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Wer manichfaltig will erzählen,
Muß manichfalt'ge Stoffe wählen
Und reden also klug und frei,
Daß er dem Volk willkommen sei.
Darum mit kurzen Worten nun
Will ich beginnen von Milun
Und künden euch mit guter Art,
Warum dies Lied ersonnen ward.
In Süd-Wales war Milun geboren;
Als man zum Ritter ihn erkoren,
War Keiner, der im Lanzenbrechen
Von seinem Roß ihn konnte stechen.
Er war ein Degen auserlesen
Von kühnem Muth, von feinem Wesen;
In Irland war er wohlbekannt,
In Norweg und im Gothenland,
In Logrien und Albion,
Und jeder Neider war zum Hohn;
Gar Vielen war er lieb und werth,
Von manchem Fürsten hochgeehrt.
Ein Ritter saß im Land des Helden,
Den Namen kann ich euch nicht melden;
Dem ward bescheert ein züchtig Kind,
Ein Fräulein hold und wohlgesinnt.
Sie hörte Milun rühmend nennen,
Ihr Herz begann ihm zu entbrennen,
Sie schickt' ihm einen treuen Mann
Und bot ihm ihre Liebe an.
Den Ritter freut des Boten Wort,
Er dankt der schönen Maid sofort.
Gern woll' er ihren Dienst beschwören
Und ihr auf immer angehören.
Er gab die Antwort zier und hold,
Dem Boten schenkt' er reiches Gold,
Und Freundschaft sichert er ihm zu:
»Nun Lieber,« sprach er, »schaffe du,
Daß im Verborgnen dann und wann
Ich meine Dame sprechen kann.
Laß sie von mir den Ring empfangen
Und wann sie meiner mag verlangen,
So komm als Bote du zu mir,
Wir gehn zusammen dann zu ihr.«
Mit Urlaub eilt der Kämmrer fort
Und bringt dem Fräulein Gruß und Wort,
Sagt, daß er nicht umsonst entsandt,
Und legt den Ring in ihre Hand.
Von Freuden ward ihr Aug verklärt,
Daß er sein Minnen ihr gewährt,
Und hinter'm Schloß in ihrem Garten
Begann sie seiner oft zu warten,
Und er versäumte keinen Tag,
Daß er mit ihr der Rede pflag,
So häufig gieng er aus und ein:
Ein Kind empfieng das Mägdelein.
Als sie des Neuen sich versah,
In schweren Aengsten klagt sie da:
»Mir geht, kommt dieß zu Menschenohren,
Mein Vater und mein Gut verloren.
Wird er mich so geschändet sehn,
Muß ich ein streng Gericht bestehn.
Ich werd verhört in Pein und Banden
Und dann verkauft nach fremden Landen.«
(Das wurde damals von den Alten
Als strenge Satzung festgehalten.)
Herr Milun fragt um ihren Rath,
Er sei bereit zu jeder That.
Sie sprach: »Wenn ich das Kind gebar,
So bringt es meiner Schwester dar,
Die fern in reichem, hohem Stand
Vermählt ist in Northumberland.
In einem Briefe schreibt von mir,
Mit Wort und Rede meldet ihr,
Das Kind sei mein, und daß ich Leid
Darum erduldet lange Zeit,
Sie soll ihm ihre Pflege leihn,
Mag's Knäblein oder Mädchen sein.
Der Ring, den ich von Euch empfangen,
Wird um das Hälschen ihm gehangen
Und noch ein kurzer Brief dabei,
Drin Euer Nam' enthalten sei.
Und wenn dann einst nach langer Frist
Das Kind so weit erwachsen ist,
Daß es Vernünft'ges mag erstreben,
So soll sie Ring und Brief ihm geben
Und mahn' es mit dem Angebinde,
Zu schau'n, daß es den Vater finde.«
Sie ließen es bei diesem Rath,
Bald drauf war ihre Zeit genaht,
Und sie berief in ihren Wehen
Ein altes Weib, ihr beizustehen,
Die zur Vertrauten sie erwählt.
Da ward's verborgen und verhehlt:
Nie that die Frau mit Blick und Mund
Ein heimlich Einverständniß kund.
Ein Sohn war's, den die Maid gebar,
Man hängt ihm um das Ringlein klar,
Ein Täschchen auch, in dessen Hut
Der kleine Brief der Eltern ruht,
Dann bringt das Kind man in die Wiege,
Daß weich es in den Linnen liege;
Man holt ein Kissen dicht und voll,
Darein sein Kopf sich bergen soll,
Und drüber fließt in breiten Wellen
Ein Tuch verbrämt mit Marderfellen.
Die Alte nimmt das Kind bei Nacht
Zum Garten, wo Herr Milun wacht,
Der übergab es treuen Leuten,
Die sich des zarten Schützlings freuten.
Sie zogen über Berg und Thal
Und ruhten täglich siebenmal,
Das Kind zu tränken und zu pflegen,
In neue Windeln es zu legen:
Sie hatten zu des Säuglings Frommen
Sich eine Amme mitgenommen.
Sie zogen graden Weges fort
Und kamen zum bestimmten Ort.
Die Dame nahm das Kind zu eigen
Und ließ sich Brief und Siegel zeigen,
Und als ihr alles ward bewußt,
Herzt sie das Kind in Liebeslust.
Die Leute ließen's ihr in Pflege
Und fuhren heimwärts ihre Wege.
Der Held ertrug es nicht zu ruhn,
Durch ferne Lande zog Milun,
Damit sich seines Namens Ehre
Im Solddienst fremder Herren mehre.
Indeß verlobte man sein Lieb,
Das ohne Schutz zu Hause blieb;
Ihr Vater sprach in aller Ruh
Sie einem mächt'gen Ritter zu.
Das Fräulein saß in ihrer Kammer
Geheim in namenlosem Jammer,
Sie klagt um Miluns Zorn und Gram,
Doch schwerer drängt sie Furcht und Scham,
Denn bald wird ihr Gemahl erkunden
Daß sie schon eines Kinds entbunden.
»Weh,« rief sie aus, »was soll ich thun?
Ein Andrer freit mich als Milun.
Ich hab mein Mädchenthum verloren,
Zur Sklavin bin ich auserkoren.
Nicht so, vermeint' ich, sollt es sein;
Der Liebste, hofft' ich, werde mein!
Ich dachte, unsern Bund zu hehlen
Und mich ihm heimlich zu vermählen,
Nun wär mein Ende mir willkommen!
Doch jede Wahl ist mir benommen;
Denn Späher lauern hier genung,
Die Kämmerlinge alt und jung,
Die stets getreue Minne hassen
Und über Liebestrauer spassen.
Ich muß mich dieser Qual ergeben.
Gott, warum lässest du mich leben?«
Sie ward vermählt und in der Nacht
Von ihrem Herrn nach Haus gebracht,
Und was sie ahnte angstbeklommen,
Ist reichlich über sie gekommen.
Der Ritter fand sein Bett geschmäht,
Ihr half nicht Weinen noch Gebet;
Er schloß sie ein in schnöde Haft,
In klägliche Gefangenschaft.
Milun kam heim in's Vaterland,
Woselbst er Gram und Kummer fand.
Er wurde traurig und erbost,
Und nur das Eine schuf ihm Trost,
Daß nah bei ihm die Dame war,
An die er dachte immerdar.
Er hub die Sinne drauf zu wenden,
Wie man ihr könnte Botschaft senden,
Daß ihr Geliebter in der Nähe,
Doch so, daß Niemand es erspähe.
Nun höret zu, was er gethan:
Er hatte einen treuen Schwan,
Dem ward ein Brieflein angesteckt
Und mit den Federn ganz bedeckt.
Dann rief er seinen Knappen her
Und sagt ihm offen sein Begehr:
Er sprach: »Verkleide dich, Genoß,
Du sollst nach meiner Liebsten Schloß,
Den Schwan hier nimm und trage du
Zum Burghof und dann sieh mir zu,
Daß einer von den Kämmerlingen
Ihn möge meiner Dame bringen.«
Der Knappe folgt des Herren Wort,
Er nahm den Schwan und trug ihn fort;
Auf gradem Weg, der ihm bekannt,
Hat er sich nach dem Schloß gewandt.
Er ist die ganze Stadt durchgangen,
Um an dem Hauptthor anzulangen,
Dort sprach er so den Pförtner an:
»Hört mich,« begann er, »lieber Mann,
Ich bin ein Vogler sicherlich,
Vom Vogelstellen nähr' ich mich;
Den schönen Schwan hier fieng ich nun
Im Netz nicht fern von Karliun,
Drum möcht' ich, einen Schutz zu haben,
Des Schlosses Frau damit begaben,
Daß man mich nicht im Lande störe
Und nicht verklage, noch verhöre.«
Der Pförtner sagte: »Glaubet mir,
Mein Freund, kein Fremder spricht zu ihr;
Doch sollt Ihr so nicht wieder gehn,
Ich will versuchen, sie zu sehn,
Daß, wenn es Euch das Glück vergönnt,
Ihr doch zu ihr gelangen könnt.«
Zum Saale gieng der Mann sofort,
Und nur zwei Ritter fand er dort,
Die still am großen Tische saßen,
Beim Schachspiel jeder Wacht vergaßen.
Er kommt zurück in voller Hast
Und führt hinein den fremden Gast,
So schlau, daß Niemand ihn erblickt,
Noch ausgefragt und heimgeschickt.
Er kam zur Kammer, rief hinein,
Die Thür' erschloß ein Mägdelein,
Zur Edeldame gieng das Paar,
Den Schwan reicht ihr der Bote dar.
Sie rief nach einem Diener schnell
Und sagte: »Wache drauf, Gesell,
Daß Niemand mir den Vogel quäle,
Und daß ihm niemals Futter fehle!« –
Der Bote sprach: »Seid Ihr mir gram?
Blickt her, das Thier ist schön und zahm,
Ihr müßt die Gabe selber nehmen,
Dran dürfte sich kein König schämen.«
Sie hat sich lächelnd hingewandt
Und nahm den Schwan mit eigner Hand,
Streicht ihm den Hals so schlank und glatt,
Da fühlt sie das verborgne Blatt.
Ihr Blut erbebt, sie weiß es nun:
Die Gabe kommt ihr von Milun.
Sie dankt und lohnt den Boten reich,
Und sie entließ ihn alsogleich.
Doch als die Kemenate leer,
Rief sie das Mägdlein zu sich her,
Sie nahm den Vogel auf den Schooß,
Bald wanden sie das Brieflein los.
Des Siegels Wachs zerbrach die Dame,
Am Eingang stand des Liebsten Name.
Noch liest sie nicht vor Herzensqual,
Sie weint und küßt ihn tausendmal.
Drauf las sie, was der Held geschrieben
Von seinem Sehnen, seinem Lieben
Und von der großen Schmerzen Macht,
Die er muß tragen Tag und Nacht;
Nun lieg' es ganz in ihrem Willen:
Sein Leid zu mehren und zu stillen,
Wenn sie ihm ihren Rath vergönne,
Wie er zu ihr noch sprechen könne,
Und einen Brief ihm zuzuwenden,
Soll sie den Vogel heimwärts senden.
»Erst laßt bei guter Kost ihn rasten,
Dann lasset ihn drei Tage fasten;
Ihr bindet heimlich ihm sodann
Das Brieflein an den Fittich an
Und laß ihn frei, dann fliegt er fort
Zu mir nach seinem Heimatort.«
Sie hielt das Blatt so lang in Handen,
Bis sie's gelesen und verstanden.
Dann hieß den Schwan sie gastlich hegen
Und reich mit Trank und Speise pflegen;
Sie ließ ihn einen Mond im Haus,
Drauf sann sie gute Listen aus,
Und sie erwarb sich ungesehn
Die Tinte und das Pergamen,
Damit sie tröstlich, hold und lieb
Ein Brieflein an den Helden schrieb.
Dem Schwan ward Speis und Trank entzogen,
Da war er bald davongeflogen
Und ließ mit eiligem Gefieder
Vor Milun, seinem Herrn, sich nieder.
Gar fröhlich war der edle Mann
Und faßt ihn bei den Flügeln an;
Dem Speisemeister ließ er sagen,
Ein reichlich Futter herzutragen;
Er nahm von seinem Hals den Brief,
Den er mit heitrem Blick durchlief,
Die Züge schaut er an, die süßen,
Und labt sein Herz an ihren Grüßen:
Fern sei mit ihm ihr Heil und Glück,
Sie bitte Botschaft sich zurück
Auf gleichem Wege, durch den Schwan; –
Und glaubet mir, so ward's gethan.
Es lebte das getrennte Paar
In solcher Weise zwanzig Jahr,
Und emsig war des Schwanen Flug,
Der hin und her die Briefe trug.
Sie sah'n sich wohl auch dann und wann;
Denn Niemand liegt in solchem Bann,
Daß er, wie fest man ihn auch binde,
Nicht eine freie Stunde finde.
Ihr Sohn wuchs in der Jahre Lauf
Indessen bei der Schwester auf.
Hernach in seinen Jünglingstagen
Hat man zum Ritter ihn geschlagen;
Er war von adlicher Gestalt,
Die Dame gab den Brief ihm bald
Und sagt ihm treu die ganze Mähre
Und kündet, wer sein Vater wäre,
Ein guter Ritter allbekannt
Von kühnem Muth und starker Hand,
Kein Held besiege seinen Ruhm
Durch Edelsinn und Ritterthum.
Als Alles ihm die Frau gesagt
Und er sie eifrig ausgefragt,
Da ward er stolz und freute sich
Des tapfern Vaters inniglich,
Und bei sich selber sprach er so:
»Ich würde kleinen Lobes froh,
Wenn ich, erzeugt von solcher Art,
Dem solch ein kühner Vater ward,
Nicht durch die Länder wollte schweifen,
Nach höhern Ehren noch zu greifen.« –
Er leistet selbst sich Wort und Schwur,
Noch einen Abend blieb er nur,
Dann war nach Urlaub sein Begehren,
Die Dame gab ihm weise Lehren
Und schickt' ihn aus mit Gold und Habe,
Am Morgen schied der kühne Knabe.
Southampton hatt' er bald erreicht,
Er eilt zu Schiff, die Fahrt war leicht,
Bei Barfleur stieg er an den Strand
Und ritt nun durchs Bretonenland.
Dort sucht er Hoffest und Turnei,
Gesellt sich großen Herren bei,
Kein Kampf war, den er unternahm,
Aus dem er nicht als Sieger kam.
Die armen Ritter zog er an;
Was er den Reichen abgewann,
Das gab er freundlich ihnen hin,
Weit pries man seinen milden Sinn;
Doch Ruhe war nicht sein Begehr,
Durch alle Länder über'm Meer
Trug er des jungen Namens Ehren,
Um sie mit neuem Ruhm zu mehren.
Auch bei den Briten ward's bekannt,
Ein junger Mann aus ihrem Land
Bezwinge Alle weit und breit
Durch kühnen Sinn und Tapferkeit.
Sie rühmten drauf sein sanft Gemüthe,
Und es geschah durch seine Güte,
Daß sie den edlen Unbekannten
Sanz-Per, den Ohnegleichen, nannten.
Von seinem ritterlichen Thun
Vernahm zu Hause Herr Milun,
Und Sorge fieng er an zu hegen
Und Schmerz des eignen Namens wegen.
»So lang' ich mir für Strauß und Fahrt
Der Waffen alte Kraft bewahrt,
Sei Keiner, den dies Land geboren,
Zu höhern Ehren auserkoren!«
Nach einer That verlangt er sehr,
Schnell will er fahren über Meer,
Um mit dem Ritter dort zu kämpfen
Und schmählich seinen Stolz zu dämpfen.
»Den eignen Namen muß ich rächen,
Kann ich den Herrn vom Rosse stechen,
So folgt der Hoffahrt Spott und Hohn.
Dann wandr' ich aus nach meinem Sohn,
Der meerwärts seine Straße nahm,
Und Niemand weiß, wohin er kam.«
Er that der Dame noch zur Stund
Durch eine Schwanenbotschaft kund,
Was er beschlossen zu erstreben,
Sie soll ihm Rath und Urlaub geben.
Und sie erwidert ihm sofort
Und dankt mit manchem frohen Wort,
Daß er die Fahrt, die mühevolle,
Nach ihrem Sohne wagen wolle;
Auch dürfte sie's ihm nicht verwehren,
Zu schirmen seines Namens Ehren.
Den Brief empfieng der edle Mann
Und hub sich reich zu rüsten an;
Zu den Normannen setzt' er über,
Ritt in's Bretonenland hinüber
Und fand daselbst der Helden viel,
Sucht' emsig nach Turnier und Spiel,
Hielt Rast in manchem prächt'gen Haus
Und theilte reiche Spenden aus.
Milun, soviel ist mir bekannt,
Blieb einen Winter dort zu Land
Und mit ihm manch ein Ritter werth,
Bis Ostern war zurückgekehrt,
Wo die Turniere neu beginnen
Und Krieg und Fehden sich entspinnen.
Mont Seint Michel war Sammelort,
Breton und Normann fand sich dort,
Franzosen kamen und Flamänder,
Doch sah man wenig Engelländer.
Milun, der kampfberühmte Held,
Hat frühe dort sich eingestellt,
Um nach dem jungen Herrn zu fragen;
Man wußte viel von ihm zu sagen,
Woher zum Kampfspiel und Turnei
Der junge Held gekommen sei;
Man zeigt ihn Milun im Gefild,
Erklärt ihm Waffenschmuck und Schild;
Der Alte hat ihn lang betrachtet
Und jedes Wort gar wohl beachtet.
Bald schaart sich Alles gut gerüstet,
Nun mag tjostieren, wen's gelüstet;
Wer in die Reih'n begehrt zu stehn,
Mag einen Gegner sich ersehn,
Und schnell wird zwischen ihnen Beiden
Sich Sieg und Niederlag' entscheiden.
Es that Milun in dieser Stund'
Die alte Heldenstärke kund,
Man ruft ihm zu, man preist ihn sehr,
Den Jungen aber doch noch mehr,
Denn der war Meister im Turnieren
Und ohne Gleichen im Tjostieren,
Mit hohem Staunen schaut Milun
Des jungen Helden kühnes Thun,
Und ob's ihm selber Kummer schafft,
Er freut sich solcher Ritterschaft.
Er stellt sich ihm Mann gegen Mann,
Sie sprengen auf einander an,
Und Milun traf ihn also hart,
Daß ihm der Speer zersplittert ward;
Doch ruhig saß der junge Degen
Und gab so mächt'gen Stoß dagegen,
Daß, ob's ihm selbst auch schlecht gefiel
Herr Milun aus dem Sattel fiel.
Da schob sich sein Visier empor,
Die grauen Locken quollen vor:
Der Jungherr schaut des Alten Haar
Und klagt, daß er gefallen war.
Er ritt nach seinem Roß im Nu
Und führt es ihm am Zaume zu.
»Herr, steiget auf!« so redet er,
»Glaubt mir, mein Herz ist kummerschwer,
Daß einem Mann von Euren Jahren
Durch mich die Unbill widerfahren!«
Der Jungherr hielt des Rosses Zügel,
Milun sprang dankend in den Bügel, –
Da deucht ihm an des Jungen Hand
Der goldne Ring so wohl bekannt.
»Freund!« sprach er bittend, »höre mich,«
»Um Gottes Huld beschwör' ich dich:
Sag deinen Namen mir fürwahr
Und nenne mir dein Elternpaar!
Du sollst mir's ohne Rückhalt sagen:
Viel schaut' ich schon in meinen Tagen,
Viel schweift' ich durch die Welt und fand
Turnier und Krieg in manchem Land,
Doch war kein einz'ger Held am Leben,
Der mich vom Sattel mochte heben.
Dir ist's in rechter Tjost gelungen,
Und auch mein Herz hast du bezwungen.« –
»Gern sag' ich Euch mit treuem Mund,
Was mir von meinem Vater kund:
Wales, denk ich, ist sein Heimatland,
Und Sir Milun ist er genannt.
Er liebt' ein Fräulein reich an Macht,
Ich ward geheim zur Welt gebracht,
Man trug mich in's Northumbergau
Zu einer milden Edelfrau,
Der Mutter Schwester, die mich pflag
Und Zucht mich lehrte manchen Tag;
Sie gab mir diese Kampfgewande
Und ließ mich ziehn in fremde Lande.
Hier schweift' ich rastlos her und hin,
Doch Eines trag' ich nun im Sinn:
Ich fahre heimwärts über Meer,
Nach meinem Vater drängt's mich sehr,
Nicht länger duld' ich, ihn zu missen,
Auch von der Mutter will ich wissen;
Ich zeig' den Ring dem edlen Mann
Und sag ihm diese Zeichen an;
Glaubt mir, er wird mich anerkennen
Und seinen lieben Sohn mich nennen.«
In Freuden pocht das Herz des Alten,
Er kann nicht länger an sich halten,
Er drängt sich an des Jungen Roß
Und faßt ihn bei des Halsbergs Schoß:
»Gott!« rief er, »welch ein reicher Lohn!
Traun, lieber Held, du bist mein Sohn;
Ich leb' ein Jahr im Lande hier
Und frag' und suche nur nach dir.«
Da sprangen ab die beiden Degen
Und liefen grüßend sich entgegen,
Sie faßten sich und küßten sich
Und jubelten herzinniglich,
Daß allen ihren Kampfgenossen
Vom Auge Freudenthränen flossen.
Doch als zu Ende das Turnier,
Da brannte Milun vor Begier
Und kehrte heimwärts ohne Zaudern,
Nach Muße mit dem Sohn zu plaudern.
In ihrem Gasthaus ward die Nacht
In Glück und Lustbarkeit verbracht
Mit vielen Rittern in der Runde.
Da sagt Milun dem Sohn die Kunde,
Wie er die holde Mutter fand,
Und wie ein Herr aus ihrem Land
Vom Vater sie zum Weib empfangen,
Wie sie sich dennoch angehangen
In ächter Liebe lange Zeit,
Und wie sie niemand eingeweiht
Als ihren Schwan nur, der im Flug
Getreu der Liebe Botschaft trug.
Der Sohn rief: »Ich vereine dich
Mit meiner Mutter sicherlich.
Hingeh' ich, ihren Mann zu tödten,
Und schaffe Frieden Euren Nöthen.«
Dann ließen sie die Rede ruhn,
Am Morgen rüstet sich Milun,
Und Urlaub nahm er mit dem Sohn,
Zur Heimat zogen sie davon.
Sie fuhren über's Meer geschwind,
Gut war das Wetter, sanft der Wind.
Drauf kam den Herrn auf ihren Wegen
Ein junger Edelknab entgegen,
Der freut sich, wie er sie erblickt,
Er war, von Miluns Lieb geschickt,
Nach der Bretagne auf der Fahrt,
Doch jetzt war ihm der Weg erspart.
Er gab ein Blatt in Miluns Hand,
Darauf ihm frohe Kunde stand,
Ihr Herr sei todt, er möge eilen,
Um Alles nun mit ihr zu theilen.
Herrn Milun deucht die Mähre gut,
Der Sohn auch hört's mit frohem Muth.
Fort ritt das Paar ohn' Aufenthalt,
Zum Schloß der Dame kam es bald;
Die dankte Gott mit Herz und Hand,
Als sie den schönen Sohn erkannt.
Und dieser, ohne je zu fragen,
Ob's den Verwandten wollt' behagen,
Führt seine Mutter nun in Ruh
Dem Vater als Gemahlin zu.
Sie lebten drauf in Glanz und Macht
Und Liebeswonne Tag und Nacht.
Von ihrer Minne, ihrem Glück
Blieb uns ein altes Lied zurück;
Mir ward es recht im Herzen lieb,
Als ich es treulich niederschrieb. |