Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Schon am frühen Morgen des nächsten Tages, des letzten Sonntags vor dem Himmelfahrtsfeste, war ganz Florenz in Bewegung und in dem Palast der Medici war die ganze Dienerschaft in reicher goldschimmernder Tracht bereit, die zahlreichen Gäste zu empfangen.
Sie alle versammelten sich früh schon in den Prunkgemächern des Hauses, wo sie Madonna Clarice in einem Kleide von weißem Brokat mit einer prachtvoll gestickten Mantelkappe, wie die vornehmen Damen sie in Florenz nach alter Sitte trugen, empfing, Edelsteine glänzten an ihrem Gürtel, in ihrem Haar und den Spangen ihrer Arme und überstrahlten fast die Markgräfin von Malaspina, welche mit den übrigen Damen ihrer Verwandtschaft half, die Gäste zu begrüßen, während Lorenzos Mutter Lucretia, aus dem Hause Tornabuoni, eine ehrwürdige Matrone in dunklen Sammet mit Silberstickerei gekleidet, auf einem Lehnstuhl die Begrüßung der Fremden erwartete.
Unter den Damen strahlte vor allen, in rosig blühender Jugendschönheit, die Marchesina Giovanna von Malaspina, und Lorenzo, wie immer einfach in dunkle Farben gekleidet und nur mit wenigen auserlesenen Edelsteinen geschmückt, war umgeben von allen Freunden und Verwandten seines Hauses, unter denen sich Cosimo Ruccellai in schimmerndem Gold- und weißem Brokatanzug mit purpurblauem Überwurf stets an seiner Seite hielt, um jedes Auftrags gewärtig zu sein. Es kamen auf prächtig geschirrten Pferden, von zahlreichem Gefolge begleitet, der Botschafter des Königs von Neapel Marino Tomacelli, die Gesandten der Herzöge von Mailand und Ferrara, Filippo Sagramoro und Nicolo Bendedei, dann die florentinischen Ritter, Antonio Ridolfi, Bongianni Gianfingliazzi, Bernardo Bongirolami und alle übrigen Träger der alten und vornehmen Namen der florentinischen Republik. Sie alle wurden von den Dienern unter dem Portal des Palastes empfangen und in die Säle geleitet, während die Pferde und Diener die Höfe füllten.
Nur kurze Zeit erst waren alle Geladenen vereinigt, als die Ankunft des Kardinals Riario gemeldet wurde.
Er ritt in einfachem Anzuge in das Portal ein; ihm folgte der Erzbischof Salviati und alle Pazzis mit ihrer Verwandtschaft, unter denen auch Guiglielmo mit seiner Gemahlin Bianca, der Schwester Lorenzos, einer ernsten und stolzblickenden Dame, in prächtig schimmerndem Brokatkleide, welche ihrem schwachen und etwas unsicher auftretenden Gemahl an Willenskraft weit überlegen war.
Francesco de Pazzi führte Bandini und Napoleone Francesi mit sich, welche, obwohl sie nicht zu den Freunden des Mediceischen Hauses gehörten, doch heute gastfrei empfangen wurden.
Montesecco führte die militärische Eskorte, welche der Graf Girolamo von Imola aus seinem Neffen mitgegeben hatte und welche aus über hundert Reitern seiner besten Truppen bestand.
Er ließ diese Wache am Palast halten und folgte dann mit finsterer Miene den übrigen in die Festräume.
Lorenzo hatte bei der Meldung der Ankunft des Kardinals Cosimo Ruccellai abgesendet, um seinen hohen Gast zunächst in die für denselben bereit gehaltenen Räume zu führen, wo derselbe sich ankleiden wollte, um dann zu Fuß nach dem nahen Dom sich zu begeben.
Er selbst empfing alle seine Gäste mit seiner gewohnten Artigkeit, hieß auch Bandini verbindlich und artig in seinem Hause willkommen, ohne auch nur mit einem Wort oder einer Miene eine Erinnerung an ihre letzte Begegnung anzudeuten.
Francesco de Pazzi fragte mit ängstlicher Unruhe nach dem Befinden Giulianos und zog sich dann, als Lorenzo ihm sagte, daß sein Bruder noch zu leidend sei, um der Gesellschaft beizuwohnen, aber in der Kirche erscheinen werde, dem Kardinal seine Ehrerbietung zu bezeugen, in leisem eifrigen Gespräch mit Bandini in ein Nebengemach zurück.
Nach kurzer Zeit erschien dann auch der Kardinal, in dem Purpurgewande und dem Mantel, das Barett auf dem Haupt, eine seltsame aber anziehende und anmutige Erscheinung, der zarte knabenhafte Kirchenfürst, der sich Mühe gab, seine jugendliche Scheu zu überwinden und die Würde seiner hohen Stellung in Miene und Haltung zu bewahren.
Lorenzo und seine Gemahlin begrüßten ihn ehrerbietig und ihm allein kam auch Madonna Lucretia, von ihrem Sessel sich erhebend, einige Schritte entgegen. Während sich Raffaello mit Lorenzos Mutter in fast ehrerbietiger Haltung unterhielt, trat Lorenzo zu Montesecco und drückte ihm herzlich die Hand.
»Ihr habt prächtige Reiter mitgebracht, tapferer Capitano,« sagte er, »solche Truppen möchte ich mir wünschen, wenn wir jemals in die Lage kämen, Krieg zu führen – ich sah sie heute in aller Frühe schon wie sie aus ihrem Quartier in der Vorstadt einrückten, um Seine Eminenz abzuholen, als ich zur Frühmesse ging.«
»So habt Ihr schon die Messe gehört, erlauchter Herr?« fragte Montesecco lebhaft.
»Es ist so meine Gewohnheit,« erwiderte Lorenzo, »den Tag, der für mich früh anfängt, mit dem Gottesdienst zu beginnen.«
»Dann werdet Ihr jetzt nicht nach dem Dom gehen?« fragte Montesecco, indem er tief aufatmete, als ob eine Last von ihm genommen wäre.
»Doch,« erwiderte Lorenzo, »ich werde Seine Eminenz, der für heute der Gast meines Hauses ist, begleiten, wie es meine Pflicht verlangt.«
Montesecco öffnete die Lippen, es schien, daß er etwas sagen wolle, aber schon trat der Kardinal heran, den es drängte, die ihm peinliche Repräsentation abzukürzen und fragte, ob es nicht Zeit sei, nach dem Dome aufzubrechen.
Montesecco trat seufzend zurück und Lorenzo schritt an der Seite des jungen Kirchenfürsten dem Ausgange zu.
Alle Herren folgten, während die Damen sich bis zu dem Frühmahl, das unmittelbar nach dem Gottesdienst stattfinden sollte, in ihre Zimmer zurückzogen.
Cosimo Ruccellai warf Giovanna, unmittelbar hinter Lorenzo und dem Kardinal herschreitend, mit der Spitze seines Fingers die Lippen berührend, einen Kuß zu und die liebliche Marchesina erwiderte errötend und glücklich lächelnd den Liebesgruß.
Es war ein prächtiger, in allem blendenden Glanz der Farben, der goldenen Stickereien und der Edelsteine schimmernder Zug, der durch die nach dem Dom führende Straße dahinschritt.
Der Kardinal wurde von der Volksmenge ehrerbietig begrüßt. Er neigte nach rechts und links den Kopf und erhob immer wieder die Hand, um das Zeichen des Kreuzes zu machen, vor dem einige wohl das Knie beugten, aber eigentlich galten die Grüße der Menge doch nur Lorenzo, denn ringsum hörte man immer nur den Ruf: »Palle – Palle –,« die Huldigung des Volkes für die Medici, bei welchem die Freunde der Pazzi finster zu Boden blickten und leise drohende Worte vor sich hin flüsterten.
Als der Zug, dem sich zahlreiche Diener und Monteseccos Reiter anschlossen, das Portal des Mediceischen Hauses verlassen hatte, blieb der Erzbischof zurück, scheinbar in einem Gespräch mit Bracciolini und Jacopo de Pazzi.
Etwa zwanzig junge Leute hielten sich bereit und als die neugierige Menge dem Zuge folgend nach dem Dom hin drängte, schritten Salviati und Bracciolini schnell dem Wege nach dem Palast der Signorie zu, während die übrigen Zurückgebliebenen in einiger Entfernung folgten.
Auch Francesco de Pazzi und Bandini waren, als die letzten die Treppe hinabsteigend, zurückgeblieben.
»Er ist noch nicht da –« flüsterte Francesco Bandini zu, »alles ist halbes Werk und vielleicht ganz verloren, wenn wir nicht die beiden Brüder treffen können – sollten sie etwas wissen, sollte diese geheimnisvolle Abwesenheit Giulianos ein Unheil, eine Falle bedeuten?«
»Das ist nicht Giulianos Art,« sagte Bandini, »wäre etwas dergleichen im Werk, so würde Lorenzo zurückgeblieben sein – ich glaube wohl zu wissen, warum Giuliano nicht da ist und was ihn beschäftigt – laß ihn, ich bürge dafür, daß er uns nicht entgehen soll, wenn wir nur erst mit dem Andern fertig sind.«
»Nein, nein,« sagte Francesco Pazzi, »das darf nicht sein, wir dürfen nichts dem Zufall überlassen, der verhängnisvoll werden könnte. – Wir müssen Giuliano haben, in demselben Augenblick muß beide der vernichtende Schlag treffen – komm mit, ich muß mich selbst überzeugen, was das bedeutet.«
Er eilte nach dem von Giuliano bewohnten Flügel des Mediceischen Palastes.
Hier herrschte im Gegensatz zu den übrigen Räumen tiefe Ruhe, wenige Diener nur waren im Vorzimmer, sie ließen Francesco, den sie als einen Freund ihres Herrn kannten, ungehindert ein und dieser trat, hastig die Thüre öffnend, in das ihm wohlbekannte Gemach. Giuliano stand zum Ausgehen gekleidet im reich gestickten Überwurf mit den lang herabhängenden Ärmeln, den Hut mit dem Federstutz an funkelnder Agraffe in der Hand, am Fenster und blickte wie träumend in die Gärten hinaus.
Bei dem hastigen Eintreten der Beiden wendete er sich erstaunt um.
»Was hast du, Giuliano,« rief Francesco, »du kannst unmöglich so krank sein, um heute nicht einmal im Dom zu erscheinen – ich sehe es, du bist zum Ausgehen angekleidet, alle sind schon auf dem Wege, es ist kein Augenblick Zeit zu verlieren, also komm, komm, laß uns eilen!« »Wohl bin ich angekleidet und habe auch versprochen zu kommen,« erwiderte Giuliano seufzend, »aber ich bin wirklich nicht wohl, du magst es mir glauben und eben dachte ich darüber nach, daß eigentlich meine Anwesenheit dort wenig bedeutet und daß es mir so wohl thun würde, hier in ruhiger Stille zu bleiben.«
»Deine Anwesenheit bedeutete nichts?« rief Francesco, »das ist zu viel Bescheidenheit – bist du nicht dasselbe wie Lorenzo? – Der Kardinal würde durch dein Fehlen gekränkt sein, da du ja schon das Gastmahl abgesagt hast und du bist es deiner Stellung schuldig, die Pflichten der Höflichkeit gegen einen Fürsten der Kirche und Neffen des Papstes zu erfüllen. Es wäre schade,« fügte er lachend hinzu, »wenn dich das Volk in diesem prächtigen Aufzug nicht sähe. Welche herrliche Stickerei hier auf deiner Brust – ich beneide dich darum.«
Er betastete bei diesen Worten an verschiedenen Stellen die Stickerei auf Giulianos Brust.
»Ich kann dich versichern,« erwiderte Giuliano zurücktretend, »daß ich heute nicht daran gedacht habe, mich besonders zu schmücken und daß ich nicht weiß, woher diese Stickereien stammen. Doch wenn es denn sein muß, so will ich mit Euch gehen, aber versprecht mir, mich nicht zu drängen, daß ich bei dem Gastmahl bleibe, denn es würde vergebens sein.«
»Kommt, kommt, erlauchter Giuliano,« rief Bandini, »ich höre Glockenläuten, der Kardinal ist in den Dom getreten und der Gottesdienst beginnt.«
Während Giuliano noch einmal vor einen großen venetianischen Spiegel trat, um einen letzten Blick auf seinen Anzug zu werfen, flüsterte Francesco Banoini zu:
»Ich habe ihn betastet, er trägt keinen Panzer unter seinem Wams und alles wird gelingen, in einer Stunde sind wir Herren von Florenz.«
Er nahm Giulianos Arm, Bandini folgte und die drei eilten durch die leer gewordenen Straßen nach dem Dom hin, den die Menge umdrängte und vor welchem Monteseccos Reiter standen, um den Eingang frei zu halten. Das Innere der prächtigen Kirche bot einen überaus glänzenden Anblick. Alle Plätze waren gefüllt mit Mitgliedern der höheren florentinischen Bürgerschaft. Dem Kardinal war ein Betstuhl innerhalb der Schranken des Chors aufgestellt, gerade dem Altar gegenüber. Ihn umgab sein persönliches Gefolge und die ganze Gesellschaft, welche sich im Hause der Medici versammelt hatte. Darüber wölbte sich die schöne Kuppel von Brunellesco und die durch die Fenster einfallenden Lichtstrahlen ließen über den prächtigen Schmuck der Kirche hin und die buntfarbig schimmernden Gewänder der Versammlung ihre Reflexe spielen.
Lorenzo stand außerhalb des Chors neben den Schranken, er hatte seinen Gästen artig den Vortritt zu den Plätzen in der Nähe des Kardinals überlassen.
Der celebrierende Priester stand am Altar, der im hellen Kerzenlicht schimmerte. Die anderen bei dem Hochamt beschäftigten Geistlichen umgaben ihn, Weihrauchwolken durchdufteten die Luft.
Die Messe hatte begonnen und der meisterhaft ausgeführte Gesang hallte durch den weiten Raum.
Francesco zog Giuliano durch den inneren freigehaltenen Gang der Kirche fort und drängte ihn in den Chor.
Bandini hielt sich an seiner Seite. Montesecco war in der Nähe des Ausganges geblieben, um seine Truppen zur Hand zu haben. Er blickte finster und unruhig um sich, ungewiß was kommen würde, immer noch hoffend, daß man es nicht wagen würde, irgend einen tollkühnen Anschlag auszuführen, da alles so ruhig und friedlich schien.
Die Messe nahm ihren Fortgang.
Die Andacht war in der ganzen Versammlung nicht groß, da alle nur Augen für die glänzende Versammlung hatten, die den Altar umgab. Endlich gab das helle Glöckchen, auf dessen Ton auch die große Domglocke anschlug, das Zeichen der heiligen Wandlung, der Priester erhob die Monstranz, alle Anwesenden sanken auf die Knie, in demselben Augenblick aber unterbrach ein lauter Schrei die tiefe feierliche Stille.
Bandini hatte seinen Dolch in Giulianos Brust gestoßen. Der Verwundete war aufgesprungen, aber nach einem Schritt schon stürzte er, von Blut überströmt, wieder nieder.
Francesco de Pazzi warf sich auf ihn und stieß mit so wilder Wut auf den schon tödlich Getroffenen los, daß er sich selbst mit dem eigenen Dolche in die Schenkel verwundete und ebenfalls in die Knie sank.
In demselben Augenblick blitzten in den Händen aller Verschworenen Schwerter und Dolche. Der Kardinal Raffaello fuhr entsetzt auf und erstieg zitternd und totenbleich die Stufen des Altars, wo die Priester ihn schützend umringten. Antonio Maffai, der mit Stefano Bagnone neben Lorenzo stand, erhob seinen Dolch, aber der nach dem Halse gezielte Stoß ging fehl und traf die Schulter Lorenzos, der schnell seinen weiten Überwurf um den Arm schlang und so sich deckend den Degen zog, um den Angriff Bandinis abzuwehren, der mit seinem vom Blut Giulianos triefenden Dolche gegen ihn heranstürmte. Im Nu waren auch die Waffen der Freunde der Medici blank. Giovanni Tornabuoni und andere umringten Lorenzo und drängten ihn nach der Sakristei hin, deren eherne Thüren Politiano aufgerissen hatte und sie schnell wieder schloß, als Lorenzo in Sicherheit war.
Cosimo Ruccellai warf sich Bandini entgegen, der eben noch einen Freund der Medici, Francesco Nori, niedergestochen hatte und drang, nachdem er Bandini den Dolch aus der Hand geschlagen, auf Francesco Pazzi ein, der sich wieder erhoben hatte und die Verschworenen anfeuerte, in die Sakristei zu dringen.
»Ha, du kommst mir recht,« rief Francesco bebend vor Wut bei Cosimos Anblick, »wenigstens sollst du es büßen, daß du es gewagt, meine Wege zu kreuzen.«
Er drang auf Cosimo ein, dessen kostbares Kleid mit Blut bespritzt war, aber der junge Mann, der noch nie in blutigem Ernst eine Waffe geführt hatte, wehrte ihn mit kaltblütigem Mut mit der Spitze seines Degens ab.
Schäumend vor Wut suchte Francesco die ihn bedrohende Klinge nach dem Griff hin zu erfassen. Als ihm das nicht gelang, schleuderte er seinen starken, zweischneidigen Dolch gegen Cosimos Brust, aber seine schmerzhafte Wunde begann ihn zu entkräften, er hatte die sichere Haltung verloren, der blutige Dolch flog an Cosimo vorbei und dieser zückte seinen Degen gegen die Brust seines wilden Feindes.
Francesco aber verlor völlig seine Kraft, er brach zusammen und sank in die Knie. Er versuchte seinen Degen zu ziehen, doch schon drang die Spitze von Cosimos Klinge durch sein Wams.
Als dieser den Feind wehrlos vor sich sah, zog er die Waffe zurück und sagte:
»Mein Degen soll nicht mit dem Blut eines feigen Meuchelmörders befleckt werden, die ritterliche Waffe soll nicht dem Beil des Henkers vorgreifen, dem du verfallen bist.« Francescos Gesicht wurde erdfahl; er machte einen Versuch, sich aufzurichten und rief mit heiserer Stimme:
»Stoß zu, elender Bube, von dir nimmt Francesco Pazzi sein Leben nicht geschenkt!«
Es gelang ihm, seinen Degen zu ziehen, aber schon hatte sich Cosimo abgewendet und war zu Giulianos Leiche geeilt, an welcher Giovanni Tornabuoni vergebens ein Lebenszeichen zu entdecken versuchte.
Bandini kam, nachdem er vergebens gegen die Thür der Sakristei angestürmt war, zu Francesco, hob ihn auf und zog ihn, seine Schulter stützend, mit sich fort.
»Alles ist verloren,« sagte er, »Lorenzo ist in Sicherheit, für uns ist hier nichts mehr zu thun, durch jene Seitenthür kommen wir in die Nähe deines Hauses, dort mußt du dich verbergen, ich werde meinen Weg finden.«
Er verschwand mit Francesco durch eine kleine, wenig bemerkte Seitenthür, auf die niemand achtete.
In der Kirche war eine unendliche Verwirrung entstanden, die wenigsten wußten, warum es sich handelte, – während um den Altar her die Degen gegeneinander klirrten, riefen von ferne einzelne Stimmen, die Kuppel sei eingestürzt und mit gellendem Angstruf drängte sich alles dem Ausgange zu, denn die Verschworenen, die Freunde der Pazzi, sahen ein, daß durch Lorenzos Rettung die Sache für sie verloren sei und begaben sich, so viel sie es vermochten, unter die zum Ausgange Drängenden, um sich zu retten.
Guiglielmo beteuerte mit heiligen Schwüren, neben Giulianos Leiche knieend, seine Unschuld, und wurde endlich von Tornabuoni in eine alte Sakristei geführt, wohin auch die Priester den Kardinal Raffaello gebracht hatten, dessen Gesicht mit einer leichenfarbenen Blässe bedeckt war und der nur einzelne heisere Worte stammeln konnte, um seine Unkenntnis und Unschuld an dem furchtbaren Vorgange zu versichern.
Endlich begann sich die Kirche zu leeren und schnell verbreitete sich die Kunde von dem, was innerhalb derselben vorgegangen, unter das Volk, das in immer dichteren Massen die Straßen erfüllte und laute Verwünschungen gegen die Feinde der Medici ausstieß.
Montesecco hatte bei dem Beginn des Kampfes um den Altar sogleich die Kirche verlassen, er war entsetzt über die furchtbare Tempelschändung durch einen Mord, im Augenblick der Enthüllung des heiligen Sakraments, Er erinnerte sich an des Papstes bestimmten Befehl, kein Blut zu vergießen und war entschlossen, mit seinen Soldaten die Stadt zu verlassen. Er wollte sie in die Kirche führen und um jeden Preis den Kardinal retten, der seiner Hut anvertraut war; aber er fand die Soldaten nicht mehr. Jacopo de Pazzi, welcher ebenfalls am Eingange der Thür zurückgeblieben war, hatte sich bei dem ersten Ton der Glocke, auf ein von seinen Dienern bereit gehaltenes Pferd geworfen und den Reitern im Namen des Kardinals, von dem er einen Auftrag habe, befohlen, ihm zu folgen.
Die Soldaten, welche Jacopo stets in der Umgebung des Kardinals und auch von ihrem Capitano hoch ausgezeichnet gesehen hatten, gehorchten dem Befehl und Jacopo ritt durch die Straßen davon, überall den ihn Begegnenden zurufend:
»Freiheit den Bürgern – Untergang den Tyrannen!«
Die um den Dom zusammengedrängte Menge achtete kaum auf die davon sprengenden Reiter, da bereits aus dem Innern der Kirche der Lärm hervorschallte. In den Straßen öffneten sich die Fenster, Vorübergehende blieben stehen, einige Neugierige folgten, aber niemand verstand Jacopos Rufe, welche die einzige Wirkung hatten, immer mehr Menschen auf die Straße zu locken, da man ein neues und glänzendes Schauspiel erwartete.
Montesecco erschrak, als er seine Soldaten nicht mehr sah.
»Zum Teufel,« sagte er, »das Unheil ist im Gange, ich kann es nicht mehr ändern, jetzt gilt's, das eigene Leben zu retten!«
Und schnell eilte er in der Richtung nach der Vorstadt davon, um die Osteria zum goldenen Becher zu erreichen.
Während dies alles innerhalb des Domes und dessen Umgebung vorging, war der Erzbischof Francesco Salviati nach dem Palast der Signorie gegangen, gefolgt von den Verschworenen, welche Jacopo Bracciolini führte, um sich, wenn die entscheidende That vollzogen sein würde, sogleich des Sitzes der Regierung zu bemächtigen.
Wider Erwarten war in dem Palast der derzeitige Gonfaloniere Cesare Petrucci und einige Magistratspersonen anwesend, um dringende Geschäftssachen zu erledigen, welche im Rückstande geblieben waren. Der Palast hatte nur eine geringe Wache und es waren auch wegen des Sonntags nur die notwendigsten Diener anwesend, so daß die mit scharfen Degen und starken Dolchen bewaffneten Begleiter des Erzbischofs mit Sicherheit hoffen konnten, sich zu Herren des Regierungssitzes zu machen.
Als der Erzbischof, der eine geschäftliche Angelegenheit auf dem Büreau abmachen zu wollen vorgab, die Anwesenheit des Gonfaloniere selbst erfuhr, war er betroffen und flüsterte einige Augenblicke mit Bracciolini, dann aber ließ er sich bei dem Gonfaloniere melden und wurde sogleich von den Dienern ehrerbietig die Treppen hinaufgeführt.
Seine Begleiter traten in ein auf dem unteren Flur befindliches Wartezimmer, wahrend Bracciolini dem Erzbischof folgte, um auf dem oberen Flur zu warten und den Verschworenen unten das Zeichen zum Angriff zu geben.
Die Thür des Wartezimmers, in welche die Begleiter des Erzbischofs getreten waren, um den vorzeitigen Verdacht einer außergewöhnlichen Absicht zu vermeiden, hatte ein besonderes kunstvolles Schloß, das von innen nicht geöffnet werden konnte. Es war dies eine Einrichtung für den Fall, daß Angeklagte zum Verhör geführt wurden und in jenem Zimmer warteten, um dieselben ohne besondere Bewachung in Sicherheit zu halten.
Einer aus der Gesellschaft warf die Thür hinter sich zu, damit die Gespräche nicht etwa von den draußen stehenden Wachen gehört werden möchten und so waren die Verschworenen, ohne es zu wissen, in dem Raume mit den von außen vergitterten Fenstern gefangen.
Cesare Petrucci, ein hoch und kräftig gewachsener Mann, mit stolz und kühn blickenden Augen, trat mit den übrigen Magistratsmitgliedern dem ihm gemeldeten Erzbischof bis auf die Schwelle des Beratungssaales entgegen, begrüßte den hohen Prälaten mit der dessen Stellung entsprechenden Ehrerbietung und ließ ihn neben sich auf einen Lehnsessel an dem mit Pergamentrollen und Gesetzbüchern bedeckten Tisch Platz nehmen, indem er mit ruhiger Artigkeit nach seinem Begehr fragte.
Die Befangenheit des Erzbischofs, dessen listig geschmeidige Natur mehr zu verstecktem Intriguenspiel als zu kühnem Handeln veranlagt war, wurde immer größer unter dem klaren durchdringenden Blick des Gonfaloniere, für den er eigentlich keine geschäftliche Frage in Bereitschaft hatte. Er war in der Erwartung gekommen, nur irgend einen Unterbeamten zu finden und durch angebliches Forschen nach einem Aktenstück die Zeit bis zu dem Zeichen, das die Domglocke geben sollte, hinzubringen.
Eine kühne und handlungskräftige Natur hätte bei diesen veränderten Verhältnissen, ohne jenes Zeichen abzuwarten, sogleich den Angriff begonnen, der bei der Übermacht der Verschworenen vielleicht zum Siege geführt und den Regierungssitz in ihre Hände gebracht haben würde. Der Erzbischof aber saß unruhig und verlegen einige Augenblicke auf seinem Sessel, so daß ihn Petrucci verwundert und fragend ansah.
Dann endlich sagte er mit unsicherer Stimme, er habe von dem Papste einen besonders wichtigen Auftrag erhalten, den er der Signorie ohne Verzug mitzuteilen sich beeilen wolle.
»So wußtet Ihr, hochwürdigster Herr,« sagte Petrucci noch mehr erstaunt, »daß ich heute hier anwesend sein würde?«
»Ich hatte davon gehört« – stammelte der Erzbischof verlegen, »und gerade deswegen kam ich, weil ich Euch, erlauchter Gonfaloniere, zugleich noch die Botschaft bringen wollte, daß Seine Heiligkeit der Papst, um der Republik und Euch seine besondere Gnade zu beweisen, den Wunsch hat, Euern Sohn in seinen Dienst zu nehmen und ihn, wenn Ihr damit einverstanden seid, mit einer Gesandtschaft an – an die Regentin von Mailand zu betrauen.«
»Ich habe eine solche Gnade nicht erbeten,« erwiderte Petrucci, immer mehr verwundert über das unsichere Wesen des Prälaten, der mehrmals ängstlich nach der Thür blickte, als ob er von dort irgend eine Nachricht erwarte – »und ich zweifle, ob mein Sohn das so gnädige Vertrauen Seiner Heiligkeit, für das ich pflichtschuldigst dankbar bin, zu rechtfertigen im stande sein wird. – Erlaubt, daß ich mich mit ihm darüber berate, und wollt mir Euern Auftrag an die Signorie mitteilen, damit ich, wenn es nötig ist, sobald als möglich die Versammlung berufen kann.«
Wieder stammelte der Erzbischof einige kaum verständliche Worte und blickte ängstlich nach der Thür hin.
Von draußen hörte man ein dumpfes Geräusch – die Verschworenen, welche gemerkt hatten, daß sie eingeschlossen waren, versuchten die Thür von innen zu öffnen.
Der Erzbischof erhob sich und wollte hinausgehen, aber schnell aufspringend kam ihm Petrucci zuvor und eilte in das Vorzimmer.
Hier fand er Bracciolini, der eben hinabsteigen wollte, da der Lärm unten immer lauter wurde. Er hielt einen blanken Dolch in der Hand und wandte sich, als er Petrucci hinter sich hörte, drohend zurück; aber schon hatte der kräftige und gewandte Gonfaloniere ihm die Waffe entrissen, er faßte ihn bei dem langem Haupthaar und riß ihn zu Boden.
»Haltet den Erzbischof fest,« rief er den Magistratspersonen in das Zimmer zurück, »und diesen Elenden hier – das ist Verrat, tückischer Verrat!«
Der Erzbischof, der ebenfalls auf die Schwelle getreten war, versuchte zu fliehen, aber er war bald überwältigt und wurde trotz seiner drohenden Berufung auf seine Würde in ein neben dem Ratssaal befindliches Kabinett geworfen.
Petrucci hielt den am Boden liegenden Bracciolini, mit festem Griff seinen Hals umspannend, so lange fest, bis auch er von den andern gefaßt und zu dem Erzbischof in Gewahrsam gebracht war. Dann zog er sein Schwert und eilte die Treppe hinab.
Die Wachen auf dem Flur, welche zuerst von feindlichen Absichten nichts ahnten, hatten die Thür des verschlossenen Wartezimmers geöffnet, die Verschworenen stürmten heraus und es begann nun ein wilder und ungleicher Kampf, da nur wenige Wachen im Palast sich befanden und die Beamten der Büreaus unbewaffnet waren. Diese aber ergriffen, was sie fanden, sogar die Gerätschaften aus der Küche im Erdgeschoß und drangen unerschrocken auf die Verschworenen ein, welche auf keinen Widerstand gerechnet hatten und durch das Verschwinden des Erzbischofs unsicher geworden waren.
Die Wachen hatten die unteren Thüren geöffnet und riefen die Vorübergehenden, die ganz entsetzt über den Lärm in dem sonst so feierlich stillen Palast stehen blieben, zur Hilfe an. Da sprengte, von Monteseccos Reitern gefolgt, Jacopo de Pazzi heran, mit dem lauten Ruf:
»Freiheit – Freiheit! Untergang den Tyrannen!«
Die Fenster öffneten sich, Menschen sammelten sich an, aber kein Ruf antwortete, vielmehr hörte man Verwünschungen von allen Seiten und Steine wurden gegen Jacopo und die Reiter geschleudert.
Jacopo hielt einen Augenblick vor der Signorie sein Pferd an, er mochte glauben, daß hier bereits alles geschehen und der Palast in den Händen des Erzbischofs und seiner Begleiter sei; als er aber Petrucci mit dem Degen in der Hand auf der Schwelle sah, wie er das Volk zur Hilfe aufrief und hinter ihm den in der Vorhalle tobenden Kampf bemerkte, gab er, von Entsetzen gefaßt, seinem Pferde die Sporen und jagte, von seinen Reitern gefolgt, im Galopp davon.
Zu gleicher Zeit drang lautes Geschrei von dem Dome her durch die dichten Menschenmassen heran; man unterschied die Rufe »Palle!–Palle!« und dazwischen wütende Verwünschungen gegen die Pazzi.
Der Gonfaloniere trat der Menge entgegen und erfuhr nun in hastig verwirrten Erzählungen, daß im Dome ein Hochverrat gegen die Republik begangen, daß Giuliano ermordet und Lorenzo wohl auch tödlich getroffen sei, und daß die Pazzi und der Erzbischof von Pisa schuld an diesem unerhörten Frevel seien.
»Hierher, hierher, Freunde!« rief Petrucci, seinen Degen schwingend, »den Erzbischof haben wir, dort jagt Jacopo mit den Söldnern hin – kommt, den Palast der Signorie von den Meuchelmördern zu reinigen.«
Ringsum aus der Menge blitzten Degenklingen und Dolche, einige stürmten, freilich vergeblich, Jacopo und seinen Reitern nach, andere drangen in die Vorhalle. Bald waren die Verschworenen zusammengedrängt und es begann nun ein wilder Verzweiflungskampf für sie, denn die andrängende Menge wuchs in jedem Augenblick und geriet in immer größere Wut durch die neuen Erzählungen, welche die Nachkommenden von den Gräueln im Dome brachten.
»Wir verlangen Gehör und Gericht,« riefen einige der gegen die Mauer gedrängten Verschworenen, aber mit donnernder Stimme antwortete ihnen Petrucci:
»Es giebt kein Gehör für Meuchelmörder und Hochverräter am Vaterlande. – Ihr seid gerichtet – vorwärts, Freunde, reinigt den Boden des Vaterlandes von diesen Verworfenen!«
»Palle! Palle!« antwortete die tobende Menge und stürmte von allen Seiten auf die Verschworenen ein, welche, in die Enge gedrängt, kaum ihre Waffen gebrauchen konnten. Eine furchtbare Metzelei begann, bald bedeckten zuckende Leichen den Boden, und wenn es hier und dort einem Verwundeten gelang, die Treppe hinaufzuflüchten, so wurde er bald eingeholt und, von Dolchstößen durchbohrt, über die steinernen Stufen hinabgeschleudert.
Bald war niemand mehr übrig und die Menge rief mit lauten Verwünschungen nach dem Erzbischof.
»Ihm soll sein Recht werden,« erwiderte Petrucci, der ruhig auf den Treppenstufen stand, »kommt!«
Er wendete sich, der nachdrängenden Menge voran, dem oberen Stockwerk zu.
Da aber klang neuer tobender Lärm von dem Portal herauf, Petrucci blickte zurück und sah, wie ein Haufen wütenden Volks in den Palast drang, einen blutenden, kaum bekleideten Körper auf den Schultern tragend.
Auf seinen Wink machte man Platz, und die Neuangekommenen drangen bis zu Petrucci durch, den sie mit lauten Rufen begrüßten.
»Hier,« rief ein großer, starker Mann von der Zunft der Wollschläger, »hier, erlauchter Gonfaloniere, bringen wir den verruchten Mörder des edlen, teuren Giuliano, – er hatte sich feige versteckt, in seinem Bett haben wir ihn gefunden, in dem höllischen Hause der Pazzi.«
Er warf den Körper, den seine Begleiter auf ihren Schultern herantrugen, auf die Stufen vor die Füße Petruccis.
Mühsam richtete sich Francesco de Pazzi auf, sein Nachtgewand hing zerfetzt um seinen Körper, die Haare hingen wüst um sein totenbleiches Gesicht; das Blut strömte aus seiner Wunde am Schenkel.
Er klammerte sich an das Treppengeländer und sagte mit rauher Stimme und trotzig drohendem Blick:
»Braucht Eure Waffe, Gonfaloniere, und erlöst mich aus den Händen dieses Pöbels – gebt mir den Tod für das Vaterland, das ich befreien wollte von schmachvoller Knechtschaft.«
»Mein ritterliches Schwert,« erwiderte Petrucci, »soll nicht mit dem Blut eines Meuchelmörders und Hochverräters befleckt werden – bringt ihn herauf, er soll sein Gericht und seine Strafe finden!«
Die Menge stürzte sich auf Francesco, faßte ihn an dem Haar und an den Armen und schleifte ihn, dem voranschreitenden Petrucci folgend, die Treppe hinauf, bis in den Ratssaal, wo er entkräftet zu Boden sank.
Petrucci nahm seinen Sessel an dem Sitzungstisch ein, die anderen anwesenden Magistratspersonen setzten sich neben ihn.
»Die Thüren sollen offen bleiben,« befahl Petrucci, »das Volk hat ein Recht, dem Gericht zuzuhören, aber niemand soll über die Schwelle treten!«
Die tobende Menge gehorchte, still wurde es ringsum, nur von unten herauf tönten noch Waffengeklirr und röchelnde Wehrufe.
Einige Soldaten der Wache waren auf Petruccis Befehl in das Ratszimmer getreten, die Thür des Gewahrsams wurde geöffnet und der Erzbischof mit Bracciolini vorgeführt.
Der Erzbischof zuckte entsetzt zusammen, als er Francesco de Pazzi erblickte, der von den Wachen auf einen Stuhl gehoben war. Er suchte mit aller Kraft seines Willens Mut zu fassen und sagte mit hochmütiger Miene, während dennoch seine Stimme zitterte:
»Ich verlange meine Freiheit, es ist unerhört, daß man es gewagt hat, mich, einen hohen Priester der Kirche, bei einem Besuch des Regierungspalastes hinterlistig zu überfallen und gefangen zu halten!«
»Ihr habt nichts zu verlangen, Jacopo Salviati, sondern zu antworten und Euer Urteil zu erwarten,« erwiderte Petrucci, »und Eure Eigenschaft als Priester macht Euch noch schuldiger durch Eure Teilnahme an einer Frevelthat, welche den göttlichen Gesetzen ebenso sehr widerspricht, als den menschlichen. Euer Begleiter Bracciolini ist von mir ergriffen worden, während er mit einem Dolch in der Hand in dem Palast der Republik den bewaffneten Eindringlingen zu Hilfe eilte. Das ist Hochverrat, und Ihr, Jacopo Salviati, müßt darum gewußt haben, da Ihr mit Bracciolini und den anderen hierher kamet – ich frage Euch, habt Ihr etwas zu Eurer Rechtfertigung zu sagen?«
»Ich habe,« sagte Bracciolini, der bleich und zitternd dastand, »nichts gethan, als dem Lärm, der unten entstand, nachgeforscht und zu meiner Verteidigung die Waffe in die Hand genommen.«
»Und ich,« rief der Erzbischof, »weiß von nichts, von gar nichts, ich bin gekommen, um Euch eine Mitteilung zu machen, und da bin ich gefangen und eingesperrt worden – ich verlange meine Freiheit, sofort meine Freiheit!«
»So wißt Ihr auch nicht,« rief Petrucci aufstehend, mit laut tönender Stimme, »daß der Dom Santa Maria del fiore entweiht ist durch eine tempelschänderische Frevelthat, daß Giuliano de' Medici von dem Dolch dieses verruchten Meuchelmörders Francesco de Pazzi dort ermordet wurde, und daß der edle Lorenzo nur durch ein Wunder des Himmels von gleichem Schicksal errettet wurde?«
»Lorenzo gerettet?« rief der Erzbischof erbleichend. Dann aber fuhr er schnell sich fassend fort:
»Ich weiß nichts, ich war nicht im Dom – was geht's mich an, was Francesco Pazzi gethan?«
»Elender Feigling,« sagte Francesco, sich aus seiner gebrochenen Haltung aufrichtend, und dem Erzbischof einen Blick tiefer Verachtung zuwerfend – »was ich gethan und gewollt, das verleugne ich auch hier, angesichts des sichern Todes nicht!«
»Aber ich verleugne dich und dein Werk,« rief der Erzbischof, »mit dem ich keine Gemeinschaft habe! – Beweist mir eine Schuld, wenn Ihr es könnt! – Doch Ihr seid mein Richter nicht, Seiner Heiligkeit dem Papste allein bin ich Rechenschaft schuldig, er wird die Gewalt, die Ihr gegen mich braucht, rächen.«
»Wir sind Richter,« erwiderte Petrucci, »über jedes Verbrechen, das in unseren Mauern gegen unsere Verfassung, unsere Gesetze und gegen das Leben unserer edelsten Mitbürger verübt wird, Euer Leugnen hilft Euch nichts!«
»Ist er schuldig der Teilnahme an dem Mordanschlag und dem Verrat am Vaterland?« fragte er.
»Schuldig –« antworteten die Magistratspersonen einstimmig.
»Und auch Euch, meine Mitbürger draußen, frage ich,« fuhr Petrucci fort, »ist er schuldig der Teilnahme an dem Verbrechen des Francesco de Pazzi und des Jacopo Bracciolini?«
»Schuldig – schuldig – schuldig!« tönte es von dem Vorzimmer und von den Treppen her.
»So spreche ich denn über Euch, Jacopo Salviati, Jacopo Bracciolini und Francesco Pazzi, das Todesurteil aus, das jeden treffen soll, der mit Euch die gleiche Schuld trägt,« sprach Petrucci mit lauter Stimme. »Bindet sie und bringt Stricke herbei,« befahl er den Soldaten der Wache, »hängt sie hier an die Fenstersäulen, damit das Volk von Florenz dort unten sich überzeugen kann, daß die Männer seines Vertrauens schnelles und gerechtes Gericht halten!«
Francesco de Pazzi raffte sich noch einmal auf und erhob die geballte Faust gegen Petrucci.
»Wagt es nicht, mich zu berühren,« rief der Erzbischof, indem er das Kreuz an seinem Halse emporhob – »der Bannstrahl der heiligen Kirche wird Eure Häupter treffen!«
Bracciolini aber sank auf einen Stuhl nieder, streckte flehend die Hände aus und rief mit jammerndem Ton:
»Ich stehe im Dienst Seiner Eminenz des Kardinals Riario, sendet mich zu ihm, ihm allein bin ich hier verantwortlich.«
»Und auch er,« sagte Petrucci, »wird unserm Gericht nicht entgehen, wenn er mit schuldig sein sollte an Euerm Frevel, wie es nach Euern Worten fast den Anschein hat.«
»Vorwärts,« rief er den Soldaten zu, »befolgt den Befehl Eures Gonfaloniere, der keinen Widerspruch und kein Zögern duldet!«
Zwei Soldaten hatten bereits Bracciolini ergriffen, der vor Entsetzen kaum Widerstand zu leisten vermochte, andere hatten Stricke herbeigebracht, eine Schlinge wurde um seinen Hals gelegt, die Fensterflügel geöffnet, und in wenigen Augenblicken war er an dem Fenstergesimse aufgehängt, man hörte nur noch einen Schrei und ein dumpfes Röcheln, als der herabgestürzte Körper die Schlinge zuzog. Gellende Jubelrufe klangen von der Straße herauf, wo die Menge sich immer dichter angesammelt hatte.
»Palle! Palle!« hörte man von allen Seiten und dazwischen:
»Tod den Mördern! – Tod den Verrätern!«
Francesco de Pazzi war von dem Blutverlust und den Schmerzen völlig entkräftet; er wurde unmittelbar darauf zum Fenster hinausgehängt, nachdem er noch, als man ihn fortschleppte, vor Salviati ausgespieen hatte.
Der Erzbischof leistete wilden Widerstand und rief entsetzliche Verwünschungen auf den unbeweglich vor seinem Sessel stehenden Gonfaloniere herab, aber auch er war bald von den Soldaten überwältigt, zum Fenster geschleppt und hinausgestoßen, nachdem der um seinen Hals gelegte Strick fest um die Fenstersäule geknüpft war.
Noch lauter tobte unten das jubelnde Rachegeschrei des Volkes, als es Salviati in seiner Bischofstracht, das von Edelsteinen funkelnde Kreuz auf der Brust, aus dem Fenster stürzen sah.
Die Schlinge hatte sich in seinem Halskragen verwickelt und zog sich nicht sogleich zusammen.
»Verräter, schändlicher Verräter,« rief er, gegen den bereits leblos neben ihm hängenden Francesco de Pazzi sich drehend, und mit wilder Wut biß er in den toten Körper. Dann ballte er die Hände drohend gegen das hohnlachende Volk unten, bis endlich die Schlinge sich fest zusammenzog und seinen heiser geröchelten Verwünschungen ein Ende machte.
»Gerechtigkeit ist geschehen,« sagte Petrucci feierlich, »so mag es allen ergehen, die ihre frevelnde Hand zu erheben wagen gegen das Vaterland und seine heiligen Gesetze.
Jetzt, meine Freunde, laßt uns zu Lorenzo gehen, ihm unsere Teilnahme zu bringen an seinem Schmerz um den geliebten Bruder, und unsere Freude über seine Rettung auszusprechen.«
Er verließ, von der ehrerbietig ausweichenden Menge mit lauten Hochrufen begrüßt, den Ratssaal und stieg die Treppe hinab.
Die Straßen boten ein furchtbares Bild, überall lagen blutige Leichen, denn das Volk hatte erbarmungslos jeden niedergeschlagen, der als Anhänger der Pazzi bekannt war.
Vor dem Benediktinerkloster war eine große Menge Menschen versammelt und weithin ertönte wildes, schauerliches Geheul.
Als der Gonfaloniere mit seinen Begleitern herankam, drängte sich ihm die Menge entgegen und begrüßte ihn mit den lauten Rufen:
»Palle! Palle!«
»Schaut her, edler Gonfaloniere,« sagte ein athletisch gewachsener Mann aus der Zunft der Wollschläger, »hier im Kloster haben wir die verruchten Priester gefunden, die ihre Dolche gegen Lorenzo erhoben – seht hier das schändliche Haupt des Antonio Maffei!«
Er beugte eine Stange, die er in seiner Hand hielt, herab und Petrucci schauderte vor dem auf der Spitze derselben steckenden Menschenkopf zurück.
Zugleich sah er auf dem Platz, den die Menge für seinen Durchgang frei gab, zerfetzte Glieder, die man kaum noch als Teile menschlicher Körper erkennen konnte.
Steffano von Bagnone und Maffei waren von dem wütenden Volk vollständig in Stücke zerrissen.
»Die Mönche haben sie verstecken wollen,« rief der riesige Wollschläger, »aber auch sie soll unsere Rache treffen, wir wollen sie unter den Trümmern ihres Klosters begraben.«
»Halt,« rief Petrucci, »diese waren schuldig, von den Mönchen wißt Ihr es nicht – hütet Euch, Unschuldige zu treffen mit unverdienter Strafe, alles wird untersucht werden, und ich, Euer Gonfaloniere, gebe Euch mein Wort, daß kein Schuldiger seinem Gericht entgehen soll.«
Wohl hörte man hier und dort ein leises Murren, aber dennoch fand das Wort Petruccis sofortigen Gehorsam, und die ganze Menge wendete sich von dem Kloster ab, dem Wollschläger folgend, der das blasse Totenhaupt Maffeis auf seiner Stange vorantrug, unter den lauten Rufen:
»Palle! Palle!«
»Es lebe Cesare Petrucci, unser Gonfaloniere!«
»Entsetzlich!« rief Petrucci mit seinen Begleitern weiter schreitend. »Doch sie haben recht, das Volk ist der Löwe, das furchtbar in seinem Zorn seine Feinde zerfleischt, aber auch groß und herrlich ist in der Liebe und Treue zu seinen Freunden – jene waren die tückische, giftige Schlange – sie haben ihr verdientes Schicksal selbst herauf beschworen!«