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Die Hoffnung Simon's von Güntersberg, welcher sich durch Janeke von Stegelitz zur Aufnahme des Kampfes mit Henning von Wedel und mit Heinrich von Bork hatte verleiten lassen und nun als Gefangener seiner Feinde dem Kremzower folgen mußte, der Falkenmeister werde Brunhilde ungefährdet nach Güntersberg zurückbringen, schien sich nicht zu erfüllen.
Henning Friedländer zog sich von seinem gefährlichen Beobachterposten zurück; als er über den Ausgang des Gefechtes nicht mehr zweifelhaft sein konnte, eilte er vorsichtig zu seinem, einige Schritte weiter im Walde haltenden Pferde und näherte sich der abseits haltenden Brunhilde.
»Die Ritter sind in einen hartnäckigen Kampf mit mehreren uns zufällig begegnenden Feinden verwickelt und Euer Vater hat mich abgesandt, Euch aus der möglicherweise Euch drohenden Gefahr und nach Güntersberg zurückzugeleiten. Erlaubt mir deshalb, Euch von hier wegzuführen.«
Schweigend folgte ihm Brunhilde.
Der Lärm der Streitenden war bis zu ihr gedrungen und bange Ahnungen bewegten sie, als der Falkenmeister ihr diese Botschaft ihres Vaters überbrachte.
»War der Kampf zu seinen Ungunsten entschieden?«
Dies mußte wohl der Fall sein, weil er es anderenfalls nicht für geboten erachtet haben würde, in dieser Weise für ihre Sicherheit zu sorgen.
Diese Zweifel, diese bangen Erwägungen veranlaßten sie, nachdem sie eine Strecke fortgeritten waren, ihren Begleiter um Aufklärung hierüber zu fragen.
»Droht meinem Vater Gefahr? Ist er vielleicht gar gefangen genommen worden?«
»Noch glaube ich dies nicht,« erwiderte der Falkenmeister zögernd; es fiel ihm schwer, dem bekümmerten Mädchen jetzt schon die volle Wahrheit zu sagen, auch hegte er noch immer die Hoffnung, Herr Simon werde, durch irgend einen Zufall begünstigt, Gelegenheit zur Erhaltung oder zur baldigen Wiedererlangung seiner Freiheit finden.
Um ihren Gedanken möglichst eine andere Richtung zu geben, fügte er noch an:
»Der Befehl Eures Vaters klang so bestimmt, daß ich ihm unverzüglich nachkommen mußte. Zum Glück gelang es mir noch, die Falken und die Jagdgeräthschaften in einem sicheren Versteck zu bergen, aus dem ich sie heut' noch abholen werde.«
Er hatte sich, während er sprach, scharf umgesehen.
Brunhilde nahm dies wahr und fragte, von einer plötzlichen Furcht beseelt:
»Ihr besorgt doch nicht etwa, daß man –«
»Uns verfolgen wird,« ergänzte der Falkenmeister. »Wahrhaftig, da sind sie schon!«
Ein lautes Geschrei wurde hinter ihnen hörbar und Beide trieben nun ihre Pferde zu größtmöglichster Eile an.
»Gott sei Dank, die Leute sind nicht beritten. Wir entkommen ihnen. Doch was ist das?«
Ein Reiter brach hinter ihnen soeben aus dem Gebüsch hervor. Derselbe mußte die Flüchtigen entweder schon bemerkt haben, oder durch die zu Fuß ihnen folgenden Männer auf die Spur derselben gebracht worden sein.
In gerader Richtung kam er ihnen nachgesprengt.
Mittlerweile hatte der Wald sie wieder aufgenommen und Brunhilde, welcher der Falkenmeister, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen, seither verschwiegen hatte, daß sie nicht nur von Fußgängern, sondern auch durch einen Reiter verfolgt würden, schien von dem anstrengenden Ritt bereits ermüdet zu sein.
»Ist es denn noch immer nothwendig, daß wir so rasch fortreiten?«
»Fühlt Ihr Euch ermüdet?«
»Ja, doch sorgt deshalb nicht.«
»Nur noch eine kurze Strecke bitte ich Euch, das Pferd in der bisherigen Gangart weiterlaufen zu lassen. Wenn ich mich recht entsinne, kommen wir bald auf Güntersberger Gebiet, dann habt Ihr nichts mehr zu fürchten.«
Wider Willen mußte er jedoch bald selbst langsamer reiten. Der Boden wurde immer unebener, das Gestrüpp immer dichter und die Pferde hatten Mühe, sich ungefährdet durchzuarbeiten.
Noch hatten sie freiere Bahn nicht erlangt, als der Falkenmeister durch ein seine Aufmerksamkeit erregendes, leichtes Geräusch veranlaßt wurde, sich seitwärts zu wenden.
»Haltet an!« flüsterte er seiner Begleiterin zu. »Dort scheint einer unserer Verfolger zu kommen. Vielleicht bemerkt er uns nicht!«
Diese Hoffnung bestätigte sich indeß nicht. Der Reiter mußte sie längst gesehen haben und wollte ihnen nur den Weg verlegen.
Ein rascher Umblick belehrte den Falkenmeister, daß der Reiter allein und von Niemandem gefolgt sei.
»Bleibt einige Schritte zurück,« bat er die zitternde Brunhilde, »mit dem Burschen werde ich bald fertig sein!«
Das blanke Schwert in der Hand, ritt er dem Ankommenden langsam entgegen.
Der Falkenmeister erkannte ihn als einen der Knechte Henning von Wedels.
Was ist Dein Begehr?«
»Das wirst Du bald sehen,« lautete die trotzige Antwort des Knechtes, welcher an ihm vorüber zu Brunhilde zu gelangen suchte.
»Zurück, wenn Dir Dein Leben lieb ist,« donnerte ihm aber der Falkenmeister entgegen.
Der Knecht schien sich nicht so leicht zurückweisen zu lassen.
»Oho; Du bist sehr hitzig!« höhnte er und holte zum Schlage mit seiner Waffe aus.
Der Falkenmeister kam ihm jedoch zuvor.
Mit einem gewandten Hiebe schlug er dem Knechte die Waffe aus der Hand, ein zweiter Hieb zwang ihn, zurückzuweichen, und nach dem dritten zog er es vor, sein Pferd zu wenden und die Flucht zu ergreifen.
Lachend kehrte der Falkenmeister zu Brunhilde zurück.
»Ich denke, Ihr werdet nunmehr unbehelligt nach Güntersberg zurückkommen. Weiter wird unsere Verfolgung schwerlich ausgedehnt werden.«
»Habt Dank für Eure Hilfe,« erwiderte Brunhilde mit bebender Stimme. »Ohne Euch würde ich, das ist mir in dem Augenblick klar geworden, als der Knecht zu mir vordringen wollte, in die Gewalt der Feinde gerathen sein, und mein Vater – o Gott, wo mag mein Vater jetzt sein? Ob er gesiegt hat oder – doch ich will den Gedanken gar nicht aussprechen. Was soll ich thun, wenn er im Kampfe unterlegen ist?«
»Macht Euch doch nicht unnöthig Sorge, Jungfrau. Euer Vater wird sicher schon auf dem Heimwege sein. Sollte ich mich aber in dieser Annahme täuschen, wird er Euch gewiß bald Nachricht geben. Wenn wir nur erst aus dem verwünschten Gestrüpp heraus wären. Die Pferde gehen zu unsicher. Wir kommen zu langsam vorwärts.«
Er fühlte, daß Brunhilde ihn bei diesen Worten beobachtete, und wandte sich ab, um ihr seine Unruhe zu verbergen. Hielt er sich doch fest überzeugt, daß der in die Flucht geschlagene Knecht mit mehreren seiner Genossen zurückkommen und seine Lage dann eine schwierige werden würde.
Der Hochwald war nicht mehr weit entfernt. Hatten sie diesen bis Güntersberg reichenden Wald erreicht, dann waren sie nahezu geborgen. Bis dahin aber hatten sie noch eine Strecke zwischen niedrigen Sträuchern auf höchst unebenem, mit Wurzeln, Schlingpflanzen und Stämmen bedecktem Boden zu reiten, etwaige Verfolger vermochten sie hier aus ziemlicher Entfernung schon zu sehen und der Falkenmeister hielt fleißig Umschau.
Eben hatte er sich wieder umgewandt, um den zurückgelegten Weg noch einmal scharf zu beobachten, als Brunhilde laut aufschrie.
Das Pferd war mit den Vorderfüßen in eine Höhlung gerathen und gestürzt.
Rasch sprang der Falkenmeister Brunhilde zu Hilfe und suchte dann dem Pferde aufzuhelfen.
Zu seinem Schrecken mußte er aber bald wahrnehmen, daß die Vorderfüße des armen Thieres gebrochen, an eine fernere Benutzung desselben im Augenblicke also gar nicht zu denken sei.
Hier war langes Zaudern nicht angebracht.
Sein Pferd war stark und kräftig gebaut. Es vermochte zur Noth zwei Personen bequem zu tragen.
Rasch hob er nach wenig Worten der Verständigung Brunhilde auf dasselbe, schwang sich selbst in den Sattel und ritt, das Mädchen vor sich, langsam weiter.
Endlich hatten sie den Hochwald erreicht und der Falkenmeister athmete erleichtert auf.
Er hielt das Pferd an, um von der Ebene aus unbeachtet noch einmal die soeben durchmessene Fläche zu überschauen, als in der Ferne am Saum des die Fläche an der gegenüberliegenden Seite begrenzenden Waldes Reiter sichtbar wurden.
Auch Brunhilde bemerkte sie sofort und war nicht im Zweifel darüber, daß man sie noch immer verfolge.
Diese Wahrnehmung vermochte sie indeß nicht mehr zu beunruhigen.
Es überkam sie ein so starkes Gefühl der Sicherheit; das Bewußtsein, der Falkenmeister schütze sie, schien so sehr jedes die eigene Lage betreffende bange Sorgen zu unterdrücken, daß sie der Verfolger zu vergessen geneigt war und um Mittheilung der Ursache des Kampfes ihres Vaters und Janeke von Stegelitz mit den fremden Rittern bat.
Einige Ritter haben Eurem Vater und Herrn Janeke Fehde angekündigt und diese heut' schon nachdrücklich aufgenommen.
»Glaubt Ihr wohl, diese Fehde werde unglücklich für meinen Vater ablaufen?«
»Das vermag ich im Augenblick nicht zu sagen,« antwortete er ausweichend. »Bald indeß wird es sich ja herausstellen,« fügte er hinzu, »denn wenn ich mich nicht täusche, dann werden wir bald auf dem Wege ankommen, den wir zur Jagd geritten sind, und in einer halben Stunde zu Hause sein. Da ist er ja schon!«
Brunhilde erwiderte nichts.
In Gedanken vertieft, saß sie mit halbgeschlossenen Augen vor dem jungen Manne und sah nicht erst auf, als er durch den letzteren Ausruf zu erkennen gab, daß er nach irgend einer Richtung überrascht war.
Der Falkenmeister ersah, daß Brunhilde nicht geneigt war, auf eine Unterhaltung einzugehen, und sie setzten deshalb schweigend ihren Weg fort.
Schon vermochte er Güntersberg zu sehen. Von den Verfolgern wurde nichts mehr bemerkbar. Offenbar hatten sie, als sie auf der weiten, nur mit Gestrüpp bedeckten Fläche, auf der das Pferd Brunhildens stürzte, Niemanden sahen, jede weitere Verfolgung als vergebens, ja bei der Nähe Güntersberg's sogar als gefährlich aufgegeben und waren zu ihren Herren zurückgekehrt.
Der Wald öffnete sich hier. Eine weite, baumlose Wiesenfläche begrenzte den Weg an der einen Seite, während an der anderen Seite sich noch der Wald bis Schloß Güntersberg hinzog, welcher unmittelbar hinter dieser sich aber wieder schloß. Quer über diese Lichtung führte ein dem Falkenmeister wohlbekannter Weg. War er doch auf dieser aus den Marken nach Pommern führenden Straße mit seiner Cage dahergekommen, um in Güntersberg einen Schatz zu heben, der ihm in Folge der Zwistigkeiten der Seinigen mit Herrn Simon von Güntersberg unerreichbar zu bleiben drohte: das Röslein von Güntersberg war dieser Schatz, und das Glück schien mit ihm zu sein. Erst wenige Stunden war er in Brunhildens Nähe, und schon war es ihm gelungen, ihr Interesse für ihn wachzurufen. Besaß er denn aber nicht auch schon ihr Vertrauen?
Ein Blick auf das vor ihm sitzende Mädchen, das, ohne nur einen Laut der Besorgniß ausgestoßen zu haben, willenlos ihm gefolgt war, und trotz des von ihm ziemlich weiten Umweges, den er auf seiner Flucht mit ihr machen mußte, sich bedingungslos seiner Führung überlassen hatte, zeigte ihm, daß er ihr volles Vertrauen in hohem Grade bereits erworben haben müsse.
»Ist mir Fortuna bis hierher hold gewesen, wird sie es wohl auch ferner sein.«
Er mochte diesen Gedanken unwillkürlich lauteren Ausdruck gegeben haben, denn Brunhilde erhob das Köpfchen und sah ihm einen Moment in's Auge.
»Spracht Ihr zu mir? Ich war so sehr mit dem Vorfall auf der Jagd beschäftigt, daß ich nicht genau auf das gehört habe, was Ihr sagtet. Doch da sind wir ja bald zu Hause. Wenn nur mein Vater schon dort wäre, oder doch bald käme!«
Der Falkenmeister ließ die Frage Brunhildens unbeantwortet. Der Ausruf des Erstaunens, dem Schlosse schon so nahe zu sein, mochte ihm wohl Beweis genug dafür sein, daß sie seither thatsächlich sich nicht um den Weg gekümmert habe, den er eingeschlagen, zeigte ihm aber auch deutlich, daß er sich nicht geirrt in der Annahme, das Vertrauen des Mädchens bereits in hohem Grade erworben zu haben.
Um nun aber Etwas zu erwidern, bemerkte er:
»Euer Vater wird mit Herrn Janeke ohne Zweifel erst später zurückkehren. Das Zusammentreffen mit den Feinden überraschte auf beiden Seiten und der Waffentanz wird weniger blutig als langwierig geworden sein. Wenn – Alle Wetter!«
Diese plötzliche Unterbrechung und der Ausruf des Unwillens veranlaßten Brunhilde, dem Blick des Falkenmeisters zu folgen.
Soeben kam ein Reiter auf dem vorerwähnten Wege aus dem Walde hervorgesprengt und hielt an der Stelle, wo beide Wege sich kreuzten, an, offenbar um den langsam näher kommenden Falkenmeister zu erwarten.
Der Fremde war ein großer, starker Mann, mit starkem, schwarzem Bart, und wenn er auch im Augenblicke nur die Kleidung eines Landmannes trug, so war es dem kundigen Blick des Falkenmeisters doch nicht entgangen, daß der angebliche Bauer einer höheren Klasse angehörte. Diese Annahme wurde sofort bestätigt durch die Sprache des Fremden selbst.
»Wie heißt der Herr dieses Schlosses?« fragte er kurz, mit barscher Stimme und den Gruß des Falkenmeisters nur flüchtig erwidernd.
»Herr Simon von Güntersberg ist der Besitzer desselben.«
»Gehörst Du zu seinen Leuten?«
»Ja.«
»Führe mich zu ihm!«
»Wird im Augenblick schwer angehen. Doch reitet nur, wenn Ihr wollt, voraus; ich folge etwas langsamer!«
Der Fremde richtete einen forschenden Blick auf den, nicht minder wie er selbst, kurz angebundenen Falkenmeister und auf Brunhilde und ritt rasch voraus.
»Kennt Ihr den Fremden?« fragte jetzt Brunhilde, diesem neugierig nachschauend. »Ihr antwortetet so außerordentlich scharf!«
»Fast möchte ich dies behaupten. Doch ist es immerhin zu lange her, daß ich den Mann in anderen Verhältnissen gesehen zu haben glaube.«
»In welchen Verhältnissen glaubt Ihr den Mann gesehen zu haben?«
Der Falkenmeister fing den bei diesen Worten forschend auf ihn gerichteten Blick Brunhildens auf und diese senkte leicht erröthend das Auge.
»Er hat große Aehnlichkeit mit einem weit und breit bekannten und gefürchteten Ritter aus den Marken!«
»Sein Name?«
»Dietrich von Quitzow«
Das Gespräch gerieth wieder in's Stocken und der Falkenmeister schien, als er, am Thore angekommen, vom Pferde stieg, selbst nicht recht zu wissen, ob das Gefühl des Aergers, daß er Brunhilde nun aus seinem Schutze entlassen solle, oder der Freude darüber, daß die Rettung des geliebten Mädchens nunmehr gelungen, im Augenblick die Oberhand besitze.
Die im Schloßhofe zur Bedeckung zurückgebliebenen Knechte wunderten sich nicht wenig, als sie Brunhilde auf dem Pferde des Falkenmeisters, diesen aber zu Fuß zurückkehren sahen.
Der Falkenmeister stand jedoch in Folge seiner im
Schloßhofe bewiesenen Fechtkunst in ihrer Achtung bereits so hoch, daß sie nicht wagten, ihn mit neugierigen Fragen zu belästigen.
Dieser selbst schnitt ihnen übrigens auch die Gelegenheit hierzu ab.
Nachdem er Brunhilde vom Pferde gehoben, fragte er kurz:
»Sind die Ritter zurück?«
»Noch nicht!«
»Wo ist der Fremde, welcher vor wenigen Minuten hier angekommen ist?«
»Dort tritt er eben aus dem Stalle.«
Brunhilde zog sich nach einigen Worten des Dankes, wobei sie indeß vermied, dem Falkenmeister in's Auge zu sehen, in das Haus zurück, und dieser näherte sich dem Fremden, welcher ihn bemerkt hatte und stehen blieb.
»Ihr habt Herrn Simon von Güntersberg noch nicht gesprochen, und werdet, wenn anders Ihr ihn durchaus sprechen wollt, wohl auch noch einige Zeit hier bleiben müssen.«
»Weshalb? Wo ist er?«
»Herr Simon ist mit Herrn Janeke von Stegelitz weggeritten.«
»Ich werde warten.«
»Dann folgt mir.«
Schweigend schritt der Falkenmeister voran und führte ihn in das Haus.
Dort begegnete ihnen Brunhilde.
»Jungfrau,« redete der Henning Friedländer sie an, »dieser Mann verlangt Herrn Simon von Güntersberg zu sprechen und will die Rückkehr des Herrn Ritters abwarten.«
»Mein Vater ist, wie Ihr gehört habt, nicht hier,« wandte Brunhilde sich zu dem Fremden. »Wollt Ihr dennoch warten, dann mag Euch der Falkenmeister ein Gemach anweisen.
»Ihr seid die Tochter Simon's?«
»Ja, doch –«
»Verzeiht die Bitte, mich nur ein paar Worte mit Euch allein sprechen zu lassen.«
»Dann kommt mit mir.«
Der Falkenmeister mußte wohl verstanden haben, was Brunhilde mit dem Blicke sagen wollte, den sie ihm in diesem Augenblicke zuwarf, denn er folgte ihnen langsam bis zu dem Gemache, in das Brunhilde und der Fremde eingetreten waren.
»Was habt Ihr mir jetzt mitzutheilen?« hörte er die Erstere fragen und den Fremden bald antworten:
»Ich bedaure, Euren Vater nicht selbst angetroffen zu haben, denn ich habe Verschiedenes mit ihm zu sprechen, das von Wichtigkeit ist.«
»Wer seid Ihr?«
»Vielleicht habt Ihr meinen Namen schon einmal gehört; ich heiße Dietrich von Quitzow.«
»Ihr seid der mächtige und gefürchtete Ritter, der mit dem Markgrafen von Brandenburg in harter Fehde liegt.«
»Ja, der bin ich. Wer aber hat Euch von dieser Angelegenheit gesprochen?«
»Heut' erst habe ich sie meinen Vater erzählen hören. Er wird sich freuen, Euch hierzu sehen. Wollet in diesem Gemach nur so lange weilen, bis er von seinem Ausfluge mit Herrn Janeke von Stegelitz zurückgekehrt ist. Inzwischen darf ich Euch wohl einen Imbiß und einen Trunk hierher senden.
Herr Dietrich von Quitzow folgte dieser freundlichen Einladung und Brunhilde eilte aus dem Gemache, vor dessen Thür sie den Falkenmeister antraf.
»Euer Gedächtniß hat Euch nicht getäuscht. Der Fremde ist in der That der Ritter Dietrich von Quitzow. Wenn nur jetzt mein Vater bald zurückkäme!«
»Auch ich wünsche dies,« erwiderte Friedländer ernst.
»Falls ihm aber wider unser Erwarten ein Unfall zugestoßen sein sollte, dürfte es wohl gerathen erscheinen, Herrn Dietrich von Quitzow, diesen mächtigen Kriegshelden, von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen. Oder habt Ihr dies vielleicht schon gethan?«
»Noch nicht. Für alle Fälle bitte ich Euch, hier zu bleiben. Sollte mein Vater zu lange ausbleiben und der Ritter ungeduldig werden oder gar noch einmal nach mir verlangen, dann sprecht nur mit ihm und erzählt ihm, was Euch gut dünkt. Ich vertraue Euch ja vollständig!«
»Ihr habt zu befehlen, Jungfrau, und ich werde diesen Befehl pünktlich erfüllen.«
Brunhilde eilte fort, um den dem Ritter versprochenen Trunk nebst Imbiß zu beschaffen und der Falkenmeister blieb in der Nähe des Gemachs, von Zeit zu Zeit horchend, ob der Ritter noch nicht laut würde.
Stunde um Stunde verrann, die Nacht brach an, die Herren Simon und Janeke waren nicht nur noch nicht zurückgekehrt, sondern auch noch keine Botschaft von ihnen da, und der Falkenmeister, welcher recht wohl wußte, weshalb keiner der beiden in die Gewalt ihrer erbittertsten Gegner gefallenen Ritter etwas von sich hören ließ, fing allgemach an zu bereuen, Brunhilde, die, je mehr die Zeit vorrückte, desto ängstlicher, besorgter wurde, nicht längst die volle Wahrheit unumwunden bekannt zu haben, als die Thür des Gemaches aufging und Ritter Dietrich heraustrat.
»Herr Simon ist noch nicht zurück?«
»Noch nicht, Herr Ritter.«
»Dann ist er wohl nach einer der benachbarten Burgen geritten und kehrt vielleicht morgen erst heim?«
Während Henning Friedländer noch überlegte, ob er den Fragenden in die Sachlage ganz einweihen solle, fing dieser noch einmal an:
»Ich habe Dich übrigens heut' bereits auf dem Wege hier her gesehen. Die Tochter des Herrn Simon war wohl mit ihrem Pferde verunglückt? Welche Stellung nimmst Du hierein, daß die Jungfrau Dir gestattet, sie vor Dich auf Dein Pferd zu nehmen?«
»Ich bin als Falkenmeister in Diensten des Herrn Simon und stehe der Jungfrau, welche die Jagd liebt, zu Befehl. Ihr habt übrigens richtig vermuthet, daß ihrem Pferde ein Unglück zugestoßen war. Die ganz absonderlichen Verhältnisse, welche in diesem Falle obwalteten, werden übrigens entschuldigen, falls ich, was ich im Augenblick noch nicht glaube, in meiner Bereitwilligkeit, der Jungfrau zu helfen, zu weit gegangen sein sollte.«
»Ich möchte diese absonderlichen Verhältnisse kennen lernen.«
Henning Friedländer erzählte nun, daß Herr Simon und Herr Janeke die Jungfrau zur Jagd begleitet, während des Jagdzuges einen Fehdebrief erhalten hätten und unversehens während der Jagd auf das Gebiet eines der Ritter gekommen waren, welche den Brief unterzeichnet hatten.
Auf der Rückkehr von der Jagd wären sie mit den Herren Henning von Wedel und Heinrich von Bork zusammengetroffen und er, der Falkenmeister, sei sofort beauftragt worden, die Jungfrau sicher nach Güntersberg zurückzugeleiten.
Er habe sich doch aber verleiten lassen, vor der Flucht verstohlen noch einen Blick auf den Kampfplatz zu werfen und die Herren Simon und Janeke bereits in der Gewalt der Gegner gesehen, nunmehr mit der Jungfrau auf Umwegen den Rückweg nach Hause angetreten, sei verfolgt worden und theilte ferner das mit, was den Lesern über den Unfall mit dem Pferde bereits bekannt ist.
Dietrich schritt, während der Falkenmeister sprach, in dem Gemache auf und ab.
Als Letzterer seine Mittheilungen beendet, trat der Ritter zu ihm.
»Herr Simon wird Dir für die hierbei bewiesene Umsicht Dank wissen. Ob er freilich so bald in die Lage kommen wird, diesen Dank abtragen zu können, vermag ich nicht zu beurtheilen. Ich habe wirklich Lust, mir die Sache etwas genauer zu überlegen und dem alten Haudegen aus der Klemme zu helfen. Ist Dir vielleicht bekannt, wie er mit den Wedels auf Betow und mit Erasmus von Wedel auf Reetz steht?«
Henning Friedländer erblaßte sichtlich und mußte sich abwenden, um seine Verlegenheit zu verbergen. Er fand nicht sofort die ihm passend erscheinende Antwort und Dietrich bemerkte dies.
»Da bin ich wohl einem Geheimniß auf die Spur gekommen? Oder leben beide Herren mit Herrn Simon in Fehde und Du zögerst, mir durch Mittheilung dieses Umstandes die Hoffnung zu benehmen, für den Schloßherrn eintreten zu können? Falls Du keinen anderen Grund hast, verlegen zu werden, dann sprich nur getrost; wenn Dietrich von Quitzow sich etwas vornimmt, dann weicht er nicht so leicht von dem einmal gefaßten Entschlusse ab.«
Der Falkenmeister raffte sich zu einer Antwort auf.
»Herr Bodo von Wedel auf Betow lebt, wie Ihr richtig vermuthet habt, mit Herrn Simon in hartnäckiger Fehde und ich –«
»Nun, was weiter? sprich!«
»Ich glaube, oder richtiger, ich bin überzeugt, daß er, sobald er Kenntniß von dem Mißgeschick des Herrn Simon erhält, nicht nur jede Hülfe verweigern, sondern sich sogar weidlich freuen wird. Der Streit zwischen den beiden Herren ist schon zu alt, um sich schnell beseitigen zu lassen. Was dagegen Herrn Erasmus von Wedel auf Reetz anlangt, so darf ich wohl behaupten, daß dieser ein Freund des Herrn Simon ist.«
»Und wie steht Herr Simon mit dem Ritter Heinrich von Kremzow?«
»Der Kremzower ist einer der Herren, welche den Fehdebrief unterschrieben haben und war heut' sicher bei dem Strauß betheiligt.«
»Ich höre schon,« rief Dietrich unwillig, »daß Herr Simon in einer recht unangenehmen Lage sich befindet und im Augenblicke Hülfe für ihn in nächster Nähe außer durch Herrn Erasmus nur sehr schwer zu finden sein wird. Ich werde diese Nacht hier bleiben, morgen früh aber selbst einmal zusehen, in welcher Weise sich etwas für Herrn Simon thun läßt. Führe mich vor Allem jetzt in die Waffenkammer!«
Der Falkenmeister zögerte, diesem Befehle nachzukommen, doch mochte Herr Dietrich wohl wahrnehmen, daß er bei einer Wiederholung des Befehls bereitwilligst nachgeben werde, und fuhr deshalb fort:
»Du weißt doch, wer ich bin?«
»Ja, Herr Ritter Dietrich von Quitzow!«
»Nun gut, dann wirst Du auch wissen, daß ich nicht gewohnt oder je gewillt bin, einen gegebenen Befehl mehrmals zu wiederholen. Aus welchem Grunde zögerst Du, mir zu gehorchen?«
»Verzeiht, edler Herr, nur allein deshalb, weil es nicht Gebrauch ist, in Abwesenheit des Burgherrn einen fremden Ritter zu den Waffenvorräthen zu geleiten. Bei Euch jedoch glaube ich eine Ausnahme machen zu dürfen. Herr Simon sprach heut' früh erst in einer Weise von Euch, die mir das Vorhandensein freundschaftlicher Gefühle für Euch bestätigte, und Ihr selbst wollt ja, wie ich jetzt gehört, dem gestrengen Herrn beistehen. Wollet mir also nun zu der Waffenkammer folgen.«
Dietrich lachte.
»Herr Simon scheint an Dir einen scharf beobachtenden Diener zu haben, und es will mir wohl scheinen, als hätte er just keine üble Wahl getroffen, wenn er Dir in seiner Abwesenheit die Aufsicht auf Güntersberg anvertraut. Dies ist doch der Fall?«
»Mein Herr konnte wohl nicht voraussehen, daß das Zusammentreffen mit seinen Gegnern mit so unangenehmen Folgen für ihn verbunden sein würde. Da nun aber das Gegentheil von dem eingetroffen, was er und Herr Janeke gehofft haben, Herr Simon demnach im Augenblicke verhindert war, nach Güntersberg zurückzukehren, werde ich dafür sorgen, daß hier keine Ungehörigkeiten vorfallen. Doch bitte ich nun, mit mir in die Waffenkammer zu gehen.«
Bald waren sie dort angelangt und Herr Dietrich entnahm der Sammlung von Schwertern eines der gewichtigsten.
»Sagt Herrn Simon, daß ich mir dieses Schwert geliehen habe.«
»Das ahnte ich wohl,« brummte der Falkenmeister vor sich hin, laut aber erwiderte er:
»Werdet Ihr, Herr Ritter, nicht Gelegenheit suchen, Herrn Simon dies selbst mittheilen zu können?«
»Ja!«
Dietrich verließ die Kammer und der Falkenmeister folgte ihm schweigend bis zu der Thüre des Gemachs, wo er sich entfernen wollte.
Dietrich hielt ihn indeß zurück.
»Morgen früh werde ich Güntersberg verlassen, in einigen Tagen aber noch einmal hierher kommen, bis dahin suche, falls Dein Herr mittlerweile noch nicht zurückgekehrt, auszukundschaften, wo er gefangen gehalten wird. Das Weitere wird sich dann finden.«
Der Falkenmeister zog sich nach dieser Weisung zurück und Herr Dietrich verließ mit Anbruch des Tages und ohne Brunhilde noch einmal gesprochen zu haben, das Schloß.
Mit recht gemischten Gefühlen sah Henning Friedländer dem langsam dahinreitenden Ritter nach.
Einestheils freute er sich über die Zusage des wegen seiner Tapferkeit berühmten Dietrich von Quitzow, Brunhildens Vater helfen zu wollen. Andererseits beunruhigte ihn aber nicht wenig der Gedanke, Ritter Dietrich werde, wenn nicht gar Herrn Bodo von Wedel auf Betow, so doch einen anderen Ritter zur Hülfe aufbieten, der seinen eigenen Plänen hinderlich werden könne.
»Meinetwegen,« murmelte er endlich, »mag Dietrich Hülfe herbeibringen, von wo er kann und will. Mit Jedem werde ich mich zur Noth rechtzeitig zu verständigen vermögen. Wenn er nur nicht zu Bodo von Wedel geräth und diesen für sein Vorhaben zu gewinnen vermag.« –
Finster vor sich hinblickend, schien er diesen Gedanken noch länger zu erwägen und die Möglichkeit, der theils hochgeachtete, theils gefürchtete Dietrich werde in dem Bestreben, Herrn Simon beizustehen, seinem eigenen Vorhaben hinderlich werden, verbitterte seine Stimmung immer mehr.
Mißmuthig schritt er eben über den Hof, als er Brunhilde am Fenster erblickte.
Ihrem Winke eiligst Folge leistend, stand er wenig Augenblicke später vor der heimlich Geliebten, in deren Zügen sich eine unbeschreibliche Angst ausdrückte.
»Mein Vater ist noch nicht zurück. Ohne Zweifel ist ihm ein recht schweres Unglück zugestoßen. Er ist vielleicht verwundet, hülflos auf dem Kampfplatze zurückgelassen, oder gar in Gefangenschaft geschleppt worden. An noch Schlimmeres wage ich nicht zu denken. Helft mir doch aus dieser quälenden Ungewißheit.«
Der Falkenmeister antwortete nicht bald, als sie schwieg. Der Anblick des reizenden Mädchens, das in seiner kindlichen Liebe zum Vater die Schranke gänzlich übersah, die zwischen ihr, der Herrin, und ihm, dem Diener, bestand, die thränenden Auges ihre Rathlosigkeit eingestand und ihm zu verstehen gab, daß sie ihm vertraue, sich auf ihn verlasse, bewegte ihn mächtig.
Mit bewegter Stimme erwiderte er endlich:
»Ich werde nicht zögern, Euch, soweit dies eben jetzt möglich ist, Klarheit zu verschaffen und zunächst sofort den Kampfplatz, den ich leicht sofort wieder finden dürfte, aufsuchen. In ein paar Stunden schon sollt Ihr erfahren, was mit Eurem Vater geschehen ist. Weiter erforderlich werdende Schritte werden sich dann erst erwägen lassen. Seid versichert, Jungfrau, daß nichts unversucht und nichts unterlassen werden soll, was ich zu Eurer Beruhigung beizutragen vermag.«
»Ich glaube Euch und hoffe das Beste. Der fremde Ritter ist, wie ich gesehen habe, weggeritten?«
»Ja, er wird aber voraussichtlich in einigen Tagen noch einmal hier eintreffen.«
»Wenn nur mein Vater dann wieder hier wäre!«
»Sollte dies noch nicht der Fall sein, dann wird Herr Dietrich von Quitzow, wie er mir dies fest zugesagt hat, für Euren Vater eintreten.«
»Besitzt Herr Dietrich hier einen so weitreichenden Einfluß? Ich denke, er wohnt in den Marken und war ja gestern nicht nur ohne Begleitung, sondern, so viel ich gesehen habe, auch ohne Waffen.«
»Sein Name ist weit bekannt, und seine Faust derart gefürchtet, daß ohne zwingendste Gründe Jeder gern vermeidet, mit diesem Ritter einen Kampf aufzunehmen.«
»Trotz alledem wünsche ich, der Vater möge zurückkehren, noch ehe der Ritter hierher kommt.«
»Dieser, aus dem geheiligten Gefühl kindlicher Liebe entspringende Wunsch ist nur berechtigt. Doch will mir scheinen, die in Aussicht gestellte Hülfe des Ritters Dietrich sei, selbst wenn die Bethätigung derselben nicht mehr erforderlich würde, insofern anzuerkennen, als bei der von mehreren benachbarten Rittern angekündigten Fehde der Beistand eines Mannes, der eine namhafte Anzahl Ritter von der Art des Herrn Janeke von Stegelitz aufwiegt, nur hoch zu beachten ist.«
»Das gebe ich ja recht gern zu. Seit gestern Abend hat sich meiner aber eine gewisse Unruhe bemächtigt, ein Gefühl, dem Worte zu verleihen mir sehr schwer wird.«
Wollt Ihr mich nicht Näheres wissen lassen darüber, was Euch beunruhigt? Ihr dürft unbedingtes Vertrauen zu mir hegen, denn wahrlich, kein Mensch vermag Euch treuer ergeben zu sein, als ich!«
»Ja, ich glaube Euch und will Eurem Wunsche nachkommen. Als ich gestern Abend allein in meinem Gemache war, überfiel mich plötzlich eine unnennbare Angst. Recht lebhaft trat der Gedanke an mich heran, die Ritter, welche mit meinem Vater in Fehde liegen, würden jetzt während seiner Abwesenheit das Schloß angreifen, einnehmen und zerstören und ich –«
Brunhilde vermochte nicht weiter zu sprechen. Ihre Augen füllten sich aufs Neue mit Thränen, ihre Stimme bebte und ihren Körper überlief ein convulsivisches Zittern.
Henning Friedländer wurde vom innigsten Mitgefühl beseelt und er bemühte sich nach Kräften, ihr Trost zuzusprechen.
»Welchen Gedanken und Besorgnissen gebt Ihr Euch hin, edle Jungfrau! Eurem Vater droht keine so ernste Gefahr, wie Ihr anzunehmen scheint, und Ihr habt weiter auch nicht den geringsten Grund, Besorgnisse wegen eines Angriffs der feindlich gesinnten Ritter auf Güntersberg zu hegen. Fasset Muth! Ich halte mich überzeugt, daß Euer ganzer Kummer in kürzester Frist beseitigt sein wird und Ihr mir zugeben werdet, daß Ahnungen keine Beachtung verdienen!«
Ein schwermüthiges Lächeln schwebte um den Mund des holden Kindes, als es langsam erwiderte:
»Wollte Gott, Eure gutgemeinten Trostesworte bewahrheiteten sich. Wie gerne wollte ich Euch eingestehen, daß ich mich ohne Grund geängstigt hätte, doch bitte ich Euch, nicht länger zu zögern mit der Besichtigung des Kampfplatzes. Ob Ihr auch die Falken in dem von Euch gewählten Versteck noch vorfinden werdet?«
»Ich hoffe es und werde Euch sofort nach meiner Rückkehr Mittheilung von dem Ergebniß meiner Nachforschungen machen.«
Der Falkenmeister verließ das sinnend ihm nachblickende Mädchen und sprengte bald darauf zum Thore hinaus.
Es war bereits Mittag, als er sich dem Letzteren wieder näherte.
Kaum hatte das Thor sich hinter ihm geschlossen, als Brunhilde auch schon in der Thüre des Schlosses erschien.
»Welche Botschaft bringt Ihr mir?«
»Keine bessere, aber auch keine schlechtere, als ich erwartet habe.«
»Zögert doch um Gottes Willen nicht länger, mir Alles mitzutheilen, was Ihr gesehen oder erfahren habt.«
»Edle Jungfrau, meine Erwartungen haben sich vollauf bestätigt. Euer Vater ist auf dem Kampfplatz nicht verwundet, vielmehr von den Rittern Wedel, Bork und Kremzow mit Herrn Janeke von Stegelitz weggeführt worden. Ohne Zweifel wird man jetzt ein hohes Lösegeld, wenn nicht irgend welche andere Sühne, Euerm Vater auferlegen und ich sehe voraus, daß die Hilfe des gefürchteten Dietrich von Quitzow von hohen Vortheil werden wird!«
»Meinem Vater ist also kein Uebles weiter widerfahren und ich darf hoffen, ihn wiederzusehen?«
»Das dürft Ihr mit vollem Recht. Weniger glücklich sind wir mit der Cage gewesen, unsere schönen Falken sind eine Beute der Feinde geworden.«
»Ihr erleichtert durch Eure Mittheilung mein bedrängtes Herz und ich kann nun nicht schnell genug die Rückkehr des Herrn Dietrich herbeiwünschen; er ist ja doch, wie ich gehört habe, der Freund meines Vaters und wird ihn sicher nicht lange im Gefängniß schmachten lassen!«
»Nun, darüber könnt Ihr vollständig beruhigt sein. Wenn Dietrich von Quitzow etwas verspricht, dann hält er es auch. Dies war der Sinn der letzten Worte, die er zu mir sprach, und ich baue fest auf ihn. Gebt Ihr mir Vollmacht, im Namen Eures Vaters Herrn Erasmus von Wedel in Reetz von dem Mißgeschick zu benachrichtigen, das Euern Vater betroffen hat?«
»Thut, was Ihr für gut haltet! Ich baue vollständig auf Euch.«
Langsam trat Brunhilde in das Schloß zurück.
Henning Friedländer war im Augenblick unentschlossen, was er thun solle. Nach kurzem Besinnen ließ er sein Pferd vorführen und ritt weg. Einige Stunden später kehrte er auf schweißbedecktem Pferde zurück und sandte einen Knecht an Herrn Erasmus mit der Botschaft, die Herren von Güntersberg und Janeke von Stegelitz seien von den Herren Henning von Wedel und Heinrich von Bork, welche nebst dem Herrn Henning von Kremzow und Friedrich von Wedel den Herren Erasmus von Wedel, Simon und Janeke Fehde angesagt hätten, auf einem Jagdzuge gelegentlich eines heftigen Straußes zwischen den feindlich gesinnten Herren überwunden und gefangen genommen worden. Wo man sie hingeführt habe, sei nicht bekannt, und ebensowenig wisse man in Güntersberg, was die Sieger weiter im Schilde führten. Mit Sicherheit sei aber heute schon anzunehmen, daß man in erster Reihe gegen Güntersberg Schlimmes beabsichtige.
Falls Herr Erasmus seinem Freunde und Bundesgenossen in der Beschützung seines Lebens und Eigenthums beistehen wolle, dann möge er ohne Zögern herbeieilen.
Als der Knecht mit dieser Botschaft wegritt, schien der Falkenmeister Lust zu haben, den Knecht zurückzurufen und das Hilfegesuch unbestellt zu lassen; sein Ruf wurde jedoch von dem Boten nicht mehr gehört und er beschied sich mit dem Entschlusse:
»Komme, was da mag; ich muß mein Ziel erreichen!«
Die geringe Besatzung von Güntersberg war nicht wenig erstaunt, als bald darauf der Falkenmeister, dessen Uebergewicht sie sämmtlich ohne Zögern anerkannten, befahl:
»Haltet Eure Waffen in Ordnung! Ich werde inzwischen die Mauern besichtigen. Wir werden einen Sturm zu bestehen haben!«
Mit lautem Halloh wurde diese Nachricht aufgenommen und sofort an die Befestigung von Güntersberg geschritten.
Die nahe Aussicht auf eine Abwechselung in ihrem seit einiger Zeit sehr eintönigen Leben wirkte begeisternd auf die Knappen und Reisigen und sie ergingen sich in allerhand Muthmaßungen darüber, wer der zu erwartende Feind sein könne.
Der Falkenmeister blickte freilich weniger zuversichtlich der nächsten Zukunft entgegen; er sah ein, daß mit den wenigen Leuten, die ihm zu Gebote standen, sich kein Belagerungs-Heer auf die Dauer zurückschlagen lasse. Ihm bangte jedoch weniger für sich oder um Güntersberg, als vielmehr um Brunhilden, deren Verbleiben er im Augenblick schon gern hintertrieben hätte.
Diese Gedanken beschäftigten ihn eben wieder, als er, über den Burghof schreitend, Brunhilde an der Thüre bemerkte. Auf ihren Wink trat er zu ihr heran, und sie fragte ihn mit offener Besorgniß und hastig:
»Sagt mir doch, was bedeuten diese Vorbereitungen?
Bedroht man uns und benutzt man die Abwesenheit meines Vaters, um Güntersberg zu überfallen?«
»Noch weiß ich nicht, ja ich habe noch gar nicht einmal bestimmte Nachrichten, daß Etwas gegen Güntersberg geplant wird.«
»Weshalb aber trefft Ihr Anstalten, die mir nur zur Abwehr eines Angriffes bestimmt erscheinen?«
Der Falkenmeister zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Es wurde ihm schwer, dem Mädchen seine Gedanken auch nur annähernd kund zu geben und sie durch Befürchtungen, zu denen er noch keinen directen Anlaß erhalten, noch mehr zu beunruhigen, als sie es ohnehin schon war.
Ausweichend antwortete er deshalb:
»Macht Euch keine Sorgen deshalb, weil ich einige Anstalten zur Sicherung für Güntersberg treffe. Ich habe keinen anderen Grund hierzu, als den Wunsch, Euch während der Abwesenheit des Vaters beruhigt zu wissen.«
»Nein, nein, Ihr verschweigt mir Etwas!«
»Dies ist nicht der Fall, und ich verspreche, Euch sofort Nachricht zu geben, wenn wider alles Erwarten gegen uns Etwas geplant werden sollte.«
Brunhilde schien jedoch nichts weniger als beruhigt zu sein. Sie sagte zwar nichts mehr, ihr Auge, ihr Blick, den sie fragend auf den Falkenmeister gerichtet hielt, zeigte jedoch recht deutlich, daß sie ernstere Befürchtungen hege.
Waren sie begründet?
Der Tag verging ohne irgend etwas Auffälliges und auch die während der Nacht ausgestellten Posten vermochten nicht das geringste Absonderliche zu erkennen.
Auch der Vormittag verlief in gleich ruhiger Weise, und schon sagte sich der Falkenmeister aufathmend:
»Gott sei Dank, du hast dich in diesem Falle geirrt!«
Das Horn des Thurmwarts ertönte. Der Falkenmeister eilte rasch zu diesem hinauf und bemerkte einige Fähnlein Reisige auf dem nach Güntersberg führenden Wege.
»Weß sind diese Leute? Sie kommen von Norden, also von einer Seite, von wo ich glaubte, keine Feinde erwarten zu dürfen!«
»Wenn ich mich nicht täusche,« bemerkte der Thurmwart, »dann sind es die Reetzer.«