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Als Pater Hilario sich allein befand, schritt er in seinem Zimmer unruhig auf und nieder. Er befand sich in der größten Aufregung.
»Vielleicht habe ich heute die größte Dummheit meines Lebens begangen«, sagte er zu sich selbst. »Ich habe meine Geheimnisse verraten. Wird es mir bei ihr Nutzen bringen? Und wenn sie mir einen Korb gibt, wird sie verschweigen können, was sie gesehen und erfahren hat? Ich bin in dieses wunderschöne Mädchen in einer Weise verliebt, als ob ich erst achtzehn Jahre zählte; aber ich bin auch überzeugt, wird sie meine Frau, so werde ich der Beherrscher aller ihrer Anbeter sein, und wer weiß, was für Erfolge ich dann verzeichnen kann. Wären doch diese drei Tage schon vorüber.«
Da klopfte es von draußen leise an das Fenster. Hilario horchte auf, und als das Klopfen sich wiederholte, öffnete er und blickte hinaus. Er bemerkte die Gestalt eines Mannes, der draußen stand.
»Wer ist das?« fragte er mit halb unterdrückter Stimme. – »Ich, Oheim«, antwortete es. – »Ah! Manfredo, bist du es?« – »Ja. Mach mir auf.« – »Sogleich.«
Hilario ging und öffnete, nicht den Haupteingang, sondern ein Nebenpförtchen des Klosters. Manfredo stand vor demselben. Er schien auf demselben Weg bereits öfters zu seinem Oheim gekommen zu sein.
»Dich hätte ich nicht vermutet«, flüsterte dieser. »Bringst du Nachricht?« – »Ja. Sehr wichtige.« – »So komm mit nach meiner Stube.«
Dort angelangt, betrachtete der Onkel seinen Neffen erwartungsvoll. Der letztere war natürlich derselbe Manfredo, der mit Cortejo am Krokodilteich gewesen war und ihm den Rat gegeben hatte, mit ihm nach dem Kloster della Barbara zu gehen.
»Woher kommst du?« fragte der Pater. – »Von der Hacienda del Erina.« – »Von dorther? Diese liegt ja in ganz entgegengesetzter Richtung. Ich schickte dich nach Mexiko, um einen der Werber Cortejos zu finden.« – »Ich bin auch dort gewesen, Oheim.« – »Wie kommst du da nach del Erina?« – »Es gelang mir, einen dieser Werber zu treffen. Ich erfuhr von ihm, daß Cortejo sich auf der Hacienda del Erina befinde. Ich wurde mit noch anderen angeworben und nach der Hazienda transportiert.« – »Gehört diese Besitzung nicht auch dem Grafen Rodriganda?« – »Ja. Er hat sie aber an Señor Arbellez vermacht oder verschenkt.« – »Dann ist zu verwundern, daß Cortejo zu Arbellez geht. Wie wurde er von diesem empfangen?« – »Darüber kann ich nur sagen, was ich gehört habe, denn ich war nicht dabei, ich kam erst später. Cortejo hat die Hazienda ausplündern lassen und für sich in Besitz genommen. Arbellez wurde in einem Keller der Hazienda gefangengesetzt.« – »Das ist eine sehr wichtige Nachricht für mich. Du kennst zwar mein Verhältnis zu dem Grafen Rodriganda nicht und ebensowenig meine Absichten auf diesen Cortejo; aber ich kann dir nur so viel wiederholen, daß ich gesonnen bin, mich dem letzteren freundlich zu zeigen.« – »Ich habe in diesem Sinn gehandelt, Oheim.« – »Ist es dir vielleicht gelungen, ihm einen Dienst zu erweisen?« – »Ja. Dieses Dienstes wegen komme ich zu dir. Du sollst dich an demselben beteiligen, wenn das in deine Pläne paßt.« – »Es paßt. Aber welchen Dienst meinst du?« – »Du sollst Cortejo bei dir aufnehmen.« – »Alle Teufel, was will er bei mir?« – »Er kommt als Flüchtling.«
Der Pater machte ein höchst erstauntes Gesicht
»Als Flüchtling, sagst du? So hätte er Unglück gehabt?« – »Ja. Er hat eine Expedition nach dem Rio Grande del Norte unternommen, dabei aber einen großen Mißerfolg erfahren. Er hat sogar das eine Auge verloren, ich glaube im Kampf mit den Indianern.« – »Welchen Zweck hatte diese Expedition?« – »Ich weiß es nicht genau, doch sprach man von der Aufhebung einer Sendung von Geld und Kriegsvorräten, die für Juarez bestimmt war.« – »Und diese Aufhebung ist nicht gelungen?« – »Wie es scheint, nicht.« – »So hat Juarez diese Vorräte und Gelder erhalten?« – »Wahrscheinlich.« – »Hole ihn der Teufel! Cortejo ist ein Dummkopf. Juarez wird wieder neu Atem schöpfen können. Aber wie kommt es, daß du Cortejo einen Flüchtling nennst? Er konnte doch nach der Hazienda gehen.« – »Das wollte er auch, doch kam er zu spät. Sie war von den Mixtekas genommen worden.« – »Von den Mixtekas? Haben denn diese sich erhoben?« – »Ja, ich war dabei, als sie die Hazienda überfielen. Sie waren wohl über tausend Mann stark, und von uns sind nur wenige entkommen.« – »Wer führte die Roten an?« – »Büffelstirn.« – »Unsinn! Der ist ja tot!« – »Man dachte es, aber er ist wieder aufgetaucht.« – »Wenn dies wirklich wahr ist, so blüht das Glück dieses Juarez von neuem, denn Büffelstirn wird zu ihm halten. Man darf dies nicht so weit kommen lassen, aber was ist zu tun, und wie soll man es anfangen?« – »Das wirst du vielleicht wissen, sobald du genau erfährst, was geschehen ist. Ich kann dir nicht alles ausführlich erzählen, da meine Begleiter auf mich warten, aber ich will dir nur so viel sagen, daß wir Grausiges erlebt haben und jedenfalls von Büffelstirn und Bärenherz, vielleicht von noch anderen verfolgt werden.« – »Auch Bärenherz, von dem man früher viel sprach, soll tot sein.« – »Er lebt ebenso wie Büffelstirn. Diese beiden hatten, nachdem die Hazienda von ihnen überfallen worden war, die Tochter Cortejos nach dem Berg El Reparo gebracht, um sie von den Krokodilen verschlingen zu lassen, wir aber haben sie gerettet.« – »So ist sie auch mit bei euch?« – »Ja. Cortejo, Señorita Josefa, seine Tochter, und sechs Mexikaner. Es waren noch mehr bei uns, aber sie haben uns unterwegs verlassen.« – »Wo ist Cortejo?« – »Draußen in der Nähe des Klosters. Ich bin vorausgegangen, um zu erfahren, ob du geneigt bist, ihn bei dir aufzunehmen. Doch habe ich ihm allerdings versprochen, daß er dir willkommen sein werde.«
Der Pater schritt nachdenklich hin und her. Dann sagte er:
»Welch ein Zufall. Natürlich nehme ich Cortejo bei mir auf. Ich bin neugierig, ob er mich erkennen wird.« – »Wie? Ihr habt euch früher schon gekannt?« – »Wir sahen uns in Mexiko und auch noch anderwärts.« – »Freundlich oder feindlich?« – »Feindlich, doch kann dies auf mein jetziges Verhalten keinen Einfluß haben. Gehe und hole ihn! Hier ist der Schlüssel. Doch laß ihn nicht vorher wissen, daß ich ihn kenne.« – »Soll ich die anderen mitbringen?« – »Nein, noch nicht.« – »Auch seine Tochter nicht?« – »Nein. Die Anwesenheit vieler könnte uns verraten. Ich nehme an, daß sein Aufenthalt bei mir geheim bleiben soll. Übrigens weiß ich noch nicht, wo und wie ich seine Leute unterbringen werde. Das wird sich erst finden, nachdem ich mit ihm gesprochen habe.«
Der Neffe ging und brachte bald Cortejo herein, erhielt aber dabei von seinem Oheim einen Wink, sich einstweilen zu entfernen.
Cortejo blieb an der Tür stehen, grüßte und betrachtete den Pater mit eigentümlichen, scharfen Blicken. Dieser fixierte ihn ebenso und fragte dabei:
»Euer Name ist Cortejo, Señor?« – »Ja«, antwortete der Gefragte. – »Ihr seid derjenige Cortejo, der im Dienst des Grafen Ferdinando de Rodriganda stand?« – »Derselbe.« – »Seid mir willkommen und setzt Euch nieder.«
Er deutete auf einen Stuhl, auf den Cortejo sich niederließ. Hilario selbst aber zog es vor, stehen zu bleiben, und fuhr, noch immer kein Auge von dem anderen verwendend, fort:
»Mein Neffe sagte mir, daß Ihr auf einige Zeit ein Asyl sucht. Die heilige Religion gebietet, dem Notleidenden die Hand zu reichen, und darum bin ich bereit, Euch eine Zufluchtsstätte zu gewähren.« – »Ich danke Euch, frommer Pater! Aber wird die Zufluchtsstätte auch so beschaffen sein, daß meine Anwesenheit nicht verraten wird?« – »Habt Ihr Verrat zu fürchten?«
Diese Worte wurden zwar in unverfänglichem Ton gesprochen, doch lag dabei auf dem Gesicht des Paters ein Etwas, das man leicht für den Ausdruck einer versteckten Schadenfreude halten konnte.
»Leider«, antwortete Cortejo. »Sind Euch meine Verhältnisse bekannt?« – »Nur so weit, daß ich weiß, daß Ihr als Kandidat des Präsidentenstuhles aufgetreten seid.« – »Nun, ich bin aus diesem Grund des Landes verwiesen worden.« – »Von den Franzosen?« – »Eigentlich vom sogenannten Kaiser Maximilian; doch kann dieser ohne Erlaubnis der Franzosen nichts tun. Ich bin nach dem Norden des Landes gegangen, um da für meine Kandidatur zu wirken, wurde aber auf der Hazienda del Erina überfallen. Man tötete meine Leute, und ich bin überzeugt, daß meine Verfolger mir auf den Fersen sind.« – »Sie werden Euch nicht erreichen. Ihr seid bei mir vollständig sicher.« – »So habt Ihr ein gutes Versteck?« – »Verstecke, so viel Ihr braucht. Dieses Kloster hat viele verborgene Höhlen, Gänge und Gemächer, daß ich gut tausend Mann verstecken könnte.« – »Das ist mir unendlich lieb, zumal ich erfahren habe, daß sich Franzosen hier befinden. Ich werde mich erkenntlich zeigen.« – »Ihr habt nichts zu befürchten. Die Franzosen sind von Juarez entwaffnet worden und werden froh sein, wenn man sie entkommen läßt. Und was die Belohnung betrifft – ah, sagt einmal, worin diese bestehen soll?«
Hilarios Gesicht hatte bei diesen Worten einen lauernden Ausdruck angenommen.
»Ich bin reich!« antwortete Cortejo. – »Worin besteht Euer Reichtum?«
Diese Frage wurde Cortejo doch unbequem. Er antwortete:
»Habt Ihr ein besonderes Interesse, dies zu erfahren?« – »Ja«, meinte der Pater ruhig. »Ich könnte sagen, daß Ihr von Belohnung redet und ich Euch gegen Eure Verfolger schütze, ich hätte das Recht, mich zu überzeugen, ob Ihr auch imstande seid, mir eine solche Wohltat zu vergelten. Aber ich bemerke Euch, daß ich von jeder Belohnung absehe. Meine Frage hatte nur den Zweck, Eure Verhältnisse zu erfahren, um zu wissen, in welcher Weise ich Euch nützlich werden kann.« – »Ich danke Euch. Wie kommt es, daß Ihr ein solches Interesse an mir nehmt?« – »Ihr werdet dies wohl bald erfahren. Also sagt mir gefälligst, worin Euer Reichtum besteht!« – »Ich bin Verwalter der Besitzungen des Grafen Rodriganda.«
Um die Lippen des Paters legte sich ein unbeschreibliches Lächeln.
»Das heißt mit anderen Worten, Ihr beutet diese Besitzungen für Eure Zwecke aus?«
Man konnte sehen, daß Cortejo verlegen wurde.
»Das habe ich allerdings nicht sagen wollen«, meinte er. – »Was oder wieviel Ihr sagen wolltet, ist mir gleich. Ich halte mich an die Tatsachen. Übrigens ist es mit Eurer Verwaltung aus, da Ihr des Landes verwiesen seid. Ihr könntet mich also schwerlich belohnen.« – »Ich habe Geld, Señor!« meinte Cortejo, dem es bange wurde, denn es kam ihm der Gedanke, daß der Pater ihn nicht behalten könnte. – »Wo?« fragte dieser mit unerbittlicher Rücksichtslosigkeit. – »Es ist sicher versteckt. Ich mußte mich auf alle Fälle gefaßt machen, also auch auf den, in welchem ich mich gegenwärtig befinde.« – »Damit wollt Ihr sagen, daß Ihr dieses Geld aus dem Vermögen der Rodrigandas auf die Seite gebracht habt?« – »Señor, wo denkt Ihr hin?« – »Schon gut! Ich verstehe Euch, ohne daß Ihr mir Eure Angelegenheiten zu enthüllen braucht. Übrigens habt Ihr von mir nichts zu befürchten. Es würde mir nicht einfallen, es zu mißbilligen, wenn Ihr diese Rodrigandas um ihr ganzes Vermögen gebracht hättet.«
Diese Worte wurden mit einer Erbitterung gesprochen, die Cortejo aufmerksam werden ließ.
»Warum?« fragte er. »Kennt Ihr die Rodrigandas?« – »Mehr, als mir lieb ist!« – »Ah, Ihr seid ihnen feindlich gesinnt?« – »So feindlich, daß ich diesen Ferdinando de Rodriganda erwürgen würde, wenn er noch lebte und sich hier bei mir befände.«
Diese Worte erregten das höchste Interesse Cortejos.
»Ihr sprecht das mit einem wahren Grimm aus«, sagte er. »Was hat Euch Don Ferdinando denn getan?« – »Warum fragt Ihr? Ihr wißt es doch genau!« – »Ich? Wieso?« – »Kennt Ihr mich denn wirklich nicht mehr?« – »Es ist mir, als ob ich Euch gesehen hätte. Ich habe schon darüber nachgedacht, kann aber nicht finden, wann und wo es gewesen ist.« – »Nun, so will ich Eurer Erinnerung zu Hilfe kommen. Euch habe ich sofort erkannt, obgleich Euch ein Auge fehlt und viele Jahre vergangen sind, seit wir uns zum letzten Male trafen. Ich wurde damals von Euch zur Tür hinausgeworfen, Señor.«
Cortejo erbleichte. Sollte das wahr sein? In diesem Fall hatte er wohl auf keinen Schutz, sondern nur auf die Rache dieses Mannes zu rechnen.
»Zur Tür hinausgeworfen?« fragte er. »Ihr scherzt wohl?« – »Nein, ich spreche im Ernst. Ich war damals ein junger Arzt.«
Cortejo schüttelte den Kopf.
»Ich kann mich nicht besinnen«, sagte er. »Ihr müßt Euch irren.« – »O nein, ich irre mich nicht. Ich brauche Euch bloß meinen Namen zu nennen.« – »Tut es, ich bitte Euch darum!« – »Man nennt mich Pater Hilario, damals aber hieß ich Ignaz Mandrillo.« – »Ignaz Mandrillo!« rief Cortejo und sprang vom Stuhl auf. »Ist das möglich, Señor?«
Auf seinem Gesicht war der Schreck zu erkennen. Der Pater beobachtete mit einer Art grimmigen Vergnügens den Eindruck, den die Nennung seines Namens hervorgebracht hatte.
»Nicht wahr, nun kennt Ihr mich?« fragte er.
Cortejo hielt das Auge immer noch weit geöffnet auf ihn gerichtet.
»Ja«, sagte er, »Ihr seid es. Ich wundere mich, daß ich Euch nicht gleich erkannt habe. Señor, ich hoffe nicht, daß Ihr der alten Zeiten gedenkt.« – »Warum sollte ich nicht?« fragte der Pater, dessen Gesicht einen kalten, finsteren Ausdruck angenommen hatte. »Diese Zeiten haben meinem Leben eine Richtung gegeben, die ich für unmöglich gehalten hätte. Ich habe damals gelitten, was ich kaum zu überleben dachte; das vergißt man nicht, Señor, sondern daran denkt man noch in der Todesstunde.« – »Ich bedaure das und hoffe, daß Ihr nicht mir die Schuld gebt. Ich handelte damals auf den Befehl des Grafen, dessen Diener ich war.«
Die Lippen des Paters preßten sich zusammen. Er hielt es für unklug, seine eigentliche Ansicht zu sagen, darum antwortete er:
»Ich bin überzeugt davon, obgleich damals mein Grimm mehr gegen Euch, als gegen den Grafen gerichtet war.« – »Laßt das nun ruhen! Ihr habt Euch ja gerächt!« – »Woher wollt Ihr das wissen?« – »Ich weiß es zwar nicht, aber ich kann es mir denken, daß Ihr derjenige gewesen seid, der später ...« – »Halt!« fiel ihm der Pater in die Rede. »Ich mag nichts weiter hören. Aber ich will Euch aufrichtig sagen, daß ich mich sehr geärgert habe, als ich erfuhr, daß Graf Ferdinando gestorben sei. Mein einsames Klosterleben ist innerlich nicht so still und ruhig verlaufen wie äußerlich. Es wogte ein Meer der Rache in mir, dessen Brandung mir Tag und Nacht gegen die Brust stürmte. Ich baute mir einen Plan und hätte ihn ausgeführt, wenn der Graf nicht so plötzlich gestorben wäre.« – »Darf ich fragen, welcher Plan es war?« – »Fragt nicht! Es ist ja doch zu spät zur Rache!«
Der Pater schritt im Zimmer auf und ab. Man sah es ihm an, daß jenes Meer der Rache noch in ihm wogte. Cortejo beobachtete ihn. Sein Auge begann zu funkeln. Es tauchte ein Gedanke in ihm auf, der ihm ungeheure Vorteile zu bieten schien, Vorteile für später.
»Wenn es nun doch noch nicht zu spät wäre?« fragte er daher langsam und mit hörbarem Nachdruck.
Da blieb der Pater vor ihm stehen und fragte:
»Nicht zu spät? Der Graf ist ja tot!« – »Woher wißt Ihr das?« – »Ich hörte es und las es auch. Er ist ja begraben worden.« – »Wenn ich Euch nun sagte, daß er noch lebt, Señor Mandrillo?« – »Pah! Ich würde es nicht glauben.« – »Und doch wäre es die Wahrheit.«
Der Pater schüttelte den Kopf und fragte:
»Wollt Ihr mich vielleicht wieder so täuschen wie damals, Señor? Es würde Euch wohl schwerlich gelingen!« – »Davon kann keine Rede sein. Sagt mir doch einmal, welchen Nutzen ich hätte, wenn ich Euch ein Märchen aufbinden wollte.« – »Allerdings gar keinen. Aber niemand wird mich glauben machen, daß Graf Ferdinando des Rodriganda noch am Leben sei.« – »Er lebt dennoch. Er war nur scheintot.« – »Scheintot? Ah, das würde ich ihm von ganzem Herzen gönnen. Welche Qualen muß ein Scheintoter ausstehen, ehe er im Grab zugrunde geht! Aber wie wollte man es erfahren haben, daß er wirklich nur scheintot gewesen ist?« – »Man hat ihm ein Mittel gegeben, das Starrkrampf erzeugt.« – »Donnerwetter!« fluchte der Pater trotz seines früheren frommen Standes. »Das wäre ja ein Verbrechen gewesen!« – »Es werden der Verbrechen viele begangen, ohne Strafe zu finden!« – »Das ist wahr. Aber welche Absicht könnte man gehabt haben, bei dem Grafen den Scheintod hervorzubringen?« – »Nehmt einmal an, es sei aus Rache geschehen!« – »Das wäre allerdings ein sehr stichhaltiger Grund. Aber der Graf wurde begraben; er muß nachträglich in der Gruft gestorben sein.« – »Nein, denn man hat ihn heimlich aus dem Sarg genommen.«
Die Augen des Paters richteten sich förmlich durchbohrend auf Cortejo.
»Señor«, sagte er. »Wollt Ihr einen Roman zusammenbauen?« – »Das fällt mir gar nicht ein. Ich offenbare Euch hiermit allerdings ein tiefes und schwerwiegendes Geheimnis; aber ich würde das nicht tun, wenn ich keine Absicht dabei hätte.« – »Welches ist diese Absicht?« – »Euch Gelegenheit zur Rache zu bieten.«
Der Pater stieß ein kurzes, heiseres Lachen aus.
»Das macht Ihr mir nicht weis, Señor«, sagte er. »Wie ich Euch, leider zu meinem Schaden, kennengelernt habe, tut Ihr nichts, ohne Euren eigenen Vorteil im Auge zu haben.« – »Ich will auch das zugeben, Señor Mandrillo, denn indem Ihr Euch rächt, befriedige ich mein eigenes Verlangen nach Vergeltung.« – »Ah! Habt auch Ihr eine Rechnung mit dem Grafen auszugleichen?« – »Ja, eine sehr große.« – »So seid Ihr es gewesen, der ihm das den Starrkrampf erzeugende Mittel beigebracht hat?« – »Ich sage weder ja noch nein. Ihr werdet begreifen, daß man in solchen Dingen nicht vorsichtig genug sein kann.« – »In dieser Angelegenheit könnt Ihr gegen mich die vollste Aufrichtigkeit walten lassen. Ihr wißt ja, wie ich zu Rodriganda stehe.« – »Was hilft mir meine Aufrichtigkeit, wenn Ihr meinen Worten nicht glaubt?« – »Ah! Ihr haltet also wirklich die Behauptung aufrecht, daß der Graf noch lebt?« – »Ja, vollständig.« – »Señor, wenn Ihr die Wahrheit sagtet!« – »Ich sage sie.« – »Ihr würdet mir damit ein Geschenk machen, das ich Euch niemals vergelten könnte. Rache üben zu können, ist Seligkeit.« – »Welchen Racheplan hattet Ihr Euch damals gemacht?« – »Das werde ich so lange verschweigen, bis ich von Euch alles weiß.«
Cortejo blickte still und ungewiß vor sich nieder. Dann hob er mit einer raschen Bewegung den Kopf und erwiderte:
»Nun gut, ich will mich entschließen, Euch einzuweihen, da wir einander von großem Nutzen sein können. Aber kann ich mich auf Eure Verschwiegenheit für alle Fälle und in jeder Beziehung verlassen?« – »Ich schwöre es bei Gott und allen Heiligen, daß ich über das, was ich von Euch erfahre, stumm sein werde.«
Der Pater hatte dabei die Hand wie zum Schwur erhoben. Cortejo antwortete:
»Ich will Euch glauben und vertrauen. So erfahret denn, daß ich es gewesen bin, der Don Ferdinando das Mittel gegeben hat.« – »Also doch, wie ich vermutete. Es weiß doch kein zweiter davon?« – »Nur meine Tochter. Ich war gezwungen, sie einzuweihen.« – »Seid Ihr ihrer Verschwiegenheit sicher?« – »Ja.« – »Also wurde der Graf wirklich scheintot begraben?« – »Er war noch nicht wieder erwacht, als ich ihn aus dem Sarg nahm.« – »Ihr selbst habt ihn herausgenommen?« – »Ja.« – »Und nicht getötet?« – »Nein.« – »Welch ein Fehler!« rief der Pater streng. »Übrigens weiß ich noch nicht, ob ich Euch das alles glauben soll.« – »Ihr werdet es glauben, wenn Ihr das Weitere erfahren habt.« – »Aber warum ließt Ihr ihn wieder aufleben?« – »Um meine Rache vollständig zu befriedigen. Der Graf sollte langsamer zugrunde gehen, als durch das einfache Lebendig-begraben-werden.«
Die Augen des Paters funkelten vor Vergnügen.
»Das war allerdings ein göttlicher Gedanke. Was habt Ihr mit ihm getan?« – »Ich habe ihn in die Sklaverei geschickt.« – »Alle Teufel! Ich beginne, Euch hochzuachten! Dort lebt er noch?« – »Ich glaubte es, daß er dort noch lebe oder doch dort gestorben sei. Aber er ist gerettet worden und nach Mexiko zurückgekehrt.« – »Ah! Wirklich? Habt Ihr ihn gesehen?« – »Noch nicht, aber dennoch weiß ich es ganz genau. Er befindet sich da oben im Norden in einem Fort, das Guadeloupe heißt.« – »Warum dort? Warum kommt er nicht, um Euch anzuklagen?« – »Er ist krank.« – »Donnerwetter! Er wird doch nicht etwa sterben?« – »Mir wäre das außerordentlich lieb.« – »Ich glaube das. Aber mir nicht. Was Ihr da erzähltet, hat in mir die Hoffnung erweckt, daß es mir doch noch gelingen werde, meine Rache an den Mann zu bringen. Ich wollte, ich hätte diesen Grafen hier.« – »Was würdet Ihr mit ihm tun?« – »Was ich ursprünglich beschlossen hatte. Jetzt kann ich Euch dies mitteilen. Ich wollte ihn nämlich in eines der unterirdischen Gefängnisse des Klosters stecken, um mich an seinem langsamen Tod weiden zu können.«
Da flog ein freudiges Leuchten über Cortejos Gesicht, er glaubte jetzt gewonnen zu haben und fragte:
»Wie hättet Ihr ihn dann in Eure Hand bekommen?« – »Auf irgendeine Weise. Das wäre mir übrigens das wenigste. Wißt Ihr vielleicht, an welcher Krankheit er jetzt darniederliegt?« – »An einer Verletzung durch einen Hieb, den er erhalten hat.« – »Das ist nicht lebensgefährlich. Ist er geheilt, so wird er jedenfalls von dem Fort aufbrechen, um sein Besitztum anzutreten und Euch bestrafen zu lassen. Ich gäbe viel darum, wenn er auf dem Weg nach Mexiko hier durch Santa Jaga käme.« – »Soll ich ihn dazu veranlassen?« – »Brächtet Ihr das fertig?« – »Jedenfalls; doch hoffe ich, daß auch Ihr mir dafür einen Gefallen erzeigt, daß Ihr seine Begleiter und Freunde mit einsperrt.« – »Hm! Das kann leicht sein, aber auch schwer; es kann überflüssig oder notwendig, gefährlich oder auch von Nutzen sein. Man muß das abwarten.« – »Ja, Ihr könnt das abwarten, aber nicht ich. Ich muß bereits jetzt wissen, was Ihr zu tun beschließen werdet.« – »Warum? Nehmt Ihr an den Begleitern des Grafen gar so großes Interesse?« – »Natürlich. Sie werden jedenfalls von ihm alles erfahren haben. Ihn allein einsperren, kann mir also von keinem Nutzen sein.« – »Das ist sehr richtig. Mir aber haben diese Leute nichts getan.« – »Jetzt noch nicht; aber sie können Euch sehr gefährlich werden.« – »Inwiefern?« – »Dadurch, daß sie entdecken und verraten, wo der Graf sich befindet.« – »Alle Teufel! Daran dachte ich nicht! Aber man kann ja vorsichtig sein, so daß sie gar nichts bemerken.« – »Ich kann Euch den Grafen nur unter der Bedingung liefern, daß Ihr auch seine Begleiter unschädlich macht.« – »So gibt es in Eurer Vergangenheit noch einen Punkt, den Ihr mir verschwiegen habt. Und dieser Punkt bezieht sich auf die Begleiter.« – »Ihr ratet richtig. Nur ist es gefährlich, darüber zu sprechen.« – »Wenn Ihr mein Schützling und Verbündeter sein wollt, so verlange ich unbedingt alles zu erfahren, was sich auf den Grafen bezieht.«
Cortejo schwieg eine Weile, endlich sagte er, aber sichtlich zögernd:
»Ich sehe ein, daß ich Euch alles sagen muß. Aber Ihr dürft überzeugt sein, daß ich Euch töten werde, wenn Ihr ein einziges Wort davon redet!« – »Mich töten? Pah! Ihr befindet Euch ja in meiner Hand und nicht ich in der Eurigen. Ich brauchte also keine Angst zu haben, wenn ich ja die Absicht hätte, Euch zu verraten.« – »Da irrt Ihr Euch sehr! Es gibt noch Mitwisser meines Geheimnisses. Ich werde sie benachrichtigen, daß ich es auch Euch mitgeteilt habe, und sie würden die Strafe übernehmen, falls Ihr mich verrietet.« – »Wer sind diese Mitwisser?« – »Vor allen Dingen mein Bruder.« – »Ah! Ihr habt noch einen Bruder! Wo?« – »In Spanien. Er ist Verwalter des Grafen Alfonzo de Rodriganda.« – »Das wußte ich allerdings noch nicht. Dieser Graf Alfonzo wird sich außerordentlich freuen, wenn er hört, daß sein Oheim noch lebt.«
Cortejo stieß ein höhnisches Lachen aus und antwortete:
»Er wird ihn im Gegenteil zu allen Teufeln wünschen.« – »Seinen Verwandten?« fragte der Pater erstaunt. – »Oh, Graf Alfonzo ist ja auch Mitwisser meines Geheimnisses!« – »Was? Wirklich? Er weiß, daß der Graf scheintot gewesen ist?« – »Ja.« – »Und in die Sklaverei geschafft wurde?« – »Ja. Er ist übrigens gar nicht mit ihm verwandt.« – »Er ist doch sein Neffe!« – »Nein. Und dies ist eben mein Geheimnis, für dessen Ausplauderei ich Euch mit dem Tode drohte. Graf Alfonzo ist nämlich der untergeschobene Sohn des Grafen Emanuel des Rodriganda.«
Der Pater trat vor Erstaunen gleich mehrere Schritte zurück.
»Das soll ich glauben?« fragte er. – »Würde ich eine für mich so gefährliche Mitteilung machen, wenn sie nicht die volle Wahrheit enthielte?« – »Ich wüßte allerdings nicht, was Euch bewegen könnte, mir eine solche Fabel zu erzählen. Aber wenn Eure Worte Wahrheit enthalten, wessen Sohn ist dann eigentlich dieser Don Alfonzo?« – »Der Sohn meines Bruders.« – »Also Euer Neffe? Ah, nun wird mir die Sache plausibel. Nun weiß ich auch, wie Ihr von Euren Reichtümern reden könnt. Denn, wenn der Graf von Rodriganda ein Neffe von Euch ist, so könnt Ihr schließlich mit seinem Vermögen machen, was Euch beliebt.« – »Ihr seht also ein, daß ich imstande bin, Euch zu belohnen!« – »Ja. Doch brauche ich Euren Lohn gar nicht. Ich besitze, was mir vonnöten ist und noch etwas mehr. Was aber ist mit dem echten Sohn des Grafen Emanuel geworden? Ist er gestorben?« – »Leider nicht. Er lebt und befindet sich in Begleitung des Grafen Ferdinando.« – »Alle Teufel! Wissen die beiden, daß sie verwandt sind?« – »Nein. Sie können es aber sehr leicht entdecken, wenn der Zufall es will.« – »So werde ich dafür sorgen, daß der Zufall es nicht will. Ich sage Euch, daß diese Mitteilung mir von allergrößtem Interesse ist. Die Verhältnisse, von denen Ihr redet, geben meiner Rache noch ganz andere Wendungen.« – »Es ist mir lieb, dies zu hören. Übrigens muß ich Euch sagen, daß sämtliche Begleiter des Grafen treue Anhänger von Juarez sind.« – »Ah! Wirklich?« – »Ja. Sie haben bereits für ihn gekämpft.« – »So wird es mir eine Lust sein, sie unschädlich zu machen. Wer ist es denn?« – »Zunächst Büffelstirn und Bärenherz ...« – »Diese beiden, die Euch jetzt verfolgen?« – »Ja.« – »Aber so sind sie ja nicht bei dem Grafen.« – »Sie sind ihm vorausgeeilt, um mir mit Hilfe der Mixtekas die Hacienda del Erina wegzunehmen.« – »Wer ist's noch weiter?« – »Ein gewisser Sternau, ein deutscher Arzt, der der gefährlichste von allen ist. Er ist meinem Geheimnis so scharf auf der Spur, daß es sich in der größten Gefahr befindet und ich natürlich mit.« – »Aber wie kommt dieser Deutsche in Berührung mit den Rodrigandas?« – »Das ist eine lange Geschichte, die Euch ermüden würde.« – »Oh, ich interessiere mich für diese Sache so sehr, daß von einer Ermüdung gar keine Rede sein kann. Erzählt also!«
Cortejo sah sich gezwungen, etwas zu tun, was er vorher für ganz und gar unmöglich gehalten hätte; nämlich diesen Mann, der noch dazu ihm früher so feindlich gesinnt gewesen war, in die Begebenheiten des Hauses Rodriganda einzuweihen. Er tat dies aber nur so weit, als es möglich war, ohne sich ganz und gar bloßzustellen. Dennoch aber erfuhr der Pater so viel, daß er am Schluß des kurzgefaßten Berichtes erstaunt ausrief:
»Aber, Señor, ist das alles wahr und möglich? Daraus könnte man ja den schönsten Roman machen und ganze Bände mit ihm füllen! Aber könnt Ihr auch der Erzählung Eurer Tochter trauen?« – »Ja. Sie erfuhr fast alles von dem Vaquero und war dann auch die Gefangene dieses Sternau, der ihr vieles mitteilte.« – »So ist jener Landola ein großer Schuft gegen Euch gewesen.« – »Ich werde ihn dafür zur Rechenschaft ziehen.« – »Ja, das müßt Ihr allerdings tun, obgleich ich gestehe, daß ich diesem Menschen großen Dank schuldig bin.« – »Ihr? Ihm Dank schuldig? Wieso?« – »Nun, wäre er nicht falsch gegen Euch gewesen, so hätte ich nicht die Hoffnung, den Grafen samt seinem ganzen Anhang in die Hand zu bekommen. Ihr glaubt also, daß wir die beiden Indianer bald hier haben werden?« – »Ja. Sie sind jedenfalls nach der Hacienda geeilt, um sich Pferde zu holen und uns zu folgen. Zwei Männern, wie sie sind, kann unsere Spur nicht entgehen.« – »Wäre es nicht besser, sie von dieser Spur abzubringen?« – »Wie sollte man dies jetzt noch anfangen?« – »Ihr laßt Eure Begleiter weiterreiten.« – »Und Ihr denkt, daß die beiden Häuptlinge ihnen folgen werden?« – »Ja.« – »Das bildet Euch ja nicht ein. Diese Kerle sind so schlau, daß alle unsere Feinheit nicht zureicht, sie zu täuschen.« – »Nun gut. Man wird sie empfangen. Aber meint Ihr wirklich, daß ich Eure Mexikaner im Kloster beherbergen soll?« – »Ist Euch dies nicht möglich?« – »Möglich ist es, aber nicht rätlich. Durch sie würde Eure Anwesenheit verraten werden. Ihr würdet sehr bald gefangen sein.« – »Was soll ich mit ihnen tun?« – »Entlaßt sie einfach.« – »Sie entlassen? Nein, das geht nicht, Señor Mandrillo.« – »Warum sollte es nicht gehen?« – »Ich brauche sie ja, ich brauche Leute, viele Leute!« – »Wozu?« – »Habt Ihr vergessen, daß ich Präsident werden will?«
Da legte der Pater ihm die Hand auf die Schulter und erwiderte:
»Präsident? Ihr? Das bildet euch um Gottes willen nicht ein. Ihr werdet es nicht einmal zum Gouverneur einer Provinz bringen, viel weniger aber gar zum Präsidenten des ganzen Staates.«
Cortejo fühlte sich in einem Stolz sehr gekränkt, doch von den trüben Erfahrungen der letzten Zeit beeinflußt, fragte er ziemlich kleinlaut:
»Aus welchem Grund meint Ihr das?« – »Oh, ich habe sehr triftige Gründe. Seid Ihr etwa imstande, die Franzosen aus dem Land zu treiben?« – »Nein, jetzt noch nicht.« – »Oder Kaiser Max fortzujagen?« – »Nein.« – »Oder könnt Ihr es jetzt wagen, Euch Juarez entgegenzustellen?« – »Jetzt noch nicht, aber es wird sehr bald geschehen.« – »Ah! Wann denn?« – »Sobald ich neue Leute angeworben habe. Dann wird sich auch der Panther des Südens einfinden, um mir mit seinen Leuten beizustehen.« – »Der Panther des Südens? Glaubt Ihr das wirklich?« – »Ja.« – »So täuscht Ihr Euch ganz gewaltig. Der Panther hat große Lust, selbst Präsident zu werden. Was er tut, das tut er nur für sich.« – »Oh, das weiß ich besser. Ich habe ihm sogar die Bezahlung für seine Dienste vorausgegeben.« – »Wirklich? Das ist ein sehr dummer Streich von Euch. Jedenfalls ist der Gedanke, daß Ihr im Norden des Landes auftreten sollt, von ihm ausgegangen?« – »Das ist wahr.« – »Nun seht, er hat Euch los sein wollen. Auf ihn könnt Ihr nicht mehr rechnen.« – »Alle Teufel! Wenn das wahr wäre!« – »Es ist wahr, und ich kann es sogar beweisen.« – »Womit?« – »Durch einen Brief, den ich von ihm erhalten habe.« – »Was? Ihr steht mit dem Panther des Südens in Briefwechsel?« – »Schon lange Zeit.« – »Darf ich den Brief sehen und lesen?« – »Ja. Ich habe ihn jetzt nicht da, werde ihn aber nachher holen. Ich rate Euch, Eure Agitation aufzugeben, denn sie wird keinen anderen Erfolg haben, als daß Ihr Euch nur gewaltig lächerlich macht.«
Cortejo sank in sich selbst zusammen. Die Worte, die er hörte, waren für seine Eigenliebe außerordentlich verletzend. Der Pater stand dabei und erquickte sich im stillen an der Demütigung, die er ihm bereitete.
»Geht jetzt, Señor Cortejo, und holt Eure Tochter«, sagte er. »Ich werde Euch ein heimliches, unterirdisches Gemach anweisen. Eure Leute aber könnt Ihr einstweilen in einer Venta der Stadt einquartieren.« – »Sind sie da sicher?« – »Ja. Sie brauchen nur nicht zu sagen, daß sie zu Cortejo gehören.« – »Und dieser Jäger Grandeprise? Er wird mich nicht verlassen wollen.« – »Er mag mit Euch in das Kloster kommen. Ihn brauche ich nicht zu verstecken. Er besucht mich aus Dankbarkeit, daß ich ihn damals hergestellt habe, und mag frei und offen umherlaufen. Das wird niemandem auffallen.«