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»Davon steht nichts in unseren Gesetzen,« wendete jetzt der Alte ein. »Wir haben unsere Gäste gegen fremde Angriffe zu beschützen. Was sie auch unter sich zu verhandeln haben, das geht uns nichts an, sondern das ist ganz allein ihre eigene Sache.«
»Du scheinst es darauf abgesehen zu haben, mich zu beleidigen!« zürnte der Riese in drohendem Tone.
»Das will ich nicht. Ich bin der Hochbetagteste unter Euch und habe darauf zu sehen, daß einem Jeden sein Recht geschieht. Das kann Dich nicht beleidigen.«
»Aber meinen Schützlingen geschieht ja nicht ihr Recht sondern Unrecht!«
»Das mögen sie beweisen.«
»Sie haben es gesagt. Das genügt. Sie kennen diese beiden anderen Menschen gar nicht!«
Da aber erhielt er eine Antwort, welche er gar nicht erwartet hatte. Nämlich da die Gastzelte ganz in der Nähe des Feuers lagen, hatte Zykyma das mehr als laut geführte Gespräch gehört. Sie glaubte, eine Stimme zu erkennen. War das möglich? Konnten die Retter wirklich hier sein, hier, mitten in der Wüste? Sie stand eilig von ihrem Sitze auf und trat aus dem Zelte. Als sie die von dem flackernden Feuer nur nothdürftig erleuchtete Versammlung überblickte, sah sie zwei Köpfe über alle Uebrigen ragen. Den Einen kannte sie. Es war der Riese, mit dem sie heute in das Lager gekommen war. Der andere Mann war zwar nicht so lang wie Falehd, aber doch höher als die Uebrigen. Sie ging mehr nach der einen Seite hin, um sein Gesicht zu sehen. Eben redete Normann. Sie erkannte seine Stimme ganz deutlich. Einen Jubelruf, welcher ihr auf die Lippen kam, unterdrückend, drängte sie sich zwischen den Männern hindurch, gar nicht daran denkend, daß ein Weib hier gar nichts zu thun habe. Die Beduinen machten ihr staunend Platz. Zykyma hörte den letzten Theil der Unterhaltung und rief den Riesen bereits von Weiten zu:
»Das ist nicht wahr. Sie kennen sie!«
Alle Anwesenden wendeten sich ihr zu. Normann erblickte sie und rief erfreut:
»Zykyma! Da bist Du! Allah sei Dank! Jetzt kannst Du für uns zeugen.«
»Ja, das kann ich, und das will ich!«
Da drängte Ibrahim Pascha auf sie zu und schrie:
»Was fällt Dir ein! Gehe in Dein Zelt!«
»Du hast mir nichts zu befehlen!« erwiderte sie muthig.
»Soll ich Dich bestrafen?«
»Du hast kein Recht dazu!«
»Oho! Du bist mein Weib!«
»Das ist nicht wahr. Du hast es zu diesen Männern gesagt, daß ich Dein Weib sei, aber Du hast gelogen.«
»Ich habe Dich bezahlt!«
»Das war sehr dumm von Dir. Ich bin keine Sclavin, welche man kaufen kann.«
»Du bist meine Sclavin! Gehe in das Zelt, sonst werde ich mein Recht über Dich in Anwendung bringen.«
»Diese beiden Männer werden mich beschützen!«
»Dieser Masr-Effendi und sein Cumpan?« lachte der Riese, Partei für den Pascha nehmend. »Die sollten es wagen! Der Pascha sagt, Du seiest sein Weib. Er hat Dich gekauft und bezahlt, und Du wirst ihm gehorchen.«
Da wollte Steinbach das Wort ergreifen; aber jener Alte kam ihm zuvor:
»Wer kann hier von kaufen sprechen? Wir befinden uns in der freien Wüste, wo es keine Sclaven giebt. Wenn Ibrahim Pascha die Unterschrift des Kadi und des Mollah besitzt, die ihn mit diesem Weibe getraut haben, so mag er sie vorzeigen, und wir werden ihn nicht hindern, seine Rechte auszuüben.«
»Meinst Du, daß ich solche Schriften in der Wüste mit herum trage!« stieß der Pascha hervor.
»Also nicht! So sage, ob Du mit ihr getraut bist!«
»Ja.«
»Er lügt!« rief Zykyma.
»Hört Ihr es, Ihr Männer?« sagte der Alte. »Er sagt Dieses und sie sagt Jenes. Beide können nichts beweisen. Wir haben uns also in ihre Angelegenheit nicht zu mischen, müssen aber jede Gewaltthat verhüten.«
»Ist es eine Gewaltthat, wenn ich meinem Weibe befehle, in das Zelt zu gehen?«
»Nein, falls sie Dein Weib ist. Das aber hast Du uns noch nicht bewiesen.«
»So willst Du mich also verhindern, sie zu zwingen, mir gehorsam zu sein?«
»Ja, das werde ich!«
»Das wirst Du bleiben lassen!« drohte der Riese, sich seines Gastes annehmend.
»Willst Du mir etwa verbieten, nach den guten Gesetzen unseres Stammes zu handeln?« fragte der Alte furchtlos.
»Diese Frau bewohnt jenes Zelt; da hinein gehört sie!«
»Wenn sie will!«
»Oho! Ich selbst werde sie hinein führen!«
»Das verbiete ich Dir!«
»Du! Weißt Du nicht, daß ich morgen Scheik sein werde?«
»Noch bist Du es nicht!«
»Ich werde dennoch sehen, wer mich hindern will, das zu thun, was ich thun will!«
Er streckte den Arm nach Zykyma aus. Der Alte aber stellte sich schnell zwischen ihm und sie und sagte ernst:
»Bedenke, was Du thust! Ich stehe und spreche hier im Namen der Versammlung der Aeltesten. Wer da widerstrebt, wird aus dem Stamme gestoßen!«
»Ihr? Mich ausstoßen? Hölle und Teufel!«
Er lachte laut und höhnisch auf. Die Umstehenden aber traten enger zusammen und legten die Hände an die Messer. Er sah das. Gegen so Viele konnte er trotz seiner großen Stärke nichts machen; das sah er gar wohl ein. Um so stärker wallte sein Zorn auf.
»Gilt das etwa mir?« fragte er rundum.
»Ja, ja,« ertönte es ihm von allen Seiten entgegen.
»Also Empörung im Lager, eines fremden Weibes wegen?«
Er schien noch nicht mit sich einig, ob er nachgeben solle oder nicht; da wurde die Scene durch die Königin beendet. Sie war herab gekommen aus der Ruine und hatte aus der Nähe den Verhandlungen zugehört. Jetzt kam sie ganz herbei, ergriff Zykyma bei der Hand und sagte, zu dem Aeltesten gewendet:
»Du hast recht; aber ich will nicht haben, daß Du um dieses Rechtes willen vielleicht von Falehd zum Kampfe gefordert wirst. Dieses Mädchen wird bei mir wohnen, bis es sich entschieden hat, ob sie sich selbst zu Eigen ist oder einem Anderen gehört.«
Beide entfernten sich, ohne von irgend Jemand verhindert zu sein. Zwar warf der Pascha dem schönen Mädchen sehr unruhige Blicke nach; wie aber jetzt die Sachen standen, war es ihm unmöglich, seine Ansprüche weiter geltend zu machen. Der Riese aber konnte sich nicht zu leicht bescheiden. Er knurrte, zu Normann gewendet:
»Jetzt hast Du Deinen Willen. Morgen aber wird es ganz anders lauten. Darauf verlasse Dich! Kommt mit mir in's Zelt!«
Diese Aufforderung war an den Grafen und den Pascha gerichtet. Da aber erhob Steinbach Widerspruch:
»Halt! Wir sind noch nicht fertig!«
»Ich habe mit Dir nichts zu thun!« sagte der Riese. »Wenigstens heute nichts mehr!«
»Ich mit Dir auch nicht, desto mehr aber mit diesen Beiden.«
»Sie gehen jetzt mit mir!«
»Ich habe sie des Mordes angeklagt!«
»Das geht mich nichts an! Sie sind meine Gäste!«
»So sage ich Dir sehr einfach, daß ich sie niederschießen werde, wenn sie hier fortgehen wollen, ohne daß ich damit einverstanden bin!«
»Dann habe ich die Blutrache!«
»Die fürchte ich nicht. Meine dritte Kugel würde Dich sicherlich treffen!«
Er zog zwei Revolver hervor. Die Augen Falehd's leuchteten auf wie Pantheraugen. Er trat auf Steinbach zu und brüllte:
»Drohst Du mir hier mitten im Lager!«
»Ja. Und ich werde meine Drohung wahr machen!«
»Hund!«
Er that, als ob er nach Steinbach greifen wollte, fuhr aber doch sehr schnell mit dem Arme zurück, als dieser, den einen Revolver erhebend, ihm zurief:
»Zurück! Eins – zwei –!«
Kein Anderer mischte sich in diese Angelegenheit. Die Beduinen standen still und unbeweglich im Kreise. Der Riese war bei ihnen nicht beliebt, und als Krieger mußten sie das muthige Auftreten Steinbach's anerkennen. Dieser wendete sich an den Alten:
»Ich habe diese beiden Männer Mörder genannt. Ich bin ihnen nach Egypten gefolgt, um sie bestrafen zu lassen, und habe sie hier bei Euch getroffen. Sie sind Eure Gäste, und Ihr könnt sie mir also nicht ausliefern. Daher verlange ich nach dem Rechte der Wüste, daß Ihr darüber wacht, daß sie mir nicht entfliehen. Ich werde von Euch scheiden, wenn sie fortgehen. Dann sind sie nicht mehr Eure Gäste, und Ihr seid Eurer Pflicht ledig.«
»Sie und fliehen!« lachte der Riese. »Was bildet sich der Mensch ein! Wer sich unter meinem Schutze befindet, braucht an keine Flucht zu denken!«
»Ich verlange also Bewachung des Lagers, so daß sie sich nicht heimlich entfernen können!« fuhr Steinbach fort, unbekümmert um die Einrede des gewaltthätigen Beduinen. »Ich müßte sie sonst von Euch fordern!«
»Von uns fordern?« antwortete Falehd. »Was bildest Du Dir ein! Was bist Du und wer? Noch hast Du es uns ja nicht gesagt.«
»Du kannst es hören. Ich bin ein Bote des Vicekönigs von Egypten.«
»Aha! Das habe ich mir gedacht! Du wirst hier bei uns aber keine Geschäfte machen.«
»Das wird sich finden, obgleich ich weiß, daß wenigstens mit Dir keine Geschäfte zu machen sind.«
»Also versuche es auch nicht! Uebrigens wird der Vicekönig seinen Boten nicht wieder zu sehen bekommen. Deine Seele wird zwischen meinen Händen zerlaufen wie ein Stück Salz, wenn man es in's Wasser thut. Ihr Beide aber kommt jetzt mit mir! Sie mögen über Euch berathen. Wir gehen in mein Zelt!«
Aber das wurde nicht erlaubt. Er konnte zwar gehen; aber der Pascha und der Graf mußten bleiben, bis die Versammlung der Aeltesten zum Beschlusse über sie gekommen war. Dieser lautete, daß sie ihr Ehrenwort zu geben hätten, das Lager nicht ohne Wissen Steinbach's zu verlassen. Im Uebrigen aber waren sie frei. Ueber Zykyma sollte später entschieden werden.
Als Falehd sich nun mit seinen beiden Gästen allein im Zelte befand, machte ihm der Pascha wegen ihr Vorwürfe.
»Du hättest mein Recht vertheidigen sollen, denn Du bist doch mein Beschützer!«
»Ist sie denn wirklich Dein Weib?«
»Nein, noch nicht.«
»Aber Deine Sclavin?«
»Ja, ich habe sie gekauft und bezahlt.«
»Bei uns giebt es keine Sclaverei.«
»So soll ich sie mir wohl von diesen Menschen rauben lassen, wie sie mir bereits Tschita genommen haben?«
»Haben sie Dir denn bereits Eine entführt?«
»Ja, und zwar Diejenige, an welcher ich mit dem ganzen Herzen hing.«
»Bei Allah, Du dauerst mich!«
»So hilf mir!«
»O, Du verstehst mich falsch. Du dauerst mich nicht etwa, weil Dir eine Sclavin abhanden gekommen ist, sondern weil Du überhaupt Dein Herz an ein Weib gehängt hast.«
»Das hast Du doch auch gethan!«
»Ich? Was fällt Dir ein!«
»Denke an die Königin!«
»Du meinst, ich sei verliebt in sie?«
»Ganz gewiß. Du willst doch morgen Dein Leben wagen, um sie zu besitzen.«
»Mein Leben? O, das wage ich nicht. Diese drei Menschen werde ich mit drei Hieben niederschlagen. Seht her!«
Am Boden lag eine halbe Zeltstange. Er ergriff sie mit den Händen und brach sie mitten entzwei.
»Solche Kräfte habe ich. Niemand ist mir gewachsen. Also mein Leben wage ich nicht, und aus Liebe gar nicht. Ich will die Königin erringen, weil Derjenige, welcher sie besitzt, der Scheik des Stammes sein wird. Wie ist es denn gekommen, daß man Dir eine Sclavin hat nehmen können?«
Der Pascha erzählte es nach seiner Weise. Er ließ natürlich Alles weg, was Andere nicht zu wissen brauchten. Als er geendet hatte, sagte der Riese:
»Du wirst diese Tschita wieder erhalten.«
»Wie ist das möglich. Ich weiß nicht, wo sie ist.«
»Sie ist natürlich nicht weit von Denjenigen, welche sie Dir genommen haben. Zwei von ihnen befinden sich jetzt bei uns. Der Dritte ist jedenfalls mit dem Mädchen in Egypten zurück geblieben. Den Einen erschlage ich morgen, und der Andere wird Euch dann sagen müssen, wo sie Tschita versteckt haben.«
»Könntest Du dies wirklich so weit bringen?« fragte Ibrahim, ganz electrisirt von dem Gedanken, daß er die zwei Geschwister Adlerhorst wieder in seine Gewalt bringen werde.«
»Sehr leicht.«
»Er wird aber nichts ausplaudern!«
»Wir zwingen ihn.«
»Der Euer Gast ist?«
»Das wird er doch nicht ewig sein. Er wird unser Lager verlassen, und wir folgen ihm nach. Nun aber sage mir im Vertrauen, ob Du wirklich einen Anschlag auf das Leben des Bey von Tunis gemacht hast.«
»Davon spricht man nicht.«
»Auch zu mir, Deinem Verbündeten, nicht?«
»Nein.«
»Gerade aus dieser Verschwiegenheit errathe ich das Richtige. Hättest Du nichts gethan, so könntest Du mit einem Nein auf meine Frage antworten. Aber die Erzählung von dem Mordanfall in Stambul war wohl eine Lüge?«
»Eine sehr große Lüge,« antwortete der Graf.
»So wollte ich, es wäre Wahrheit, und die Absicht wäre gelungen. Dann könnte dieser Mensch sich nicht als ein Bote des Khedive bei uns befinden. Aber – – –«
Er sprach nicht weiter, aber er streckte seine Fäuste aus und betrachtete sie mit einem Blicke, in welchem sich die feste Ueberzeugung aussprach, daß er Sieger sein werde. Der Graf sah das und fragte:
»Wirst Du Dich nicht irren?«
»Darin, daß ich die Drei überwinden werde?«
»Ja.«
»Da ist ja gar kein Irrthum möglich.«
»Der Fremde ist auch stark!«
»So nicht, wie ich. Ich schlage ein zweijähriges Kameelfüllen mit einem Hieb zu Boden. Wer thut mir das nach? Keiner von Euch.«
»Aber Einer gegen Drei! Du wirst ermatten.«
»Es giebt ja gar keinen Kampf. Ich gebe jeden einen Hieb auf den Kopf, und er ist todt.«
»Ich würde Dir vorschlagen, den Fremden zuerst zu nehmen.«
»Warum?«
»Weil er der Stärkere ist. Es ist klug, die schwerste Arbeit zuerst vorzunehmen.«
Falehd blickte ihn von der Seite an, lachte vor sich hin und fragte ihn dann:
»Ist dies wirklich Dein Grund?«
»Ja.«
»Wie klug Du bist! Wenn ich ihn tödte, seid Ihr Euren Feind los. Das willst Du aber nicht aussprechen. Ich weiß es dennoch. Aber ich will Euch gern den Gefallen thun. Mir gilt es gleich, wer eher in die Hölle wandert, er oder die Söhne des Blitzes.« –
Nachdem die Versammlung der Aeltesten aufgelöst worden war, hatte Steinbach den bereits erwähnten Alten bei Seite genommen und ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgetheilt, daß er Geschenke von dem Vicekönige zu überbringen habe.
Diese Nachricht hatte bei den Beduinen die größte Freude erregt. Er gestand:
»Ich gehöre zu Denen, welche den Vicekönig lieben. Dazu gehört die Mehrzahl unserer Krieger.«
»Doch Falehd nicht?«
»Nein. Darum ist es mir für die Zukunft bange. Er als Scheik wird nicht auf guten Wegen wandeln.«
»Auch Du thust ganz so, als ob es sicher sei, daß er diese Würde erhalte.«
»Das ist auch sicher. Zwar habe ich seinen Uebermuth zurückgewiesen; aber morgen ist der Kampf, und Keiner wird ihn besiegen. Ich werde um Mitternacht die Sure des Todes für Tarik und Hilal beten. Erlaube, daß ich dabei auch Deiner Seele gedenke!«
Er hatte das in einem sehr ernsten, ja traurigen Tone gesprochen. Steinbach fragte:
»So ist es also ganz sicher, daß die beiden Brüder unterliegen werden?«
»Ganz gewiß. Sie sind uns Allen doch so genau bekannt wie auch er; darum wissen wir, was ihrer wartet. Ich weiß nicht, warum auch Du auf den Gedanken gekommen bist, nach dem Preise zu ringen. Wußtest Du etwa nicht, daß es ein Kampf auf Leben und Tod ist?«
»Ich wußte es.«
»So mache Deine Rechnung mit dem Leben quitt, und bestelle Dein Haus. Wir sind allein. Theile mir die Botschaft mit, welche Dir anvertraut worden ist. Mein Herz wird sie so lange bewahren, bis die Zeit gekommen ist, in welcher sie Nutzen und Früchte bringt. Der Vicekönig braucht viele Soldaten, und für diese muß er Gewehre und Munition haben. Wenn dies nicht wäre, so hätte ich ihn durch den Boten bitten lassen, uns eine Anzahl von Gewehren zu senden.«
»Welchen Boten meinst Du?«
»Hilal, mit welchem Du ja wohl gekommen bist.«
»So hast Du gewußt, daß er von der Königin zu dem Vicekönig geschickt worden ist?«
»Nicht nur gewußt habe ich es, sondern ich bin es sogar gewesen, der ihr den Rath gegeben hat, diesen treuen Mann nach Kairo zu senden.«
»So bist Du vertraut mit ihr und ihren Ansichten?«
»Ich bin ihr Vertrauter und ihr Rathgeber. Hast Du vorhin nicht bemerkt, daß ich möglichst gegen Falehd aufgetreten bin? Er ist ihr Feind und der Feind seines eigenen Stammes. Sobald er der Anführer wird, ist es mit dem Frieden vorbei, dessen wir uns erfreuen. Er ist ungerecht und gewaltthätig, und wird uns bald die umliegenden Stämme auf den Hals bringen. Sein Anhang im Lager ist nicht groß; aber er wird Euch morgen besiegen und also Scheik werden. Dann hat er die Macht, und selbst seine Gegner müssen ihm gehorchen.«
»So will ich Dich beruhigen. Zweierlei habe ich Dir zu sagen; ist dies geschehen, so wird Deine Sorge verschwunden sein.«
»Du machst mich sehr neugierig. Ich kenne nichts, was im Stande sein kann, die Sorgen zu zerstreuen, welche gerade jetzt auf unserem Stamme liegen.«
»Nun, so höre erstens, daß Falehd nicht Euer Scheik sein wird.«
»Das ist unmöglich.«
»Ich weiß sehr wohl, daß Ihr Alle ihn für unüberwindlich haltet, wenn – –«
»Wenn es sich um einen Faustkampf handelt,« fiel der Alte ein. »Er ist der nächste Verwandte. Als solcher hat er die Waffen zu bestimmen, und er wird sich hüten, Flinte, Lanze oder Messer zu wählen. Dabei könnte er selbst von einem Schwächeren verwundet oder getödtet werden, während er beim Kampfe mit der Faust sicher ist, jeden Gegner nieder zu schlagen.«
»Mich nicht. Ich war in einem Lande, wo der Faustkampf noch in anderer Weise gepflegt wird als bei Euch. Ich würde zehn solche Gegner wie Falehd, wenn ich mit ihnen zu ringen hätte, nach einander niederschlagen, zehn und auch noch mehr.«
Der Alte blieb stehen, blickte den Sprecher erstaunt an, schüttelte den Kopf und sagte:
»Du sprichst, als seiest Du Deiner Sache ganz gewiß; aber Du kennst den Riesen nicht!«
»Du kennst auch mich nicht. Sei überzeugt, daß in meinem Herzen in Beziehung auf den morgenden Kampf nicht die mindeste Sorge herrscht.«
»Wollte doch Allah geben, daß Du Recht behieltest! Du bist allerdings groß und stark, größer und stärker als einer der Unserigen, Falehd ausgenommen; dennoch glaube ich kaum, daß Deine Körperkraft der seinigen gleich kommt. Aber da Du sagst, daß Du Dich im Faustkampfe geübt habest, so ist es ja möglich, daß Du ihm in Beziehung auf die Gewandtheit überlegen bist. In diesem Falle wäre es vielleicht möglich, daß Du ihn besiegtest.«
»Das wird sicherlich geschehen. Wem gehört dann die Königin?«
»Dem Sieger, also Dir.«
»Trotzdem ich kein Angehöriger Eures Stammes und nicht einmal ein Beduine bin?«
»Trotzdem. Durch ihren Besitz wirst Du das, was ihr erster Mann war, ein Beni Sallam und sogar der Scheik des Stammes.«
»Bin ich aber dann gezwungen, sie zum Weibe zu nehmen?«
»Nein. Du könntest sie an einen Anderen abgeben müssen, welcher dann mit Dir um sie kämpft. Findet sich aber ein solcher nicht, so mußt Du bei uns bleiben.«
»Und was geschieht mit Falehd?«
»Was soll mit ihm geschehen?« fragte der Alte ganz erstaunt. »Er wird begraben.«
»Wenn er nun nicht todt ist?«
»Wenn Du ihn besiegest, so ist er ja todt!«
»Wenn ich nun die Absicht hätte, ihn nicht zu tödten?«
»Das ist kaum möglich. Erstens würde er sich so lang wehren, bis er todt ist, und zweitens könnte er, falls Du der Sieger bist, doch nur dann am Leben bleiben, wenn er Dich um Gnade bäte. Das thut ein Sohn der Steppe nie; lieber stirbt er; denn in diesem Falle würde er aus dem Stamme gestoßen. Das ist die größte Schande, welche einem Krieger widerfahren kann.«
»Nun, wir werden ja sehen, ob Falehd den sicheren Tod dieser Schande vorzieht!«
»Du siehst mich im höchsten Grade erstaunt über das Vertrauen, welches Du zu Dir hast. Du sprichst ganz so, als ob es für Dich gar keine Möglichkeit zu unterliegen gebe.«
»Die giebt es auch nicht. Du kannst davon ganz ebenso überzeugt sein wie ich.«
»So möchte ich allerdings diese schwere Sorge bereits heut Abend schon von mir werfen. Das war das Erste. Wolltest Du vorhin nicht auch noch ein Zweites sagen?«
»Ja. Aber vorher bitte ich Dich, mir Deinen Namen zu nennen. Du hast ihn mir noch nicht gesagt; aber fast vermuthe ich, daß Du Kalaf heißest.«
»So heiße ich allerdings. Woher weißt Du das?«
»Hilal, Euer Bote, hat, als er den Vicekönig sprach, auch Deinen Namen rühmend genannt. Du seist der vertraute Rathgeber der Königin und ein Freund des Khedive. Da Du Dich nun vorhin ihren Vertrauten nanntest, so vermuthete ich, daß Du dieser Kalaf seist.«
»Hilal hat die Wahrheit gesagt. Ich bin es.«
»Darf ich vielleicht wissen, ob Ibrahim Pascha Euch Geschenke mitgebracht hat?«
»Gar nichts.«
»Aber der Russe doch wohl?«
»Auch nichts. Sie haben uns nur Versprechungen gemacht. Beide wollen, daß der Riese Scheik werde. Ich vermuthe, daß dann die Stämme der Wüste unter seiner Anführung in Egypten einfallen sollen. Es würde Aufruhr und Empörung entstehen; der Sultan müßte Truppen und Schiffe senden; er würde sich also entblößen, und dann hätte der Russe ein leichtes Spiel, seine Absichten zu erreichen. Bezahlt sollen wir dann werden mit vielen Silberthalern, und außerdem soll uns der Raub gehören, den wir machen.«
»Und darauf will Falehd eingehen?«
»Ja.«
»Schändlich! Also die armen egyptischen Fellahs, welche selbst kaum zu leben haben, sollen ausgeraubt werden. Das ist mehr als grausam. Da komme ich doch mit anderen Vorschlägen. Und außerdem bringe ich Euch Geschenke.«
»Ah! Dem Stamme?«
»Der Königin, den beiden Söhnen des Blitzes und auch Dir.«
»Mir?« fragte der Alte in freudigem Erstaunen.
»Ja, Dir.«
»Das ist ja noch gar niemals dagewesen!«
»So freut es mich desto mehr, der Ueberbringer zu sein. Das Allerbeste aber ist, daß ich auch dem Stamme Geschenke bringe. Das war das Zweite, von welchem ich sagte, daß es Dein Herz von der Sorge, welche Du hegst, befreien werde. Du wünschtest vorhin Gewehre, diesen Wunsch kann ich Dir im Auftrage des Vicekönigs erfüllen.«
»Hamdulillah – Preis sei Gott! Du hast Gewehre mitgebracht?«
»Gewehre und Munition.«
»Wie viele?«
»Dreihundert Kriegsgewehre, nicht solche alte Flinten, wie Ihr jetzt habt, bei denen jeder zweite Schuß versagt.«
»Bessere etwa?«
»O, viel, viel bessere!«
Kalaf machte trotz seiner Würde und seines Alters einen Freudensprung und rief aus:
»Bessere! Viel bessere! O Allah, Allah!«
»Pst! Schrei nicht so! Ich habe Dich hier abseits geführt, damit Niemand unser Gespräch hören soll.«
»Verzeihe! Aber gute Gewehre sind für den Beduinen das Aller-, Allernothwendigste. Darum freute ich mich so. Vor einiger Zeit war ein Händler bei uns, welcher uns erzählte, daß es jetzt sogar Wara-barudawir gebe. Ist das wahr?«
Wara heißt im Arabischen so viel wie ›hinten‹, und Barudawir heißt ›Gewehre‹ Er meinte also jedenfalls die Hinterlader.
»Ja, die giebt es,« antwortete Steinbach.
»Allah ist groß! Sollte man glauben, daß es möglich ist, eine Flinte von hinten zu laden!«
»Es geht das viel leichter und schneller, als wenn man von vorn ladet.«
»Es giebt ein Volk, welches Nemtsche genannt wird. Kennst Du es vielleicht?«
»Ja; es sind die Deutschen.«
»Dieses Volk soll solche Rückwärtsflinten haben?«
»Es hat Hunderttausende solcher Gewehre.«
»Die Nemtsche sollen vor Kurzem einen großen, gewaltigen Krieg gegen die Franzeska mit diesen wunderbaren Flinten gewonnen haben. Der Händler erzählte, sie hätten Schlachten gewonnen, in denen sie hunderttausend Gefangene gemacht und sogar hunderte von Kanonen erobert hätten.«
»Das ist sehr wahr.«
»Das muß ein sehr kluges und ein sehr tapferes Volk sein!«
»Ich will das sehr gern zugeben.«
»Warst Du etwa dort bei diesen Nemtsche?«
»Ja; ich bin dort geboren. Ich bin ein Nemtsche.«
»Allah l'Allah! So hast Du wohl auch bereits mit solchen berühmten Flinten geschossen?«
»Mehr als tausend Mal.«
»Gott thut Wunder über Wunder! Jetzt sendet er uns einen Nemtsche! Warst Du mit bei diesen Schlachten?«
»Ich war dabei.«
»O, da wirst Du uns viel erzählen müßen! Wie freue ich mich darauf! Weißt Du, was mir bei diesem Volke der Nemtsche am Allerbesten gefällt?«
»Nun?«
»Sie haben alle Schlachten gewonnen; sie sind die Sieger; sie sind unwiderstehlich gewesen, und dennoch haben sie sich gegen das besiegte Volk wie Freunde verhalten. Das hat mich sehr, sehr gefreut. Der Händler erzählte, daß sie einen berühmten Kaiser haben, der noch älter ist als ich und Wi-che-lem genannt wird.«
»Wilhelm.«
»Ja, Wi– wi– wi-che-lem! Sodann haben sie einen Minister, dem sich beinahe die ganze Welt zu Füßen gelegt hat. Er heißt Bi-sa-mar-ka.«
»Ja, Bismarck.«
»So ist es, so! Ich weiß den Namen ganz genau, nicht wahr? Bi-sa-mar-ka. Und dann haben sie einen alten Obergeneral; der sieht aus wie ein Kotscha, wie ein Dorfschulmeister; aber er ist klüger und weiser als alle Krieger der Welt und gewinnt alle Schlachten. Sein Name ist Gra-fa Mo-le-te-ka.«
»Graf Moltke. Du hast Recht.«
»Kennst Du diese Drei?«
»Ich habe sie nicht nur gesehen, sondern sogar mit ihnen sehr oft gesprochen.«
»Was für ein glücklicher Mann Du bist! Aber daraus ersehe ich, daß Du nicht ein gewöhnlicher Krieger bist, sondern ein Anführer, ein Scheik.«
»Ich bin ein Bey. Es gehorchen mir viele Reiter.«
»Das dachte ich mir. Aber, sage mir, wenn diese Flinten von hinten geladen werden, so wird mit ihnen wohl auch nach hinten, nach rückwärts geschossen?«
»Nein, das wäre nicht gut möglich,« lachte Steinbach. »Man öffnet den Lauf am Schlosse und schiebt die Patrone da hinein; dann schließt man ihn wieder und drückt ab.«
»So ist das! Der Händler sagte, man könne in einer Minute wohl zwanzig Mal losdrücken. Ist das wahr?«
»Ja.«
»Und an diesen Flinten soll kein Feuerstein und keine Lunte sein, sondern es steckt anstatt des Schlosses ein Jjnelik an dem Kolben. Ist auch das wahr?«
Jjnelik heißt Nadelbüchse. Darum antwortete Steinbach:
»So ein Jjnelik, wie Du wohl bei den nähenden Frauen gesehen hast, ist es nicht. Im Schlosse des Gewehres befindet sich eine Nadel; wenn diese in die Patrone sticht, entzündet sie die Ladung und der Schuß geht los; darum werden diese Flinten Zündnadelgewehre genannt.«
»Gott ist groß, er ist der Größte; ihm ist Alles möglich! Jetzt hat er Euch sogar gelehrt, mit einer Stecknadel alle Eure Feinde zu erschießen! Wenn ich doch noch so lange lebte, bis ich einmal so ein Gewehr sehen kann. Eins gar zu besitzen, dieser Wunsch wäre ja vermessen!«
»O, Du sollst ja eins besitzen.«
»Wie? Was? Ist's wahr, ist's möglich?«
»Ja. Die Gewehre, welche Euch der Vicekönig durch mich sendet, sind ja solche Zündnadelflinten.«
»Bist Du verrückt? Verzeihe mir! Aber so Etwas zu glauben ist mir doch nicht möglich!«
»Es ist wahr.«
»Wahr! Wahr! Allah, Dir sei Preis und Dank nun und in alle Ewigkeit und auch noch viel, viel länger! Wie viele solcher Gewehre bringst Du mit? Eins? Zwei?«
»Dreihundert.«
»Dreih– – – sage das Wort noch einmal!«
»Dreihundert.«
»Dreihun– – Du hast Dich doch wohl versprochen? Du willst sagen, drei Gewehre, drei Stück!«
»Nein; ich bringe volle dreihundert Stück.«
Der Alte griff sich mit beiden Händen an den Kopf und sagte:
»Das kann ich nicht fassen. Das ist zu viel. Dreihundert Stück! Zwanzig Schüsse in der Minute! Wie viele Feinde könnte man da in einer Minute erschießen! Das kann ich gar nicht ausrechnen! Da reicht mein Kopf und mein Verstand nicht zu. Weißt Du es vielleicht?«
»Sechstausend.«
»Sechstausend Feinde in einer Minute! O Allah, Allah! In einer Minute sechstausend Feinde mit Stecknadeln erschießen! Wenn das nicht Allah erfunden hätte, so könnte man sicher sein, daß nur der Teufel diese Erfindung gemacht habe. Aber hast Du auch Munition dazu?«
»Für jede Flinte fünfzig Patronen.
»Fünfzig! Bei allen Himmeln, nun sind die Beni Sallam unüberwindlich! Aber wo hast Du die Gewehre?«
»Draußen vor dem Lager.«
»Auf Kameelen?«
»Ja.«
»Warum bringst Du sie nicht herein?«
»Weil ich erst wissen wollte, was bei Euch vorging, und weil Falehd noch nicht gleich zu erfahren braucht, was ich den Anhängern der Königin bringe. Denn nur für diese sind die Flinten bestimmt.«
»Das ist sehr, sehr weise gehandelt.«
»Du kannst Dir natürlich denken, daß der Vicekönig Euch nicht so viele dieser herrlichen Gewehre schenkt, damit Ihr dann mit denselben gegen ihn kämpft.«
»Natürlich! Das sehe ich ein! Aber wenn nun einmal die Patronen alle werden?«
»So sendet Euch der Khedive andere.«
»Schön, sehr schön! Weißt Du, was wir machen werden?«
»Wie sind die Flinten verpackt?«
»In große Bastmatten.«
»So sieht man von Außen nicht, was in den Matten steckt?«
»Nein.«
»Gut. So behalten wir Beide das Geheimniß noch für uns. Höchstens der Königin und Hilal und Tarik theilen wir es mit. Jetzt aber schaffen wir die Gewehre nach der Ruine. Dort können sie so verwahrt werden, daß es den wenigen Anhängern des Riesen unmöglich ist, zu ihnen zu gelangen. Bist Du einverstanden?«
»Ja. Es ist dies ja das Beste, was wir thun können.«
»Hast Du sonst noch Etwas zu sagen oder zu fragen?«
»Nur noch das, ob Ibrahim Pascha und der Russe vielleicht entfliehen können?«
»Ich werde von heut an die Wachen verdoppeln, welche aufmerken werden. Die Beiden sind zwar Gäste des Stammes, so daß ich sie nicht zurückhalten kann, wenn sie uns verlassen wollen; aber ich würde es Dir sofort melden lassen, damit es Dir möglich wäre, ihnen augenblicklich nachzujagen. Jetzt aber komm, und laß uns zu den Kameelen gehen!«
Sie kehrten in das Lager zurück, durch welches sie quer zu schreiten hatten. Da begegnete ihnen der Mueddin, welcher vorher die Beschlüsse der Versammlung von der Ruine herab ausgerufen hatte. Der Alte hielt ihn fest und sagte:
»Kennst Du diesen Mann?«
»Nein.«
»Das ist der Geist der Ruine, vor welchem Du vorhin so ausgerissen bist.«
»O nein! Das ist ja ein Mensch, ein Mann!«
»Natürlich!«
»Der Geist hat ja Feuer gespeit.«
»Dieser Mann that es.«
»Das ist unmöglich!«
»Soll ich etwa jetzt noch einmal Flammen speien?« fragte Steinbach, indem er dem Mueddin näher trat.
»Nein, nein! Allah behüte mich vor dem neunundneunzig Mal geschwänzten Teufel! Gott ist groß; er ist der Einzige, und Muhammed ist sein Prophet!«
Er riß sich von dem Alten los und eilte ganz entsetzt von dannen. Die Beiden gingen weiter, wurden aber baldigst wieder angehalten. Ein junger Araber trat auf Steinbach zu und sagte in freudigem Tone zu ihm:
»Allah sei Dank, daß ich Dich finde. Ich habe Dich gesucht.«
»Wer bist Du?«
»Du kennst mich nicht? Ja, es ist hier finster, und ich trage beduinische Kleidung. Schau her!«
Er warf die Kaputze ab, und nun erkannte ihn Steinbach:
»Saïd, der Arabadschi!«
»Ja, der bin ich, Herr!«
»Gut, daß ich Dich treffe! Wie ist es gekommen, daß Ihr zu den Beni Sallam gegangen seid?«
»Ich weiß es nicht. Mein Herr hat mir nichts gesagt.«
»Wir haben Euch überall gesucht, doch vergebens.«
»Wir blieben nur kurze Zeit in Alexandrien und gingen dann nur für einen Tag nach Kairo. Dann reisten wir nach hier weiter.«
»Auch Euer Schiff suchte ich und fand es nicht.«
»Wir wurden an das Land gesetzt, und dann ging es sogleich wieder fort; wohin, das weiß ich nicht. Kannst Du mir nicht sagen, wo sich Zykyma, meine Gebieterin, befindet?«
»Sie ist in der Ruine bei der Königin.«
»Wird sie dort bleiben?«
»Ja.«
»Herr, laß mich zu ihr! Ich will bei ihr sein, nicht aber bei dem Pascha, den ich hasse.«
»Wo ist er jetzt?«
»Der Riese kam zu ihm, um ihn abzuholen. Beide wollen mit dem Russen das Lager umwandern, um die Wächter zu inspiciren.«
»Ah, da treffen sie wohl auch auf meine Kameele. Wir müssen eilen. Komm mit, Saïd!«
Sie mußten an der Ruine vorüber. Dort führte Steinbach den braven Arabadschi hinauf zur Königin, um ihn ihr zu empfehlen. Dann ging er mit dem Alten weiter.
Als sie den Rand der Oase erreichten, erblickten sie draußen in der wüsten Ebene, da, wo Steinbach die Kameele mit den Fellahs gelassen hatte, das Licht einer Fackel, und zugleich hörten sie von dorther laute, zankende Stimmen ertönen.
»Komm!« sagte Steinbach. »Wir müssen eilen. Es scheint sich da draußen Etwas zu begeben.«
Sie eilten fort. Je naher sie der Stelle kamen, desto lauter ertönten die Stimmen. Als sie den Ort erreichten, erkannten sie den Riesen, den Pascha und den Russen. Diese Drei standen den beiden Brüdern Hilal und Tarik gegenüber, welche sich hinaus zu den Thieren begeben hatten, damit mit der kostbaren Ladung nichts geschehe. Dann war Falehd mit seinen Begleitern und einem Fackelträger gekommen und hatte den Zank begonnen.
»Hier wird kein Lager geduldet!« sagte er. Diese Kameele haben nach der Oase zu kommen!«
»Das werden sie auch,« antwortete Hilal.
»So schafft sie herein!«
»Erst muß Masr-Effendi erwartet werden.«
»Ich habe keine Lust, zu warten.«
»So gehe! Wir brauchen Dich nicht.«
»Oho! Das Gepäck muß untersucht werden. Wir haben die Abgaben zu verlangen, welche ein Jeder zu entrichten hat, der durch unser Gebiet zieht.«
»Masr-Effendi zieht nicht durch unser Gebiet, er bleibt bei uns und ist unser Gast. Er ist kein Kaufmann, welcher die Abgabe zu bezahlen hätte, sondern ein Gesandter des Vicekönigs von Egypten.«
»Also ein Bote unseres Feindes! Grad darum muß ich wissen, was sich, in diesen Packeten befindet.«
»Du mußt es wissen? Warum Du?«
»Weil ich der Anführer bin.«
»Oho! Dasselbe könnte auch ich mit demselben Rechte behaupten, denn ich habe ganz so wie Du die Absicht, um die Königin zu kämpfen.«
»Nun, so wollen wir sehen, ob Ihr es wagen werdet, mich zu hindern, diese Packete zu öffnen.«
»Sie haben das nicht nöthig; ich selbst werde es thun.«
Das erklang hinter dem Riesen. Er fuhr herum und stand nun Steinbach gegenüber.
»Teufel und Hölle!« rief er. »Was willst Du hier?«
»Geht das Dich Etwas an?«
»Ja.«
»Das glaube ich nicht. Dennoch aber will ich die Freundlichkeit besitzen, Dir zu sagen, daß ich hierher komme, weil diese Thiere sammt ihrer Ladung mein Eigenthum sind.
»Was hast Du geladen?«
»Das ist nicht Deine Sache!«
»Hüte Dich, mich zu erzürnen! Ich gebiete Dir, mir meine Fragen augenblicklich und der Wahrheit gemäß zu beantworten! Deine Seele könnte Dir sonst bereits schon heut aus dem Leibe getrieben werden!«
»Gut, ich will Dir antworten. Ich werde jetzt diese Thiere in das Lager bringen lassen und diese Ladung der Königin übergeben.«
»Das dulde ich nicht!«
»Schön! So habe ich Dir nur diese beiden Dingerchen zu zeigen, von deren Wirkung Du wohl noch nichts erfahren hast.«
Er zog die beiden Revolver hervor und hielt sie ihm entgegen. Der Riese trat zurück und rief:
»Willst Du etwa schießen?«
»Ja. Jede dieser kleinen Waffen hat sechs Schüsse. Ehe Du nur den Arm erhebst, bist Du eine Leiche. Du sollst und wirst erfahren, womit meine Packthiere beladen sind; aber zu einer Antwort zwingen lasse ich mich nicht. Warte bis morgen nach dem Kampfe.«
Falehd hätte den Deutschen am Liebsten niedergeschlagen, aber er fürchtete sich vor den Revolvern. So klein diese Waffen waren; er als Riese konnte nichts dagegen machen. Daher sagte er zornig:
»Gut, ich will nachsichtig sein. Du bist doch dem Tode verfallen. Ich erlaube Dir also, Deine Waaren in das Lager und zu der Königin zu bringen!«
»Sei nicht thöricht! Du hast nichts zu verbieten und nichts zu erlauben. Ich thue, was mir gefällt!«
»Dein Maul ist sehr groß. Wollen sehen, ob Deine Tapferkeit auch so groß ist. Weil Du so dicke thust, sollst Du von Euch Dreien der Erste sein, mit dem ich kämpfe.«
»Das ist mir lieb, denn da werde ich Dir die Prahlerei austreiben, ohne daß die beiden Andern sich vorher mit Dir zu belästigen und zu verunreinigen brauchen.«
Das Wort Verunreinigung enthält, in dieser Weise gebraucht, eine fürchterliche Beleidigung für den muhammedanischen Araber. Falehd hatte sich bereits zum Gehen gewendet. Jetzt, als er dieses Wort hörte, fuhr er blitzschnell herum und brüllte:
»Hund! Hältst Du mich vielleicht für das stinkende Aas eines abgestandenen Viehes?«
»So ungefähr, ja! Was solltest Du sonst sein? Dein Auftreten und Alles, was Du thust, ist roh, und Deine Worte, welche Du redest, stinken nach Dummheit. Du wagst es, mich einen Hund zu nennen. Ich habe Dir bereits mehrere Beleidigungen verziehen; verlange aber von mir nicht etwa, daß ich Dich für einen Helden und für einen Krieger halten soll, dem ich meine Achtung zu schenken habe!«
»Wurm und Sohn eines Wurmes! Soll ich Dich niederschmettern wie eine krepirte Ratte!«
»Sage noch so ein Wort, und ich jage Dir eine Kugel durch den Schädel! Ich zähle bis Drei. Bist Du da noch nicht verschwunden, so drücke ich ab!«
Er hatte seine Doppelbüchse vom Sattel seines Reitkameels gerissen und legte sie an. Es war ihm jetzt ernst damit.
»Eins – Zwei – – –«
Der Riese verschwand sammt seinen Begleitern; aber aus dem Dunkel der Nacht erschallte seine Stimme:
»Kröte! Morgen wirst Du vor mir im Staube kriechen und um Dein Leben betteln; ich aber werde Dich mit dem Fuße zertreten und die Aasgeier werden über Dich herfallen und in Stücke Dich zerreißen!«
Er konnte nur noch schimpfen. Steinbach hörte gar nicht darauf. Die Thiere, welche sich trotz ihrer Last gelagert hatten, mußten sich erheben und wurden nach der Ruine geführt und dort abgeladen.
Die Wächter, welche Tarik befehligt hatte, trugen die schweren Packete zu der Treppe empor und in ein hohes, ziemlich großes Gewölbe, welches saalartig neben den von der Königin bewohnten Räumen lag.
Erst als nachher die Eingeweihten sich allein bei einander befanden, wurden die Packete geöffnet. Wie erstaunten sie über die Gewehre und die Munition! Welche Freude hatte Badija, als Steinbach ihr mehrere kostbare seidene Gewänder überreichte und dann noch Ketten und Schmuckstücke hinzufügte!
Tarik und Hilal erhielten Jeder eine vollständige Garnitur kostbarer Waffen und einige Anzüge, wie sie für das Wüstenleben geeignet waren. Auch der alte Kalaf erhielt dasselbe. Er pries den Vicekönig in allen Tönen, deren seine Sprache fähig war, und es dauerte lange Zeit, ehe das Entzücken der Beschenkten einer ruhigeren Stimmung Platz gemacht hatte. Der Alte versicherte, daß der Khedive durch dieses Geschenk sich die ewige Freundschaft des Stammes erworben habe.
Endlich trennte man sich, denn Mitternacht war vorüber. Steinbach und Normann erhielten ein in der Ruine liegendes, kleines und unbewohntes Gemach angewiesen. Tarik und Hilal trauten dem Riesen nicht so recht. Sie stellten Posten um das Gemäuer und machten mit einander aus, sich in der Wache und Beaufsichtigung dieser Posten stündlich abzulösen. Da Hilal den anstrengenden Wüstenritt hinter sich hatte, so durfte er sich für die erste Stunde zur Ruhe legen.
Tarik lehnte oben, nicht weit von der Treppe, an der Brüstung und lauschte hinab auf das Lager und hinaus in die beinahe lautlose Wüste.
Zuweilen erscholl das bellende »I–au« eines Schakals, oder das tiefe »Onnau« einer herumschleichenden Hyäne; sonst war Alles still. Die Thiere der Heerden schliefen ebenso wie die Menschen. Nur er, Tarik, wachte mit seinen Leuten für die Sicherheit des Lagers, er und die Beduinenjünglinge, welche an der Ruine standen oder draußen um das Lager patrouillirten.
Sie allein? Wirklich? Wachte weiter Niemand?
O doch! Denn plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter, so plötzlich und unerwartet, daß er erschrocken zusammenfuhr, denn er hatte nicht das leiseste Geräusch eines nahenden Schrittes gehört.
»Fürchte Dich nicht, Tarik! Ich bin es,« sagte sie leise.
»Du, o Königin! Warum fliehst Du den Schlaf?«
»Aus Angst und Sorge.«
»Was sollte Dich beängstigen? Gerad seit heute hast Du keine Veranlassung mehr, irgend eine Sorge zu haben.«
»Glaubst Du?«
»Ja. Der mächtige Vicekönig ist Dein Freund. Er hat Dir Gewehre und Munition gesandt, um diese Freundschaft zu besiegeln. Der Stamm ist dadurch um das Zehnfache mächtiger geworden; er ist der mächtigste in der Umgebung vieler Tagereisen. Mit diesen dreihundert Gewehren können wir uns alle Feinde unterthänig machen.«
»Nur Falehd nicht!«
»Dazu bedarf es ja dieser Gewehre gar nicht. Er hat gegen Drei zu kämpfen. Einer wird ihn doch besiegen.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht! Selbst wenn ihn der Dritte besiegen sollte, sind die beiden Ersten bereits verloren. Wer wird sein erster Gegner sein?«
»Der Fremde. Falehd hat es ihm selbst gesagt.«
»Das ist Allah's Schickung!«
»Wieso?«
»Dieser Fremde ist ein herrlicher Mann. Es thut mir daher im tiefsten Herzen weh, daß er sterben soll; aber er scheint stark zu sein; bevor er besiegt sein wird, wird er einen solchen Widerstand geleistet haben, daß Falehd Dir und Deinem Bruder nur noch mit halben Kräften gegenübersteht. Vielleicht ist es dann möglich, daß er doch besiegt wird.«
»Natürlich werde ich kämpfen, so lange ich es vermag.«
»Wer wird der Zweite sein? Du oder Hilal?«
»Ich.«
»O Allah! Warum Du?«
»Ich – – ich bin der Aeltere.«
Fast hätte er gesagt: Ich bin ja Derjenige von uns Beiden, der Dich lieb hat; darum trete ich eher vor.
»Entscheidet denn das Alter?«
»Ja.«
»Könntest Du nicht warten bis zuletzt?«
»Warum sollte ich das?«
»Um Dich zu schonen.«
Sie stand ganz nahe an ihm. Ihr weißes, dünnes Gewand stach leuchtend von den dunklen Steinmassen ab. Er hörte ihren Athem, er fühlte sogar die Lebenswärme, welche ihr schöner, jungfräulicher Körper ausstrahlte. Es war ihm so süß und doch auch so traurig zu Muthe. Wo stand er morgen um diese Zeit? Wahrscheinlich lag er da bereits mit zerschmettertem Schädel unter dem Sande der Wüste! Doch schüttelte er diesen Gedanken von sich ab und antwortete:
»Um mich zu schonen? Fast sollte ich Dir zürnen.«
»Weshalb?«
»Nur ein Feigling kann sich schonen.«
»Ich wollte Dich nicht beleidigen. Verzeihe mir!«
Sie hielt ihm das kleine, hellbraune Händchen hin, und als er es ergriff, war es ihm, als ob alle Wonnen und Freuden des Paradieses ihn durchzuckten. Und dennoch behielt er es nicht in der seinigen. Sie stand so hoch über ihn! Nicht daß sie reich war, machte ihn zurückhaltend; o nein; der Sohn der Wüste verachtet den Reichthum. Aber sie war so schön, so gut, so rein. Sie war für ihn der Inbegriff alles Hohen, Erhabenen und Herrlichen. Wie hätte er seine Wünsche so hoch steigen lassen können! Er wußte, daß der verstorbene Scheik sie nie hatte berühren dürfen. Würde sie einem Anderen, würde sie – – ihm, ihm ihre Liebe schenken können? Nein, nein und abermals nein!
Er gab ihr ihr Händchen zurück, legte den Ellbogen auf die Brüstung und den Kopf in die Hand. Er richtete das Gesicht nach oben, nach dem Firmamente, als ob er da die leuchtenden Punkte desselben schauen wolle. Aber er sah nicht hinauf. Sein Auge hing in Entzücken und doch auch in tiefer Wehmuth an dem Sterne, welcher neben ihm stand.
So waren sie Beide eine ganze Weile still. Auch sie sah hinauf zum Himmel. Da fiel eine Sternschuppe.
»Hast Du ihn gesehen?« fragte sie.
»Wen? Was?«
Er hatte ja nur sie gesehen, nur sie.
»Es fiel ein Stern.«
»Ich sah ihn nicht.«
»Weißt Du, was das bedeutet?«
»Ja. Wenn ein Stern fällt, ist ein Mensch gestorben.«
»Nur dann, wenn der Stern über den Horizont hinunterfällt. Aber schau! Sahst Du das?«
»Nein.«
»Ich denke. Du betrachtest die Sterne!«
»Nur einen, einen einzigen!«
»Es fiel wieder einer, hielt aber mitten im Falle inne und blieb dann stehen. Weißt Du, was das bedeutet?«
»Nein.«
»Dann hat Allah einen Menschen von einer Stelle hinweg genommen und an eine andere gesetzt. So werden arme Soldaten zu Pascha's, oder niedrige Schreiber zu Effendi's.«
»Aber auch reiche Männer zu Bettlern!«
»Ja. Es kommt darauf an, ob der Stern fällt oder steigt.«
Wieder schwiegen Beide, bis Tarik bemerkte:
»So hat also ein jeder Mensch seinen eigenen Stern!«
»Seinen Lebensstern!«
»Welcher mag der meinige sein?«
»Und der meinige. Weißt Du, daß die Sterne zweier Menschen, welche Mann und Weib werden, sich einander nähern, bis sie sich endlich gar vereinigen?«
»Ich habe davon gehört.«
»Da oben, gerade über uns, sind zwei, welche ganz gewiß noch in einander fließen. Wem sie wohl gehören mögen?«
Wieder trat eine Pause ein. Sie hatten über der Betrachtung des Firmamentes fast ihre irdischen Verhältnisse vergessen. Da fragte Badija:
»Sage mir, Tarik, warum Du morgen gegen den Riesen kämpfest!«
»Um Dich zu befreien.«
»Das ist der Grund?«
»Ja.«
Sie senkte das kleine, charakteristische Köpfchen. Fast war es ihr, als ob sie ihm schmollen müsse. Er hätte doch eigentlich anders antworten können! Warum sagte er denn nicht: Ich kämpfe mit ihm, weil ich Dich liebe! Und nun war er gar wieder still geworden. Es ist nicht gut und erfreulich, wenn man mit einem Menschen sprechen will, so recht von ganzem Herzen, und er fällt nach einem jeden Worte wieder in tiefes Schweigen.
»Wenn Du nun gewännest!« sagte sie.
»Was meinest Du?« umging er die schwierige Antwort.
»Nun, man kämpft ja um mich!«
»Wenn ich gewänne, so würdest Du frei sein!«
»Warum?«
»Wie fragest Du doch nur! Ich kämpfe ja, um Dich von Falehd zu befreien. Uebrigens werde ich wohl nicht der Sieger sein. Wird Falehd wirklich überwunden, so ist es der Fremde, welcher ihn besiegt. Hilal sagte es auch.«
»Warum sagte er es?«
»Er hat mir anvertraut, daß dieser Masr-Effendi vielleicht noch stärker ist als Falehd. Er hat ein halb wildes Pferd bei den Nüstern ergriffen und zu Boden geworfen, daß es sich zweimal überschlug. Und der andere Fremde, Normann-Effendi, hat erzählt, daß Masr-Effendi auf dem Schiffe den eisernen Anker ergriffen, emporgehoben und dann umhergetragen habe.«
»O Allah! Wenn er siegte!«
»Wäre Dir das lieb?«
»Wie lieb! Wie sehr lieb!«
Tarik fühlte einen Stich in seinem Herzen. Er sagte:
»Ja, er ist ein stolzer und sehr schöner Mann!«
Badija antwortete nicht; darum fügte er hinzu:
»Und ein reicher und vornehmer Mann!«
»Warum sagst Du das?«
»Hm! Es wird ja um Dich gekämpft!«
Das waren ihre eigenen Worte, welche sie vorhin gesagt hatte. Es war ihr ganz so, als ob eine kleine, gelinde Art von Zorn in ihr emporwallen wolle. Sie wendete sich unmuthig ab und meinte:
»Du bist bös!«
»Ich? Wieso?«
»Weil Du solche Worte sagst!«
»Sie enthalten die Wahrheit. Wenn er Sieger wird, so mußt Du sein Weib werden.«
»Nimmermehr!«
»O, Du mußt!«
»Lieber sterbe ich!«
Da richtete er sich empor und blickte sie erstaunt an.
»Lieber sterben? Ist er der Mann dazu? O nein. Ich halte es für unmöglich, daß ein Mädchen lieber den Tod als ihn wählen könne.«
»Ich aber würde es thun!«
»Warum?«
Sie zögerte, stieß aber doch dann hervor:
»Ich mag nicht wieder einen Mann, den ich nicht liebe!«
»So könntest Du diesen wirklich nicht lieben?«
»Nein.«
»Und doch hat er alle Eigenschaften, welche dazu gehören, die Liebe eines Weibes zu erringen. Fast möchte ich glauben, daß Du niemals einen Mann lieben wirst.«
»Das ist bös von Dir, sogar grausam.«
»Wie! Du könntest lieben?«
»Ja, und so innig wie keine Andere!«
»Du liebst vielleicht schon gar?«
Sie wendete sich zur Seite, flüsterte aber doch ein Wort, welches er hörte.
»Habe ich recht gehört?« fragte er. »Du sagtest: Ja? Du liebst bereits?«
»Ja.«
Da riß es ihm die Hände förmlich an sein Herz. Es war, als ob dasselbe ihm zerspringen wolle, als ob er im nächsten Augenblicke ersticken müsse. Er bedurfte alle Anstrengung, um das fragende Wort hervorzubringen:
»Wen?«
Sie schwieg.
»Badija! Königin! Willst Du nicht antworten? Darf ich nicht wissen, wer es ist?«
»Du darfst,« hauchte sie.
Da, wirklich, da wagte er es in seiner Aufregung: Er ergriff ihre beiden Hände und bat in zwar leisem, aber desto flehenderem Tone:
»Sage es mir!«
»Das ist ja gar nicht nothwendig!«
»Warum nicht?«
»Weil Du es ahnen und erraten kannst.«
»Nur Allah ist allwissend. Sage es, sage es!«
Sie zögerte noch immer. Die weibliche Scheu sträubte sich dagegen, das erste Wort zu sagen. Da ließ sich von der Seite her ein Geräusch vernehmen.
»Hilal kommt!« drängte Tarik. »Hörst Du ihn? Bei allen Propheten und Kalifen, ich beschwöre Dich, mir zu sagen, wer es ist, Dem Du Dein Herz geschenkt hast!«
Da näherte sie ihr Gesichtchen dem seinigen. Ihre Augen leuchteten ihm entgegen, fast wie in phosphorescirendem Glanze, und aus ihrem Munde klang es zu ihm herüber:
»Das weißt Du wirklich nicht?«
»Nein.«
»Wirklich, wirklich nicht?«
*