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Am nächsten Morgen machten wir uns frühzeitig wieder auf den Weg.
Es regnete nicht mehr, der Himmel war blau, und dank dem trockenen Wind, der in der Nacht geweht hatte, gab es nur wenig Schmutz. Die Vögel zwitscherten lustig in den Gebüschen am Weg und die Hunde sprangen um uns herum. Von Zeit zu Zeit richtete sich Capi auf seinen Hinterbeinen in die Höhe und stieß ein mehrmaliges kurzes Bellen aus, dessen Bedeutung ich wohl verstand.
»Mut! Mut!« wollte es heißen.
Capi war ein sehr kluger Hund, der alles verstand und sich immer verständlich zu machen wußte. Oft habe ich sagen hören, es fehle ihm nur die Stimme, aber ich bin nie dieser Ansicht gewesen. Schon in seinem Schwanz allein lag viel mehr Geist und Beredsamkeit, als in der Sprache oder in den Augen gar vieler Menschen. Jedenfalls war zwischen ihm und mir die Sprache vom ersten Tag an überflüssig, denn wir hatten uns sofort verstanden.
Da ich nie aus meinem Dorf herausgekommen war, fühlte ich die größte Neugierde, eine Stadt zu sehen.
Ich muß gestehen, daß ich von Ussel nicht geblendet wurde; die alten Häuser mit ihren Giebeln und Erkern, die jedenfalls das Entzücken eines Archäologen gewesen wären, ließen mich völlig kalt, denn was ich in diesen Häusern suchte, war nicht das Malerische, sondern ein Schuhmacher.
War ja doch die Stunde gekommen, wo ich meine Schuhe, die mir von Vitalis versprochenen Schuhe, anziehen sollte!
Wo war der Laden, der sie mir liefern sollte? Für alles andre hatte ich keinen Sinn, und so ist denn auch die einzige Erinnerung, die ich an Ussel bewahrt habe, ein der Markthalle gegenübergelegener, finsterer, rauchiger Laden, in dessen Auslage ein mit silbernen Tressen und Achselstücken geschmückter Anzug, viele Lampen und rostige Schlösser und Schlüssel zu sehen waren.
Man mußte drei Stufen hinuntersteigen, und dann stand man in einem großen Saal, in den sicherlich kein Sonnenstrahl mehr gefallen war, seit man das Dach über das Haus gedeckt hatte.
Wie konnte etwas so Schönes wie Schuhe an einem so abscheulichen Ort verkauft werden!
Vitalis hatte indessen wohl gewußt, was er that, als er in diesen Laden trat, und bald hatte ich das Glück, meine Füße in ein Paar eisenbeschlagene Schuhe zu stecken, die mindestens zehnmal so schwer waren, als meine Holzschuhe.
Darauf beschränkte sich aber die Großmut meines Herrn keineswegs; außer den Schuhen kaufte er mir auch eine Jacke aus blauem Samt, ein Paar wollene Beinkleider und einen Filzhut – kurzum alles, was er mir versprochen hatte.
Es ist wahr, der Samt war spiegelig, die Wolle abgeschabt, und die ursprüngliche Farbe des durch Regen und Staub hart mitgenommenen Filzhutes nicht mehr zu erkennen, allein ich war doch geblendet von all diesen Herrlichkeiten und hatte kein Auge für ihre unter dem äußeren Glanz verborgenen Unvollkommenheiten.
Ich brannte darauf, diese schönen Kleider anzulegen, aber ehe er sie mir gab, nahm Vitalis noch Veränderungen an ihnen vor, die mich in schmerzliches Erstaunen versetzten.
Ins Wirtshaus zurückgekehrt, nahm er eine Schere aus seinem Rucksack und schnitt die beiden Beine meiner Hose in der Kniehöhe ab.
Als ich ihn verblüfft ansah, sagte er: »Das geschieht nur darum, daß du nicht aussiehst, wie alle andren Leute auch. Wir sind in Frankreich, und ich ziehe dich an wie einen Italiener; wenn wir nach Italien kommen, so kleide ich dich möglicherweise wie einen Franzosen.«
Da durch diese Erklärung mein Erstaunen nicht vermindert wurde, fuhr er fort: »Was sind wir? Künstler, nicht wahr? Komödianten, deren bloßer Anblick schon die Neugierde erregen soll. Glaubst du, daß uns, wenn wir nachher auf den Marktplatz gehen, die Leute ansehen würden, falls wir wie Bürger oder Bauern gekleidet wären? Nein, nicht wahr? Du mußt dir also merken, daß der Schein im Leben manchmal nicht zu entbehren ist; das mag sehr bedauerlich sein, ist aber nicht zu ändern.«
So wurde ich, der noch morgens ein Franzose war, abends in einen Italiener verwandelt.
Da meine Hose schon am Knie aufhörte, befestigte Vitalis meine Strümpfe mit roten Bändern, die er kreuzweise um mein ganzes Bein wand; auch auf meinem Filzhut brachte er andre Bänder an und schmückte ihn noch mit einem Strauß von Wollblumen.
Ich weiß nicht, was andre von mir gedacht haben können, aber, ehrlich gestanden, ich selbst fand mich prächtig, und damit mußte es wohl auch seine Richtigkeit haben, denn nachdem er mich lange aufmerksam betrachtet hatte, reichte mir mein Freund Capi mit befriedigter Miene die Pfote.
Der Beifall, den Capi der mit mir vorgenommenen Veränderung zollte, war mir um so schätzenswerter, als sich Herzblatt, während ich meine neuen Gewänder anlegte, vor mir aufgepflanzt hatte und alle meine Bewegungen in übertriebener Weise nachäffte. Als mein Anzug beendet war, hatte er seine Hände in die Hüfte gestemmt, den Kopf zurückgeworfen und war in ein spöttisches Lachen ausgebrochen.
»Nun, da dein Anzug in Ordnung ist,« sagte Vitalis, als ich meinen Hut aufgesetzt hatte, »können wir an die Arbeit gehen, damit wir morgen, am Markttag, eine große Vorstellung geben können, in der du zum erstenmal auftreten sollst. Ich muß dir also die Rolle einstudieren, die ich dir bestimmt habe.«
Mein erstaunter Blick sagte ihm, daß ich ihn nicht verstand.
»Ich meine die Rolle, die du bei dieser Vorstellung zu spielen hast. Ich habe dich nicht nur zum Spazierengehen mitgenommen, denn dazu bin ich nicht reich genug. Du sollst arbeiten, und deine Arbeit besteht darin, daß du mit meinen Hunden und Herzblatt Theater spielst.«
»Aber ich kann ja nicht Theater spielen,« rief ich erschrocken.
»Deshalb will ich dich's lehren. Du kannst dir doch wohl denken, daß Capi nicht von Natur aus so zierlich auf den Hinterfüßen geht, und daß Dolce ebensowenig zu ihrem Vergnügen Seil springt: sie haben es beide erst lernen und angestrengt und lange arbeiten müssen, um sich diese und andre Geschicklichkeiten, die sie zu guten Schauspielern machen, anzueignen. Auch du mußt arbeiten, um die verschiedenen Rollen zu lernen, die du mit ihnen spielen sollst. Fangen wir also an!«
Zu jener Zeit hatte ich von der Arbeit ganz kindliche Begriffe. Unter Arbeiten verstand ich einen Acker umgraben, einen Marmorblock spalten oder Steine behauen und konnte mir nichts andres darunter vorstellen.
»Das Stück, das wir aufführen werden, heißt: › Der Bediente des Herrn Herzblatt oder der Dümmste von beiden ist nicht der, den man dafür hält.‹ Der Inhalt ist folgender: Herr Herzblatt hat bis zu diesem Tag einen Bedienten gehabt, mit dem er sehr zufrieden war, und dies ist Capi. Aber Capi wird alt, und darum will Herr Herzblatt einen neuen Bedienten. Capi übernimmt es, ihm einen zu besorgen. Aber zu seinem Nachfolger wählt er keinen Hund, sondern einen kleinen Bauernjungen Namens Remi.«
»Nein, nicht wie du, sondern dich selbst. Du kommst von deinem Dorf, um in den Dienst des Herrn Herzblatt zu treten.«
»Die Affen haben aber doch keine Diener.«
»In den Komödien haben sie welche. Du kommst also, und Herr Herzblatt findet, daß du aussiehst, wie ein Schafskopf.«
»Das ist nicht angenehm.«
»Was kann dir das ausmachen, wenn es doch nur zum Spaß ist? Uebrigens stelle dir einmal vor, du kommest wirklich als Diener zu einem Herrn und er würde dich zum Beispiel heißen, den Tisch decken. Hier steht gerade einer, den wir in unsrer Vorstellung benutzen wollen. Tritt näher und decke den Tisch!«
Auf dem Tisch waren mehrere Teller, ein Glas, ein Messer, eine Gabel und weißes Tischzeug.
Wie sollte ich dies alles ordnen?
Als ich es mir überlegte und mit ausgestreckten Armen und offenem Mund vorwärtsgeneigt dastand, klatschte mein Herr in die Hände und brach in ein schallendes Gelächter aus.
»Bravo,« sagte er, »bravo, das ist ausgezeichnet. Dein Mienenspiel ist vortrefflich! Der Junge, den ich vor dir hatte, machte ein schlaues Gesicht und seine Miene sagte deutlich: ›Nun paßt einmal auf, wie gut ich den Dummkopf spiele!‹ Du sagst nichts, aber deine Naivetät ist bewundernswert.«
»Ich weiß nicht, was ich thun soll.«
»Und gerade deshalb bist du vortrefflich. Schon morgen wirst du genau wissen, was du zu machen hast, und dann mußt du dich der Verlegenheit erinnern, in der du dich jetzt befindest, und so thun, als ob du sie immer noch fühltest. Wenn du diesen Gesichtsausdruck und diese Haltung wiederfindest, so kann ich dir den besten Erfolg vorhersagen. Wen stellst du vor in meinem Stück? Einen Bauernjungen, der noch nichts gesehen hat und nichts weiß. Er kommt zu einem Affen und es findet sich, daß er ungeschickter und unwissender ist, als dieser Affe. Dümmer sein als Herzblatt – darin besteht deine Rolle; um sie ganz vollkommen zu spielen, brauchtest du nur das zu bleiben, was du in diesem Augenblick bist, da dies aber unmöglich ist, sollst du dich dessen erinnern, was du warst und es scheinen, da du es nicht mehr von Natur sein kannst.«
Der »Bediente des Herrn Herzblatt« war kein großes Stück, und die Vorstellung nahm nicht mehr als zwanzig Minuten in Anspruch, unsre Probe aber dauerte gegen drei Stunden. Vitalis ließ uns die gleiche Sache sechs, ja zehnmal wiederholen, die Hunde sowohl, als mich.
Ich war sehr überrascht von der Geduld und Sanftmut unsres Herrn. In unserm Dorf, wo Flüche und Prügel die einzigen Erziehungsmittel waren, die bei Tieren angewendet wurden, behandelte man diese ganz anders.
Vitalis aber wurde, so lange auch die Probe dauerte, nicht ein einziges Mal böse und fluchte nie.
»Kommt, wir müssen noch einmal anfangen,« sagte er strenge, wenn das, was er verlangt hatte, nicht gelungen war. »Das ist schlecht, Capi! Herzblatt, Sie passen nicht auf, ich werde Sie zanken müssen.«
Das war alles, aber es genügte.
»Nun,« fragte er mich, als die Probe zu Ende war, »glaubst du, daß du dich daran gewöhnen wirst, Theater zu spielen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Langweilt es dich?«
»Nein, es macht mir Spaß.«
»Dann wird alles ganz gut gehen; du bist verständig und, was vielleicht noch mehr wert ist, aufmerksam; mit Aufmerksamkeit und Folgsamkeit erreicht man alles. Sieh meine Hunde an und vergleiche sie mit Herzblatt. Herzblatt hat vielleicht mehr Lebhaftigkeit und Verstand, aber er ist nicht folgsam. Außerdem thut er das, was man von ihm fordert, nie mit Vergnügen; er würde sich gerne auflehnen und immer ärgert er einen. Das liegt in seiner Natur, und deshalb werde ich nicht böse auf ihn: der Affe besitzt nicht das Pflichtgefühl des Hundes und steht deshalb tief unter diesem. Verstehst du das?
»Ich glaube wohl.«
»Sei also aufmerksam, mein Junge; sei gehorsam; thue das, was du zu thun hast, so gut du irgend kannst. Das ist die Hauptsache im Leben!«
Während er so mit mir sprach, faßte ich den Mut, ihm zu sagen, daß das, was mich bei dieser Probe am meisten in Erstaunen gesetzt hatte, die unerschöpfliche Geduld sei, die er Herzblatt, den Hunden und mir selbst gegenüber an den Tag gelegt habe.
Da lächelte er sanft und sagte: »Man merkt, daß du bis jetzt unter Bauern gelebt hast, die hart gegen ihre Tiere sind und glauben, man könne diese nur mit dem Stock regieren. Das ist aber ein verhängnisvoller Irrtum, denn durch Rohheit erreicht man nur wenig, während man durch Güte viel, wenn nicht alles erreicht. Nur dadurch, daß ich nie bös gegen meine Tiere war, habe ich sie zu dem gemacht, was sie sind. Hätte ich sie geschlagen, so wären sie ängstlich, und die Furcht lähmt den Verstand; würde ich mich aber ihnen gegenüber haben vom Zorn hinreißen lassen, so wäre ich selbst nicht, was ich bin, und hätte mir auch nicht die Geduld zu eigen gemacht, die mir dein Vertrauen erworben hat. Wer nämlich andre lehrt, lernt selbst. Meine Hunde haben mir ebensoviel Lehren gegeben, als ich ihnen. Ich habe ihren Verstand entwickelt, und sie haben meinen Charakter gebildet, denn ein Hund steht unter dem Einfluß seines Herrn und ist beinahe dessen Spiegelbild. Zeige mir deinen Hund, und ich will dir sagen, wer du bist; der Dieb hat zum Hund einen Dieb, der unverständige Bauer ein grobes, der höfliche, freundliche Mann aber ein liebenswürdiges Tier.«
Meine Kameraden, die Hunde und der Affe, hatten mir gegenüber den großen Vorteil, daß sie schon daran gewöhnt waren, öffentlich zu erscheinen, und deshalb dem kommenden Tag ohne Furcht entgegensahen. Für sie handelte es sich nur darum, das zu wiederholen, was sie schon hundert- oder tausendmal gemacht hatten, aber mir fehlte ihre ruhige Sicherheit. Was würde Vitalis, was die Zuschauer sagen, wenn ich meine Rolle schlecht spielte!
Diese Sorge verscheuchte mir lange den Schlaf, und als er schließlich doch kam, sah ich im Traum lauter Leute, die sich die Seiten hielten vor Lachen – so verspotteten sie mich.
So befand ich mich natürlich auch am andern Morgen in größter Aufregung, als wir unsre Herberge verließen, um uns an den Platz zu begeben, auf dem unsre Vorstellung stattfinden sollte.
Mit hoch aufgerichtetem Haupt, stolz in die Brust geworfen, schritt Vitalis nach dem Takt eines Walzers, den er auf einer metallenen Pfeife blies, uns andern voran.
Hinter ihm kam Capi, auf dessen Rücken Herzblatt in der Uniform eines englischen Generals, mit Frack, roten, goldbetreßten Hosen und federgeschmücktem Zweispitz, zu sehen war.
Dann folgten in respektvoller Entfernung Zerbino und Dolce in einer Reihe.
Endlich beschloß ich den Zug, der dank der von unsrem Herrn angeordneten Zwischenräume einen beträchtlichen Platz auf der Straße einnahm.
Aber mehr noch als unser pomphafter Vorbeimarsch lenkten die gellenden Töne der Pfeife, die bis in die hintersten Stuben der Häuser drangen und Neugierde erregten, die Aufmerksamkeit der Bewohner Ussels auf uns. Man lief eiligst unter die Thüren, und alle Vorhänge an den Fenstern wurden schleunigst weggezogen.
Einige Kinder waren uns nachgelaufen, diesen hatten sich verwunderte Landleute zugesellt, und von einem wahren Gefolge umgeben, langten wir auf dem bestimmten Platze an.
Unser Theater war schnell errichtet; vermittels eines an vier Bäumen befestigten Seiles wurde ein längliches Viereck gebildet, in dessen Mitte wir uns aufstellten.
Der erste Teil der Vorstellung bestand aus verschiedenen, von den Hunden ausgeführten Kunststücken, von denen ich nichts mehr weiß, weil ich ganz mit der Wiederholung meiner Rolle und mit meiner Angst beschäftigt war.
Nur dessen erinnere ich mich noch, daß Vitalis die Pfeife mit einer Geige vertauscht hatte und auf dieser die Uebungen der Hunde bald mit einem Tanz, bald mit sanften, weichen Weisen begleitete.
Die versammelte Menge drängte sich um das Seil, und wenn ich zufällig um mich blickte, so sah ich eine unendliche Zahl von Augen auf uns gerichtet, die förmlich Strahlen zu werfen schienen.
Nachdem das erste Stück zu Ende war, nahm Capi eine kleine Holzschale zwischen die Zähne und fing, immer auf den Hinterpfoten gehend, an, bei dem »verehrten Publikum« die Runde zu machen. Fiel wo kein Sousstück in die Holzschale, so hielt er inne, setzte sie außerhalb des Bereiches des Publikums, in der Mitte des Kreises nieder, legte dem störrischen Zuschauer seine beiden Vorderpfoten auf die Brust, bellte zwei- oder dreimal und klopfte sachte auf die Tasche, die er offen haben wollte.
Dann wurden unter dem Publikum viele lustige Reden und Neckereien gewechselt.
»Ein gescheites Tier, dieser Pudel, er weiß, wer eine volle Hosentasche hat!«
»Er wird wohl blechen!«
»Fällt ihm gar nicht ein!«
»Die Erbschaft von deinem Onkel bringt dir's lang wieder ein!«
Und schließlich wurde ein Sous der Tiefe der Tasche entrissen, in der er sich verborgen hielt.
Unterdessen spielte Vitalis, ohne einen Blick von der hölzernen Schale zu wenden, lustige Melodieen auf seiner Geige, die er nach dem Takt auf und ab bewegte.
Herzblatt und ich sollten nun auftreten.
»Meine Damen und Herren«, sagte Vitalis, »wir setzen die Aufführung fort mit einem reizenden Schauspiel, das heißt: › Der Bediente des Herrn Herzblatt oder der Dümmste ist nicht der, den man dafür hält.‹ Ein Mann wie ich, erniedrigt sich nicht so weit, daß er seine Stücke und seine Schauspieler im voraus lobt! Ich sage Ihnen nur das: machen Sie Ohren und Augen weit auf und halten Sie Ihre Hände zum Beifallklatschen bereit!«
Was er ein »reizendes Schauspiel« nannte, war in Wahrheit eine Pantomime, das heißt, ein mit Bewegungen und nicht mit Worten dargestelltes Stück, was ganz in der Ordnung war, da die beiden Hauptschauspieler, Herzblatt und Capi, nicht sprechen konnten, und der dritte, das heißt ich selbst, vollständig außer stand gewesen wäre, auch nur zwei Worte hervorzubringen.
Um das Spiel der Komödianten etwas verständlicher zu machen, begleitete es Vitalis mit einigen erklärenden Worten.
So kündigte er auch, während er leise eine kriegerische Melodie ertönen ließ, das Auftreten von Herrn Herzblatt an, eines englischen Generals, der sich seinen Rang und sein Vermögen in den indischen Kriegen erworben hatte. Bis zu diesem Tag war Capi der einzige Diener des Herrn Herzblatt gewesen, aber von nun an wollte er sich von einem Menschen bedienen lassen, da ihm seine Mittel diesen Luxus erlaubten, außerdem waren die Tiere lange genug die Sklaven der Menschen gewesen; es war an der Zeit, daß der Stiel einmal umgedreht wurde.
In Erwartung des Dieners spazierte der General Herzblatt auf und ab und rauchte seine Cigarre dazu. Man muß gesehen haben, wie er dem Publikum den Rauch ins Gesicht paffte.
Der General wurde ungeduldig und fing an zornig die Augen zu rollen, biß sich auf die Lippen und stampfte mit dem Fuß.
Bei seinem dritten Stampfen sollte ich, von Capi geleitet, auf der Scene erscheinen.
Hätte ich meine Rolle vergessen gehabt, so würde der Hund mich daran erinnert haben. Im gegebenen Augenblick reichte er mir die Pfote und führte mich zu dem General.
Als dieser mich sah, hob er mit trostloser Miene beide Arme gen Himmel aus. Wie! Dies war der Bediente, den man ihm vorstellte? Dann kam er näher, starrte mir ins Gesicht und besichtigte mich achselzuckend von allen Seiten.
Seine Miene war so drollig, daß alles in Lachen ausbrach; man hatte verstanden, daß er mich für einen ausgemachten Schafskopf hielt, und die Zuschauer waren ganz seiner Ansicht.
Das Stück war darauf angelegt, meine Dummheit in allen möglichen Verhältnissen augenscheinlich zu machen; in jeder Scene mußte ich eine neue Tolpatscherei begehen, während Herzblatt dagegen Gelegenheit fand, seinen Verstand und seine Geschicklichkeit an den Tag zu legen.
Nachdem er mich hinlänglich betrachtet hatte, wurde der General von Mitleid ergriffen und ließ mir ein Frühstück geben.
»Der General glaubt, wenn dieser Junge etwas gegessen habe, werde er vielleicht weniger dumm sein,« sagte Vitalis; »wir werden das gleich sehen.«
Ich setzte mich also vor einen kleinen gedeckten Tisch, auf dem ein Teller mit einer Serviette stand.
Was sollte ich mit der Serviette anfangen?
Capi bedeutete mir, ich solle mich ihrer bedienen.
Nachdem ich mir die Sache hinlänglich überlegt hatte, schneuzte ich mich darein.
Darüber wollte sich der General fast totlachen, und Capi fiel vor Entsetzen über meine Einfalt auf den Rücken und streckte alle Viere in die Luft.
Als ich merkte, daß ich einen Mißgriff begangen hatte, betrachtete ich die Serviette aufs neue und sann darüber nach, wie ich sie verwenden sollte.
Endlich kam mir ein Gedanke; ich rollte das Tuch zusammen und machte mir eine Halsbinde daraus.
Darauf neues Gelächter des Generals, wiederholtes Umfallen Capis. So ging es weiter, bis der General außer sich geriet, mich vom Stuhl riß, sich an meine Stelle setzte und das mir bestimmte Frühstück aufaß.
Ach, der General verstand sich einer Serviette zu bedienen! Mit welcher Anmut steckte er sie ins Knopfloch und breitete sie über seinen Knieen aus, und mit welcher Eleganz brach er das Brot und handhabte sein Glas!
Den unwiderstehlichsten Eindruck brachte sein feines Benehmen aber hervor, als er nach beendetem Frühstück einen Zahnstocher verlangte und mit ihm in den Zähnen stocherte.
Von allen Seiten brach das Beifallsklatschen los und die Vorstellung endete mit einem wahren Triumph.
Wie klug der Affe war, und wie dumm der Bediente!
Auf dem Rückweg nach unsrer Herberge machte mir Vitalis dieses Kompliment, und ich war schon so ganz Schauspieler, daß ich mir auf dieses Lob viel zu gute that.