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»Das ist freilich etwas Anderes. Nun, wir können diese Leute sehr wohl gebrauchen!«
Henning Friedländer eilte wieder hinab, und nicht lange darauf hielten die Ankommenden vor dem Thore und begehrten Einlaß.
»Wer seid Ihr?« fragte der Falkenmeister, welcher immer noch ein leises Mißtrauen nicht unterdrücken konnte.
»Wir sind Mannen des Herrn Janeke von Stegelitz, und sind durch Herrn Dietrich von Quitzow aufgeboten worden.
Ohne Bedenken wurden die Leute jetzt eingelassen und Henning Friedländer athmete hoch auf, als er diesen ansehnlichen Zuwachs der Streitkräfte übersah.
»Was ist mit meinem Herrn?« fragte leise der Anführer der eben Angekommenen, als er sich mit dem Falkenmeister wenige Augenblicke später allein sah.
»Herr Janeke ist mit Herrn Simon auf einem Jagdzuge in die Hände der Wedels oder des Kremzower gefallen.«
»Weshalb entbot dann aber Herr Dietrich uns hierher?«
»Das kann ich Euch gar wohl erklären: Güntersberg liegt halb umgeben von den Gebieten der Ritter, die uns Fehde angesagt haben, während Reetz, so viel ich weiß, nur mit den Wedel's in directem Zusammenhange steht. Nachdem nun die beiden Ritter gefangen genommen und Güntersberg, wie auch das Gebiet des Herrn Janeke, heut' ihrer Herren entbehren, werden Wedel oder auch Herr Heinrich von Bork mit sammt dem Kremzower gewiß die Gelegenheit benutzen und an Güntersberg, das ihnen zunächst gelegen und schon längst ein Dorn im Auge ist, ihrem Uebermuth die Zügel schießen lassen.«
»Herr Gott! Da haben wir ja die Burg meines Herrn der Willkür seines Feindes, des Herrn Erasmus von Wedel, preisgegeben. Wir müssen sofort wieder zurück!«
»Beruhige Dich. Dafür ist schon gesorgt, daß das Eigenthum Deines Herrn ungefährdet bleibt. Es scheint Dir unbekannt zu sein, daß Herr Erasmus ein Bundesgenosse und Freund der Herren Janeke und Simon ist!«
»Ist das möglich?«
»Ja, ja; Du kannst das schon glauben. Ich habe ja selbst den Fehdebrief gelesen, den die Herren Henning von Wedel, Heinrich von Bork, Friedrich von Wedel und der Kremzower an unsere Herren und zugleich an Herrn Erasmus geschrieben haben.«
»Das ist allerdings schön und verspricht einen fröhlichen Tanz. Ist denn aber Erasmus benachrichtigt von dem, was hier vorgefallen ist?«
»Das wird Herr Dietrich besorgt haben. Andernfalls hätte er Dich ja nicht beauftragt, mit Deinen Leuten hierher zu kommen.«
»Jetzt bin ich beruhigt.«
Der Falkenmeister unterrichtete Matthias näher über die jüngsten Vorfälle und Matthias erklärte sich freiwillig bereit, sich mit seinen Leuten den Anordnungen des Falkenmeisters zu unterwerfen. Auch er war vollständig davon überzeugt, daß ein Angriff auf Güntersberg zu erwarten sei. Die Wachtposten wurden verdoppelt und Henning Friedländer zog sich, nachdem alle Anordnungen getroffen waren, die eine Ueberrumpelung hindern mußten, mit Matthias in sein Gemach zurück.
Die Nacht verging wieder ungestört, der Morgen graute bereits und die mehr und mehr weichende Dämmerung ließ Gegenstände weiterer Entfernung schon erkennen.
Der Falkenmeister kehrte eben von einem Rundgang in das Haus zurück, als einer der an der Südseite aufgestellten Posten auf ihn zukam und meldete, »am Waldsaum auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung zeigen sich Bewaffnete!«
Beide eilten nach der Stelle zurück, von der aus die befremdende Wahrnehmung gemacht worden war, und Friedländer überzeugte sich jetzt davon, daß unter dem Schutz der Bäume eine anscheinend bedeutende Anzahl Bewaffnete sich Güntersberg zu nähern suchten.
Wenige Augenblicke später waren sämmtliche Mannen im Hofe beisammen und Friedländer ertheilte hier mit gedämpfter Stimme die ihm passend erscheinenden Befehle.
Kaum war dies geschehen und Jeder an dem ihm zugewiesenen Posten, als die Ersten der Stürmenden Anstalten trafen, den Burggraben zu überbrücken und die Mauer zu erklettern. Ungehindert wurden sie herüber gelassen. Als sie aber die Mauer zu erklettern suchten, wurden sie durch einen furchtbaren Steinhagel zurückgeschleudert, derart zwar, daß nicht ein Einziger von ihnen lebend davon kam.
Die Belagerer, deren Zahl sich inzwischen erheblich vermehrt hatte, und die, wie die Belagerten sofort erkannten, unter Anführung des Kremzower's und Heinrich von Wedels standen, gewannen die Ueberzeugung, daß eine Ueberrumpelung unmöglich sei, und beschlossen Sturm zu laufen.
Daraufhin ließen sich wenigstens die nun von ihnen in Angriff genommenen Vorbereitungen erklären.
Der Falkenmeister hatte den ersten Augenblick, als er die Zahl der Belagerer sah, keinen Zweifel gehegt, daß Güntersberg nur sehr schwer zu halten sein würde. Er beschloß deshalb, die Burg zwar bis zum letzten Augenblick zu vertheidigen, im Interesse Brunhilden's sich aber einen Ausweg offen zu halten.
Ihr länger die wahre Sachlage zu verbergen, ging nicht an, sie war selbst bereits aufmerksam geworden und kam ihm nun zitternd und in größter Aufregung entgegen.
»Um aller Heiligen willen, sagt mir, was geht hier vor? Güntersberg wird von Feinden bestürmt, während mein Vater nicht anwesend ist?«
»Leider ist es der Fall,« erwiderte der Falkenmeister ernst, »doch hegt keinerlei Besorgnisse. Ich werde Güntersberg halten, so lange dies Euer Vater selbst im Stande gewesen wäre!«
»Wenn Euch dies aber nicht gelingt, was dann?«
»Dann bürge ich Euch wenigstens für Eure Rettung; ich bitte Euch aber, jetzt Euer Gemach nicht zu verlassen. Gelingt es mir, die Feinde zu schlagen, dann werde ich Euch sofort benachrichtigen. Habe ich aber Unglück, dann werde ich Euch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen suchen.«
»Ihr habt Hülfe erhalten?«
»Ja; die Leute des Herrn Janeke sind von Herrn Dietrich hierhergeschickt worden.«
»Gott gebe Euch den Sieg!« erwiderte Brunhilde mit bebender Stimme, während ihre Augen sich mit Thränen füllten, »und erinnert Euch daran, daß ich Eure Botschaft mit Sehnsucht erwarte.«
Noch ehe der Falkenmeister ein Wort der Erwiderung fand, war Brunhilde zurückgetreten und ihren Gemächern zugeeilt.
Rasch kehrte er nun zu den Leuten zurück, welche zu seiner Ueberraschung gerade an der Stelle in Unthätigkeit verharrten, die seiner Ansicht nach am meisten gefährdet war.
Unruhig trat er näher.
»Was bedeutet das? Der Feind weicht doch sicher jetzt nicht schon zurück.«
Die Antwort auf diese Frage vermochte er sich selbst zu geben, nachdem er einen Blick durch eine der kleinen, in der Mauer befindlichen, von außen kaum bemerkbaren Oeffnungen warf und sah, daß die Belagerer sich in der That an den Waldsaum zurückzogen.
»Ha! ha! Eine der gewöhnlichen Kriegslisten soll hier in Anwendung kommen. Ihr irrt Euch aber, wenn Ihr glaubt, mich täuschen zu können.« Zu den ihn umgebenden Leuten fuhr er rasch fort:
»Einige Mann Bedeckung bleiben hier zur Beobachtung. Die Uebrigen eilen sofort nach der Ostseite, und zwar seitwärts von dem kleinen Ausfallpförtchen, dahin, wo der Wald am nächsten an den Burggraben anstößt!«
Kaum hatte er diesen Befehl ertheilt, als von der bezeichneten Stelle her ein lautes Geschrei hörbar wurde. Als die Leute dort ankamen, sahen sie auch sofort ein, wie richtig der Falkenmeister die Sachlage beurtheilt hatte.
Eine übergroße Anzahl der Feinde war eben im Begriff, die Mauer zu erstürmen, und es würde ihnen dies auch gelungen sein, wenn der Falkenmeister nicht rechtzeitig Hilfe gesandt hätte.
Der energische Widerstand der Belagerten zwang die Belagerer endlich, zurückzuweichen.
Längere Zeit wurde jetzt von keiner Seite ein Angriff versucht. Die Belagerer hatten Güntersberg von drei Seiten fest eingeschlossen. Von der vierten war ihnen dies nicht möglich, weil ein größerer See bis hart an die Mauer von Güntersberg stieß.
Diese Seite ließ aber auch der Falkenmeister am wenigsten beachtet, denn er sagte sich, ein Angriff ist hier nicht möglich, weshalb also unnütz die ungenügende Anzahl meiner Leute noch mehr vertheilen?
»Ob der See im Nothfalle die Ausführung unserer Flucht zu erleichtern vermag, kann dann noch untersucht werden, wenn wir uns in der Nothlage befinden, ernstlich an die Rettung denken zu müssen!«
Die Ruhe, welche die Belagerer dem im Verhältniß zu ihrer Zahl kleinen Häuflein der Belagerten gegönnt hatten, benutzten die Letzteren zur emsigen Ausbesserung der an den Mauern bereits entstandenen Schäden, und zur großen Freude Matthias' liefen von allen Beobachtungsposten fortgesetzte Meldungen ein, daß die Feinde sich mehr und mehr zurückzögen und die sichtbare Zahl derselben sich immer vermindere.
Der Falkenmeister war jedoch so leicht nicht zu täuschen.
»Man wird uns in der Nacht überfallen,« erklärte er Matthias auf dessen Mittheilungen, »und wir sind zur größten Wachsamkeit verpflichtet. Ich werde dies den Nachtposten selbst einschärfen.«
Matthias schien die Befürchtung des Falkenmeisters nicht zu theilen, vermied jedoch, sich darüber auszusprechen. Die Nacht brach an und Henning Friedländer hatte auf
Wunsch Brunhildens dieser eben Bericht über den Stand der Belagerung erstattet, als von mehreren Seiten zugleich der Ruf ertönte:
»Der Feind! der Feind!«
Ein Blick durch das Fenster zeigte dem Falkenmeister den Ernst der Lage, in der Güntersberg und dessen Bewohner sich befanden.
Die Belagerer hatten so geräuschlos, daß selbst die Wachtposten behaupteten, nichts gehört zu haben, die Mauern erklommen und befanden sich im Augenblicke bereits im Burghofe im Handgemenge mit den überrumpelten Belagerten.
Die Zahl der Gegner vermehrte sich sichtlich. Der Falkenmeister verhehlte sich nicht, daß ein längeres Belassen Brunhildens in der nicht mehr zu haltenden Burg nur mit den größten Gefahren für sie verknüpft sein würde.
Rasch stieg er deshalb wieder zu dem Gemach empor, in welchem das Mädchen weilte. Sie hatte selbst bereits die Vorgänge im Hofe bemerkt und kam ihm zitternd, weinend entgegen.
»Unsere Lage, Jungfrau, ist gefährlich,« sprach er sie mit dumpfem Tone an. »In Folge Unachtsamkeit der Leute ist es den Belagerern doch gelungen, uns zu überrumpeln, und schleunigste Flucht ist das Einzige, was ich Euch jetzt dringend rathen kann.«
Brunhilde schien noch nicht erwartet zu haben, daß die Gefahr bis zu dieser Höhe gestiegen war. Ihr fehlte im Augenblicke jedes Wort der Erwiderung.
Starren Blickes sah sie den jungen Mann einen Augenblick wie rathlos an, dann stieß sie gezwungen hervor:
»Aber mein Gott, was soll ich thun?«
»Wollt Ihr Euch mir anvertrauen? Ich werde thun, was in meinen Kräften steht, Euch an einen sichern Ort zu bringen. Bergt schnell, was Ihr mitnehmen wollt. Ich werde inzwischen sehen, in welcher Weise sich die Rettung am besten bewerkstelligen läßt, und bald wieder hier sein!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er hinaus, stieß aber, unten angekommen, bereits auf einige der verwegensten Stürmer.
Mit kraftvollen und gewandten Hieben trieb er die Eindringlinge, die auf diese Begegnung nicht gefaßt sein mochten, zurück und verschloß die Thüre.
Er wußte recht gut, daß dieser Nothbehelf nicht lange seinen Zweck erfüllen werde. Die starke Thüre mußte in kurzer Zeit schon den wüthenden Schlägen der erbitterten Gegner nachgeben. Die Uebermacht der Feinde war zu groß. Die Rettung Brunhildens war jetzt das Wichtigste, was er zu thun hatte.
»Wie aber soll ich diese Rettung aus der von Feinden rings umgebenen Burg bewerkstelligen? Wahrhaftig eine schwere Aufgabe!«
Wider Erwarten fand er Hilfe an einer Stelle, wo er sie nicht gesucht hatte.
Der alte Thurmwart kam nämlich in diesem Augenblicke herab und sah Brunhilde händeringend im Corridor in der Nähe der Treppe stehen. Zu gleicher Zeit bemerkte ihn aber auch der Falkenmeister und rief ihn eilends zu sich herab.
»Du weißt vielleicht so gut wie ich, daß an ein längeres Vertheidigen der Burg nicht zu denken ist und die Rettung der Jungfrau jetzt dringend nothwendig wird. –«
»Ich weiß schon, was Ihr sagen wollt,« unterbrach ihn der alte Thurmwart, »und glaube, da ich hier sehr genau bekannt bin, helfen zu können!«
»Sprich, in welcher Weise?«
»Ich kenne einen von hier ausgehenden unterirdischen Gang, der seitwärts von der Anhöhe, die an den See anstößt, ausmündet!«
»Bravo, Alter! Führe die Jungfrau bis zum Ende des Ganges und erwarte mich dort. Aber schnell, schnell; die Thür kann den Angriffen nicht länger Widerstand leisten!«
Brunhilde folgte, nachdem der Falkenmeister ihr mit wenig Worten den dem Thurmwart ertheilten Befehl kundgegeben hatte, schweigend dem Alten, und bald standen die Drei vor dem Eingange, der, wie der Falkenmeister sich überzeugte, so gut verwahrt war, daß ein Uneingeweihter ihn nur schwer zu finden vermochte.
Im Begriffe, hinabzusteigen, wandte Brunhilde sich noch einmal um und richtete den durch Thränen verschleierten Blick auf den jungen Mann.
»Ihr werdet mich doch nicht verlassen? Stürzt Euch nicht in den fruchtlosen Kampf; schonet Euch – meinetwegen!« fügte sie leise hinzu.
»Hegt keine Besorgniß um mich! Mein Schwert ist gut und ich verstehe mich der Feinde zu erwehren. Ich werde kommen, sobald meine längere Anwesenheit hier nutzlos wird!«
Er schloß selbst die Thür des Ganges und wollte durch eine Seitenthür zum Kampfplatze eilen.
Noch hatte er diese nicht vollständig erreicht, als er die Hauptthüre der Burg sprengen und eine ihm nur zu wohlbekannte Stimme befehlen hörte:
»Jetzt helft Ihr mir das Röslein vom Güntersberg suchen!«
Einen Augenblick schwankte er, ob er dem Inhaber dieser Stimme nicht sofort direct gegenübertreten sollte. Bald entschied er sich jedoch für Verneinung dieser Frage und trat hinaus in den Hof. Seine Leute waren zum großen Theil ganz überwunden; die noch Kampffähigen fochten aber mit Löwenmuth, und der Falkenmeister hatte sofort Gelegenheit, zu zeigen, daß er gar wohl befähigt sei, einen Kampf mit einer Anzahl Knechte aufzunehmen. Mit wenigen, aber mächtigen Hieben befreite er Matthias und einen seiner besten Leute aus der auf sie eindringenden Schaar der Gegner und verdutzt sahen die Letzteren sich um.
Bald sammelten sich um den Falkenmeister und Matthias mehrere der im Hofe zerstreut kämpfenden Knechte und die Sieger sahen sich schließlich gezwungen, von den die Burg durchsuchenden Leuten Hilfe herbeizurufen. Wüthend kamen die in ihrem Plünderungsgeschäft gestörten Sieger herbeigestürmt und aus einem der oberen Fenster ertönte zugleich die dem Falkenmeister bekannte dröhnende Stimme:
»Schlagt die Hunde nieder und werft Pechkränze!«
Dieser Befehl mußte längst erwartet worden sein, denn im Augenblicke schlug an verschiedenen Stellen der Burg die Flamme empor.
»Nun ist jeder weitere Kampf unnütz!« brummte Friedländer vor sich hin. »Was soll aber aus den braven Leuten werden, wenn ich, um mein Brunhilden gegebenes Versprechen zu halten, mich jetzt entferne?«
Eine Antwort auf diese Frage schien die Entwickelung des Kampfes selbst zu geben. Matthias wurde in diesem Augenblicke an seiner Seite niedergeschlagen und mehrere seiner Leute warfen verzweifelnd die Waffen weg.
»Feiglinge!« knirschte der Falkenmeister ingrimmig, als er dasselbe Zeichen der Muthlosigkeit noch an mehreren anderen Stellen bemerkte. Die Angreifer vorsichtig abwehrend, zog er sich zurück, warf die Seitenthüre hinter sich ins Schloß und eilte dem unterirdischen Gange zu.
Im Begriff, in diesen hinabzusteigen, hörte er den Anführer der Belagerungsmannschaften die Treppe herabpoltern. Hastig zog er die den Gang verdeckende Thür hinter sich zu und ließ nur eine von Außen unmerkbare Spalte offen, durch welche er hinaus rief:
»Das Röslein von Güntersberg ist gerettet!«
Jetzt schloß er die Thür vollends und eilte vorwärts. Nach nahezu halbstündigem vorsichtigem Marsche kam er endlich bei der in unbeschreibbarer Aufregung seiner harrenden Brunhilde an.
»Aus Euren Mienen erfahre ich schon den Ausgang des Kampfes!« rief sie leise klagend; »was soll jetzt mit mir geschehen?«
»Wenn Ihr das Vertrauen zu mir habt, das ich bei Euch zu besitzen glaube, dann bitte ich, folgt mir nur getrost!«
»Kann ich denn etwas Anderes thun, als Eurer Führung mich zu überlassen? Ja, ja, ich täusche mich nicht, Ihr habt nichts Uebles mit mir im Sinne. Ihr fühlt mein Unglück-!«
»Niemand vermag es in der That besser mit Euch zu meinen, als ich. Doch, Alter!« fuhr er zu dem seitwärts stehenden Thurmwart gewandt fort, »führe uns jetzt hinaus aus dem Gange!«
Nach wenigen Schritten, die sie bei der immer bedeutender werdenden Verengung des Ganges schließlich gebückt gehen mußten, standen sie vor einer Thür, welche zu öffnen dem Thurmwart erst nach längeren Bemühungen gelang. Sie arbeiteten sich durch das die Thüre, welche der Thurmwart wieder zuschlug, von Außen verdeckende dichte Gestrüpp und sahen sich nun in unmittelbarer Nähe des See's; etwa eine Viertelstunde hinter sich bemerkten sie aber auch gleichzeitig nur zu deutlich den die Nacht erhellenden Brand des Schlosses Güntersberg.
Laut weinend sank bei diesem furchtbaren Anblick Brunhilde in die Kniee, und der Falkenmeister, dem bei der Nähe der Brandstätte und der sicher noch um dieselbe hausenden Feinde für die Sicherheit des geliebten Mädchens bangte, hatte alle Mühe, sie von der Stelle weg und weiter fort zu bringen.
Sie hatten eben die, das Ufer des See's bildende Anhöhe erklommen, als die herrschende Ruhe plötzlich durch ein von Güntersberg herübertönendes wüstes Geschrei unterbrochen wurde.
Wohl war der Falkenmeister begierig, zu erfahren, weshalb das wilde Heer der Sieger sich nicht nur noch nicht zum Aufbruch rüste, sondern sogar ein Geschrei anstimme, das geeignet schien, die unerwartete Ankunft eines Feindes anzuzeigen und als Ausdruck des Unwillens oder auch der Wuth gelten mochte.
Er stand jedoch im Interesse Brunhildens von jedem Versuche, Gewißheit hierüber zu erlangen, ab; sie setzten unter Führung des Thurmwarts ihre Flucht fort und gelangten mit Tagesanbruch glücklich bis an die Grenze des Güntersberger Gebiets.
Brunhilde, welche, vom Falkenmeister mehr getragen als geführt, neben diesem herging, bemerkte, als sie aus dem Walde heraustraten und am Ufer eines kleinen See's hinschritten:
»Wie oft habe ich hier der Jagd obgelegen; wie oft mich gefreut, wenn einer meiner Falken eine Beute brachte, und mein Zelter schien es förmlich zu wissen, wenn ich zufrieden mit der Jagd war, denn, wenn möglich, noch lebhafter als sonst flog er nach Beendigung derselben mit mir dort über die Wiesenfläche hinweg in der Richtung nach Güntersberg dahin. – Dies Alles hat jetzt sein Ende erreicht. Mein Vater befindet sich in Gefangenschaft, Güntersberg ist zerstört und ich bin – heimathlos. O hättet Ihr mich nur in Flammen umkommen lassen. Mir wäre gewiß ein recht trauriges ferneres Leben erspart geblieben!«
Heftiges Weinen unterbrach ihre Klagen. Thränen erstickten ihre Stimme und sie wäre niedergesunken, wenn der Falkenmeister sie nicht mit starkem Arm gestützt hätte.
»So lange ich den Arm zu heben vermag, werdet Ihr nie verlassen sein, Ihr müßtet mir denn befehlen, Euch nie mehr zu nahen –«
»Wie könnt Ihr nur an etwas Derartiges denken?« unterbrach ihn Brunhilde im Tone leisen Vorwurfs. »Weiß ich doch, daß Ihr es treu zu mir meint. Bedenket aber die Zukunft. Ihr wisset sicher ebensowenig, wo Ihr ohne Eure jetzt verlorenen theuren und schönen Falken bald ein Unterkommen finden werdet, wie ich jetzt schon zu sagen vermag, wo meines Bleibens sein wird. – Wenn ich nur meinen guten Vater noch einmal wiedersehen könnte!«
Wieder kämpfte sie mit Thränen und vermochte nur schlecht sich soweit zu beherrschen, daß sie nicht noch einmal in lautes Weinen ausbrach.
Der Falkenmeister sah ein, daß Trostesworte allein hier wenig nützen und durch rasches Handeln allein Brunhilde die verlorne Fassung wieder verschafft werden könne.
Die Kräfte des schwachen Mädchens waren in Folge der furchtbaren Aufregung während der letztvergangenen Nacht und der ungewohnten, weiten Fußwanderung erschöpft, und er richtete einen forschenden Blick ringsum, in der Hoffnung, einen sicheren Platz zu entdecken, an welchen er Brunhilde vorläufig bringen könnte.
Ein flüchtiges, trübes Lächeln flog über seine Züge, als er in geringer Entfernung einige der Schlagwände bemerkte, deren eine ihm vor ein paar Tagen erst in dem Augenblick zum Versteck gedient hatte, als er Brunhilde zum ersten Male sah.
Ein bitteres Gefühl bemächtigte sich seiner bei dem Gedanken, das Mädchen, die er vom ersten Moment an geliebt, durch fremde Schuld heut' aus ihrem bergenden Heim vertreiben und plötzlich in die bitterste Lage versetzt zu sehen. Zugleich vermochte er aber auch ebensowenig ein aus dem Eigennutz entspringendes geheimes, freudiges Gefühl darüber zu unterdrücken, daß es ihm so bald schon vergönnt sei, Brunhilde zu beweisen, daß sie in ihm den treuesten Freund besitze.
Er sah ein, daß ihr zur Fortsetzung der Wanderung, sei es auch nur eine kleine Strecke, die Kräfte mangelten, hob sie deshalb ohne Umschweife auf, trug sie bis zu der verstecktest liegenden Schlagwand und ließ sie dort nieder.
»Erlaubt mir jetzt, Jungfrau, mich nach Hülfe umzuschauen. Zu Fuß vermögt Ihr nicht weiter zu kommen, deshalb will ich sehen, ob es mir nicht möglich ist, ein Pferd für Euch aufzufinden. Vertraut mir nur immerhin vollständig,« bat er, als Brunhilde ihm in's Wort fallen wollte, »ich werde in nicht langer Zeit wieder hier sein. Du aber, Alter,« befahl er dem seitwärts stehenden seitherigen Thurmwart, »wirst hier zum Schutze der Jungfrau zurückbleiben und fleißig Umschau halten. Du bürgst mir dafür, daß Deine Herrin während meiner kurzen Abwesenheit, von gleichviel welcher Seite her, unbelästigt bleibt. Das hohe Schilf bietet im äußersten Nothfalle ja hinreichendes Versteck. Beginnt dort hinter dem See nicht das Kremzower Gebiet?«
»Ganz recht!« brummte der Thurmwart; »seht Euch nur recht sorgsam um, damit Ihr nicht in die Gewalt des Kremzowers fallt. Er soll ja auch ein Gegner unseres gestrengen Herrn sein und würde Euch sicher festhalten!«
Brunhilde sprang, als sie dies hörte, in höchster Erregung auf und ergriff die Hände des Falkenmeisters.
»Bleibt bei mir!« flehte sie. »Ich ängstige mich noch viel mehr, wenn ich Euch in solcher Gefahr weiß. Nein, ich lasse Euch nicht fort! O Gott, was soll mit mir geschehen, wenn Ihr mir entrissen werdet?«
Der Falkenmeister mußte an sich halten, um dem in ihrer unverhohlenen Besorgniß um ihn ihm doppelt reizend erscheinenden lieblichen Mädchen die ihn beseelenden Gefühle nicht hier schon zu verrathen.
Mit vor innerer Bewegung bebender Stimme suchte er ihr die Haltlosigkeit ihrer Angst zu beweisen, und in der That schien es ihm auch zu gelingen, als er schließlich hervorhob:
»Erinnert Ihr Euch wohl der Begegnung mit dem Eurem Vater feindlich gesinnten Ritter während der letzten Jagd?«
»Gewiß. Auf Euer Verlangen hin gab sich ja Herr Friedrich von Wedel bei meinem Vater mit einem, wie er sagte, sehr geringen Lösegelde zufrieden. Ihr habt, wenn anders ich recht verstand, dem Ritter einst einen sehr großen Dienst geleistet.«
»Zur Vervollständigung dessen will ich nur noch bemerken, daß, wie ich gelegentlich dieses Vorfalles gesehen habe, Herr Henning von Kremzow ein Freund des Ritters von Wedel ist. Werdet Ihr mir nun glauben, wenn ich behaupte, ich habe schlimmstenfalls nicht viel zu fürchten?«
Brunhilde schüttelte leicht das Köpfchen. Sie mochte wohl aber einsehen, daß jeder fernere Versuch, den Falkenmeister von seinem Vorhaben abzubringen, nutzlos sei und bat deshalb nur:
»Ihr werdet mich aber auch nicht zu lange Eurer warten lassen. Gleichviel, ob Ihr das Gewünschte erhaltet oder nicht, kommt nur recht bald zurück!«
»Das verspreche ich Euch fest!«
Raschen Schrittes entfernte er sich jetzt und war bald dem ihm folgenden Blicke Brunhildens entschwunden.
Eine Stunde, die ihr aber unendlich lang geworden, mochte seitdem vergangen sein. Die Kälte nahm zu und Brunhilde hüllte sich fester in ein vorsorglich mitgenommenes warmes Tuch ein.
Der Thurmwart aber lehnte an der Schlagwand und spähete mit angestrengter Aufmerksamkeit umher.
Es herrschte vollständige Stille ringsum und er vermochte selbst in einiger Entfernung jedes leise Geräusch zu hören.
Plötzlich horchte er auf.
In der Richtung von Güntersberg wurde ein Lärm, ähnlich demjenigen, der durch den Hufschlag mehrerer galoppirender Pferde hervorgebracht wird, vernehmbar. Die Reiter hatten, wie aus dem immer näher kommenden Geräusch deutlich hervorging, die Richtung nach dem kleinen See eingeschlagen, an dessen Ufer die beiden Flüchtlinge versteckt lagen, und beide schwebten, wenn die Reiter nicht schließlich noch von dieser Richtung abbogen, in größter Gefahr, entdeckt zu werden.
Noch ehe der Thurmwart zu einem festen Entschluß kam, über das, was er nun thun solle, um seine Herrin und sich vor der drohenden Gefahr möglichst zu sichern, hatte Brunhilde, welcher das sich nähernde Geräusch nicht entgangen war und die sich ebensowenig wie der Thurmwart die hierdurch erwachsende erhöhte Schwierigkeit ihrer Lage verhehlte, sich erhoben.
»Wir wollen uns dort in dem dichten und hohen Schilf so lange verbergen, bis die Reiter vorüber sind. Ich glaube nicht, daß man uns dort zu sehen vermag!«
Gesagt, gethan!
Wenige Augenblicke später bahnten sie sich vorsichtig einen Gang in das dichtstehende und hohe, zu einem Versteck vollkommen geeignete Schilfmeer und harrten nun klopfenden Herzens des Weiteren.
Die Ritter waren inzwischen nähergekommen und die Flüchtlinge vermochten schon einige Worte der laut geführten Unterhaltung der Männer zu verstehen, welche, am Ufer des See's angekommen, links abbogen und den Lauf der Pferde mäßigten.
»So wunderbar, wie in vergangener Nacht,« begann aber der eine Ritter, »ist mir es weiß Gott noch nie ergangen.«
»Glaub's wohl!« bemerkte ein Anderer. »Kaum haben wir die Knechte des Güntersberger und des Stegelitzer überwältigt, so erschien der Gottseibeiuns in Gestalt eines Knappen und schlug Alle nieder, die ihm in den Weg kamen. Keiner von uns vermochte ihm Etwas anzuhaben und er hätte uns sicher alle erschlagen, wenn der lange Matthias nicht gefallen wäre. Hast Du nicht gesehen, daß er in demselben Augenblicke, als der ungeschlachte Kerl fiel, verschwand?«
»Freilich! freilich! Daß der Böse aber auch die Tochter des Güntersberger entführt haben soll, will mir nicht einleuchten!«
»Wo soll sie denn sonst hingekommen sein? Sie ist, während wir im Hofe kämpften, noch am Fenster gesehen worden, dann aber, als der Herr Ritter mit uns das ganze Gebäude nach ihr durchforschte, nicht mehr zu finden gewesen. Der Ritter war ja darüber so wüthend, daß er Pechkränze werfen ließ.«
»Das ist noch lange nicht das Tollste,« fiel hier ein Anderer ein. »Als wir die Treppe herab kamen und der fluchend uns voranschreitende Herr Friedrich der Thüre zu schritt, rief eine hohle Stimme dicht neben ihm und zwischen uns dem Ritter zu: das Röslein von Güntersberg sei in Sicherheit gebracht. Wir standen einen Augenblick wie versteinert. Die zornige Stimme des wild um sich schauenden Ritters weckte uns aber bald aus unserer Erstarrung. Doch blieb alles Suchen nach dem Besitzer der geheimnißvollen Stimme vergeblich. Natürlich! wo der Böse seine Hand im Spiele hat, da nützt alles Wüthen nichts!«
»Ihr habt also nichts gefunden, das auf eine Erklärung des sonderbaren Vorfalls schließen läßt?«
»Nein!«
»Na, tröstet Euch nur. Das Traurigste von Allem, was uns in dem Eulenneste da in vergangener Nacht zugestoßen ist, bleibt doch wohl der Kampf, den wir jetzt noch mit Gott weiß wem zu bestehen hatten. Keiner von uns hat den Mann gekannt, welcher das kleine Häuflein führte, das uns so entsetzlich zurichtete. Wie aus der Erde hervorgesprungen, stand der riesengroße schwarze Mann plötzlich vor uns und – doch was soll ich noch viel davon erzählen? Ihr wißt ja Alle, daß der Schwarze mit seiner Handvoll ebenso wunderbar unter uns gerathenen Leute uns in die Flucht geschlagen und Herrn Friedrich einen Denkzettel gegeben hat, an den er jetzt wohl schon gar nicht mehr zu denken vermag.
Wären die beiden, aus leicht erklärlichen Gründen hieb- und stichfesten, gewaltigen Kämpfer zu gleicher Zeit und von Beginn des Kampfes uns gegenüber getreten, dann würde Güntersberg jetzt nicht nur noch unversehrt dastehen, sondern die Mehrzahl von uns sicher entweder todt oder gefangen sein. –
So viel steht fest: mich bringt kein Mensch mehr in die Nähe des Güntersbergs, lieber verlasse ich meinen Dienst!«
Die Reiter, welche längs des Ufers hingeritten waren, hatten ihre Umgebung und namentlich das Ufer des Sees ganz unbeachtet gelassen, also auch nicht bemerkt, daß ein Kopf sich vorsichtig aus dem Schilfe erhob und blitzschnell wieder verschwand.
Langsam ritten sie dahin, ihr Gespräch wurde den beiden Flüchtlingen der wachsenden Entfernung wegen immer unverständlicher und nach einiger Zeit war auch der Hufschlag der Pferde nicht mehr zu hören.
Brunhilde richtete sich jetzt in ihrem Verstecke empor. Kein Wort der Unterhaltung der Reiter war ihr entgangen und ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Brust, als sie noch einmal die Bestätigung der Zerstörung ihres Heimes erhalten.
Was aber bedeutete der Hinweis auf die beiden tapferen Kämpfer, welche den abergläubischen Knechten einen so großen Schreck eingejagt hatten, daß sie noch jetzt sogar nur mit Entsetzen an sie zu denken vermochten?
Aber auch so manches Andere des Gehörten war ihr unverständlich und sie klagte halblaut:
»Wenn doch der Falkenmeister bald wiederkommen wollte!«
»O mein Gott,« fuhr sie nach kurzem Schweigen ängstlich auf, »haben die Reiter nicht denselben Weg verfolgt, den er eingeschlagen hat? Er ist verloren, wenn er diesen Leuten in die Hände fällt, sie nehmen ihn gefangen und wir warten vergebens auf ihn, der- meinetwegen sich in die größte Gefahr begeben hat. Wäre ich doch entschiedener aufgetreten, dann würde er nicht in die Gewalt der Feinde gerathen sein und wäre noch – hier!«
Leicht erröthend brach sie ihre Klagen plötzlich ab und versank, am Fuße der Schlagwand sitzend und den Kopf in die Hand gestützt, in tiefes Sinnen.
Welche Gedanken mochten das junge Mädchen wohl so ausschließlich und in dem Grade beschäftigen, daß der alte Thurmwart ihr mehrmals zurufen mußte:
»Ich höre wieder und diesmal vom Kremzower Gebiet her Pferdegetrappel. Kommt, kommt, edle Jungfrau, und verbergt Euch, ehe der Reiter Eurer ansichtig wird!«
Hastig erhob sie sich und horchte.
Der Reiter – diesmal schien es nur Einer zu sein – näherte sich außerordentlich schnell und Brunhilde hatte kaum ihr voriges Versteck erreicht, als derselbe aus dem Walde hervorkam.
In der Nähe der Schlagwand hielt er an.
»Himmel und Hölle!« hörte Brunhilde ihn rufen, »bin ich doch zu spät gekommen. Ich sehe die Spuren einer Anzahl Reiter, sicher haben diese sie entdeckt und – Armes armes Kind!«
Wohl schien es Brunhilde, als sei diese Stimme ähnlich der des Falkenmeisters; die Furcht bewog sie indeß, von jeder Ueberzeugung, ob sie recht geahnt oder sich geirrt habe, abzusehen.
Der alte Thurmwart war weniger ängstlich.
Vorsichtig kroch er ein paar Schritte in dem Schilfe vorwärts und erhob dann den Kopf ein wenig über das Schilf. –
Eben stieg der Reiter wieder auf und lenkte sein Pferd zurück.
Ein Blick genügte dem alten Manne, den Reiter zu erkennen und »Falkenmeister!« rief er, sich vollends emporrichtend, mit lauter Stimme dem Davonreitenden nach.
Dieser wandte sich nach dem Rufenden, erkannte ihn und hinter diesem auch Brunhilde, welche, trotzdem sie nun aufrecht stand, doch noch vom Schilfe überragt wurde, und stand wenige Augenblicke darauf, das Pferd hinter sich führend, vor Brunhilde.
»Wie froh bin ich, Euch wieder zu sehen. Ich fürchtete schon –«
»Was fürchtetet Ihr? Etwa Gefahren? Doch auch ich habe jetzt gefürchtet und zwar für Euch!«
»Der Reiter wegen, die hier vorübergekommen sind?«
»Ja und ich war eben im Begriff, ihnen nachzujagen, als der Alte da mich anrief.«
»Wie ist es Euch denn möglich gewesen, schnell ein Pferd zu finden?«
Ein leichter Schatten flog über die Züge des jungen Mannes, als er erwiderte:
»Ich habe es einem mir begegnenden, dem Herrn Henning von Kremzow entgegenreitenden oder vielleicht auch folgenden Knechte abgenommen. Doch sorgt nicht wegen einer etwaigen Verfolgung. Der Mann war froh, daß ich ihn zu Fuß weiter gehen ließ! –«
»Das ist es nicht, was mich bekümmert. Mich quält vielmehr die Ungewißheit, wohin wir uns jetzt wenden sollen.«
»Laßt Euch das nicht anfechten. Erlaubt mir vorerst nur die Frage, ob Ihr Verlangen tragt, vor der Fortsetzung unserer Reise Güntersberg noch einmal zu sehen, oder ob ich Euch ohne weiteren Aufenthalt dahin führen darf, wo ich Euch geborgen weiß.«
»Die Trümmer der Burg meines armen Vaters würden einen zu traurigen Eindruck auf mich machen, deshalb und weil ich im Augenblick dort wohl kaum schon vollkommen sicher sein dürfte, wünsche ich jetzt nicht dahin zurückzukehren. Wo wollt Ihr mich denn hinführen?«
»Nach Betow! Dort bei dem alten Herrn von Wedel und der edlen Frau Hedwig werdet Ihr vor allen Gefahren geborgen sein. Ich weiß Euch dort bei der mir sehr wohlgesinnten Frau geschützt und vermag unbesorgt um Euch für die Befreiung Eures Vaters thätig zu sein! Wollt Ihr mein bei Gott ehrlich und ohne jeden Rückhalt gemachtes Anerbieten annehmen?«
Brunhilde schwieg einen Moment, dann richtete sie einen langen, forschenden Blick auf den Falkenmeister, um in dessen Augen zu lesen, ob er es wirklich so offen meine, wie seine Worte lauteten.
Dieser Blick schien ihr aber die Ueberzeugung verschafft zu haben, daß sie es getrost wagen dürfe, dem jungen Manne zu folgen. Sie unterdrückte gewaltsam die noch in ihr aufsteigenden Bedenken gegen die Ehrlichkeit ihres Begleiters und bot ihm die Hand.
»Ich werde Euch folgen, weil ich fühle, daß Ihr mein Vertrauen nicht mißbrauchen werdet. Dagegen bitte ich Euch, mir zu versprechen, daß Ihr mich sofort von Betow wegbringt oder meiner Entfernung von dort nicht etwa hindernd in den Weg treten wollt, wenn ich dort Ursache erhalte, besorgt zu werden. Endlich aber bitte ich Euch, den Aufenthalt meines Vaters auszukundschaften!«
Der Falkenmeister mußte mit der zweiten der gestellten Bedingungen aus irgend einem Grunde nicht sonderlich zufrieden sein, denn sein erst so freundlicher, offener Blick wurde plötzlich finster. Doch beherrschte er sich und entgegnete möglichst ruhig, wobei er indeß wider Willen in den Ton des Gekränktseins verfiel:
»Die von Euch gestellten Bedingungen habe ich mir bereits aus eigenem Antriebe gestellt. Daß Ihr aber die zweite derselben mir selbst auferlegt, zeigt leider nur zu deutlich, daß ich Euch noch sehr, sehr wenig bekannt bin. Das mir geschenkte Vertrauen werdet Ihr, wie ich wiederholt betheuere, niemals Ursache haben zu bereuen!«
Erschrocken trat ihm Brunhilde näher.
»Vergebt mir, wenn ich Euch gekränkt haben sollte. Es ist dies nicht entfernt meine Absicht gewesen. Bedenkt aber meine Lage, erwägt, daß ich mich Euch völlig anvertraue, und Ihr werdet verstehen, daß ich, ungeachtet des größten Vertrauens, das ich in der That zu Euch hege, im Augenblicke nicht ganz ohne jedes Bangen in die Zukunft zu sehen vermag. Nicht wahr, Ihr zürnt mir nicht? Ihr werdet Euch auch ferner meiner so warm annehmen, wie Ihr es seither gethan
Die schöne Bittstellerin sah so flehend, mit einem so rührend vertrauensvollen Blick zu ihm auf, daß sein Mißmuth schwand.
Ich habe Euch nicht gezürnt, nur wehe, sehr wehe hat mir das Mißtrauen gethan, das ich aus Euren Worten zu hören glaubte. Mag dies jedoch nun vergessen sein. Darf ich Euch auf das Pferd heben, damit wir unserem Ziele uns zu nähern vermögen? Ich werde, da Ihr das Reiten, vollends auf einem so ungeberdigen Thiere wie dieses zu sein scheint, nicht gewohnt sein dürftet, den Zügel ergreifen und mit dem Alten nebenher gehen!«
Willig fügte sich Brunhilde diesem Wunsche und bald setzte die kleine Gesellschaft ihren Weg fort.
Unbehelligt durchzogen sie das Gebiet des Kremzowers und sahen bereits das Ziel ihrer Reise, Betow, als der Falkenmeister plötzlich anhielt.
Auch Brunhilde hatte schon die Ursache des Anhaltens bereits bemerkt: einige Hundert Schritte vor ihnen brach eben ein stattlicher Jagdzug aus dem Walde hervor und kreuzte den Weg, ohne unsere Wanderer zu beachten.
»Das war Herr Hans von Betow mit einem anderen, mir unbekannt gebliebenen Ritter,« erklärte er Brunhilde auf deren bezügliche Frage, »und wir werden nun Frau Hedwig allein antreffen. Desto besser. Ihr werdet diese edle Frau gewiß bald liebgewinnen!«
Brunhilde erwiderte nichts; ihr Blick wurde nach den letzten Worten ihres Begleiters merklich heiterer und sie begann mit höherem Interesse der Schilderungen desselben von dem Leben auf Burg Betow zu lauschen. Ja aus ihren Antworten und Fragen ging sogar nicht undeutlich das Bestreben hervor, dem für sie so sehr besorgten Falkenmeister die anscheinende Härte ihrer ihm gestellten Bedingungen möglichst vergessen zu machen.
Unter lebhaften Gesprächen erreichten sie die Burg.
Das Thor wurde auf des Falkenmeisters barsches Gebot sofort geöffnet, dieser hob, im Innenhofe angekommen, Brunhilde vom Pferde und geleitete sie ohne Weiteres nach den Wohngemächern.
»Ihr scheint hier sehr bekannt zu sein!« bemerkte Brunhilde staunend, als Henning Friedländer einer ihnen begegnenden Magd mit kurzen Worten befahl:
»Führe mich zu Deiner Herrin!«
In der Nähe des Gemachs angekommen, in dem Frau Hedwig weilte, rief er die vorangehende Magd zurück.
»Ist das zweite Gemach links offen und unbewohnt?«
»Ja, Herr!«
Er trat nun mit Brunhilde dort ein und bat sie, seine Rückkehr daselbst zu erwarten.
»Ich will Frau Hedwig auf Euren Besuch vorbereiten und denke, die würdige Frau wird selbst mit mir kommen, Euch auf Burg Betow willkommen zu heißen!«
»Ihr werdet doch nicht zu lange ausbleiben? Mich beschleicht ein recht beängstigendes Gefühl. Ich – ich –«
»Glaubt mir doch, Jungfrau. Ihr werdet, wie ich mit aller Gewißheit zu behaupten vermag, Euch hier bald heimisch fühlen. In keinem Falle aber habt Ihr irgend welchen Grund, Besorgnisse nach gleichviel welcher Richtung zu hegen!«
»Ihr werdet bald zu mir zurückkommen?«
»Ich verspreche es Euch!«
Die in den Zügen und im Auge des Mädchens sich ausprägende Angst zeigte deutlicher, als Worte dies vermögen, in welch' mächtiger innerer Aufregung Brunhilde sich befand, und Friedländer, welcher einsah, daß leere Trostesworte allein ihr die verlorene Ruhe nicht wieder zu geben vermöchten, beeilte sich, der Burgherrin seine Bitte vorzustellen.