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Schon oftmals hat es mich gequält,
Wird gute Sache schlecht erzählt.
Nun hört, ihr Herren, auf Marie,
Des Müßigganges pflag sie nie.
Den soll man preisen, habet Acht,
Der Gutes von sich reden macht;
Doch hört der Neider Bande
In irgend einem Lande,
Daß man von Menschen Gutes sprach,
Gleich reden sie von ihnen Schmach;
Sie trachten ihren Ruhm zu trüben
Und wollen so das Handwerk üben
Des feigen Hunds, der kläfft und bellt
Und euch von hinten überfällt.
Doch soll mich das mit nichten schrecken,
Ob Possenreißer oder Gecken
Zum Schlimmen kehren, was ich schuf;
Denn Schmäh'n ist einmal ihr Beruf.
Die wahren Mähren, die mir kund
Aus Liedern im Bretonenmund,
Die will ich kürzlich euch erzählen,
Und hier zu Anfang will ich wählen
Ein Abenteuer, das mit Fleiß
Ich aus der Schrift zu künden weiß,
Und das einst in Armorica
In alter Väterzeit geschah.
Damals war Hoel Herr im Land,
In Krieg und Frieden wohlbekannt.
In seinem Leh'n war ein Baron,
Das war der Obherr von Leon.
Er hieß mit Namen Oridial
Und war ein trefflicher Vasall,
Vom Herrn zu hoher Gunst erkoren.
Zwei Kinder hat sein Weib geboren,
Ein Knäblein und ein Mädchen klein;
Noguent, so hieß das Töchterlein,
Den Knaben nannt' er Gugemar,
In keinem Reich ein schön'rer war.
Die Mutter liebt das theure Kind,
Der Vater war ihm wohlgesinnt.
Als er zu Jahren war gekommen,
Ward er in Königs Dienst genommen.
Dort hielt er sich gar klug und fein,
Und jeder mußt' ihm günstig sein.
Doch als in Waffen er gewandt,
Gereift an Alter und Verstand,
Ward er zum Ritter ausgerüstet
So prächtig, wie's ihn nur gelüstet.
Dann theilt er reiche Spenden aus
Und wandert in die Welt hinaus.
Nach Flandern lenkt er seinen Lauf,
Dort hören Streit und Krieg nicht auf. –
Nicht in Loreine, nicht in Bourgogne,
Nicht in Anjou, nicht in Gascogne,
In keinen Erden-Reichen
Gab's Ritter Seinesgleichen.
Nur Eins mißglückte der Natur:
Nie folgt sein Herz der Liebe Spur.
Es war kein Fräulein auf der Welt,
Wenn noch so schön und wohlbestellt,
Das ihn nicht gern in Dienst genommen,
Wenn er auf Werbung wär' gekommen.
Gar Manche schaut ihn zärtlich an,
Er blieb ein liebeleerer Mann.
Nie wurde Jemand inne,
Daß er auf Minne sinne.
Und für verloren hielten bald
Den schönen Ritter Jung und Alt.
Doch als sein Ruhm in Blüthe stand,
Da fuhr er in sein Heimatland,
Auf's Neu zu schau'n den Herren sein,
Die Eltern und das Schwesterlein,
Die nach ihm trugen groß Verlangen.
Er wurde liebevoll empfangen,
Und einen Mond blieb er zu Haus.
Da trieb's ihn einst zu jagen aus,
Und alsbald wurden noch bei Nacht
Gefolg' und Jäger aufgebracht.
Am Morgen zog er in den Tann,
Die Kurzweil taugt dem kühnen Mann.
Ein großer Hirsch sprang auf im Grunde,
Und schnell entkoppelt man die Hunde,
Die Jäger laufen hinterdrein,
Der Jungherr folgt; mit lautem Schrei'n
Hirschfänger, Armbrust und den Bogen
Trug ihm ein Knappe wohlgezogen.
Da kam im Busche tief und dicht
Ihm eine Hindin zu Gesicht,
Ihr junges Kalb lag nebenbei,
Weiß war sie, trug ein Hirschgeweih;
Sie scheucht empor der Bracken Bellen;
Der Jungherr eilt, den Pfeil zu schnellen,
Und schießt sie auf den Vorderbug,
Zusammen bricht das Thier im Flug.
Doch auf den Schützen mit Gewalt
Kommt das Geschoß zurückgeprallt
Und trifft ihn an die Hüfte schwer,
Im Sattel hält er sich nicht mehr
Und fällt auf's grasige Gefild,
Hinab zu dem erlegten Wild.
Das Thier begann zu klagen:
»Weh mir! Ich bin erschlagen!
Und du, Vasall! für diesen Mord
Künd' ich dein Schicksal dir sofort.
Nie wirst du eine Medicin
Aus Wurzeln oder Kräutern ziehn,
Kein einz'ger Arzt, kein einz'ger Trank
Macht dir's in Wahrheit je zu Dank;
Nie wird die Hüfte dir gesunden,
Bevor du die zum Arzt gefunden,
Die dulden wird im Herzen
Um dich so heiße Schmerzen,
Daß mehr kein Weib auf Erden trug,
Du selbst sollst tragen Leid genug,
Daß alle Die sich wundern werden,
Die jemals lieben hier auf Erden.
Nun aber hebe dich im Nu!
Mach dich davon! Laß mich in Ruh!« –
Der Ritter war verwundet schwer,
Doch was er hört, entsetzt ihn sehr,
Und er begann bei sich zu denken,
Wohin er sollt' die Schritte lenken,
Da er Genesung find' und Leben,
Nicht wollt er sich dem Tod ergeben.
Er weiß und muß es sich gestehn,
Nie hat er eine Frau gesehn,
Der seine Lieb' er schenken wollte,
Und die ihn nun erretten sollte.
Er rief herbei den Jägerknaben
Und hieß ihn schnell von dannen traben:
»Ruf meinen Leuten durch den Tann
Und bringe schleunigst sie heran!«
Der sprengt davon, er bleibt zurück,
Beklagt gar sehr sein schlimmes Glück,
Dann legt er auf der Wunde Rand
Von seinem Hemd ein festes Band;
Er steigt zu Rosse sonder Weilen,
Denn nöthig dünkt ihm sehr zu eilen,
Wenn es den Rittern sollt mißlingen,
Von seinem Weg ihn abzubringen.
Er reitet mühsam durch die Tannen
Auf einem grünen Weg von dannen.
Da kam er aus dem Walde
Hinaus in eine Halde,
An deren Fuße glänzt das Meer,
Und Felsen ragen drüber her.
Er sieht ein Schiff im Hafen liegen
Und einsam Mast und Segel wiegen.
An schönem Rüstwerk fehlt's ihm nicht,
Von allen Seiten war's verpicht.
Kein Mensch dort eine Spalte sah,
Nicht Pflock, nicht Lucke gab es da,
Die nicht von Ebenholz gemacht; –
Kein andres Schiff hat solche Pracht.
Von Seide war das Segel ganz
Und gab gebläht gar schönen Glanz.
Der Ritter aber staunte sehr,
Denn in der Gegend rings umher
Hat er zuvor niemals vernommen,
Daß Schiffe da zur Landung kommen.
Er glitt vom Roß und stieg allein
Zum Bord hinauf mit Müh und Pein,
Er hoffte Menschen zu gewahren
Die mit dem Schiffe hergefahren:
Doch einsam war die Stätte,
Inmitten stand ein Bette
Mit Gold und zieren Kleeblattreihn,
Cypressenholz und Elfenbein,
Und Knauf und Pfosten glänzt und blitzt,
Nach Salamonis Kunst geschnitzt.
Es liegt ein prächt'ger Teppich oben
Aus Afrika, mit Gold durchwoben.
Da ist ein Kissen ohne Gleichen:
Dem werden nie die Locken bleichen,
Der darein schmiegt sein Angesicht.
Die Tücher alle nenn' ich nicht:
Sie flossen nieder reich an Wellen
Von Purpur und von Zobelfellen.
Dann waren an des Stevens Rand
Zwei schöne Kerzen angebrannt
Auf goldnen Leuchtern reich und werth,
Ihr Kauf hätt' einen Schatz geleert.
Dem Ritter dünkt es wunderlich,
Auf's hohe Bette stützt er sich,
Die Wunde brennt, er legt sich nieder.
Doch hebt er bald darauf sich wieder;
Ihn drängt's, daß er zum Lande kehre, –
Da schwamm das Schiff auf hohem Meere,
Von dannen glitt es sacht und stet
Von sanften Winden angeweht.
Die Rückkehr war ihm ganz benommen.
Gar rathlos ward er und beklommen.
Kein Wunder, wird das Herz ihm schwer,
Denn seine Wunde schmerzt ihn sehr.
Doch muß er's tragen mit Geduld,
Er fleht zu Gott um seine Huld,
Daß er zu einem Port ihn sende
Und das Verderben von ihm wende.
Er liegt auf's Bett und schlummert ein,
Vorüber ist die schwerste Pein.
Er landet noch an diesem Tag
Da, wo er Heilung finden mag.
Denn tief im Schlafe fährt er bald
Nach einer Hauptstadt reich und alt;
Ihr Vogt, der war bejahrt und grau
Und hatte eine junge Frau.
Die Dame war von hohem Stand,
Gar schön, verständig und gewandt.
Voll Eifersucht war der Gemahl; –
Dieß, glaubet mir, liegt nun einmal
In der Natur der alten Herrn,
Denn Hahnrei ist ja Niemand gern.
Das ist des Alters Thorenweise. –
Der Frau gieng's übel bei dem Greise:
Es war ihr Thurm und Gartenland
Von einer Mauer rings umspannt,
Erbaut von grünem Marmelstein;
Der Bau war hoch, der Raum war klein.
Die Mauer hatt' ein einz'ges Thor;
Da stand ein Wächter stets davor.
Den andern Theil das Meer umfloß:
Wer in Geschäften wollt' auf's Schloß,
Der konnte nicht zum Garten kommen,
Wenn er nicht über's Meer geschwommen.
Ein Zimmer hat der Herr bereit
Für seines Weibes Sicherheit,
Ein Zimmer, das war schön und helle,
Gleich bei der Thür' war die Capelle.
Es war bemalt mit Bildern klar,
Venus, die Liebesgöttin, war
In Farben künstlich anzuschau'n.
Sie predigte den Ehefrau'n,
Wie man den Männern treu verbleibe
Und jede sünd'ge Lust vertreibe;
Doch was Ovid der Ehrendieb
Von frechen Liebeslisten schrieb,
Das schleudert sie mit strenger Hand
In einen rothen Scheiterbrand,
Und die noch künftig lesen sollten
Und ketzerisch befolgen wollten,
Was ihm der Lügengeist dictiert, –
Die wurden excommuniciert.
Dort saß die Frau mit trübem Sinn;
Ihr gab der Herr zur Dienerin
Ein Fräulein, seiner Schwester Kind,
Von guter Zucht und wohlgesinnt.
Es liebten sich gar sehr die Beiden,
Und keines wollt' vom andern scheiden.
Wenn dann der Alte Urlaub nahm,
So durfte, bis er wiederkam,
Sie weder Frau'n noch Männer sehn,
Noch aus dem Thor in's Freie gehn.
Ein alter Priester weiß von Haaren
Bekam die Schlüssel zu verwahren;
Weil er das kleinste Glied verloren,
War zum Vertrauten er erkoren.
Er las ihr dort die Messen
Und schnitt ihr vor beim Essen.
Heut gieng die Dame ungesäumt
Zum Garten, eh der Tisch geräumt;
Sie wollte sich zum Schlummer legen
Und dann im Grün der Kurzweil pflegen.
Das Fräulein folgt ihr auf dem Pfad,
Sie giengen nach dem Seegestad',
Die Fluth stieg höher und sie sahn
Ein Segelschiff dem Hafen nahn,
Doch sahn sie Niemand auf dem Deck.
Die Dame wandte sich im Schreck
Und wollte fliehen voll Erbangen,
Es stieg das Blut ihr in die Wangen.
Ihr Fräulein aber hielt sich gut,
Sie trug im Herzen größern Muth
Und sprach ihr zu, da blieb sie stehn,
Sie giengen, nach dem Schiff zu sehn.
Das Fräulein warf den Mantel fort
Und stieg zum schöngeschmückten Bord,
Wo sie kein lebend Wesen traf
Als Gugemar in tiefem Schlaf.
Bleich war er wie ein todter Mann,
Das Mädchen stand und blickt' ihn an,
Dann stieg sie eilends wieder
Zu ihrer Dame nieder
Und sagt ihr an, was sie erschaut,
Und um den Todten klagt sie laut.
Die Frau sprach: »Steigen wir empor,
Und wenn das Leben er verlor,
So graben wir ihn ehrlich ein,
Der Priester muß uns dienstbar sein;
Das ist, so dünkt mich, kein Verbrechen.
Doch lebt er noch, so wird er sprechen!«
Sie giengen hin in schnellem Lauf,
Die Dame kam zuerst hinauf.
Doch als das Fahrzeug sie erstiegen,
Sah sie den bleichen Ritter liegen;
Lang blickt ihn an das junge Weib
Und klagt um seinen schönen Leib,
Gar traurig wird's ihr im Gemüth:
»Weh, daß die Jugend schon verblüht!«
Sie legt die Hand auf seine Brust
Und fühlt sie warm und fühlt mit Lust
Nach seines Herzens kräft'gen Schlägen.
Der Ritter, der so lang gelegen,
Erwacht und sieht die Frau sofort
Und grüßt sie froh mit holdem Wort;
Er weiß, daß er an's Land geschwommen,
Die Dame, die den Gruß vernommen,
Stand weinend, und mit güt'gem Munde
Fragt sie nach seines Schicksals Kunde:
»Wie kamt Ihr her, aus welchem Land?
Seid Ihr um einen Krieg verbannt?«
»Frau,« sprach er drauf, »so ist es nicht.
Doch wollt Ihr hören den Bericht,
So sag' ich Alles ohne Lügen,
Mit keinem Wort will ich Euch trügen:
Im Britenland bin ich zu Haus,
Ritt gestern früh zu jagen aus,
Und eine Hindin schoß ich dort,
Doch rückwärts sprang der Pfeil sofort
Und schlug mir eine tiefe Wunde, –
Nicht glaub' ich, daß ich je gesunde!
Die Hindin klagte bitterlich
Und einen Fluch warf sie auf mich,
Daß nur von einem Weib auf Erden
Mir sollte Heil und Rettung werden. –
Wie aber soll ich zu ihr kommen? –
Als ich mein hartes Loos vernommen,
Da gieng ich eiligst aus dem Wald,
Und dieses Fahrzeug fand ich bald;
Ich stieg hinein mit blinden Sinnen,
Da trug's die Fluth mit mir von hinnen, –
Wohin, das ist mir unbekannt,
Nicht weiß ich, wie die Stadt genannt.
Ihr, schöne Frau, die mir genaht,
O schenkt mir huldvoll Euren Rath!
Denn ich weiß nicht, wohin ich kehre,
Noch kann ich lenken diese Fähre!« –
Da sprach die Dame zu dem Herrn:
»Mein theurer Held, ich rath' Euch gern.
Ob dieser Stadt herrscht mein Gemahl
Und rings umher ob Berg und Thal.
Er ist gar reich, von hohem Stand,
Doch schnöd vom Alter übermannt:
Die Eifersucht verzehrt ihn schier.
Bei meiner Treue glaubet mir:
In diesen Thurm schloß er mich ein,
Ein einz'ger Zugang führt herein,
Und den bewacht ein alter Pfaffe, –
Daß schlimmes Feuer ihn entraffe!
So sitz ich nun seit langen Tagen,
Hinauszugehn darf ich nicht wagen,
Es sei denn, daß mein Gatte
Mir gnädigst es gestatte.
Capell' und Zimmer hab ich hier,
Und dieses Fräulein ist bei mir.
Doch, edler Ritter, wollt Ihr nun
Zur Lind'rung hier ein wenig ruhn,
So wollen wir Euch gerne hegen,
Und Euch mit gutem Herzen pflegen.« –
Da neigt sich ihr zum Danke
Gar hold der schöne Kranke;
Wie gerne blieb er hier zur Stätte!
Drauf stemmt er sich empor im Bette,
Die beiden Frauen stützen ihn,
Und führen ihn mit Mühe hin,
Da wo des Fräuleins Lager stand.
Ein Manteltuch fiel von der Wand
Als Umhang nieder reich an Pracht,
Dort ward der Held zur Ruh gebracht.
Drauf trugen Wasser sie herein
Und wuschen ihm die Wunde rein,
Sie trockneten das Blut sogleich
Mit einem Linnen weiß und weich
Und legten fest mit güt'ger Hand
Um seine Hüfte den Verband.
Doch als die Mahlzeit kam zur Nacht;
Da ward so viel beiseit gebracht,
Daß sie mit liebevollen Gaben
Den kranken Ritter konnten laben.
Der war in's Leben schon getroffen;
Es schwankt sein Herz in Angst und Hoffen:
Ihn zwingt die holde Pflegerin,
Nicht nach der Heimat steht sein Sinn.
Die Wunde macht ihm keine Schmerzen,
Doch seufzt er auf aus tiefem Herzen. –
Es wacht bei ihm das Jungfräulein,
Er bat sie: »Lasset mich allein!«
Die Maid stand auf bei diesem Wort
Und gieng von seinem Bette fort;
Zur Dame ist sie hingegangen, –
Die hatte schon ein Theil empfangen
Von jener Gluth, die, wie verkündet,
Des Ritters ganzes Herz entzündet.
Der Ritter blieb in Einsamkeit
Und sann umher in Sorg und Leid;
Doch das erkennt er unverweilt:
Wird er nicht von der Frau geheilt,
So kann er nicht dem Tod entrinnen.
»Weh!« rief er, »was soll ich beginnen?
Ich werde zu ihr gehen
Und sie um Gnade flehen
Für mich viel unberath'nen Mann.
Doch hört sie mich nicht günstig an,
Ist sie von stolzen Sitten,
Und zürnt sie solchen Bitten,
So muß im Elend ich verschmachten,
Bis daß der Tod mich wird umnachten.«
Er seufzt, doch kam nach kurzer Zeit
Ein Trost in seine Traurigkeit:
Wer sich kein bessres Loos kann geben,
Der dulde sonder Widerstreben.
So hat der Held die ganze Nacht
In Mühn und Seufzen hingewacht;
Erinn'rung hält sein Herz gefangen:
Er denkt der Augen und der Wangen,
Er denkt des Mundes, dessen Grüße
Sein Herz berührt mit Huld und Süße.
Und heiß und halblaut rief er dann
Die schöne Frau um Gnade an.
Ach, wenn sie wüßte, was er sinne,
Und wie ihn peinigte die Minne,
Sie würde, meines Wissens, froh
Und tröstete den Kranken so,
Daß ihm der Kummer sollt entweichen,
Davon ihm nun die Wangen bleichen.
Liegt er von Minnequal umkettet,
So ist auch ihr nicht weich gebettet.
Am Morgen noch vor Tagesgrau
Erhebt sich schon die holde Frau
Und klagt, sie habe stets gewacht;
Das that sie durch der Liebe Macht!
Das Fräulein, welches bei ihr war,
Erschaut an ihrem Anblick klar,
Daß Lieb in ihren Sinn gekommen
Zum Ritter, den sie aufgenommen,
Um seinen kranken Leib zu heilen.
Mag er wohl dieses Sehnen theilen?
Zur Kirch' gieng die Gebieterin,
Das Fräulein gieng zum Ritter hin,
Und setzte sich an's Bett heran.
Er sprach zu ihr: »Kind, sagt mir an,
Wohin schon meine Dame wallt!
Warum erhob sie sich so bald?«
Er schweigt und seufzt von Herzensgrund,
Da sprach die Maid mit holdem Mund:
»Ihr liebt, was anders sollt Euch quälen?
Doch wollt' es nicht zu sehr verhehlen.
Bewahrt die Lieb in Eurem Sinn,
Nach hohem Ziele blickt sie hin:
Wer einer Frau wollt' Minne schenken,
Der müßte meiner Frau gedenken.
Und diese Liebe fügt sich gut,
Hegt ihr nur beide steten Muth;
Denn schön ist sie und schön seid Ihr!« –
Da sprach der Ritter voll Begier:
»Ich bin von solcher Lieb' entbrannt,
Zum Schlimmen wird mein Loos gewandt,
Will Niemand Hülfe mir verleihn.
Nun rathet mir, schön Jungfräulein!
Was soll aus dieser Liebe werden?« –
Sie sprach mit freundlichen Geberden
Und tröstete den kranken Mann
Und bot ihm ihre Hülfe an,
Nach Kraft zu fördern seine Minne;
Das Fräulein war von mildem Sinne.
Derweilen hört die Frau die Messen,
Der Rückkehr hat sie nicht vergessen;
Sie wollte wissen, was er mache,
Ob er noch schlafe, ob er wache,
Der Mann, um den ihr Herz so schwer.
Sie rief sogleich das Fräulein her
Und ließ mit feinen Sitten
Den Ritter zu sich bitten,
Nun kann er seinen Sinn ihr zeigen
Und schau'n ob sich's zum Heil mag neigen.
Sie grüßen sich mit Bangen,
Und Beide stehn befangen.
Er ist im Werben nicht gewandt,
Und da er war aus fremdem Land,
So zagt' er, daß sie ihn vertriebe,
Wenn er ihr künde seine Liebe.
Doch wer sein Uebel will verhehlen,
Dem wird es stets am Arzte fehlen.
Die Lieb' ist eine Herzenswund',
Und thut sie sich nicht außen kund,
So wird sie nie von Schmerzen scheiden; –
Aus der Natur kommt dieses Leiden.
Doch Manche halten sie zum Spotte,
Wie jene niedre Höflingsrotte,
Die schlemmen in der Welt herum
Und prahlen dann mit Heldenthum.
Das ist nicht Lieb', das ist Verrath,
Ist Laffensinn und Bubenthat.
Wer treue Minne hat gefunden,
Der soll ihr folgen alle Stunden
Und ganz in ihren Diensten sein. –
Der Ritter liebt in Herzenspein,
Wird sie nicht bald ihm Hülfe geben,
Dann ist umsonst sein ganzes Leben.
Die Lieb' ermuthigt seinen Mund,
Er thut ihr all sein Sehnen kund:
»Ich sterb' um Euch, holdsel'ge Dame,
Mein Herz ist schwer von Sorg' und Grame,
Ich muß im Leid erbleichen,
Wollt Ihr nicht Trost mir reichen.
Laßt werben mich um Euer Minnen,
Erhört mich, weist mich nicht von hinnen!«
So sprach der junge süße Mann,
Da hub die Frau mit Züchten an,
Und lächelnd sagt sie: »Lieber Gast,
Ihr sprecht in allzugroßer Hast,
Und zu gewähren solche Bitte,
Das ist mir eine fremde Sitte!« –
»Habt Gnade,« sprach er, »zürnet nicht
Dem Mund, der solche Worte spricht.
Ein feiles Weib auf Markt und Gassen,
Die muß sich lange bitten lassen,
Daß theurer werde ihre Liebe
Und ihr Gewerb verborgen bliebe.
Doch eine Frau von edler Art,
Die ächten, klugen Sinn bewahrt,
Die stoße nicht mit stolzem Wort
Den ebenbürt'gen Freier fort!
Sie soll ihn lieben hold und traut,
Und eh es Jemand weiß, noch schaut,
Ruh'n sie in Glück und Seligkeit.
Drum, Süße, enden wir den Streit!« –
Sie weiß wohl, daß er Wahrheit sprach,
Und ohne Weigern giebt sie nach;
Der Ritter küßt sie auf den Mund
Und ist von allem Weh gesund,
Sie liegen plaudernd Leib an Leib,
Er herzt und kos't das holde Weib,
Nun mag sie all das Andre laben,
Was Liebende im Brauche haben! –
Ich hör', daß länger als ein Jahr
Der Ritter bei der Dame war,
In holdem Spiel und süßem Thun.
Jedoch Fortuna will nicht ruhn;
Sie dreht ihr Rad nach kurzer Stund,
Der steigt, der Andre fällt zu Grund:
So gieng's auch diesen Beiden,
Sie mußten bald sich scheiden.
Im Sommer war's, daß früh am Tag
Die Dame bei dem Jüngling lag,
Sie küßt ihm Mund und Angesicht
Und sprach: »Mein Freund, ich hehl' es nicht,
Mein Herz sagt, bald muß ich dich missen,
Du wirst verräth'risch mir entrissen.
Stirbst du, so will ich mit dir ziehn;
Doch ist es dir vergönnt zu fliehn,
So wirst du andre Liebe finden,
Ich aber muß in Qual mich winden.« –
»Nie gebe Gott mir Fried' und Ruh,
Kehr' ich mich andrer Liebe zu!
Sei ohne Furcht, denn sicherlich
Um keine Andre laß ich dich!« –
»Gewährt mir, süßer Freund, ein Pfand!
Gebt Euer Hemde mir zur Hand!
Den Schoß will ich zum Knoten schnüren,
Und Die sollt Ihr zur Liebsten küren,
Ich sag's Euch zu, herzlieber Mann,
Die diesen Knoten lösen kann.« –
Er reicht das Hemd ihr und sie flicht
Den Knoten kunstreich wirr und dicht,
Den wird kein Weib auf Erden scheiden,
Wenn sie nicht reißen darf noch schneiden,
Und wieder giebt sie's ihm sodann.
Er sprach dabei: »Ich nehm es an,
Doch gebt auch eine Bürgschaft mir!«
In einen Gürtel schließt er ihr
Den bloßen Leib mit leisen Händen
Und schmiegt ihn eng um ihre Lenden.
Drauf sprach er zu ihr: »Welcher Mann
Das Schloß des Gürtels öffnen kann,
Den liebe du, das bitt ich dich!« –
Drauf schwiegen sie und küßten sich.
An jenem Tag noch ist's geschehn,
Da ward das junge Paar gesehn
Von einem Kämmerling, der war
Gekommen von dem Herren dar,
Mit einer Botschaft ausgesandt;
Als er die Thür verschlossen fand,
Blickt er durch's Fenster, sah den Helden
Und gieng, es seinem Herrn zu melden.
Als das der alte Mann vernahm, –
Nie fühlt er früher solchen Gram,
Drei der Vertrauten nahm er mit
Und gieng zum Thurm in schnellem Schritt.
Er sprengt die Thüre mit Gewalt,
Den Ritter fanden sie gar bald,
In seines Herzens Grimm und Nöthen
Befahl er, sogleich ihn zu tödten.
Doch Gugemar, der kühne Degen,
Springt ihnen unverweilt entgegen,
Die dickste von den Fichtenstangen,
Daran die Tücher aufgehangen,
Schwingt er, entschlossen drein zu schlagen,
Und harrt des Angriffs ohne Zagen.
Eh ihn die Feinde können fahn,
Hat er wohl Allen Leid gethan.
Scharf blickt nach ihm der alte Mann
Und ruft: »Sagt Euren Namen an!
Aus welchem Stamm seid Ihr entsprungen?
Wie kam's, daß Ihr hier eingedrungen?«
Der sagt, wie er herbeigeschwommen,
Wie ihn die Dame aufgenommen,
Thut ihm die Schicksalsworte kund
Aus der getroffnen Hindin Mund,
Sagt, wie sein Pfeil ihn wundgeschlagen,
Und wie das Schiff ihn hergetragen. –
Der Alte aber zürnt und spricht:
»Was Ihr da sagt, das glaub ich nicht;
Doch können wir das Schiff gewahren,
So sollt Ihr drauf von dannen fahren.
Wenn Ihr entkommt, so freut's mich schlecht,
Daß Ihr ertrinkt, das wünsch ich recht!«
Und er gelobt ihm Sicherheit,
Gab ihm zum Meere das Geleit;
Im Hafen lag die Barke schon,
Er stieg hinein und trieb davon.
Hinglitt das Schiff durch's weite Meer,
Der Ritter seufzt und jammert sehr,
Der Dame rief er tausendmal
Und fleht zu Gott in herber Qual,
Daß er ihm schnelles Ende schenke
Und nie das Schiff zum Hafen lenke.
Das Leben kann er missen,
Da ihm sein Lieb entrissen.
So lange müht er sich im Gram,
Bis daß das Schiff zum Hafen kam,
Wo er's zum ersten Male sah;
Nun war er seiner Heimat nah.
Er eilt mit schnellen Schritten
Fort durch der Wälder Mitten.
Da war der Zufall ihm gewogen:
Ein Knappe, den er aufgezogen,
Ritt hinter einem Rittersmann
Und führt ein Roß mit sich heran.
Er hat den Knappen schnell erkannt
Und bei dem Namen ihn genannt,
Der sieht ihn, eilt sich abzusteigen
Und giebt das Streitroß ihm zu eigen;
So ritt er heim, und Jubel scholl;
Die Freunde waren freudenvoll,
Er ward im Land gar hoch geehrt,
Doch blieb er trüb und leidbeschwert.
Die Freunde wollten ihn vermählen,
Doch er verbat sich, ihn zu quälen,
Nie lieg' er einer Dame bei,
Ob's nun um Lieb', um Habe sei,
Der es zuvor nicht sollt' gelingen,
Des Hemdes Knoten aufzuschlingen.
Als diese Mähre ward bekannt
Rings um durch der Bretonen Land,
Da kamen Frau'n und Fräulein viele,
Doch ihrer keine kam zum Ziele.
Nun sag' ich von der Dame mehr,
Die dieser Ritter liebt so sehr.
Im Kerker schloß ihr Herr sie ein,
Erbaut von dunklem Marmelstein.
Tags geht's ihr schlimm und Nachts noch schlimmer,
Und es beschrieb' ein Mensch euch nimmer
Die Pein, die Aengsten und das Leid,
Das sie erduldet lange Zeit.
Mehr als zwei Jahre blieb sie so
Sie wurde keine Stunde froh;
Um den Geliebten klagt sie laut:
»Weh! daß ich jemals dich geschaut!
Nicht länger trag ich diese Noth,
Viel lieber duld' ich gleich den Tod.
Ich gienge, könnt ich nur entkommen,
Zum Meer, darauf du fortgeschwommen!«
Bei diesem Wort sprang sie empor
Und lief verzweiflungsvoll zum Thor,
Da war kein Riegel mehr zu sehn,
Sie konnte frei von hinnen gehn.
Kein einz'ger Wächter hielt sie auf,
Zum Hafen lenkte sie den Lauf, –
Und sieh, da lag das alte Schiff
Gebunden an ein Felsenriff.
Als sie es sah, stieg sie hinein,
Das Eine nahm ihr Sinnen ein;
Daß hier ihr Liebster einst ertrunken,
Zu Boden ist sie hingesunken,
Und konnte sie zum Bord sich wenden,
Sie würd' im Sprung ihr Leben enden.
Sie duldet Pein und Müh' genug,
Von dannen fährt das Schiff im Flug
Und landet auf breton'scher Mark,
Bei einer Burg gar schön und stark.
Der Herrscher über Burg und Land
War Herr Meriaduc genannt;
Der führte just zu dieser Zeit
Mit einem Nachbar Krieg und Streit.
Früh war er heute aufgestanden,
Zu ordnen seine Kriegerbanden,
Und als er durch ein Fenster sah,
Da kam ein Schiff dem Lande nah.
Dem Kämmerling hat er gerufen
Und stieg hinab die Wendelstufen;
Sie gehn zum Schiff in schnellem Lauf
Und klettern an der Leiter auf;
Da finden sie das schöne Weib,
Von Feenanmuth glänzt ihr Leib.
Er faßt sie bei des Mantels Schoß
Und führt sie mit sich auf sein Schloß.
Er freut sich seines Fundes sehr,
Denn sie war schön wie keine mehr;
Woher auch ihre Barke schwamm,
Er weiß, sie ist von hohem Stamm,
Und Liebe hat ihn ganz durchdrungen,
Nie hat ein Weib ihn so bezwungen.
Ihm saß ein Schwesterlein im Haus,
Ein Mägdlein lieblich überaus,
Die nahm den schönen Gast in Hut
Und ehrt sie wohl und dient ihr gut.
Man kleidet sie, man schmückt sie reich,
Doch immer bleibt sie trüb und bleich.
Der Ritter, der auf Liebe hofft,
Der kommt und spricht zu ihr gar oft,
Er wirbt um sie, sie kümmert's nicht,
Den Gürtel zeigt sie ihm und spricht:
»Ich liebe niemals einen Mann,
Der dieses Schloß nicht öffnen kann.«
Das war dem Ritter ungelegen,
Und hämisch sagt er ihr dagegen:
»So findet sich auch hier zu Land
Ein Ritter kühn und vielgenannt,
Der sich mit einem Hemd erwehrt
Jedweder Frau, die sein begehrt.
Am rechten Schoße sitzt ein Knoten,
Den, da zu schneiden ist verboten,
Kein Weib zu lösen je vermocht:
Mich dünkt, Ihr seid es, die ihn flocht!«
Sie seufzt, es wanken ihre Glieder,
Und wenig fehlt, so fällt sie nieder,
Er hielt mit Armen sie umspannt
Und schnürte auf ihr Hüftgewand,
Er müht sich eifrig unverdrossen;
Jedoch der Gürtel blieb verschlossen. –
Es kamen drauf von Nah und Fern
Als Werber viel der edlen Herrn,
Doch blieb ganz unnütz ihre Fahrt,
Das Schloß war von gar seltner Art.
So ist es lange Zeit geblieben,
Bis ein Turnei ward ausgeschrieben
Vom Herrn der Burg zu Trutz und Leid
Dem Feind, mit dem er lag im Streit.
Gar Manchem schickt er Boten dar,
Der Erste war Herr Gugemar.
Er lud ihn als Genossen ein,
Ihm seinen Beistand zu verleihn,
Er sollt's ihm dießmal nicht versagen,
Im Kampfe sich zu ihm zu schlagen.
Der Held in Pracht und Reichthum ritt,
Und hundert Herren ritten mit.
Der Wirth ließ der geschätzten Degen
In seinem Thurm gar trefflich pflegen.
Drauf sandt' er hin ein Ritterpaar
Zum Bau, wo seine Schwester war,
Und ließ sie bitten, daß sie käme
Und auch die Fremde mit sich nähme.
Sie thaten, wie er sie befandt,
Sie trugen köstliches Gewand
Und schritten Hand in Hand zum Saal;
Die Frau war bleich von inn'rer Qual.
Sie hört des Liebsten Namen sagen,
Die Füße wollen sie nicht tragen,
Zu Boden sänke sie vor Harm,
Hielt' sie das Fräulein nicht im Arm.
Aufstand vor ihr der edle Mann,
Er sieht die Frau und blickt sie an
Und ihre Mienen, ihre Sitten. –
Er tritt zurück mit zagen Schritten.
»Ist dieß mein Lieb,« sprach er betroffen,
»Mein Herz, mein Leben und mein Hoffen?
Die schöne Frau, die mich erkürt?
Wer aber hat sie hergeführt?
Ach, Thorheit nimmt den Sinn mir ein:
Wohl weiß ich ja, sie kann's nicht sein!
Die Frauen gleichen sich zu Hauf,
Umsonst reg' ich mein Sinnen auf,
Doch jener andern Dame wegen,
Der seufzend schlägt mein Herz entgegen,
Red' ich sie wohl mit Liebe an.«
Und vorwärts trat der edle Mann,
Er küßte sie zum Gruß sofort;
Doch sprach er drauf kein andres Wort,
Als daß er sie zum Sitzen lud.
Meriaduc bemerkt' es gut,
Der Anblick macht ihm viel Beschwer,
Und hämisch lachend redet er:
»Herr Ritter, sollt es Euch behagen,
Dies Fräulein hier wird es wohl wagen,
Euch Euer Hemde aufzuschlingen.
Laßt sehn, ob es ihr mag gelingen!«
Der Ritter sprach: »Ich füge mich.«
Er rief den Kämmerling zu sich,
Der seines Hemdes Wächter war.
Er sprach: »Nun reicht's dem Fräulein dar.«
Man legt's der Dame auf den Schooß,
Doch lange saß sie regungslos,
Wohl war ihr das Geflecht bekannt,
Ihr Herz war ängstlich eingespannt,
Zu lösen hätt' sie's gern gewagt,
Doch sie war schüchtern und verzagt.
Meriaduc durchschaute sie,
Herb ward sein Inn'res wie noch nie.
»Frau,« sprach er, »so versucht es doch,
Vielleicht Ihr lös't den Knoten noch!«
Als ihr dies Wort zu Ohren kam,
Das Hemd sie bei dem Schosse nahm
Und lös't ihn leicht mit schneller Hand,
Der Held stand wundernd festgebannt,
Nun kannt' er sie, doch glaubt er's kaum;
Ihm dünkt dies Alles wie ein Traum,
Und dieses Wort sprach er zu ihr:
»Seid Ihr's Geliebte, sagt es mir,
Damit ich meinen Augen traue,
Ist's Euer Leib, den ich erschaue,
Der Gurt, mit dem ich Euch umspannt?«
Er faßt nach ihrem Hüftgewand
Und fand den Gürtel unverletzt.
»Welch Abenteuer!« rief er jetzt,
»Find' ich Euch hier! Wer bracht' Euch her?
Wie kamt Ihr über's weite Meer?«
Sie sagt ihm all das Herzeleid,
Des Kerkers Noth und Traurigkeit,
Wie sie darauf dem Thurm entkommen
Und auf dem Schiff hieher geschwommen,
Wie sie Meriaduc geehrt,
Doch stets nach ihrer Huld begehrt.
»Nun, Freund, erneut ist all mein Glück,
Nehmt Euer treues Lieb zurück!«
Der Ritter sprang darauf empor.
»Ihr Herren, leiht mir euer Ohr!
Hier bin ich meinem Lieb' vereint,
Das ich verloren längst gemeint.
Nun bitt' ich den Meriaduc,
Er geb' sie huldvoll mir zurück.
Ich will dafür sein Lehnsmann sein,
Drei Jahr ihm meine Dienste weihn
Mit hundert Rittern treu und wahr.«
Meriaduc rief: »Gugemar,
Mein lieber Freund, was fällt Euch ein?
So steck' ich nicht in Noth und Pein,
Daß solchen hohen Kriegersold
Ihr hier von mir verlangen sollt!
Ich fand und halte sie mit Rechten
Und will sie gegen Euch verfechten!« –
Doch Gugemar rief zu den Rossen
All seine Mannen und Genossen.
Er sagt ihm auf zu Fehd und Streit,
Von seinem Lieb schied er in Leid.
Und alle Ritter in der Stadt,
Die man zum Fest geladen hat,
Führt Gugemar mit sich von dannen,
Sie dienen ihm wie seine Mannen
Und wollen gehn, wohin er gehe,
Und Schmach dem, der nicht zu ihm stehe!
Sie suchten noch zur Nacht vereint
Meriaducs geschwornen Feind;
Der nahm sie auf mit holden Mienen
Und ließ sie ritterlich bedienen.
Da sich der Held ihm zugewandt,
Weiß er den Sieg in seiner Hand.
Sie waren Morgens frühe wach
Und wappnen sich im Gastgemach,
Sie zieh'n durch's Thor mit lautem Schalle,
Der Held ist Führer über Alle.
Doch sicher saß Meriaduc
Und schlug den ersten Sturm zurück,
Da hat der Held die Stadt umrungen,
Nicht geht er, bis er sie bezwungen,
Zu ihm strömt Dienstmann und Vasall.
Durch Hunger kam die Stadt zu Fall,
Da ward von ihm das Schloß gebrochen,
Meriaduc im Kampf erstochen.
Heimführt er drauf sein Lieb in Frieden,
Und all ihr Kummer war geschieden.
Von dieser Mähre nun fürwahr
Schuf man das Lied vom Gugemar.
Zu Harf und Rotte singt man sie,
Und lieblich klingt die Melodie. |