|
Es waren unter den Baronen
Geschätzt die Edlen der Bretonen;
Durch Kampfeslust einst pflegten sie,
Durch Adel und durch Courtoisie
Von Abenteuern allerhand,
Die mancher kühne Held bestand,
Viel schöne Lieder sich zu weben,
Die fort im Menschenmunde leben.
Auch eins, ihr sollt es selbst bemessen,
Das nicht gemacht ist zum Vergessen,
Von einem höfisch feinen Mann,
Vom Vogt von Nantes, Herrn Equitan.
Sein Name war mit Preis genannt,
Und hoch verehrt im ganzen Land:
In Frauenlieb' und Manneskraft,
Da pflegt' er edler Ritterschaft.
Die sind des eignen Lebens Diebe,
Die nicht erfüllt das Maß der Liebe;
Ihr Maß ist, wollt ihr's selbst erfahren,
Daß sie nicht mag Vernunft bewahren.
Des Königs tapferster Vasall,
Das war sein treuer Seneschal,
Der wacht im Land nach Recht und Pflicht,
Schuf Ordnung rings und hielt Gericht.
Das Liebste für Herrn Equitan,
Das war die Jagd im grünen Tann,
Und von der Beize ließ er nur,
Wenn er zum Krieg in's Ausland fuhr.
Der Seneschal nahm ein Gemahl,
Das ward dem Land zu Leid und Qual.
Sie war ein herrlich schönes Weib
Von hohem Wuchs und feinem Leib;
Fürwahr Natur bemüht sich lang,
Bis ihr das holde Bild gelang:
Das Auge schillernd, süß der Mund,
Die Nase grad, die Wange rund.
Nicht ihres Gleichen war im Land,
Dem König ward ihr Lob bekannt;
Er schickt ihr Gruß und Gabe
Von köstlich edler Habe;
Nach ihrem Anblick schmachtet' er,
Nach ihrem Wort stand sein Begehr.
Mit heimlich sehnsuchtvollem Sinn
Ritt er nach ihrem Wohnsitz hin,
Mit Jagdgetös und Hörnerschall
Lud er sich ein beim Seneschal.
Die Dame sprach er manche Stund,
Und Liebe quoll aus seinem Mund.
Er fand sie sittig, klug und fein,
Von Leib und Antlitz schön und rein,
Ihr Wesen licht und freudenhold, –
Da trat er in der Minne Sold.
Die schoß ihn da mit einem Pfeil, –
Die Wunde wird ihm nimmer heil, –
Der nahm im Herzen tief den Sitz;
Nichts half ihm da Verstand und Witz.
Bewältigt ward er dieser Dame,
Viel sann er nach in herbem Grame;
Er muß sie minnen all sein Leben,
Was nützt ihm da sein Widerstreben?
Nachts schlief er nicht vor Sorg und Leid,
Und mit sich selbst lag er im Streit:
»O welches strengen Schicksals Hand
Hat mich geführt in dieses Land?
Seit ich die schöne Frau erblickt,
Hat heiße Qual mein Herz umstrickt,
Daß alle Glieder mir erbeben;
Ich muß sie lieben, will ich leben;
Doch lieb' ich sie, – komm ich zu Fall:
Sie ist die Frau des Seneschal.
Wie fordr' ich von ihm Treu' und Pflicht,
Halt ich ihm selbst die Treue nicht?
Würd' er nur einmal davon hören,
Im Herzensgrund würd's ihn empören.
Doch schlimmer wär's, – wie er auch grollte, –
Wenn ich um sie vergehen sollte.
Wofür wär' sie so schön geschmückt,
Wenn keinen Trauten sie beglückt?
Um ihre Anmuth wär mir leid,
Liebt' sie nicht holde Heimlichkeit.
Wo lebt die Dame, deren Werth
Die süße Minne nicht vermehrt?
Der Seneschal, wird er's auch hören,
Muß sich drum nicht zu sehr empören.
Allein behalt' er sie nicht mehr.
Mit ihm zu theilen, drängt's mich sehr.« –
Der König sprach's und seufzte bang,
In tiefem Sinnen lag er lang.
»Warum doch,« sprach der wunde Mann,
»Kommt Zwiespalt mich und Schrecken an?
Da mir doch alle Zeichen fehlen,
Ob sie mich will zum Trauten wählen.
Doch ich erfahr' es wohl geschwinde:
Empfindet sie, was ich empfinde, –
Das ist es, was mich heilen mag.
Ach Gott! Wie lang ist's noch zum Tag!
Wie lange doch, vom Schlaf geflohn,
Lieg' ich seit gestern Abend schon!« –
Der König wachte bis zum Morgen,
Er harrt' auf ihn in großen Sorgen.
Dann zog er früh zu jagen aus;
Jedoch gar bald kehrt er nach Haus.
Er sprach, ihm sei so weh, so schwach
Und legt sich in sein Schlafgemach.
Trüb ward des Seneschals Gemüth,
Er weiß nicht, was den König müht
Und Schauer gießt durch seinen Leib –
Der Krankheit Ursprung war sein Weib.
Sie rief er da in rechten Treun,
Den Herrn zu trösten, zu zerstreun.
Der bringt ihr dar sein Minnewerben
Und sagt, er müsse für sie sterben.
»Ihr könnt mir bieten Trost und Leben,
Ihr könnt den bittern Tod mir geben!«
Da sprach die edle Dame: »Sire,
Gewähret einen Aufschub mir.
Denn Eure Rede hat mein Haupt
Jeglichen Sinns und Raths beraubt.
Ihr seid der König hier zu Land,
Ich bin nicht von so hohem Stand,
Als daß mir immer treu verbliebe
Euer Verlangen, Eure Liebe.
Hab ich nach Willen Euch gethan, –
Fürwahr, ich zweifle nicht daran, –
So laßt Ihr mich gar bald allein;
Und bitter elend würd' ich sein,
Wenn ich Euch lieben könnte
Und Euch Gewährung gönnte.
Es wär' der Liebe Leid und Lust
Nicht gleich getheilt in uns'rer Brust,
Ihr seid ein König, denkt daran –
Mein Herr ist Euer Lehensmann:
Ist ungleich wo der Liebe Pflicht,
Das ist die rechte Liebe nicht.
Ein Mann, der arm an Geld und Gut,
Doch reich an Sinn und stetem Muth,
Der wird, liebt er in Treuen,
Mit Liebe mehr erfreuen,
Als jeder König dieser Welt,
Der nichts auf feste Treue hält.«
Doch Equitan, der König spricht:
»O Gnade, Dame, sagt das nicht!
Der hat nicht adlich hohe Minne,
Nur bürgerliche Krämersinne,
Der, Geld und schnöden Lohn zu erben,
Hingeht, am schlechten Ort zu werben.
Nicht wandelt unter'm Himmelsblau
Die feine, freigesinnte Frau,
Die, wenn auch ohne Schmuck und Habe,
Nicht bieten kann solch' süße Gabe,
Daß ihr der höchste Fürst mag glüh'n,
In Ernst und Treue sich bemüh'n,
Wenn sie stets neu die Glut belebt,
Und nicht nach fremder Liebe strebt.
Die flatterhaft im Minnen
Und die auf Ränke sinnen,
Die sollen ganz von Ehren kommen,
Das haben oftmals wir vernommen.
Kein Wunder, flieht Den Glück und Huld,
Der es verdient durch eigne Schuld.
Ach schöne Dame, nehmt mich hin!
Denkt nicht, daß ich der König bin,
Nein, Euer Liebster, Euer Knecht,
Das schwör' ich Euch in vollem Recht.
Nach Eurem Lob nur will ich trachten,
O laßt im Leid mich nicht verschmachten!
Ihr seid die Frau, der Diener ich
Und fleh' Euch an, erhöret mich!«
Er sprach so lang, er bat so lang.
Bis auch ihr Herz die Liebe zwang,
Und ihm das minnigliche Weib
Zu eigen gab den süßen Leib.
Sie tauschten Ring und Wort zum Pfand
Als unverbrüchlich Liebesband,
Das hielten sie mit treuen Sinnen,
Bis daß der Tod sie nahm von hinnen.
Lang währte der geheime Bund
Und wurde keiner Seele kund;
Verlangten sie sich zu vereinen,
So sagte Equitan den Seinen,
Er lasse in den nächsten Tagen
Nach Brauch sich eine Ader schlagen.
Verschlossen war die Thüre dann,
Am Hof war kein so kühner Mann,
Der störte der Gemächer Frieden,
Ward er vom Herrn nicht selbst beschieden.
Der Seneschal hielt Hof indessen,
Sprach Recht in Klagen und Processen.
Der König liebt' die Frau gar sehr,
Nach andern kam ihm kein Begehr,
Und schweigen hieß mit Spott und Schmach
Er jeden, der vom Freien sprach;
Das schuf im Land viel Sorg' und Klagen.
Die Dame hörte davon sagen;
Ihn zu verlieren, ward ihr bang,
Sie saß in Thränen stundenlang.
Und als er wieder kam, zu scherzen,
Mit ihr zu ruhen Herz am Herzen,
Kuß und Umarmung zu erneu'n
Und holden Spieles sich zu freu'n,
Da weint sie laut voll Angst und Wehen.
Der König sprach: »Was ist geschehen?
Was müht Euch, Dame? Thut mir's kund?«
Und seufzend öffnet sie den Mund:
»Um uns're Liebe klagt mein Herz,
Die mich gebracht in Sorg' und Schmerz:
Ihr werdet eine Fürstin frei'n,
Und ganz werd' ich verlassen sein.
Ich weiß es wohl, so wird es werden.
Was soll ich weiter dann auf Erden?
Mein einz'ger Trost nur wär' zu sterben,
Nicht bessern wüßt' ich zu erwerben!«
Er aber kos't mit ihr und spricht:
»Mein schönes Lieb', o grämt Euch nicht!
Nicht denk ich dran, mich zu beweiben;
In Eurer Minne will ich bleiben.
Die Wahrheit hört, bei meiner Ehre:
Wenn Euer Herr gestorben wäre,
Um keine Frau gäb' ich Euch hin,
Ihr würdet meine Königin.«
»Ich dank Euch,« sprach die Dame,
»Ihr bringt mir Trost im Grame;
Und seid Ihr wirklich mir so hold,
Daß Ihr mich nicht verlassen wollt,
So will ich wohl auf Mittel sinnen
Um Euch für immer zu gewinnen.
Leicht schaff' ich meinen Herrn bei Seit,
Wenn Ihr mir Eure Hülfe leiht.«
Er sprach, es sei sein ganzes Streben,
Nur ihrem Willen nachzuleben,
Nur ihr zu folgen früh und spat,
Ob thöricht oder klug ihr Rath.
Da sprach die Dame: »Reitet bald
Zu jagen wieder in dem Wald,
Der meinem Wohnsitz nicht zu fern,
Kehrt ein im Schlosse meines Herrn!
Dort laßt zu Ader, pflegt Euch gut,
Sorgt, daß mein Herr das Gleiche thut.
Am dritten Tag sollt' Ihr ihn laden,
Mit Euch im Zimmer sich zu baden.
Die Wasser misch' ich dann mit Fleiß,
Sein Bad so brodelnd siedendheiß,
Daß unterm Himmel lebt kein Mann,
Der heil daraus entrinnen kann.
Und ist er todt, dann ruft geschwind
Zusammen Heervolk und Gesind,
Und zeiget ihnen, daß in Frieden
Er unvermerkt im Bad verschieden.« –
»Der Plan ist gut,« sprach er, »und traun,
Ihr sollt auf meine Hülfe bau'n!«
Und eh' der dritte Mond verrann
Ritt auf die Jagd Herr Equitan;
Zur Ader ließ er sich im Schloß,
Der Seneschal war sein Genoß.
Am dritten Tag ließ er ihn laden,
Mit ihm im Zimmer sich zu baden.
Die Bäder mischt die list'ge Frau,
Das eine heiß, das andre lau,
Den siedend heißen Wasserschwall
Setzt sie vor's Bett des Seneschal.
Der war zu früher Stunde wach
Gegangen just aus dem Gemach.
Indessen hielt der König warm
Das minnigliche Weib im Arm;
Sie lagen auf des Herren Bette
Und freuten sich der weichen Stätte.
Doch an der Thür im Morgenschein
Hielt Wacht ein kleines Mägdelein.
Da plötzlich kam mit schnellen Tritten
Der Seneschal herangeschritten;
Er naht sich rasch und pocht im Nu,
Das Mägdlein hält die Thüre zu.
Doch grimmig wird der Herr gar bald,
Er sprengt die Thüre mit Gewalt
Und findet kosend Leib an Leib
Den König und sein schönes Weib.
Auffuhr der König voller Schrecken,
Und seine Schande zu bedecken
Springt nackt er ohne Sinn und Rath
Hinunter in das heiße Bad.
Dem konnt' er nimmer heil entrinnen;
In Qualen fuhr sein Geist von hinnen.
So fiel er in sein eignes Schwert,
Der Seneschal blieb unversehrt.
Genug sah dieser treue Mann,
Die Dame faßt er zürnend an
Und stürzt, zu sühnen seine Schmach,
Kopfüber sie dem Buhlen nach.
Das sollt' des Frevels Ende sein:
Sie starben hin in heißer Pein.
Wer weisem Wort sich will bequemen,
Der kann sich hier ein Beispiel nehmen:
Wer And'rer Glück zu schaden glaubt,
Dem fällt das Unglück selbst auf's Haupt.
Ich sag' in Wahrheit, so geschah's,
Und die Bretonen sangen das;
Equitan war des Liedes Name
Vom Tod des Königs und der Dame. |