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Vierter Gesang.
Der Seekönig.

Aus Schwert und Spang', entsargt dem Erdenschoße,
Sprüht noch des Helden Seele, der es schwang,
Im Schild noch, der getrotzt dem Lanzenstoße,
Im Eisenpfeil. Es führt euch mein Gesang
An das Vandalengrab, das riesengroße,
Am fernen Seestrand, wo vom Untergang
Des ganzen Volks kein Stein mehr spricht im Grunde,
Und keine Sage geht und keine Kunde.

Von grimmen Thaten, ungeheurem Fluche,
Von Leiden, wie kaum je ein Herz erfuhr,
Lebt das Gedächtniß nur noch in dem Buche,
Im Denkmal einer fremden Sprache nur.
Mit Wehmuth las ich es; ich sucht' und suche
Aus längst verscholl'nen Worten Spur an Spur,
Ob von dem untergangnen Volksstamm wieder
Noch tönen irgendwo die alten Lieder.

Ach! blühte doch am Strom der Weltgeschichte
Nur eine Sage noch aus jener Zeit,
Und zeigte noch in ihrem eignen Lichte
Die tiefe Seele jener Welt, so weit,
So fern von uns, durch klügelnde Berichte
Entkleidet ihrer alten Herrlichkeit!
Ein Lied, ein mächtig Lied aus jenen Tagen,
Wie ließ es höher unsre Herzen schlagen!

Wie zärtlich, Epheu! schmückt dein Laub die Linde,
Den hohlen Stamm vom alten Ulmenbaum
Im tiefsten Schattendunkel. Hauch der Winde
Durchflüstert deine zarten Zweige kaum;
Du rankst um morsch Gestein mit grüner Binde,
Um alte Mauern wie ein Jugendtraum.
Verbunden mit der schwesterlichen Rebe
Umflogst du einst des Bacchusfestes Stäbe!

O nichts mehr heut von jener Träume Wiegen,
Geliebter Hain, in deiner Zweige Dom!
Ich seh' zum Ziel die grünen Kränze fliegen
Fern in Konstantinopels Hippodrom,
Um zu verherrlichen den Glanz von Siegen
Justinians, des Herrschers beider Rom,
Der selbst indeß der Göttin Unterjochter,
Der Schönheit ist, von Cyperns brauner Tochter.

Akazius, sein Wärter der Hyänen,
Sein Tigerbändiger und Löwenwart,
Sein Ordner bei den Festen der Arenen,
Lag eines Morgens ausgestreckt, erstarrt
Auf seinem Bett, auf seines Löwen Mähnen;
Die Sklaven haben ihm ein Grab gescharrt;
Und die drei Mädchen, die er Töchter nannte,
Verließen arm das Haus, und wie Verbannte.

Sein Kleinstes trug er oft wie eine Schlange
Im Circus auf den Schultern früh und spät,
Und sanft gelehnt an seines Vaters Wange,
Erschien es hold, und doch voll Majestät.
Die Panther krallten um die Eisenstange,
Und wie ein Mensch, der sich nicht gern verräth,
Sah'n scheu sich um wie blutbefleckte Sieger
Die beiden ungezähmten Königstiger.

Der Alte warf den Schlangen ihre Köder,
Ihr Fleisch den Katzen vor, und sprach kein Wort,
Und als er todt war, führten Fremde, Meder,
Den Elephanten und die Löwen fort.
Die Tage Theodora's wurden öder;
Man brachte sie nach keinem guten Ort.
Den Schwestern trug sie, fern vom Grab des Vaters,
Die Sessel nach am Eingang des Theaters.

Im Pfuhl der Stadt, im Schmutz der letzten Straßen,
Am lauten Tag bekränzt und bettelnd stehn,
Die Flöten und die Backen aufzublasen,
Das war der Aermsten Loos. Wenn müd vom Gehn
Die Schwestern vor dem Hofthor niedersaßen,
Ward Theodora's Mimik noch gesehn,
Doch mehr, weil ihre Reize mehr gefielen,
Als ihr Geberdenspiel und Flötenspielen.

Wenn ihre Schwestern in den Reigentänzen
Sich Ruhm erwarben, und manch' goldnen Kranz,
So war's, wie vor den Tigern einst zu glänzen,
Ihr Loos jetzt – vor dem Pöbel von Byzanz.
Das Unglück aber sah von jenen Kränzen
Hernieder zu der stillen Thränen Glanz;
Und ein Erbarmer der gefallnen Seelen
Verwandelte die Thränen in Juwelen.

Und eines Tags, an dem in vollem Glanze
Der ganze Hof und ganz Byzanz erschien,
Erblickte man in einem neuen Tanze
Zum erstenmal die schöne Ionierin.
Sie stellte Daphnen dar, sie ward zur Pflanze,
Zum Lorbeerbaum, und schien noch so zu fliehn;
Des Kaisers Blicke liebten auszuruhen
Auf ihrer Füße goldgestickten Schuhen.

Als sie darauf vom Beifallsruf der Scenen
Verschwunden war, und eine wilde Nacht
Der Sünden und des Elendes mit Jenen,
Die kein Erbarmen kannten, zugebracht,
Empfand ihr Herz mit einemmal ein Sehnen
Nach einem neuen Dasein, und die Macht
Der Reue über ihr vergangnes Leben
Ließ heiße Thränen ihrer Brust entbeben.

»Zu Schiffe!« rief ihr Käufer ohne Gnade,
Der reiche Syrier Eccebolus,
Und als er nach dem lyrischen Gestade
Mit ihr dahinfuhr, flehend um den Kuß,
Den theuer er erkauft, sieh' da, gerade
Auf seines flog ein Boot im Wogenschuß,
Und Alles schrie: »Wir werden's schwer bezahlen,
Seeräuber sind es, Herr! es sind Vandalen!« –

»Setzt alle Segel bei, spannt eure Bogen!
Wehrt euch!« – »Vergeblich, Herr, wir sind zu schwach!«
Und näher kam's, und sausend hergeflogen
Hoch in den Wellen sprang's, und jetzt ein Krach,
Ein Donner und ein Sturz gewalt'ger Wogen,
Es brach das Zelt, es sank das Purpurdach,
Und aus den Fluthen, eisern, auf's Verdecke,
Und schuppig wie ein Meergott, sprang ein Recke.

Als ob der Augenblick ihm Alles sage,
Ergriff den Syrier seine Faust, er schwang
Und warf ihn in das Meer. Mit stummer Frage,
Und leuchtend ruhten seine Blicke lang
Auf Theodora, daß sie bleich und zage
Vor ihm zu Boden sank. Die Fluth schon drang
Bordüber, – Beide fühlten doch kein Grauen,
Versunken Eines in des Andern Schauen.

Gebannt von seiner Augen strengem Blitze,
Las sie das Staunen, das darinnen stund;
Wie solchen Schönheitsglanz die Welt besitze –
Sie sah es nicht, daß schon vom Meeresgrund
Der Tod herauf an ihre Wangen spritze,
An ihre Wimpern, und den bleichen Mund,
Dagegen dem Vandalen schien das Tosen
Der Wogen nur ein Jauchzen und ein Kosen.

Erst als die Fluth sie fortzureißen drohte,
Umschlang er sanft der Griechin schönen Leib,
Und trug sie so hinüber nach dem Boote.
Die Seinen schrieen; »Gelimer! dieß Weib
Ist eine Buhl'rin, straf' sie mit dem Tode!«
Er aber sprach; »Nein, diese Meerfei bleib'!
Dort in Byzanz setz' ich sie ans Gestade,
Dann mag sie gehn, und suchen Gottes Gnade!«

Beschwingten Laufs durchfuhr das Schiff die Welle,
Erreichte das Gestad', und setzte dort
Die Griechin aus an einer öden Stelle,
Dann wandte sich's, und blitzschnell fuhr es fort.
Sie sah um sich, da war nicht Baum noch Quelle,
Nur spärlich Gras, vom Sonnenbrand verdorrt,
Und Klippen nur und Felsen, eine Wüste –
Die lautlos, todt und finster sie begrüßte.

Umklammernd lag sie, zitternd an die Steine
Ihr pochend Herz gepreßt, voll Seelenqual.
Bei Tagesfrüh, beim letzten Sternenscheine
Erreichte sie die Stadt verhüllt – befahl,
Und weihte bei der ärmsten Christgemeine
Den Kranken sich. Die unerhörte Wahl,
Der Eifer, den die Büß'rin bald bewiesen,
Ward überall bekannt, und laut gepriesen.

Indeß sie so dem Glück der Welt verloren,
In Noth und Armuth büßte die Vergehn,
Ward betend einst vor seiner Hofburg Thoren
Die Fromme von Justinian gesehn,
Und von dem ersten Römer auserkoren,
Rief ihr ein Wink zu nah'n. Sie trat vor den,
Zu dessen Weib der Himmel sie berufen,
Und bald mit ihm hinan des Thrones Stufen.

Erleuchtet schien von pechgefüllten Pfannen
Byzantiums Burg, in heller Kerzen Strahl.
Vom Tage der Verlobung an begannen
Die Feste, Spiel auf Spiel, und Mahl an Mahl.
Und ehe denn zwölf Monde noch verrannen,
Schwur, Gott zum Zeugen und die heil'ge Zahl,
Der Orient in demuthsvoller Scheue
Justinian und Theodoren Treue.

Doch in Konstantinopel ging die Sage,
Vermählt hat sich ein Dämon, der in ihr
Das Schwert der Macht und die gerechte Wage
Verdunkelt durch die Flamme der Begier,
Am Tag der Traurigkeit, am düstren Tage,
Wo Niemand sagt; der Friede sei mit dir! –
Es herrscht ein Schattenbild, und eine Leiche,
Und eine Larve herrscht im Morgenreiche.

Sie hieß im Volk die Zauberin Alceste.
Doch war es sie, die nicht das Reich vergaß,
Und seines Herrschers Ruhm im Rausch der Feste,
Und stets bewies, daß Muth ihr Herz besaß.
Indeß Justinian die Palimpseste
Des alten Roms und seiner Tafeln las,
Ward Afrika dem Reich zurückgewonnen
Durch einen Mann, so tapfer als besonnen –

Durch Belisar. Wie nur so kühnem Traume
Ein hohes Glück den Siegeslohn verhieß,
Da von dem Atlas bis zum Küstensaume
Die Riesen wachten vor dem Paradies,
Und glorreich hing am stolzen Palmenbaume
Der neuen Argonauten goldnes Vließ?
Kometen gleich schien auf dem Meer zu strahlen
Das Flammenschwert des Königs der Vandalen.

Es klangen aber bald hernach die Lauten,
Wo sonst den Schlachtmuth wach die Harfe rief,
Und ein Geschlecht entstund, das in den Bauten
Von Marmorstein auf seidnen Polstern schlief.
Die Kampflust und der Heldensinn ergrauten,
Im Seegrund ankerten die Schiffe tief,
Und täglich rollten goldne Wagenräder
Von Lüsten Trunkne nach dem Qualm der Bäder.

Das Scepter Geiserichs war morsch geworden,
Sein Leichnam lag gesargt im Meeresgrund,
Und anfing Hunerich, sein Sohn, zu morden,
Und mordend auf den Thron stieg Gunthamund.
Wenn aber kam ein Sturmwind aus dem Norden,
Dann murmelte der Wasser tiefer Schlund,
Und durch Karthago's Schloß und seine Säulen,
Und in den Hallen hörte man ein Heulen.

Des Nordens Sonne war aus ihren Bahnen
Gerissen in des Südens fremde Gluth,
Und wandelte die Milde der Germanen,
Sich selbst zerfleischend, um in wilde Wuth –
In tollen Wahnsinn rasender Titanen.
Die Wüste trank das meergeweihte Blut
Der fremden Schwäne, die daher in Schaaren
Durch's Blau der Fluth im Flug gekommen waren. –

Der wilde Hunerich beschloß sein Leben,
Und sah vergeblich seiner Morde Saat,
Da seinem Neffen ward der Thron gegeben,
Des Genzo zweitem Sohn; nach diesem trat
Zur Herrschaft Thrasamund, deß hohes Streben
Gewaltig rang um eine große That,
Ein heilig Bündniß sollte mit dem seinen
Das Volk der Gothen unverbrüchlich einen.

Den Bund besiegelnd vor den Friedensboten,
Trat Amalfrida, die die Schwester war
Theodorichs, des großen Ostrogothen,
Mit König Thrasamund zum Traualtar;
Sechstausend Ritter waren aufgeboten
Zur Brautfahrt, und als Mitgift dar
Ward von Theodorich ein Berg mit Reben,
Ein Vorgebirg Siciliens gegeben.

Sie tranken, segelnd, aus den Goldpokalen,
Mit hoher Lust Siciliens Feuerwein,
Beseliget von seiner Sonne Strahlen,
Und ihre Diener gruben in den Stein:
»Hier steht die Mark der Gothen und Vandalen,
Die Grenzmark, und sie soll es ewig sein;
Kein Land sei zwischen beiden Völkern streitig,
Und Hand und Schwert stets hülfreich gegenseitig.«

Gestade der bukolischen Gesänge!
Cypressen um des Dichters dunkles Grab!
Ihr hörtet messen jetzt der Waffen Länge,
Anstatt der Rhythmen nach dem Sängerstab!
Wohin der reiche Römer vom Gedränge
Der Stadt entflohn, der Muße sich ergab,
In Plato's Sonnentraum, im Geist versunken,
Ward jetzt ein Leben wach, von Siegslust trunken.

Der Völker Einigkeit war kaum errungen,
Als Thrasamund, noch jung, die Augen schloß,
Und Hilderich zum Throne kam, entsprungen
Von Hunerich aus Eudoxias Schooß,
Da sie vermählt ward, aber nur gezwungen
Mit eines Feindes Sprossen, und ein Loos
Der Knechtschaft theilte mit den Strahlen
Im Kronreich einer Fürstin der Vandalen.

Der Mutter Eigenschaften überwogen
In Hilderichs Gemüth, der sanft und zart,
Von Griechen nur gebildet und erzogen,
Entfremdet ward von seines Volkes Art.
Was galten ihm die Lanzen und der Bogen?
Der Raubzug, und im Sturm die kühne Fahrt?
Der Gunst des Imperators werth zu werden,
Erschien ihm als der höchste Preis auf Erden.

Schon an dem Tage, da zu seiner Krönung
Der neue Herrscher in den Wagen stieg,
Fiel Antlitz, Sprache, Tracht und Angewöhnung
Dem Volk mißfällig auf, und nicht ein Krieg
Mit Ruhm geführt, trug irgend zur Versöhnung
Und zu des Königs Ansehn bei, kein Sieg
War um ihn her und keine Waffenbeute,
Nein, Weihrauch nur und kirchliches Geläute.

Auch kamen Wechsler, um das Erz zu wägen,
An seinen Hof, und ihnen ward erlaubt,
Selbst aus dem Schatz der Krone Geld zu prägen,
Und Münzen mit des Griechenkaisers Haupt!
Es war, als ob noch drauf die Tatzen lägen
Der Löwen, die das Gold aus Rom geraubt,
Der Mannen Geiserichs, der treuen Alten,
Die grimmig suchten, fest das Gold zu halten.

Den Riegel hatte Niemand noch bezwungen,
Der vor dem Schatzgewölbe hing bis jetzt,
Von Schlangen war der Leuchter Arm umschlungen,
Der Schalen Bauch von Otterbrut besetzt. –
Doch als die Byzantiner eingedrungen,
Ward ausgesucht, gewogen und geschätzt,
Ein Grieche Sersaon, des Königs Pächter,
Besah den Schatz mit stillem Hohngelächter.

Es lagen da vom Capitol die Ziegel,
Die Statuen, mit Goldschmuck angethan,
Er schmolz es Alles in dem Flammentiegel
Zu Münzen um, geschätzt nach Loth und Gran.
Dann prägte man darauf des Kreuzes Siegel,
Und grub darüber ein: »Justinian,«
Und alles beugte sich in Anerkennung
Der höchsten Macht bei dieses Namens Nennung.

Nur der nicht, der die Münzen sonst geschlagen,
Des Schatzgewölbes Hüter, er nur mied
Das Haupt zu beugen, der in frühern Tagen
Ein Krieger war und wackrer Waffenschmied.
Sonst hatte er mit eingeprägt aus Sagen
Manch Runenwort, manch altes Zauberlied,
Damit des Goldes Macht der Königskrone,
Dem Stern und Namen ewig innewohne.

Nun war das aus, und wenn er sich beklagte:
»Das neue Werk verdiene wenig Lob,«
So lächelte nur Hilderich und sagte:
»Das Erz von früher war zu rauh und grob,
Auch war's die Form, die niemals uns behagte;«
Und eine von den neuen Münzen hob
Der König dann empor, und pries die Reinheit
Des Erzes, des Gepräges Glanz und Feinheit.

»Wo wir mit diesem neuen Gold bezahlen,
Eröffnet sich uns Handel und Verkehr,
Vandalen! wollt ihr ewig nur Vandalen,
Barbaren bleiben? Nein und nimmermehr!«
»Herr!« sprach der Meister dann, »die Sonnenstrahlen
Des Hofes von Byzantium blenden sehr!«
»Es ist schon gut,« warf Hilderich mit Güte
Dagegen ein, »bleib du nur treu, und hüte!«

Unmuthig schritt nach einem Fels des Strandes
Der Münzer dann, und sah betrübt hinaus:
»Der wahre König, ach, ist außer Landes,
Und fährt allein dahin im Meergebraus,
Er will nicht Zeuge sein des Unbestandes,
Der Untreu und der Schmach in seinem Haus.
O Gelimer! kehre heim, ersehnt vom Volke,
Verscheuche du die drohend schwarze Wolke!«

Allabendlich, wenn lautes Volksgedränge
Am Meerdamm wogend auf und niederschwoll,
Ertönten auch dazwischendurch Gesänge,
Der alten Kön'ge Ruhm und Preis erscholl.
Da sang man alte Kriegs- und Waffengänge,
Und eine Harfe klang noch ins Geroll
Der Brandung ein, und ließ durch ihre Saiten
Den Namen »Gelimers,« des Tapfern, gleiten.

Lief aber dann und wann von fremder Küste
Ein Schiff im Hafen ein, dann ward gefragt:
»Wer etwas von dem theuren Helden wüßte?«
Da wurde nun bald dieß, bald das gesagt;
Von einem, daß er eine Seemacht rüste –
Von Andern, daß er einen Raub gewagt,
Bis vor der Griechen Hauptstadt hingekommen,
Und dort ein reiches Kaufschiff weggenommen.«

Zuletzt war überall bekannt geworden,
Daß ihn Bewohner von Tartessus sahn
Vorübersegeln auf umerzten Borden,
Und daß er seinen Vorsatz kund gethan:
Zurückzukehren nach dem fernen Norden,
Der alten Heimath zu auf dunkler Bahn.
So trübe Kunde nahm den letzten Schimmer
Der Hoffnung, wie es schien, dem Volk für immer.

Vor Anker aber lagen stets befrachtet
Die Schiffe Sersaons mit Oel und Wein,
Des Königs Güter waren ihm verpachtet,
Und sein Vertrau'n besaß nur er allein.
Es war gleich ihm kein Fürst so hoch geachtet,
Und nicht nur war die Macht im Reiche sein,
Sogar das Vorbild aller Huld und Milde,
Der Königstochter Herz, der schönen Hilde.

Mit feinem Sinne Kunst und Pracht verwebend,
Erschuf er jeden Reiz für Aug' und Ohr;
Da stiegen Gärten rings, das Schloß umgebend.
Auf seinen Wink wie zauberhaft empor,
Da spielten Brunnen, anmuthvoll belebend,
Um Lorbeerbäume vor dem Marmorthor,
Wie Geister eilig, folgten tausend Diener
Auf jedes Wort dem mächt'gen Byzantiner.

Und in den Lauben, in den goldgeschmückten
Gemächern, von Cypressenholz erbaut,
Lag liebend in den Armen des Beglückten
Die Tochter seines Herrn, und seine Braut.
Die Blicke der Vandalen zückten
Voll Hohnes nach ihm hin, und sprachen laut
Verachtung aus, doch Hilderich belohnte
Nur um so mehr den Mann, den Keiner schonte.

Gebrochnes Licht warf zwischen Gitterstäben
In duftendes Gemach den Dämmerschein,
Da lag der König Hilderich, umgeben
Von Lautenspiel und Tanz. Er lag allein,
Auf Polster hingelehnt, und flinke Heben
Und Schenken reichten ihm den Samoswein,
Geringelt floß sein Haar in brauner Welle
Auf seidne Tuniken und Pantherfelle.

Ein syrisches Gewand von weißer Seide,
Und wie ein Schleier wallend leicht und los,
Lag über seinem golddurchwirkten Kleide,
Das eng und knapp sich um die Glieder schloß.
Im Gürtel blitzte funkelndes Geschmeide,
Und ein gekrümmtes Schwert auf seinem Schooß;
Im Lorbeerkranz um seine Stirne schienen
Smaragde zwischen Perlen und Rubinen.

Zu seltner Schönheit war die weiche Milde
Der Mutter mit des Vaters strenger Art,
Des Südens Anmuth, und das Starke, Wilde,
Des Nordens Kraft, in Hilderich gepaart,
Doch näher kam dem sanfteren Gebilde
Gestalt und Antlitz. Schlank und weichlich zart,
Und dunkel nur des Auges tiefe Flamme,
Erschien der letzte Sproß vom alten Stamme.

Ein Springquell, plätschernd in die Marmorbecken,
Goß Kühlung aus, und gab den Blumen Thau.
»Was zittert deine Hand, was setzt in Schrecken
Mein schönes Griechenkind? O, du bist schlau,
Du liebst, ich weiß, ich soll es nicht entdecken.
Befürchte nichts! Ist denn mein Wort so rauh?
So streng mein Blick? Komm', reiche Bacchus Gabe,
Für seine Liebe fürchte nichts dein Knabe.«

»Ach Herr! vernimmst du nicht das wilde Toben,
Das uns die Luft vom Strand herüberweht?«
»Hat sich,« frug Hilderich, »ein Sturm erhoben?
Ich will den Heiligen ein Dankgebet
Für die Bedrängten auf dem Meer geloben.
Was ist das, wie? – dein banger Blick verräth
Ich will es wissen, sprich …« und bei dem Worte
Betrat schon Sersaon des Saales Pforte.

»Auch dein Blick,« rief ihm Hilderich entgegen,
»Auch dein Blick ist umwölkt, sprich, was geschah?«
»Der Aufruhr,« sagte dieser, »wird sich legen,
Sobald die Feinde …« »Feinde, sagst du?« »Ja!
Den Mauren ist dein stolzes Heer erlegen,
Und diese drangen siegestoll bis nah
An unsre Grenze, ja vielleicht schon weiter,
Denn wie der Sturmwind sind des Atlas Reiter.«

»Ich will, daß eine Heeresschaar sich rüste,
Sogleich ins Feld zu ziehn, und hieher dann
Befiehl die Truppen von der Meeresküste.
Doch wie der Aufruhr, sage mir, begann?
Ich möchte nicht, daß ich bestrafen müßte,
Da ich so gern verzeihe, wenn ich kann.«
»Das Volk,« sprach Sersaon, »vor deinen Thüren
Verlangt, du sollst es selbst zum Kampfe führen.«

»Ich soll?« rief heftig Hilderich. »Ich flöge
Wie gern zum Streit den Meinigen voran,
Doch wenn ich so, gedrängt, mit ihnen zöge,
So schien's, gezwungen nur hätt' ichs gethan.
Jetzt laß sie wissen, daß ich nicht mehr möge.
Sprich, würde jemals wohl Justinian
Sich seiner höchsten Willensmacht begeben?«
»O nie,« rief Sersaon, »nicht um sein Leben!«

»Gut denn; besetz' die Thore zum Palaste
Mit Bogenschützen, und verkünde laut:
›Der Herrscher duldet nicht das Angemaßte,
Er ist gewöhnt, daß ihm das Volk vertraut.‹«
Er sprach's, und Sersaon, der längst Verhaßte,
Vollführte den Befehl. Es ward kein Laut
Dagegen reg, erstickt war jede Stimme
Vor innerlichem, tief verhaltnem Grimme.

Voll Zornes schlug das Herz in manchem Manne,
Wie durch die Straßen dann der Grieche flog,
Auf goldnem Wagen mit dem Dreigespanne,
Und lächelnd kaum sein Haupt zum Gruße bog.
Als ob ein Zauber ihn zur Stelle banne,
Was war's, das seine Blicke niederzog?
Daß seine dunklen Augen sprühn wie Flammen?
Sein Lenker hält, und fährt erschreckt zusammen.

Denn mitten in dem Wege stund ein Alter,
Der einen Uhu trug und einen Pfau,
»Seht,« rief er, »seht des Königs Sachverwalter,
Er trägt sein reich gefärbtes Kleid zur Schau,
Rathschläge gibt er bunter wie ein Falter,
Der Andre sieht am Tage nicht genau,
Sonst flög' er auf, und eilte den zu packen,
Und ihm die falschen Augen auszuhacken.«

Gelächter scholl, man rief; »Werft ihn mit Feigen
Den Feigen!« Andre schrien: »Es ist Achill,
Der ist es, der die Demuth und das Schweigen
Dem Volke der Vandalen lehren will.«
So drang man ab und zu mit Schrei'n und Zeigen,
Kaum hielt noch sein Gespann der Lenker still,
Da scheu und schnaubend vor dem Angedränge
Die Pferde sich verwirrten in die Stränge.

»Nur zu!« rief Sersaon, »nur zugefahren!«
Und hob sein übermüthig Haupt empor,
»Werft ihm die Hacke nach den grauen Haaren,
Die Reden büße mir der alte Thor!«
Die Antwort war ein Murren in den Schaaren,
Doch seine Scythenwache sprang hervor,
Und schlug auf Alle, die den Kreis umstunden,
In dem der Alte plötzlich schien verschwunden.

Bei jedem Schlag, bei jedem ihrer Streiche
Erscholl ein Angstgeschrei, schon hier und dort
Sah man ein Weib bei einer theuren Leiche,
Die trug den Sohn, die ihren Gatten fort.
Jetzt flogen Steine, einer traf die Weiche
Des Griechen: »Schonet nichts mehr,« klang sein Wort,
Und durch die Straße, bis in Hof und Wohnung
Drang seine Schaar, und würgte ohne Schonung.

Zu gleicher Zeit lief, sausend durch die Wogen,
Ein Schiff im Hafen ein mit vollem Lauf.
Es hielt; die Segel wurden eingezogen,
Erfüllt ward – doch zu Kauf nicht und Verkauf –
Das Deck mit Männern, denn nur Speer und Bogen,
Und schwere Schilde trugen sie herauf.
Sie springen ans Gestad in hellem Stahle,
Und stehn, und horchen auf mit einemmale.

»Horcht! Klang das nicht wie Hülferufen?«
Rief Gelimer, und rasch vom Schiffsbord jetzt
Mit einem Satze sprang er auf die Stufen
Des Hafendammes. – »Horch! Wird hier gehetzt
Auf wilde Thiere? Nein, ich ahn', sie schufen
Uns übeln Willkomm. Jenes Thor besetzt!
Kommt! meine Widersacher sind es wieder,
Die schlauen Griechen, seht die Ränkeschmieder!«

Zerbrochnes Rüstzeug, Waffen und Geschoße,
Bedecken schon die Straße, wo sie nahn,
Wo sie Verwundete vom Lanzenstoße,
Vom Rosseshuf Gequetschte liegen sahn.
»Sagt, welcher Fremdling, welcher riesengroße,«
Rief Sersaon bestürzt, »dringt dort heran?«
Das Volk, noch eh das Wort entflohn, erkannte
Den Mann, den Jeder nur mit Freuden nannte.

Begrüßt von tausendfachem Zuruf, schaffte
Sich durch die Menge Bahn sein Eisenschritt,
Als schon den Greis die Wache niederraffte,
Und mit sich fortriß unter Stoß und Tritt,
Daß ihm die Stirne bald von Wunden klaffte.
»Halt,« rief da Gelimer, »halt, nehmt mich mit!«
Die Scythen, scheu vor seinem Donner, hielten
Die Bogen hoch, und legten an und zielten.

Doch Sersaon gab einen Wink der Wache,
Sie wich zurück, und sanft zu Gelimer
Sich wendend, sprach der Grieche: »Diese Sache
Ist nicht des Lärms werth; deine Wiederkehr
Erfreut uns hoch.« – »Nein, Sühne, zehenfache,«
Rief der Vandalenfürst, und wog den Speer –
»Heischt diese That. Ihr wagt's, das Volk zu hetzen,
Und freie Männer schimpflich zu verletzen?

Von deinem schönen Arm die goldne Spange,
Und diesen Gürtel will ich,« fuhr er fort,
»Daß seine Buße dieser Greis empfange.«
Der Grieche ließ ihm Beides ohne Wort,
Und peitschte sein Gespann zu raschem Gange.
Um Gelimer, als ihrem Schirm und Hort,
Stund jubelnd Volk, und dankend der Befreite,
Und Alles gab ihm segnend das Geleite.

Mit Freude sah es wiederum ein Zeichen,
Daß seiner sich noch annahm eine Macht,
Denn Enkel Geiserichs – und ihm zu gleichen
War Gelimer bedacht. In heller Nacht,
Als König Hilderich mit allen Reichen
Und Hohen seines Hofes saß in Pracht,
Geschah an Gelimer von seinem Ahnen,
Von Geiserich, ein wundersames Mahnen.

Den Sarg zersprengend, seines Leichnams Kerker,
Erschien ihm des Seekönigs Geist im Sturm,
Und in den Wirbeln brüllte der Berserker
Zu seinem Enkel, der aus hohem Thurm
Ins wilde Meer hinabsah von dem Erker.
Er schoß als ein beschwingter Drachenwurm
Um seine Segel her, als sollten Schrecken
Die Seelen der Getreuen auferwecken.

Bei Mimen ließ, und bei den Maskenzügen
Des griechischen Theaters, währenddem
Der König Hilderich sein Herz Vergnügen,
Um seine Stirn ein blitzend Diadem,
Den Purpur um die Schultern. Strenge Rügen
Vernahm man leise. »Weh, Jerusalem!
Dein König huldigt fremden Götzen, Lanzen
Und Schwerter sind ihm weniger als Tanzen!«

Hereintrat Gelimer. Er warf verächtlich
Die Blicke nach der Bühne: »Welch ein Glück!
Dein Königsansehn,« rief er, »steigt beträchtlich.
O Hilderich, es war ein schlechtes Stück,
Das eben aufgeführt ward, und das nächtlich
Sich fortspinnt über unserm Land.« – »Zurück,«
Bat Hilderich, »nur jetzt, nur jetzt nicht störe
Den Einklang des Gesanges unsrer Chöre.«

»O Gelimer! Wir sind in dem Palaste
Geringer als die Fremden angesehn,«
Rief Amalfrida, die den König haßte,
Die Wittwe Thrasamunds. »Komm, laß uns gehn!«
Sie sprach's, indem den goldnen Stab sie faßte,
Auf den gestützt sie pflegte dazustehn,
Und höhnisch und mit finstern Augenbrauen
Dem Schauspiel der Byzanter zuzuschauen.

«Ha,« zürnte Hilderich in vollem Grimme,
Und sein so mildes Antlitz überflog
Ein Zug von Hunerich, dem Vater: »Schlimme!
Es war das letztemal, daß mich betrog,
Ich weiß nicht welch ein Klang in eurer Stimme,
Der nochmals euch zu schonen mich bewog.
Zieh heim in deiner Gothen Land, entweiche
Von meiner Schwelle, fort aus meinem Reiche!

Und dir, mein Neffe Gelimer, dir gebe
Der Krieg in Mauritanien zu thun,
Ich will dich nicht mehr sehn, so wahr ich lebe,
Ein Geist wie deiner darf nicht müßig ruhn.« –
»Ich danke,« sagte Gelimer, »ich strebe
Nur nach dem höchsten Ruhme noch von nun. –
Die Krone,« sprach er leise, »soll es gelten,«
Und ritt durch's Burgthor: »Zu den Kriegsgezelten!«

Nacht war's, doch hell die Sterne sah er scheinen,
»Es will ein Ende,« sprach er still zu sich,
»Sonst fällt das ganze Volk durch Schuld des Einen,
Ja dich vom Throne stürz' ich, Hilderich.«
Im Flug vorüber an den Meilensteinen
Trug ihn sein Roß, und eh die Nacht erblich.
Erschien er schon an eines Heeres Spitze,
Und trieb den Feind in seine Felsensitze.

Verwirrung war und wilder Streit indessen
Noch immer im Palast Carthagos, gohr
Und wuchs zu heller Zwietracht auf, vergessen
War augenblicklich Spiel, Gesang und Chor.
»Verrucht ist euer Haß und höchst vermessen,
Nachdem ich Amalfrida dich beschwor
Zu ruhn,« rief Hilderich, »wagst du es wieder.
So schnüren noch die Ketten deiner Glieder.«

Und Amalfrida warf, Verwünschung sprechend,
Den Stab zu Boden auf den Marmorgang,
Der hell und klirrend in zwei Stücke brechend,
Und tönend wie ein Saitenspiel zersprang.
»Entzwei!« rief sie. »Und so zerbrech' mich rächend
Der Bund, der mein und euer Volk umschlang.
Herbei ihr Gothen, stoßet ihn vom Throne
Den Bastard, reißet ihm vom Haupt die Krone!«

Die stolze Gothin stund in ihrem Hasse
Wie eine böse Norne da, so bleich.
Schon dröhnten durch Gemächer und Gelasse
Die Panzer ihrer Gothen, und zugleich
Entfloh durch Thür und Thor die Menschenmasse.
Schon flog ein Schlachtenbeil zum ersten Streich
Um Hilderich empor, sein Haupt zu spalten,
Kaum mehr von Sersaon zurückgehalten.

Nun aber drangen unter wildem Heulen
Des Königs Wachen ein, und kein Verzug,
Sie schwangen grimmig Schwert und Eisenkeulen.
Kein Ausweg, keine Flucht – und dennoch trug
Die Gothenschaar, sich deckend hinter Säulen,
Die Königin auf ihren Schultern, schlug
Sich muthig durch, drang in die Straßenreihe,
Und stürmte durch Carthagos Thor ins Freie.

Trompetenschall gab in der Stadt das Zeichen,
Und rief aus ihrer Ruhe Mann und Roß,
Die stille Nacht, erweckt von Schwertesstreichen,
Sah nun erfüllt das weite Königsschloß,
Die Treppen und den Saal von Blut und Leichen. –
Indessen stund, umringt vom Dienertroß,
Der König Hilderich und ohne Regung,
Verstummt in finstrer stolzer Ueberlegung.

Das Beil war über seinem Haupt geschwungen,
Er hatte nicht gezuckt, nicht als um ihn
Die Schwerter blitzten, die Verwünschungen
Amalafridas gegen Himmel schrien.
Nun als er seine Feinde sah bezwungen,
Sprach seine Lippe nicht: »Es sei verziehn.«
Die Königin befahl er auszusetzen
Auf ödem Fels, den rings die Wogen netzen.

Es war zur Stunde, wo das Anbeginnen
Des Tages Nacht und Dunkel überwand,
Der Wächter auf des Königshauses Zinnen
Erspähte bald die Fliehenden am Strand.
Sie schienen nun zu rasten und zu sinnen,
Wohin sie fliehen sollten aus dem Land,
Sie mußten den Gebirgen oder Fluthen
Sich anvertrauen, oder hier verbluten.

Der Wächter zeigte durch die Dämmerungen,
Und sprach zu König Hilderich: »Sieh hin!
Dort sind sie, schau, sie sind nun bald umrungen.« –
»Sie können zu den Mauren noch entfliehn,
Des Atlas Schlünde sind noch unbezwungen;
Allein so wahr ich Herr im Lande bin,«
Rief Hilderich, »gebt Acht, daß jenem Weibe
Kein Fußbreit Raum für ihre Ränke bleibe.«

«Triumph!« rief Sersaon, »sie kann nicht weiter,
Nun tränkt den Sand mit ihrer Treuen Blut!
Geschwind zu Pferd, ihr schnellen Scythenreiter,
An euch ist's, auszurotten jene Brut!«
Er sprach's, und seine Blicke flogen heiter
Nach Osten hin, wo jetzt des Tages Gluth
Hervorbrach, aber Jenen am Gestade
Kein Segel zeigte, keinen Strahl der Gnade.

»Theodorich!« rief Amalfrida, »wenn das Rufen
Von meiner Todesstunde dringt zu dir,
So bete für mich an des Kreuzes Stufen,
Und sprich: Nimm ihre Sünden, Herr, von ihr!
Jetzt auf zum Kampf, ich seh' von Rosseshufen
Den Staub emporgeweht, schon sind sie hier!
Wer mich verlassen will, mag von mir gehen,
Und um ein Joch bei König Hildrich flehen.«

»Wir nimmer,« riefen wie mit einem Munde
Die Helden alle, stellten sich bereit
Und kämpften, kämpften bis zur späten Stunde.
Es war ein langer, heißer, blut'ger Streit.
Die Letzte sank mit tiefer Todeswunde,
Die Königin, dahin. Vergessenheit
Umwand ihr Loos; vollständig ausgerungen
War ihres Lebens Kampf, und dann – verklungen.

Im Süden zog indeß, dem sonnverbrannten,
Marusiervolk entgegen Gelimer.
Es war ein leichter Sieg, die Feinde wandten
Zum Fliehen sich nach kurzer Gegenwehr.
Allein wie schlau dieß Fliehen war, erkannten
Die Truppen nur zu bald; denn mehr und mehr
In Wüsteneien gelockt, gequält vom Durste,
Erlitten sie nur Mühsal und Verluste.

Und in Carthago ward nach wenig Tagen
Von Gelimer die Botschaft eingebracht:
»Gott sei's geklagt, mein Ohm, ich bin geschlagen
Und auf dem Rückzug vor der Feinde Macht.
Entsende mir an Streitern, Roß und Wagen
Verstärkung nach, es gilt noch eine Schlacht.
Entsende mir die besten deiner Krieger,
Du siehst mich nimmer, oder nur als Sieger.«

»Soll ich,« frug Hilderich, »Verstärkung senden?«
»Du gäbest ihm die Waffen in die Hand,
Sie gegen uns, so bald er will, zu wenden,«
Rieth Sersaon; doch Hilderich bestand
Nun plötzlich fest darauf: »Den Krieg zu enden
Ist unsre erste Pflicht, sonst murrt das Land.«
Und also schickt er ohne weitre Sorgen
Die besten Truppen schon am nächsten Morgen.

Und Mond um Mond war unterdeß vergangen,
Und wieder sah der König Hilderich
Dem Spiel der Mimen zu, die Chöre sangen,
Die Flöten tönten, und er beugte sich
Zu Sersaon, und frug ob eingefangen
Der Löwe wurde, der die Stadt umschlich,
Und in den Heerden würgte. »Vor den Thoren,«
Ward ihm zur Antwort, »tödteten ihn Mohren.«

«Und hast du noch kein Gegengift gefunden,«
Frug Hildrich weiter, »gegen jenes Gift,
Worin der Mauren Pfeil getaucht, die Wunden
So tödtlich macht? Sag', hilft da keine Schrift,
Kein Amulet im Gürtel umgebunden?
Und jeder ihrer gift'gen Pfeile trifft?
Wie mancher Sieg ward uns dadurch entrissen,
Worin dieß Gift besteht, wer mag es wissen?«

»Es quillt von einem Baum im Archipele,«
Sprach Sersaon. »In diesem Zaubersaft,
Und dann, weil unsre Pferde die Kameele
Und ihren Anblick scheun, besteht die Kraft
Des Feindeheers. Doch, daß ich's nicht verhehle,
Du weißt, was mir weit größre Sorge schafft –
Wie nun, wenn Gelimer die Mauren schlüge,
Und siegreich gegen uns die Waffen trüge?«

»Wirkt jenes Gift so rasch, so laß uns hoffen.
Anstatt zu fürchten. Angst und Eifersucht,«
Sprach lächelnd Hilderich, »ich sag' es offen,
Sind schrecklicher, als jenes Baumes Frucht;
Doch wisse; Gelimer erlag, getroffen
Von einem Feinde, der noch auf der Flucht
Ihn mit der Spitze seiner Waffe …« – »Jede
Bringt Tod,« fiel Sersaon ihm in die Rede.

»Doch wie sich das, o Herr, auch wenden möge,
Schon nähert sich ein Kriegsschiff von Byzanz,
Das wie ein Cherub dir zu Hülfe flöge.
O stiegst du dann an Bord, du sähst den Glanz
Constantinopels, und Justinian zöge
Dich an sein Herz; er drückte dir den Kranz
Des Oelzweigs auf. Ja, laß es mich gestehen.
Er liebt dich, und er hofft dich noch zu sehen.«

»Ich weiß es, aber sieh', die Pantomimen
Beginnen wieder,« rief der König froh;
»Jetzt zeigt sich uns beim Glanz der Fackel Hymen.
Ist's Helena, die dort dem Mahl entfloh?
Und Paris folgt mit Schritten, wie sich ziemen,
Der Schönen nach.« – »Das sieht man nirgendwo
Als in Byzanz so trefflich,« gab ihm nickend
Der Freund zur Antwort, ängstlich um sich blickend.

Gewaltig war das Klatschen aller Hände,
Als jetzt der Chorgesang begann. – »Genug!«
Rief eine Donnerstimme. »Macht ein Ende!« –
»Kommt Gelimer, um uns zu stören?« frug
Todtbleich der König, dem es war, ihn sende
Ein böser Geist. »Ich, der die Feinde schlug,«
Rief Gelimer, »entsetze dich, und nehme
Carthagos Macht nebst deinem Diademe.

Du hieltest mich für todt, du Thor, und saßest
Bei diesem stummen Spiele da, wobei
Ein halber Gott zu sein du dich vermaßest,
Als ob kein Feind an deiner Grenze sei.
Ich aber schlug den Feind, den du vergaßest.
Nun helfe nichts mehr dir dein Hülfgeschrei,
Und kein Justinian mit seinen Räthen,
Auch wenn sie mich für dich um Gnade baten.«

Im gleichen Augenblick entthront, in Ketten,
Und auch verurtheilt sah sich Hilderich,
Beraubt der Macht, die treue Schaar zu retten,
Die seinem Schutz vertraute mehr als sich.
»O!« rief er aus, »anstatt auf Purpurbetten,
So wirst auch du dereinst, Empörer! dich
In Fesseln auf den Boden niederstrecken,
Und nichts mehr haben, um dich zu bedecken.

Die Sanftmuth hat man oft an mir gepriesen,
Sie war es, die dich mir zum Feind gemacht,
Sie werde dir dereinst von dem erwiesen,
Der unser Loos beherrscht mit höchster Macht.«
Sein Wort erstarb, denn tausend Hörner bliesen:
»Heil Gelimer, dem Könige der Schlacht!«
Hingegen den Entthronten in die Nächte
Des Kerkers führten fort die Henkersknechte.

Ein langer Blick, von tiefem Schmerz umschattet,
Fiel noch auf seine Tochter, die wie er
Am Boden lag, von Todesangst ermattet.
Der Schmerz um ihn erdrückte sie so sehr;
Ein Blick zum Himmel war ihm noch gestattet,
Sonst aber ward es dunkel um ihn her,
Und nur bei Sturm und nahem Ungewitter
Schoß eine Schwalbe vor sein Kerkergitter.

In tiefre Nacht, getrennt durch sieben Ellen
Der dicken Mauer, die den Thurm umschloß,
Ward Sersaon von seinen Porphyrschwellen
Hinabgeschleudert aus des Glückes Schooß.
Es brausten über ihm dahin die Wellen,
Ein unaufhörlich murmelndes Getos,
Und an den Wänden kam mit leisen Flossen
Die stumme Brut des Meers vorbeigeschossen.

Und war ein Schiff gescheitert an den Klippen,
Die Trümmer stießen an den Kerker an,
Gebrochne Masten und zerborstne Rippen,
Und sagten: »Wir auch waren hoch daran!«
Dann kam von des Gefangnen bleichen Lippen
Das leise Wort: »Es wird noch aufgethan.«
Und »Klagt,« rief Hilderich von seinem Thurme
Zum Flug der Möven, und zum Blitz im Sturme.


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