge sein, denn er war mit mir gegenwärtig, als der heilige Vater unserem Vorhaben seinen Segen gab.«
Wieder blickte Jacopo wie fragend nach Montesecco hin.
»Es ist so, wie Ihr hört,« sagte dieser. »Nach dem Willen des heiligen Vaters hat mein Herr, der Kardinal Girolamo, mir seinen Auftrag erteilt und ich kann Euch versichern, edle Herren, daß ich mich von einem solchen Unternehmen, in welchem ich zwei einzelnen Männern gegenüberstehe, statt in offener Feldschlacht mit dem Feinde zu ringen, fernhalten würde, wenn nicht des heiligen Vaters Befehl mir die Pflicht des Gehorsams auferlegte.«
Jacopo neigte den Kopf sinnend auf die Brust.
Mit gespannter Erwartung hingen die Blicke aller Anwesenden an ihm.
»Wenn es so ist, edle Herren,« sagte er dann, »so ist freilich das Gelingen dieser Sache, durch welche die Freiheit unseres Vaterlandes wieder hergestellt werden würde, wohl möglich, und die Billigung Seiner Heiligkeit muß jedes Bedenken verschwinden lassen, denn der Papst würde sie nicht ausgesprochen haben, wenn er die Medici nicht zugleich als Feinde des apostolischen Stuhls und des großen Italienischen Vaterlandes betrachtete. Ich bin also bereit, Euch zu unterstützen, doch muß der Plan so gemacht werden, daß der Erfolg nicht in Frage gestellt wird.«
»Der Plan ist fertig,« sagte Francesco, »der Capitano wird seine Truppen gegen die Stadt rücken lassen, und, was bei der schwachen Wache an den Thoren ein Leichtes ist, sogleich das militärische Kommando übernehmen, um die Pöbelmassen niederzuhalten, sobald der Schlag gegen die Medici geführt ist. Dies wird bei dem Gastmahl geschehen, das sie für den Kardinal Riario veranstalten, sei es in ihrem eigenen Hause, sei es in der Villa Fiesole, was noch günstiger wäre.«
»Und Ihr glaubt,« fragte Jacopo mit lauernden Blicken, »daß die beiden Brüder sich so leicht werden überwältigen und gefangen nehmen lassen.«
»Sie werden kaum zum Kampf gerüstet sein,« erwiderte Francesco, »während wir uns mit starken und scharfen Waffen versehen werden – wir werden sie umgeben und mit dem Ruf ›es lebe die Republik‹, uns auf sie stürzen, jeder Widerstand, den sie leisten möchten, könnte dann nur mit ihrer Vernichtung enden.«
»Wir werden mit ihnen fertig werden,« rief Napoleone Franzesi lachend, indem er seinen Degen in der Scheide spielen ließ »und der Kampf wird bald beendet sein.«
»Das ist ein Spiel auf Leben und Tod,« sagte Jacopo, »das müßt Ihr bedenken, im Kampf hat niemand die Macht, seiner Klinge den Weg vorzuschreiben.«
»Man soll diese Macht haben,« sagte Montesecco herantretend mit ernstem Nachdruck, denn ich muß den Herren sagen, daß Seine Heiligkeit der Papst zwar den Sturz der Medici und die Verwendung der unter meinem Befehl stehenden Truppen genehmigt, aber auch zugleich verboten hat, das Leben der beiden Brüder in Gefahr zu bringen.«
»Ganz Recht,« fiel Francesco schnell ein, während Jacopo den Kopf senkte und Napoleone Franzesi sich spöttisch lächelnd zur Seite wendete, »und wir werden bestrebt sein, dem Willen Seiner Heiligkeit zu entsprechen, indem wir ihn von seinen Feinden befreien. Eure Sache, mein Oheim, aber wird es dann sein, das Volk aufzuklären, die Befreiung von dem unwürdigen Joch zu verkünden und die leicht bewegte Masse, die ja, Euch von unserem ganzen Hause am freundlichsten gesinnt ist, dahin zu überreden, daß sie sich uns zuwendet.«
»Dazu bin ich bereit,« antwortete Jacopo, »und ich glaube auch vorher schon den einen oder den anderen unter den Bürgern, welche zuweilen kommen, um meinen Rat zu holen oder einmal glauben, daß sie sich über die Medici zu beklagen haben, auf den Weg zu unserer Sache zu führen, so daß wir auch im Volke selbst Unterstützung finden werden.«
»Wir sind also einig,« sagte Francesco »und haben nur noch den Tag der Ausführung zu bestimmen.«
»Der Tag der Ausführung wird von den Ereignissen abhängen und läßt sich heute noch nicht festsetzen,« bemerkte Jacopo, »wir müssen nur wissen, welche Zeit der Capitano Montesecco bedarf, um seine Truppen an die Stadt heranzurücken. Mit diesem festen Rückhalt müssen wir rechnen, wenn wir hier ans Werk gehen.«
»Ich bedarf nur wenige Tage,« erwiderte Montesecco, »da die Truppen schnell in zerstreuten Kolonnen heranrücken müssen, wenn nicht davon schon die Nachricht zu früh hierher gelangen sollte. Die erste Bedingung für das Gelingen ist das unverbrüchliche Geheimnis.«
»Das soll bewahrt werden,« rief Francesco, »wer es verletzte, würde sich ja selbst dem sicheren Untergange opfern.«
»So ist denn alles abgemacht, was heute abgemacht werden kann – wir wollen von nun an die Zusammenkünfte hier vermeiden, denn Lorenzo könnte dadurch Verdacht schöpfen – ich werde durch sichere Boten die Herren benachrichtigen von allem, was nötig ist und auch dem Kardinal Girolamo Nachricht geben.
Für heute bitte ich Sie alle, meine Gäste zu sein – wir müssen uns frohen Mut erhalten und das wird wohl leicht sein, da wir ja unsere Zukunft von dem Druck der Tyrannei befreien wollen.«
Er führte die Gesellschaft, der sich auch Jacopo anschloß, in die prächtigen Räume seiner Wohnung.
Im Speisesaal stand ein ausgesuchtes Nachtmahl bereit und lange noch blieben alle beisammen, durch die edlen Weine der Keller des Hauses Pazzi zu immer wachsender Fröhlichkeit angeregt.