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Giuliano war nur nach seiner im Seitenflügel des Palastes gelegenen Wohnung zurückgekehrt, um einen Pelzmantel überzuwerfen und sein Pferd vorführen zu lassen. Er ritt dann, nur von wenigen Bedienten begleitet, heiter und fröhlich blickend und wie immer freundlich das Volk grüßend, das ihn mit den jubelnden Rufen »Palle – Palle!« umdrängte, durch die Straßen bis zu einer prächtigen Villa, welche in der Vorstadt von schönen Gärten umgeben, ziemlich einsam gelegen war und in ihrer ganzen Einrichtung auf einen reichen und vornehmen Besitzer schließen ließ, denn überall verband sich Luxus und Pracht mit feinem Geschmack. Hier war der Wohnsitz des damals schon rühmlich bekannten Baumeisters Antonio de San Gallo, der aus einer der besten Familien von Florenz stammte und schon in jüngeren Jahren durch den Tod seines Vaters der Erbe großen Reichtums geworden war.
Antonio gehörte zu den treuesten Anhängern der Medici und zu Giulianos nächsten Freunden. Einige Jahre älter als dieser, war er stets bereit, sich in lustiger Gesellschaft des Lebens zu freuen, aber er liebte es auch, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um dem Geist in ernsten Gedanken und Studien Nahrung und höheren Aufschwung zu geben, darum bewohnte er meist nicht sein altes Familienhaus in der inneren Stadt, sondern die prachtvolle Villa, die sein Vater erbaut und die er immer mehr verschönte und zu einem Wohnsitz entwickelte, in dem sich ebenso der elegante Lebemann als der Gelehrte, der Künstler und der Philosoph wohl befinden konnten.
Giuliano sprang vom Pferde und befahl seinem Gefolge, nach Hause zurückzukehren, da er am Abend von Antonios Diener geleitet werden würde.
Unter der Vorhalle des mit einer Säulengallerie umgebenen Hofs trat ihm Antonio bereits entgegen; er war reich gekleidet, von hoher, kräftiger, und feiner Gestalt und in seinem männlich schönen, ernsten, von dunklen Locken umgebenen Gesicht, leuchtete die Freude über den Anblick des Freundes, den er zärtlich an seine Brust drückte.
Arm in Arm durchschritten sie die Halle und traten in Antonios reich und kostbar, aber auch freundlich und behaglich ausgestattetes Gemach.
»Ich habe dich erwartet, mein lieber Giuliano,« sagte Antonio »und alles ist bereit, du sollst sogleich selbst die eingerichtete Wohnung in Augenschein nehmen und wir können dann, wenn wir uns ein wenig gestärkt haben, aufbrechen und werden bei der frühen Dunkelheit Madonna Fioretta völlig unbemerkt hierher bringen, nur mein vertrautester Diener und eine zuverlässige alte Dienerin, welche schon meiner verstorbenen Mutter gedient hat und mir vollständig ergeben ist, werden sie sehen und übrigens ist auch meine ganze Dienerschaft mir treu ergeben und gewohnt, über nichts zu sprechen, was in meinem Hause vorgeht.«
»Du guter, treuer Freund, wie soll ich dir jemals danken –« rief Giuliano, Antonio von neuem umarmend, »mehr wie je bedarf ich deinen Beistand und deinen Rat.«
»Du dankst mir durch dein Vertrauen,« erwiderte Antonio, »das ist der beste Dank, den ein Freund dem anderen geben kann. Doch nun komm, damit ich dir das Nest zeige, das ich für deine Fioretta eingerichtet.
Er zog Giuliano durch eine von dichten Vorhängen bedeckte Thür fort, welche auf einen Korridor führte, der nach dem in den Garten hin gelegenen Seitenflügel des Hauses auslief.
Am Ende dieses Ganges öffnete er eine Thür und Guiliano trat mit einem Ausruf freudigen Erstaunens in den wunderbar freundlichen Raum.
Schöne Bilder, heitere Gegenstände darstellend, schmückten die Wände, eins nur zeigte den Heiland, wie er die Kindlein zu sich ruft und unter demselben befand sich eine silberne Schale mit geweihtem Wasser. Gruppen von Palmen und blühenden Blumen waren in der Ecke des Zimmers aufgestellt. Durch eine große Thür von hellen Glasscheiben blickte man in einen kleinen ganz von hohen Bosquets umgebenen Raum, welcher durch ein Eingangsgitter von dem übrigen Garten geschieden war, kostbare Teppiche bedeckten den Boden und eine Krystallkrone hing von der Decke herab.
Antonio schlug dann die Falten eines schweren Thürvorhanges auseinander und führte Giuliano in ein großes geräumiges Schlafzimmer, dessen eine Wand von einem kunstvoll gearbeiteten Himmelbett fast ganz eingenommen wurde, neben welchem eine kleine zierliche Wiege, von seiner Holzarbeit, stand. Die Fenster waren von bunten Scheiben und ließen ein gedämpftes Licht eindringen und eine alte sauber gekleidete und freundlich blickende Frau mit fast weißem Haar, war beschäftigt, die letzte Hand an die Einrichtung und Ordnung dieses zu behaglicher Ruhe einladenden Gemaches zu legen.
»O wie schön ist es hier,« rief Giuliano, »wie herrlich hast du das stille, süße Versteck meines Glücks eingerichtet! Es wird doch alles fertig sein, heute Abend?« fragte Antonio die Alte, welche ehrerbietig grüßend herantrat.
»Alles wird fertig sein, Signor!«
»Ich weiß ja, daß ich mich auf meine alte Ginevra verlassen kann.«
»Das könnt Ihr, Signor Antonio,« rief die Alte, »es wird alles fertig sein, Ihr habt nichts zu besorgen und der erlauchte Giuliano de' Medici, soll zufrieden fein.«
»Ihr kennt meinen Namen?« fragte Giuliano erschrocken.
»Wer kennt ihn nicht in Florenz?« erwiderte die Alte, »aber fürchtet nichts, erlauchter Herr, die alte Ginevra ist keine Schwätzerin und hat schon manches Geheimnis treu bewahrt.«
»Sie hat recht,« sagte Antonio lächelnd, »du kannst unbesorgt sein, ich würde ihr ein Geheimnis anvertrauen und wenn es mein Leben gelte und deine Fioretta kann nicht besser gepflegt sein als unter ihrer Sorge.« »Und der kleine Peppino nicht minder,« sagte die Alte, indem sie die weichen Kissen in der Wiege aufklopfte, »habe ich doch den edlen Antonio selbst auf meinen Armen getragen, als er noch klein und hilflos war.«
»Das hast du gute Ginevra,« sagte Antonio, ihr auf die Schulter klopfend; »und darum habe ich dich auch gewählt, um meinem besten Freunde, der dir ebensoviel wert sein soll wie ich selbst, das Teuerste zu beschirmen was er auf Erden hat.«
Giuliano reichte der Alten die Hand und folgte dann, eine Thräne in seinen Augen zerdrückend, Antonio, der ihn nach seinem Zimmer zurückführte.
Hier war inzwischen eine kleine Tafel gedeckt und mit den vortrefflichsten Erzeugnissen der damaligen vornehmen Kochkunst, sowie mit Karaffen voll edlen Weinen bedeckt.
Die Diener entfernten sich auf einen Wink Antonios und dieser sagte, Giuliano zu Tisch führend:
»Wir müssen uns selbst bedienen, damit wir nicht vor lauschenden Ohren zu sprechen nötig haben.« Er legte auf Giulianos Teller eine herrlich duftende goldbraun gebratene Wachtel mit Oliven gefüllt, schenkte dann den goldgelben Marsalawein in die Kelche und sagte, mit Giuliano anstoßend:
»Das erste Glas soll heute dem Einzuge der Madonna Magdalena und des kleinen Giulio geweiht sein, möge sie hier unter meinem Schutz freundliches Glück finden und möge es ihr bald vergönnt sein, zu noch höherem und glänzenderem Glück in den Palast der Medici einzuziehen!«
Giuliano leerte sein Glas bis auf den Grund und stellte es dann seufzend wieder vor sich nieder.
»Gott und alle seine guten Geister,« sagte er, »mögen deinen Wunsch erfüllen, meine Sorgen um die Zukunft wollen nicht von mir lassen und sind schwerer als je vorher.«
»Du siehst zu schwarz,« sagte Antonio lächelnd, »was hast du zu fürchten? – Das Volk, dessen Herz dir gehört, wird sich noch inniger dir zuwenden, wenn du eine Gemahlin aus seiner Mitte erwählst und jene alten trotzigen Geschlechter, die auf ihre Ahnen pochen, werden dich darum nicht mehr hassen, als sie es schon gethan.«
»O, das alles fürchte ich nicht,« rief Giuliano, »aber mein Bruder Lorenzo, – o, bei ihm werde ich einen schweren Stand haben, schwerer als Du's glaubst.«
»Und warum,« fragte Antonio, »liebt er dich nicht so zärtlich wie nur ein Bruder den anderen lieben kann und läßt er dir nicht alle Freude und alles Glück des Lebens, während er die Sorgen der Regierung auf sich nimmt, ohne doch deine Stellung in Schatten zu drängen? – Ist nicht seine Macht begründet auf der Liebe des Volks mit dem er sich durch dich noch inniger verbindet und was kann er aussetzen an der braven Familie der Govini, welche als freie Ackerbauer unbescholten und geachtet auf ihrem Grundstücke lebte und ihre Tochter Fioretta zu allen Tugenden erzogen hat?«
»Die Sorgen der Regierung,« sagte Giuliano, »trägt er wohl allein und ich danke ihm dafür daß er die schwere Last von meinem Haupte fern hält, aber dennoch geht sein ganzes Denken in diesen Sorgen auf und er räumt dem Herzen kein Recht ein, wo es die Stellung unseres Hauses und den Glanz der Republik gilt. – Heute noch hat er mit mir gesprochen, sehr ernst gesprochen von seinen Plänen für mich, er trägt eine Verbindung mit hochfürstlichen Häusern, Savoyen, Mailand und Neapel, ja mit dem königlichen Frankreich für mich im Sinn.«
»Du hast ihm nicht gesagt,« fragte Antonio, »daß dein Herz und deine Hand nicht mehr frei seien? Lorenzo weiß, wie kein Anderer, sich der Notwendigkeit klug zu beugen und vielleicht wird deine Verbindung mit einer Tochter des Volks auch ihm und seinem Hause eine festere Stütze bieten, als die fremden Fürstentöchter, die dem Volke immer fern bleiben würden.«
Giuliano schüttelte den Kopf.
»Lorenzo ist hart und streng,« fügte er, »wo es die Stellung und den Glanz unseres Hauses gilt, ich konnte ihm heute nicht antworten, es kam eine Botschaft, die ihm schon Sorge genug macht, ich war nicht gefaßt, gerade heute eine Erkältung unserer warmen brüderlichen Liebe herbeizuführen.«
»Du bist zu zaghaft,« sagte Antonio. »Welches Recht hat denn Lorenzo deinem Herzen zu gebieten? Stehst du ihm nicht gleich, bist du nicht dasselbe wie er – ist er befugt eine Vormundschaft über dich zu führen?«
»Nein nein,« rief Giuliano, »das ist er nicht, ich weiß es wohl, aber zu dieser Frage darf es gar nicht kommen, wenn es möglich ist – o, es wäre entsetzlich, wenn ich um mein Lebensglück das Herz meines Bruders verlieren sollte! Laß mir Zeit, Antonio, meine Liebe ist ja sicher unter deinem Schutz und ich will den Augenblick erwarten, in welchem die Sonne frei von Wolken der Sorge über meines Bruders Haupt strahlt, um mit ihm zu sprechen, dann wird er geneigter sein, auch dem Glück des Herzens neben der Politik und dem Ehrgeiz sein Recht zu gewähren. Und wenn es dann dennoch nötig wäre, meinen freien Willen zu behaupten, dann werde ich mir wenigstens nicht den Vorwurf zu machen haben, die Ruhe und Heiterkeit seines Geistes in einem Augenblick zu trüben, in dem er seine ganze Kraft bedarf für das Wohl und die Ehre unseres Vaterlandes.«
Antonio neigte mit zögernder Zustimmung den Kopf und Giuliano schien seine Heiterkeit wiederzufinden, indem er das zarte Geflügel verspeiste, bald aber nahmen seine Züge wieder einen wehmütigen Ernst an.
»Noch eins Antonio,« sagte er, »ich habe zuweilen bei allem Glück das uns umgiebt und bei aller freudigen Hoffnung, die mir aus der Zukunft entgegenlacht, ein dunkles Gefühl der Angst und Unruhe, als ob eine schwarze Wolke über mir schwebte, aus deren Schoß ein Blitzstrahl plötzlich und unerwartet mich treffen kann.«
»Das ist thöricht,« sagte Antonio, »Wohl steht unser aller Leben in der Hand Gottes, aber in der Kraft der Jugend, die dich erfüllt, hat man wohl kaum nötig an außergewöhnliches Unglück zu denken.«
»Du magst recht haben,« erwiderte Giuliano, »vielleicht regt die Sorge um meine Liebe so schwarze Gedanken in mir an, aber dennoch bitte ich dich um ein Versprechen. Du erinnerst dich, daß der Priester aus San Donino, der mich mit meiner Fioretta vereinigte, meinen Namen nicht gekannt hat und uns auch in die Register seiner Kirche nicht eintragen konnte und daß er ebenso die Taufe an meinem Sohne nur unter dem Namen Giulio vollzogen hat, ohne zu ahnen, daß er einen Medici in den Bund der Christen aufnahm. Der Priester war alt und kann sterben, auch kann sein Zeugnis bezweifelt werden – wenn mir ein Unglück geschehen sollte, Antonio, so wirst du es bezeugen vor Lorenzo und vor der ganzen Welt, daß Fioretta vor Gott meine rechtmäßige Gemahlin war und ebenso, daß der arme kleine Giulio als mein Sohn die heilige Taufe empfangen.«
»Gewiß werde ich das bezeugen,« sagte Antonio lächelnd, »wenn jemals der Blitzstrahl aus der Wolke, welche die Einbildungskraft über deinem Haupte zusammengeballt hat, dich treffen und mein Zeugnis nötig machen sollte. Doch jetzt fort mit diesen Gedanken, sie sollen uns nicht beirren und verstimmen in dem Augenblick, da wir deine schöne Magdalena in mein Haus führen, das ihr, wie ich hoffe, nur eine flüchtige Heimstätte bieten soll. Noch ein Glas von diesem Syrakuser Wein, der die Perle meines Kellers ist und dann laß uns reiten, damit wir nach Anbruch der Dunkelheit wieder zurückkommen können.«
Er füllte die Kelche mit dem purpurschimmernden Wein, die Freunde tranken einander zu und bestiegen dann die schnell vorgeführten Pferde.
Zwei von Antonios vertrauten Dienern folgten bewaffnet, ein reich gezügeltes Damenpferd war mit zwei anderen Dienern schon voraus abgegangen.
Die frische, reine Luft, welche Giuliano mit tiefen Zügen einatmete, hatte alle Sorgen und trüben Gedanken, die ihn eben noch verfolgt, zerstreut und in heiteren Gesprächen ritten beide auf der am Ufer des Arno nach San Donino hinführenden Straße fort.
In dem fruchtbaren Thal des Arno lag der Flecken San Donino mit seinen freundlichen Häusern, seinen Oliven- und Kastaniengärten, seinen reichen Getreidefeldern und Rebenhügeln. Die Kirche des nicht großen Franziskanerklosters von hohen mächtigen Ulmen umgeben, überragte die einfachen Wohngebäude und die Vesperglocke klang durch die reine klare Luft.
Seitwärts von San Donino erhob sich eine sanfte Anhöhe, auf welcher, durch ein Ulmengehölz von dem Flecken getrennt, ein einzelnes Gehöft lag, das, von Gärten und Weinbergen umgeben, das Bild freundlicher Ruhe darbot. Vor der Thür dieses Hauses in einem kleinen Vorgarten stand eine junge Frau und blickte über die niedrige, von Epheu umrankte Einfassungsmauer auf die unten im Arnothal von San Donino nach Florenz hinführende Straße, von welcher ein Seitenweg die Anhöhe hinauf führte.
Sie trug ein einfaches Kleid von blauem Wollenstoff und einen leichten Mantel über den Schultern. Die reichen Flechten des glänzenden schwarzen Haares waren umwunden von einem bunten Tuch, wie es die Frauen und Mädchen auf dem Lande im toskanischen Gebiet zu tragen pflegen, ihr Gesicht hatte jene bräunliche und doch so zarte Färbung, welche nur die Sonne des Südens hervorbringt, ihre Züge waren edel, wie nach der Antike gebildet und frisch und zart in kindlicher Weichheit, ihre großen schwarzen Augen hatten wohl das Feuer des Südens, aber leuchteten doch so weich und zärtlich als sie, wie sehnsüchtig suchend auf das weiße Band der Straße hinabblickte.
Nichts war dort zu sehen und seufzend faltete sie bei dem, vom Kloster herübertönendem Klange der Vesperglocken die Hände, leise die Lippen bewegend und die bittenden Blicke zum Himmel aufschlagend.
Da wurden in dem weichen Sande des aus dem nahen Ulmengehölz von San Donino herführenden Feldweges Hufschläge hörbar und schnell sich umwendend, erblickte die junge Frau einen Reiter auf kräftigem Pferde. Er trug einen einfachen Anzug und einen breitkrämpigen Hut ohne Feder, einen starken Degen an der Seite und ein weiter Mantel hing an einem Riemen über der Kruppe seines Pferdes. Trotz der Einfachheit seiner Kleidung konnte man in der Erscheinung dieses Mannes die vornehme Sicherheit der großen Welt erkennen, sein noch jugendliches, aber bleiches und welkes Gesicht zeigte Spuren wilder Leidenschaften und aus den Blicken seiner Augen loderte ein unstätes Feuer.
In wenigen Augenblicken hatte er das Gehöft erreicht, er hielt an und begrüßte ehrerbietig die junge Frau, welche bei seinem Anblick errötete und unmutig betroffen schien.
»Erlaubt, schöne Fioretta,« sagte er, aus dem Sattel springend, »daß ich auch heute wieder Eure Gastfreundschaft erbitte, die Ihr mir schon mehrmals so gütig gewährt habt, seit mich der glückliche Zufall zum erstenmale hier vorbeiführte.
Er hing den Zügel seines Pferdes in den am Thürpfosten befindlichen Haken und trat in den kleinen Garten.
Sie überließ ihm zögernd ihre Hand die er galant an seine Lippen führte und sagte lachend:
»Meine Gastfreundschaft ist so einfach wie Ihr sie wohl sonst nicht gewohnt sein mögt, edler Herr, aber ein Becher Wein von meinen eigenen Reben ist für jeden Gast vorhanden, der damit zufrieden sein will, – und gleich sollt Ihr einen Trunk von unserem besten Gewächs haben, das Ihr ja so nachsichtig gelobt habt.«
Sie wendete sich der Hausthür zu, – er aber hielt sie zurück und sagte:
»Wollt Ihr mir Eure Thür verschlossen halten, schöne Fioretta? Es ist nicht die Jahreszeit, um hier im Garten zu plaudern.«
»Ich bin nicht frostig,« erwiderte sie kurz, »und bin an die Luft gewöhnt in jeder Jahreszeit.«
Er hielt sie nochmals zurück und sagte:
»Auch ich fürchte den Luftzug nicht, am allerwenigsten, schöne Fioretta, in Eurer Nähe, die ja Licht und Wärme verbreitet wie der Sonnenschein, ich bin aber heute nicht gekommen, um nur einen erquickenden Trunk von Euch zu erbitten, sondern um ernst mit Euch zu sprechen und zu sagen, was ich schon lange im Herzen trage – und dazu ist wohl die Ruhe in Eurem Zimmer besser als hier der offene Garten.«
Errötend schüttelte sie den Kopf.
»Nein Herr,« erwiderte sie, »das geht nicht an. Ich wohne allein hier seit dem Tode meiner Mutter, es wäre nicht geziemend und die Leute würden darüber sprechen, wenn ich einen Fremden in mein Haus führte, zumal da Ihr immer kommt, wenn mein alter Jacopo, der treue Diener meiner Eltern, nicht daheim ist, wie heute, da er die Olivenbäume in dem Garten oben auf der Höhe für den Frühlingstrieb verschneidet. Wartet also hier, gleich sollt Ihr bedient sein.«
Sie hatte in ernstem befehlenden Ton gesprochen und war schnell in das Haus geeilt.
Der Fremde blickte ihr finster nach.
»Noch nie,« sagte er, »hat mich ein Weib gereizt wie diese Bäuerin, die wohl eine Herzogin sein könnte an Schönheit und lockender Anmut. Das Grundstück hier hat seinen Wert und würde sich leicht veräußern lassen und wenn ich dann mit ihr in die Welt zurückkehrte, nach Neapel oder weiter noch, so würde sie mir eine vortreffliche Gefährtin sein, die Menschen zu beherrschen und das Geld, das meinen Händen entronnen ist, wieder zu mir zurückzuführen, sie hat Geist und würde in meinen Händen ein geschicktes Werkzeug werden, das zerbrochene Glück wieder aufzubauen. Und jungfräuliche Scheu ist ihre Zurückhaltung nicht, ich habe es wohl erspäht, daß sie geheimnisvollen Besuch empfängt, nur konnte ich nicht entdecken, wer es ist, der zu ihr kommt. Es ist ein Unglück,« dachte er, »daß ich nicht der erste war, – doch vielleicht ist es besser so, – um so leichter werde ich sie gewinnen, wenn es gilt, die Verlassene zu trösten, um so fügsamer wird sie dann meiner Erziehung sein.«
Fioretta kam zurück. Sie trug einen großen sauber gearbeiteten Becher von silberglänzendem Zinn mit dunkelrotem Wein gefüllt und bot ihn mit natürlicher Anmut ihrem Gast.
Er that einen langen Zug und sagte dann näher zu ihr herantretend:
»Ein Fremder sei ich Euch, habt Ihr gesagt, dem Ihr Euer Haus nicht öffnen dürftet, und doch habt Ihr mich schon mehrfach gesehen und Euch wohl überzeugen können, daß ich nicht zu denen gehöre, die ein Mädchen wie Ihr zu fürchten hätte.«
Sie schlug errötend die Augen nieder, dann sagte sie fast spöttisch:
»Seid Ihr mir denn nicht fremd? Kenne ich denn nur Euren Namen?«
»Ich habe Euch gesagt, daß ich Bernardo heiße, – mein anderer Name hat wohl einen guten Klang in Italien und weiter hinaus, aber ich habe Grund ihn geheim zu halten vor Feinden, die meiner Familie Unglück gebracht haben und mir selbst schaden möchten. Einer Freundin, einer wahren Freundin wird auch mein Name kein Geheimnis sein und ob Ihr mir eine solche Freundin sein wollt, das Euch zu fragen bin ich gekommen.«
»Eine Freundin – dem Unbekannten? fragte sie.
»Nicht dem Unbekannten, Fioretta, rief er, sondern dem, der Euch liebt von ganzer Seele, wie kein Anderer Euch lieben wird und lieben kann, – der Euch seine Hand bietet um Euch sicher durch das Leben zu führen und Euch den Weg öffnen will durch die große, reiche Welt, von deren Glanz und Reiz Ihr keine Ahnung habt. Ihr seid wahrlich zu gut, um hier in Eurer Einsamkeit zu verkümmern oder ein Opfer zu werden der Falschheit und des Verrats. Es wird wohl mancher kommen, der Euch von Liebe spricht – aber Ihr werdet betrogen werden und in bitterer Reue Eure Täuschung büßen – ich aber biete Euch Hand und Namen, ich will Euch vor der ganzen Welt an meine Seite stellen, – darum schenkt mir Eure Freundschaft, Euer Herz wird sich an dem meinen zur Liebe erwärmen, zu Licht und Glanz will ich Euch führen, – reicht mir Eure Hand, an dem Tage, an welchem wir vor den Altar treten, sollt Ihr meinen Namen erfahren und –
Fioretta hatte errötend und wieder erbleichend seinen feurigen Worten zugehört, sie war vor den leidenschaftlichen Flammen seiner Blicke zurückgetreten – jetzt aber, als er den Becher auf die Gartenbank stellte und ihre Hand fassen wollte, unterbrach sie ihn heftig.
»Schweigt!« rief sie, ihre Hand zurückziehend, – »ich will und darf solche Worte nicht anhören, – an deren Wahrheit ich nicht glaube. Ich will Euch verzeihen, daß Ihr geglaubt habt, so mit mir sprechen zu dürfen, jedes weitere Wort aber wäre eine Beleidigung; dort kommt Jacopo von der Höhe herab, ich müßte ihn zu Hilfe rufen, wenn Ihr nicht ablaßt.«
»Fioretta!« rief er fast drohend, »mir versagt Ihr Gehör und Vertrauen, – während Ihr doch – doch anderen vertraut?«
»Geht!« rief sie sich stolz aufrichtend– »Geht – und kehrt niemals zurück, denn ich würde Euch auch meine Gastfreundschaft nicht gewähren können, die Ihr gemißbraucht habt.«
Sie hielt plötzlich inne, eine helle Röte bedeckte ihr Gesicht, ein glückliches Lächeln spielte um ihre Lippen.
Bernardo folgte der Richtung ihrer Blicke. Weit hinaus, auf der Straße von Florenz her kam ein Reitertrupp heran.
Sein Gesicht verzog sich in hämischer Bitterkeit.
»Ich gehe,« sagte er, »aber dennoch werde ich wieder kommen und bald vielleicht werdet Ihr erkennen, daß ich dennoch Euer wahrer Freund bin und demnach Euer Vertrauen mehr als andere verdiene.«
Er löste den Zügel seines Pferdes, sprang rasch in den Sattel und sprengte auf dem Feldwege nach San Donino davon, um bald in dem Ulmengehölz zu verschwinden.
Fioretta blickte nach der Straße am Arno hin, ihre Augen strahlten, ihre Brust hob sich in raschen Atemzügen.
Dann eilte sie in das Haus zurück.
Ein alter Mann in bäuerlicher Tracht stieg die Anhöhe herab. Er hatte den davonsprengenden Bernardo nicht gesehen, da das Haus und der Garten den Feldweg vor seinen Blicken bedeckte, aber wohl bemerkte er die Reiter auf der großen Straße.
Mit finsteren Blicken schüttelte er den Kopf, leise vor sich hin murrend trat er in das Haus und stellte seine Arbeitsgerätschaften in eine Ecke des Vorplatzes.
Der Reitertrupp hatte sich schnell genähert, während die Sonne des kurzen Wintertages zum Horizont herabsank und wendete sich dem zu dem einzelnen Gehöft hinaufführenden Seitenwege zu.
Giuliano stürmte in vollem Lauf seines Pferdes voran.
An der Gartenpforte des kleinen Hofes sprang er aus dem Sattel und eilte, sein Pferd dem schnell folgenden Diener überlassend, der Hausthür zu, welche der alte Jacopo ihm öffnete.
Er drückte dem Alten flüchtig die Hand und trat in das Wohnzimmer. Ein reizender Anblick bot sich ihm hier da und die Hände faltend blieb er mit entzückten Blicken auf der Schwelle stehen.
Auf einem niedrigen Sessel in der Nähe des Fensters, von den letzten goldroten Strahlen der sinkenden Sonne beleuchtet, saß Fioretta.
Auf ihrem Schoße lag in einem weißleinenen Röckchen mit bunten Schleifen ein einjähriger Knabe, dessen dunkle, klare Augen sich bei dem Geräusch auf dem Vorplatz der Thür zugewendet hatten. Wäre ein Maler hier gewesen, so hätte die liebliche Mutter mit dem zarten Kinde ihm wohl als ein Modell zu einem Bilde der Madonna dienen können, wie ja der große Raphael seine Meisterwerke mehrfach der Natur entnahm, um durch seine Kunst die irdische Form zum Uebersinnlichen zu verklären.
Giuliano eilte zu der jungen Frau hin, küßte sie zärtlich und nahm dann das Kind aus ihren Armen, das ihm lächelnd die kleinen Händchen entgegenstreckte.
»Ich komme, meine Fioretta,« sagte er, »um dich und unsern Giulio abzuholen, wie ich's dir lange schon versprach, du sollst eine freundliche und sichere Stätte bei meinem Freunde Antonio finden, die deiner würdiger ist, als dies einsame Haus, in dem du schutzlos allein bist und in der du so lange still verborgen bleiben kannst, bis wir vor der ganzen Welt unsern Bund bekennen dürfen.«
»Meiner würdiger?« sagte die junge Frau kopfschüttelnd, indem sie aufstand und sich an Giulianos Seite schmiegte, »das mußt du nicht sagen, du darfst dies kleine bescheidene Haus nicht verachten, in dem ich glücklich aufwuchs unter den Augen meiner Eltern und in dem ich dich kennen lernte, als ich nach dem Tode jener Lieben hier allein geblieben war und du auf der Jagd hier einsprachst, mich um einen Trunk zu bitten. O, wie war meine Kindheit so glücklich hier und, glaube mir, ich würde kein höheres Glück kennen, als mit dir hier zu leben, allein mit unserer Liebe und fern von der Welt! Aber das ist ja nicht möglich wie du mir sagst, du bist reich und die deinigen müssen ja erst vorbereitet werden, auf deine Verbindung mit einem armen Mädchen – du willst es, ich folge dir. Das Geheimnis mag bewahrt werden, so lange es nötig ist, aber deinen Reichtum wünsche ich und suche ich nicht und wollte ich nur an mich denken, so möchte ich nur wünschen, daß du arm wärest wie ich, wie reich würden wir dennoch sein in diesem kleinen Heim! Und für diesen unseren lieben Giulio, da wünsche ich auch den Reichtum nicht und er soll ihn nie bedürfen, habe ich ihn doch in den Stunden der einsamen Sehnsucht der Madonna gelobt und dem Dienste des Himmels, um das Unrecht zu sühnen, das ich vielleicht beging, als ich dir heimlich meine Hand reichte.«
»O nein, Fioretta, nein«, rief Giuliano, indem er den Knaben fester an sich drückte, »das darf nicht sein, unser Giulio soll den Degen tragen, er soll hoch hinauf steigen, dir zur Ehre und Freude.«
Fioretta schüttelte den Kopf.
»Gott wird ihn bewahren vor irdischem Hochmut und Ehrgeiz. – Giebt es einen schöneren Beruf als der heiligen Kirche zu dienen? Und sein Gebet wird für seine Mutter zum Himmel steigen um Vergebung meiner Schuld, denn eine Schuld war es doch,« sagte sie, den Kopf an Giulianos Schulter lehnend, »daß ich dir meine Hand reichte, um vielleicht Zwiespalt und Kummer in deine Familie zu tragen. Weiß ich doch nicht einmal deinen Namen und wenn dich ein Unglück träfe, wenn du jemals meiner vergessen solltest, so wüßte ich meinem Sohn nicht seinen Vater zu nennen.«
»Fioretta, meine Fioretta, wie kommen dir solche Gedanken –,« rief Guiliano, ihre Stirn küssend, »bist du nicht meine Gemahlin vor Gott und ist nicht Giuliano der Name, der mich durch die heilige Taufe mit dem Himmel verbindet, während mein anderer Name der irdischen Welt angehört? Du sollst ihn nicht erfahren, bevor ich Dich nicht vor aller Welt in mein Haus einführen kann, du sollst den Namen meiner Verwandten, die ich liebe und ehre, nicht eher wissen, bis sie deinen Wert erkannt haben und dir mit Freuden die Hand reichen.
»O,« rief sie, mit leuchtenden Augen zu ihm aufblickend, »mißdeute meine Worte nicht, glaube nicht, daß mein Vertrauen zu dir jemals wanken könnte, für mich wirst du immer Giuliano bleiben und wenn auch« fügte sie mit kindlich naivem Lachen hinzu, »eine Fürstenkrone dein Haupt schmückte.«
Die Sonne war tiefer herabgesunken.
Antonio, der mit dem Alten draußen verkehrt hatte, trat ein, grüßte Fioretta ehrerbietig und mahnte zum Aufbruch.
Die junge Frau seufzte, kniete vor einem kleinen Kruzefix an der Wand nieder und sprach ein kurzes Gebet, während Antonio den Knaben, der fröhlich lachend mit den langen Locken seines Haares spielte, auf seinen Armen hielt.
Dann stand sie auf und sagte, ihre Thränen trocknend:
»Ich bin bereit. Wohin du mich führst, da wird mein Glück sein. Du aber, Jacopo,« sagte sie zu dem alten Mann, der schmerzlich bewegt an der Thür stand, »hüte wohl das Haus und die Gräber meiner Eltern auf dem Kirchhof dort drüben in San Donino.«
»Das will ich,« sagte der Alte, »seid unbesorgt Fioretta. Und Ihr, Herr« fuhr er, vor Giuliano hintretend, fort, »Euch möchte ich wohl zürnen, daß Ihr Fioretta fortführt aus ihrer Heimat – doch ihr Glück ist ja nur an Eurer Seite und so will ich denn beten, daß ihr Glück nie getrübt werde; aber ich werde auch Gott bitten, daß er die Rache in seine Hand nehme, wenn Ihr sie jemals verlaßt, die Euch in gläubigem Vertrauen folgt.«
»Sorge nicht, Jacopo,« erwiderte Giuliano, des Alten rauhe Hand drückend, »mein eigenes Leben ist mir nicht teurer als das ihre und ich verspreche es dir, bald sollst du sie wiedersehen und dich ihres Glückes freuen. Das Haus steht unter deiner Hut und was du bedarfst –«
»Signor Antonio hat mir überreiche Mittel gelassen,« erwiderte Jacopo, »ich werde den Garten und die Weinberge bestellen, daß Fioretta ihre Freude daran haben soll, wenn sie wieder kommt, um nach ihrem Hause zu sehen und dem alten Jacopo und den Gräbern ihrer Eltern und es nicht macht, wie ihre Schwester Claudina, die ich auch auf meinen Armen getragen habe und in ihrer Kindheit behütet und die doch auch Vater und Mutter verlassen hat und ihre Heimat und den alten treuen Jacopo, um mit dem fremden Kriegsmann davon zu gehen, der ihr Herz bethört hat, sie ist nicht wiedergekommen, die arme Claudina und ist vielleicht jammervoll zu Grunde gegangen in der weiten Welt da draußen.«
»Was sagst du –,« fragte Giulianio, »Fioretta hätte eine Schwester gehabt, die ihre Heimat verlassen?«
»Fragt sie selbst,« erwiderte Jacopo mürrisch, – »vier Jahre wohl älter als sie war die arme Claudina und eben so schön und eben so frisch und fröhlich, bis der Reitersmann kam, der die Soldaten geworben hatte für die Sforza und in San Donino einen Rasttag hielt, aus dem eine Woche wurde, da er hier Claudina begegnete und hier im Hause Aufnahme fand; er hatte ihr Herz bethört und sie ist mit ihm in die weite Welt gezogen, wie Fioretta es heute mit Euch thut, freilich nicht so offen und frei. Sie wurde bleicher und bleicher, als er davon gezogen und dann war sie in einer Nacht verschwunden; er muß ihr Wohl heimliche Botschaft gesendet haben, um sie zu sich zu locken – Fioretta ist ja frei, sie kann thun, was sie will, ich habe nicht das Recht, sie zu halten, ich kann nur Gott bitten, daß er ihre Wege behüten möge!«
Fioretta hatte ihr Gesicht mit den Händen bedeckt.
»Es ist nicht gut Jacopo,« sagte sie, sich aufrichtend, mit thränenden Augen, »daß du heute die alten Schmerzen weckst und an die arme Schwester mich erinnerst, du thust ihr unrecht, sie hat ihren Battista geliebt und er war ihrer Liebe würdig – ist er nicht gekommen und hat ihre Hand begehrt bei meinem Vater, die dieser ihm hart abgeschlagen, wenn auch die Mutter geneigt war, ihr das Glück nicht zu versagen? Da ist sie ihren eigenen Weg gegangen und mir hat sie es gesagt in der stillen Nacht, obgleich ich noch ein Kind war, sie hat weinend von mir Abschied genommen und mir Schweigen geboten – sie könnte nicht anders, so sagte sie, sie müsse ihrem Herzen folgen oder sterben und Gott werde ihr verzeihen, da er selbst die Liebe in ihrem Herzen erweckt. Wie bitter habe ich geweint in jener Nacht, ich verstand sie nicht, ich glaubte, daß ein böser Zauber sie befangen hatte – heute, mein Giuliano, heute weiß ich, daß sie nicht anders konnte.«
Sie schlang ihre Arme um den Geliebten und lehnte weinend das Haupt an seine Brust.
»Wir werden sie suchen deine Schwester,« rief Giuliano, die Thränen von ihren Augen küssend, »wir werden jeden Winkel in Italien durchforschen und, bei Gott, wir werden sie finden!
»Und du, Jacopo, sei ruhig – jene Claudina ist dem Zuge ihres Herzens gefolgt auf einen dunklen Weg, aber Fioretta hat recht, Gott, der die Liebe ist und die Liebe erweckt, wird sie beschützt haben, Fiorettas Weg aber, das schwöre ich, soll sonnenhell sein unter meinem Schutz und an meiner Seite soll sie bald vor die Welt treten, mit mir soll sie zurückkehren hierher, um dir Botschaft zu bringen und am Grabe ihrer Eltern zu beten.«
»Ich muß Euch wohl glauben, edler Herr,« sagte Jacopo, »und ändern kann ich's nicht, aber noch einmal sage ich Euch, Gott wird die Rache in seine allmächtige Hand nehmen, wenn Ihr jemals ihr Vertrauen betrügt!«
Seine Stimme zitterte.
Er nahm fast rauh und heftig den Knaben aus Giulianos Arm und drückte ihn zärtlich an seine Brust.
»Lebe wohl, mein Giulio,« sagte er, »lebe wohl, – so wie dich habe ich einst deine Mutter in meinen Armen gehalten – alle Heiligen des Himmels mögen deinen Weg beschirmen!«
Fioretta drückte dem Alten stumm die Hand.
Dann nahm sie das Kind. Giuliano hüllte sie in einen breiten Pelzmantel, zog eine weiche Kappe über ihren Kopf und führte sie zu den bereit stehenden Pferden.
Er hob sie auf ihren Zelter, schwang sich in den Sattel und schnell verschwand der Zug in der tief herabsinkenden Dunkelheit.
Von San Donino her sprengte ein Reiter heran, während Jacopo noch in düsterem Sinnen unter der Thür des nun verwaisten Hauses stand.
Er war in einen weiten, grauen Mantel gehüllt, ein weicher Filzhut war tief in seine Stirn gezogen, so daß man sein Gesicht kaum erkennen konnte.
»Ist hier das Haus der Govini?« fragte er, sein Pferd anhaltend.
Der Alte bejahte mürrisch.
»Aber die Govini sind seit zwei Jahren todt,« fügte er hinzu, »und wenn Ihr sie sucht, so seid Ihr zu spät gekommen.«
»Es ist aber eine Tochter übrig geblieben,« sagte der Reiter, »wie man mir in San Donino sagt und ich hätte wohl Lust, das Haus und das Grundstück mit den schönen Weinbergen zu kaufen.«
»Das Haus ist nicht käuflich –« erwiderte der Alte kurz.«
»So will es die Tochter allein bewirtschaften?« fragte der Reiter, »ich möchte mit ihr sprechen, vielleicht wird sie mein Gebot annehmen. –«
»Sie ist nicht hier, und wenn sie hier wäre, so würde Euch Euer Gebot auch nichts nützen.«
»Sie ist nicht hier? – So war sie es wohl, die mit den Reitern fortgezogen, deren Hufschläge ich eben durch die Dunkelheit gehört?«
»Sie ist nicht hier, das muß Euch genug sein,« murrte Jacopo, »und ich sage Euch nochmals, das Haus ist nicht käuflich.«
Er trat über die Schwelle zurück und schlug die Thür derb zu.
»Ich hatte recht,« sagte der Reiter vor sich hin, »Es war Giuliano, – er hat sie in Sicherheit gebracht, diese kleine Bäuerin, die schöner ist, als alle vornehmen Damen! Doch wir wollen sehen, wohin er sie bringt, ein kluger Jäger darf die Fährte des Wildes, das er stellen will, nicht verlieren.«
Er ritt langsam weiter, den Hufschlägen lauschend, die vor ihm durch die Stille des Abends klangen.
Antonio führte den Reiterzug an die hintere Seite seines Gartens und schloß eine kleine Pforte auf.
Man stieg ab und gelangte, den Park durchschreitend, nach einem kleinen, abgeschlossenen Garten vor der Wohnung, welche Antonio seinen Freunden gezeigt hatte.
Die Räume waren noch traulicher und anheimelnder in dem Licht der Kerzen und Fioretta stieß einen Ruf freudiger Ueberraschung aus, als sie in das ihr bereitete Asyl eintrat, das all ihre Vorstellungen von Glanz und Behaglichkeit übertraf.
»Hier soll ich bleiben, mein geliebter Giuliano?« rief sie, »o, wie herrlich ist das, – wie glücklich werde ich hier sein, wenn ich dich hier öfter sehen kann, als du bisher zu mir herauskommen konntest. –«
Täglich wirst du mich sehen, meine Fioretta,« sagte Giuliano, indem er ihr glücklich lächelnd die Lippen küßte, »und wenn es nur eine Stunde ist, die ich mich frei machen kann, so soll keines Tages Sonne herabsinken, ohne daß ich in deinen Augen mein Glück lese.«
Die alte Ginevra trat aus dem Schlafgemach, verbeugte sich tief und nahm ihr den Knaben ab, der sich des hellen Lichterglanzes zu freuen schien.
»Überlaßt mir den Kleinen, Madonna,« sagte sie, »ich werde für ihn sorgen, so gut wie irgendwer, habe ich doch so manches Kind glücklich groß gezogen, – O, wie hold ist er und wie lieblich, Ihr sollt Eure Freude daran haben, wie er gedeihen wird.«
Der kleine Giulio schien keine Furcht vor der Alten zu haben, er ließ sich ruhig von ihr forttragen und in seine bereitstehende Wiege legen.
Fioretta folgte ihr und wieder klang ein Ruf freudiger Verwunderung von ihren Lippen, als sie das durch eine Ampel matt beleuchtete Schlafzimmer sah.
Dann kehrte sie zurück, umschlang Giuliani! mit ihren Armen und blickte stumm mit dem Ausdruck glücklicher Dankbarkeit zu ihm auf.
»Hier steht der Freund,« sagte Giuliano, »der uns dies trauliche Heim bereitet, – du bist unter seinem Dach und unter seinem Schutz und keine Sorge wird dir nahen, bis ich dich in dein eigenes Haus führen kann.«
Sie reichte dankbar Antonio die Hand und dieser ließ durch seinen vertrauten Diener einen Tisch mit dem bereitgestellten Nachtmahl hereinrollen, und in traulichem Gespräch saßen die drei bei einander, während durch die Thürvorhänge des Schlafgemachs die leise Melodie des Schlummerliedes erklang, mit welchem die alte Ginevra den kleinen Giulio in den Schlaf wiegte. Fioretta aber blickte zuweilen wie träumend umher, als ob sie die Vereinigung von so viel Glanz und Reiz mit den Vorstellungen ihres so stillen und bescheidenen Lebens nicht verbinden könne.
Eine Stunde war vergangen.
Giuliano sprang auf.
»Ich muß fort, meine Fioretta,« sagte er, »fort für heute, um dich morgen wieder zu begrüßen, morgen und alle Tage.«
Fiorettas Augen füllten sich mit Thränen, aber lächelnd folgte sie dem Geliebten, der noch einmal an die Wiege seines Sohnes trat und mit gefalteten Händen ein stilles Gebet über dem sanft schlummernden Kinde sprach.
Dann ging er mit einem schnellen Abschiedsgruß davon.
Antonio folgte ihm, nachdem er Fioretta so ehrerbietig begrüßt hatte, als ob er eine fürstliche Dame vor sich habe.
Er führte Giuliano durch den geheimen Gang nach seinem Zimmer und begleitete ihn von dort nach dem großen Ausgang des Hauses, so daß von der Dienerschaft niemand einen besonderen Grund dieses Besuches vermuten konnte. – – –
Das Abendessen war vorüber, als Giuliano in die Empfangszimmer seines Bruders Lorenzo trat.
Die Gesellschaft war nur klein.
Cosimos Eltern, Bernardo Rucellai und Madonna Nannina, die Schwester Giulianos, waren da, ebenso der Markgraf von Malaspina, ein hoher, vornehm blickender Herr, in reicher, ritterlicher Tracht, mit sorgfältig gepflegtem Stutzbart und lang gelocktem, ergrauendem Haar; dann der Gelehrte, und trotz seiner Jugend schon berühmte Politiano, welcher im Begriff stand, ein Gedicht in klangvollen Versen vorzulesen.
»Laßt Euch nicht unterbrechen, Politiano,« rief der Markgraf Malaspina bei Giulianos Eintritt – und Ihr, Giuliano,« rief er, »hört aufmerksam zu, denn die Verse gelten Euch und es wird lehrreich für Euch sein, zu erfahren, wie die Welt über Euch denkt, denn anders kann niemand urteilen, als es Politiano so schön und wohlklingend auszudrücken versteht, die Freunde mit herzlicher Freude, die Feinde mit Ärger und Neid.«
Politiano fuhr fort.
Das Gedicht war ein Loblied auf Giuliano, oft in überschwenglichen Worten dessen Eigenschaften rühmend und die Großthaten verherrlichend, welche dem jungen Medici für die Zukunft vorbehalten bleiben müßten.
Bei jeder besonders beachtenswerten Stelle des Lobliedes auf seinen Bruder klatschte Lorenzo Beifall und die Übrigen folgten seinem Beispiel.
Giuliano aber neigte beschämt und fast unmutig das Haupt, er erschrak vor all den hohen Aufgaben, welche Politianos Verse ihm unter dem Beifall Lorenzos vorbehielten und dachte seufzend an seine Fioretta und den kleinen Giulio zurück und an das stille Herzensglück, für das er vielleicht noch harte Kämpfe gegen die stolzen, ehrgeizigen Hoffnungen würde bestehen müssen, welche in Politianos Versen wiederklangen.
Endlich erklärte dieser, daß seine Arbeit noch nicht weiter vorgeschritten sei und daß er sich die Vorlesung der Fortsetzung vorbehalten müsse.
»Sieh dir den Glücklichen dort an, Giuliani»,« sagte Lorenzo, auf Cosimo deutend, welcher neben seiner Mutter Nannina saß, die des Sohnes Hand hielt, der sie so schnell wieder verlassen sollte, – »auch er ist zu hohen Dingen bestimmt und wird unsere Hoffnung nicht täuschen, da die Zukunft ihm so freundlich entgegen lächelt. Der edle Markgraf Gabriel hat, auf meine Bitte, ihm die Hand seiner Tochter Giovanna bewilligt und – er wird sich einer so edlen Verbindung, die unserem ganzen Hause ehrenvoll und erfreulich ist, würdig zeigen.«
Giulianio wünschte dem freudestrahlenden Cosimo von Herzen Glück, aber es klang wie eine leise Wehmut in seinen Worten, denn die Freude seines Bruders, über eine erlauchte Verbindung seines Neffen, drang wie ein Mißton in seiner Seele.
Man brach früh auf, da Cosimo am nächsten Morgen nach Rom zurückkehren sollte.
Giuliano war glücklich, mit seinen Gedanken allein sein zu können, in denen die trübe Sorge um sein Herzensglück auftauchte, aber die Sorge verschwand, wenn er an Fiorettas treue Augen dachte und an das Lächeln des kleinen Giulio und mit dem freudigen Mut der Jugend schlief er zu freundlichen Zukunftsträumen ein.