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Zweites Buch.

Erster Gesang.
Die Vandalen.

Aëtius, edler Abkunft, hochgepriesen,
Patricier, Sieger in so mancher Schlacht,
Der Jahr für Jahr mit Reiten, Bogenschießen
Bei Hunnen und bei Gothen zugebracht,
Aëtius war vom Land der Nordlandsriesen
Nach Rom zurückgekehrt, und seine Macht,
Sein Ansehn ward durch wunderbare Sagen
Von jenem fernen Land noch mehr getragen.

Er brauche, hieß es, nur ein Wort zu sagen,
So stünd' sogleich ein Hunnenheer bereit,
Im Augenblicke für ihn loszuschlagen,
Denn jene Wilden gingen in den Streit
Zwar wie die Löwen, doch befall' ein Zagen
Die Kühnsten selbst, wenn Unterwürfigkeit
Ein Blick nur von Aëtius gebiete;
So scheu' des Geistes Uebermacht der Scythe.

Ein Wink, und wie dem Lenker seine Pferde
Gehorchten tausend Stämme seinem Halt;
Auch war Aëtius mächtiger Geberde,
Von schönem Antlitz, ragender Gestalt.
Ein Mann der That und Großer dieser Erde
Besaß er auch zugleich die Allgewalt
Der vom Gewicht der That getragnen Rede
Im Schmeicheln wie beim Ruf zu Kampf und Fehde.

Obgleich er einst mit einem der Verschwörer
Im Feld gestanden gegen Reich und Thron,
So galt doch bald bei Heer und Volk kein höh'rer,
Kein theurer Held als er, und halb mit Hohn
Begann er zu Placidia: »Den Empörer
Sieh hier, Tod wäre sein verdienter Lohn;
Sieh reuig ihn zu deinen Füßen knieen,
O sprich es aus, du habest mir verziehen!«

Placidia auf den Thron gestützt, im Glanze
Der höchsten Würde, fühlte nie wie jetzt
Die Dornen unter dem verdächt'gen Kranze
Der Schmeichelei und zögerte verletzt:
»Biegt endlich, biegt sich diese stolze Lanze? –
Und welche Bürgschaft,« fragte sie zuletzt,
»Wenn wir verzeihen, bietest du der Krone?«
Aëtius sprach hierauf mit stolzem Tone:

»Es wird dein Heil sein! Keiner von mir lernte
Die Rom bedrohende Gefahr wie ich;
Die lange Frist, die mich von Haus entfernte,
Ward meine Lehrerin, und lehrte mich
Den Stahl zu schärfen, eh' es kommt zur Ernte.« –
»Verziehn sei Jedem, der nur einmal wich,«
Entgegnete Placidia, »doch die Treue,
Die niemals wankt, steht höher als die Reue.«

»Wird eine solche Treue noch gefunden?«
Erhob Aëtius sich und sah umher.
»Sie lebt uns,« sprach Placidia unumwunden,
In Bonifacius!« »Ha nur ewig der!« –
Rief wild Aëtius – »eh ein Jahr entschwunden,
So überführ' ich ihn.« – »Das möchte schwer,«
Warf ihm Placidia ein, »dem Satan fallen.«
»Er sucht ihn,« rief Aëtius, »ihn vor allen.

Du hast ihn überhäuft mit Glück und Gnade,
Du hast ihn über Afrika gesetzt,
Und an dem paradiesischen Gestade
Gebeut er wie ein Perserkönig jetzt.«
»Ach!« rief Placidia schmerzlich aus, »wie schade,
Daß so der Neid dich stolzen Mann verhetzt,
Daß du vor unsrem Thron es konntest wagen,
Den Treuesten der Treuen anzuklagen.«

»Er fällt,« rief Jener, »dieß mein Haupt zum Pfande.
Wir wissen, jedes Schwert hat seinen Preis,
Und Jeden ein Versucher an dem Bande,
Womit er ewig ihn zu fesseln weiß.«
Er sprach's und bog nach sanftem Widerstande
Auf ihre Hand die Lippen stürmisch heiß,
Dann schritt er weg, schwang sich vor Ehrgeiz sprühend
Aufs Pferd und ritt hinweg voll Hoffnung glühend.

So kam er bald, versunken in Gedanken,
In rauhes Waldgebirg, auf einmal brach
Ein Stein vom Pfad, der donnernd durch die Ranken
Vor ihm zum Abgrund flog. Aëtius sprach:
»Der stürzt und bringt mich nicht einmal zum Wanken,«
Und sah dem Felsstück in die Tiefe nach,
Und seine Seele las mit kühnem Blicke
Aus diesem Zeichen künftige Geschicke.

Aus einmal schien durchs Dickicht und Gerölle
Von wo der Fels hinabgebrochen war,
Ein Dämon aufgestiegen aus der Hölle,
Ein Unhold aus Gehennas finstrer Schaar.
»Ha!« rief Aëtius, »fordert schon die Zölle
Der Abgrund und die Nacht?« »Ich, ja fürwahr,
Ich such' dich,« sprach der Dunkle, »dich zu mahnen;
Kennst du den Verimod noch, den Alanen?

Weißt du noch, welchen Dienst ich dir erwiesen.
Als du bei Hunnen lebtest vielgeehrt,
Daß ich dein Meister war im Bogenschießen?
Das Roß der Steppe tummeln dich gelehrt?
Du wolltest mir dafür den Sinn erschließen
Für eure Sprache, die den Geist bewehrt,
Und die durch bloße Worte Größ'res schaffen,
Und mehr bezwingen kann als hundert Waffen.

Du gingst, so daß ich dich nicht wieder schaute,
So plötzlich gingst du von den Hunnen fort;
Doch nie vergaß ich dein und jener Laute.«
»Und wie,« fiel ihm Aëtius ins Wort –
»Wie kamst du hieher?« »Mich betraute
An dich ein Volk von Carthagenas Port,
Mich senden die Vandalen, daß du richtest,
Und ihre Zwiste mit den Gothen schlichtest.

Denn stürmend von den südlichen Gebirgen
Gönnt uns der Gothe nicht die Friedensruh',
Wir tödten uns beständig, wir erwürgen,
Ja wir vernichten uns einander, du
Hab' Friede mit uns Allen, du nimm Bürgen,
Und von uns Allen Ruhm und Preis dazu;
Was du befiehlst, soll gelten, soll uns Allen,
Dem einen wie dem andern Theil gefallen.«

Er schwieg, und wie zum Zeugniß seiner Worte
Erscholl ein ferner Donner, bei dem Schein
Des Blitzes sahn sie sich vor einer Pforte,
Ein alter Tempel stund noch hier im Hain;
Von dem als Heidenbau verrufnen Orte
War Alles längst geflohn. Sie traten ein
Und fuhren, während die Gewitterbäche
Herniederbrausten, weiter im Gespräche.

»Wißt,« hub Aëtius an und zog daneben
Sein Pferd ins Innere des Tempels nach,
»Nachdem Athaulf durch Mord verlor sein Leben,
Ward Wallia Gothenkönig und versprach
Sein ganzes Reich an Rom zurückzugeben;
So ward es ihm bestätigt. Welche Schmach,
Wenn statt für ihn und für den Gottesfrieden,
Wenn wir für euch, Verwüster, uns entschieden!«

»Verwüster?« lachte bitter der Alane,
»Verwüster? Ja! Zu wilder Raubbegier
Trieb uns die harte Noth mit grimmen Zahne.
Umirrend, unstät wie das wilde Thier
Und stets entrollt des Ungemaches Fahne,
Was blieb uns andres? Konnten wir dafür,
Daß unsre Väter einst verlassen hatten
Die Heimathflur und ihrer Eichen Schatten?

Wir fanden uns in jenen Niederungen
Des Donaustroms, auf jener Tummelbahn
Der Völker, ihrem Leichenfeld, umrungen
Von Feinden überall, wohin wir sahn;
Hier war die Geißel gegen uns geschwungen,
Dort war ein Thor, ein goldnes, aufgethan,
Wir aber sahn, daß durch die offne Thüre
Ein breiter Weg in Joch und Knechtung führe.«

»Doch schlugen,« sprach Aëtius, »bis zum Strande
Des Meers sich Viele durch, umschifften kühn
Europas Küsten, Vorgebirg und Lande,
Sahn Inseln, sahn der Nilstadt Palmen blühn,
Die Säulen und die Sphinx im Sonnenbrande,
Und langten an nach tausendfachen Mühn
Im Heimathland und fanden in den Hainen
Der Väter Runenschrift, aus grauen Steinen.«

»Uns Andern rief dem Stelicon entgegen
Der Ruf des Radagast,« sprach Verimod.
»Du weißt es, weißt auch wie sein Heer erlegen,
Und was davon entkam aus Noth und Tod,
Zog Gallien zu auf drei verschiedenen Wegen.
Noch steht vor meinem Blick das Feuerroth,
Als hungernd, tief im Winter unsre Schaaren
Am Rheinstrom angekommen waren.

Am Meilenstein der Römerstraße haltend
Sah Godigisel sein Vandalenheer
An sich vorüberziehn, das, sich entfaltend
Das Thal durchschritt, ein blitzend Lanzenmeer.
Aus einmal drang, den Gegenzug gestaltend
Von Süden her, ein zweites, Speer an Speer
Und beiden gegenüber zog ein Drittes
Noch größ'res Heer heran gewalt'gen Schrittes.

Erschüttert klang das Thal von Kampfsignalen.
Am Kreuzweg sahn sich plötzlich hier mit eins
Die Könige der Sueven und Vandalen
Mit ihren Völkern gegenüber; keins
Wußt' von des andern Ziel, ein Halt befahlen
Die Fürsten, sprengten an den Bord des Rheins,
Indem sie sich mit wildem Blicke maßen,
Rasch auseinander los auf beiden Straßen.«

›Wollt ihr den Uebergang uns wehren? Brücke
Und Fährlohn,‹ hallte Godigisels Ruf,
›Ist unsre Waffe; weichet Sueven!‹ ›Zücke
Zu früh nicht, wenn dir Odin Weisheit schuf,‹
Rief ihm der Sueve zu, ›sonst möcht' in Stücke
Dein Goldreif unter meiner Pferde Huf
Zertreten werden, eh' du mit den Schaaren
Hinüber dringst, das sollst du bald gewahren.‹

›Krächzt, ihr vom Hunger ausgebälgte Geier!‹
Versetzte Godigisel, und darauf
Der Sueve; ›Wolf, auch wir sind da als Freier
Um jene Schneebraut; nehmt es mit uns auf!
Doch wenn dein Blick dringt durch die Nebelschleier,
Sieh über jenen Strom, deß rascher Lauf
Gebändigt unter Eis ruht; drüben harren
Die Waffen, die euch Tod entgegenstarren.‹

›Versucht, ob ihr hinüberkommt, die Pfeile
Der Franken wehren euch den Uebergang.‹
Es schwieg der Suevenkönig eine Weile
Und Godigisel sah hinüber, schwang
Um's Haupt dann seinen Speer und rief: ›So theile
Gefahr und Sieg mit uns!‹ – ›Ein reicher Fang
Blüht uns dafür,‹ ward ihm zur Antwort – ›Beute,
Und Land genug und Hirsch- und Bärenhäute.‹

Tief Winter war's, die Sonne warf nur spärlich
Durch Schneegewölk die Strahlen karg und bleich,
Und wie zur Wintersonnwendzeit alljährlich
Lag so mit Eis umstarrt das Wogenreich,
Daß selbst für Trotz und Wagen ungefährlich
Der Uebergang erschien. Nun schritt zugleich
Zum Strom hinab in seiner Eisumbrüstung
Vandal' und Suev' in Wehr und Waffenrüstung.

Doch drüben stellt der Gallier Land zu wahren,
Die Franken auf ihr König Gundoald.
Als jene mitten auf dem Strome waren,
Empfängt sie aus dem nahen Tannenwald
Ein Hagel Pfeile, aber neue Schaaren
Ersetzen der Gefallnen Reihe bald,
Die ganze Fläche schon erfüllt mit Streitern,
Mit Leichen sich, mit Wagen, Roß und Reitern.

Heiß war der Kampf, schon wich und sank zur Rüste
Die Sonne früh hinab in trübem Roth;
Als noch einmal ihr Blick die Wipfel küßte,
Da flammt es auf, des Ufers Waldung loht;
Und nun: »Bald büßt ihr euer Raubgelüste!«
Rief Gundoald und rasch auf sein Gebot
Entlodern auf dem Strom gehäufte Dämme,
In Scheiterhaufen hingeworfne Stämme.

Ein Siegsgeschrei erhoben da die Franken,
Da sie das Eis vom glühend heißen Wehn
Erweicht und unter den Vandalen wanken
Und brechen sehn, und die zu Grunde gehn.
Dagegen stürmt in eine ihrer Flanken
Ein Reiter ein, dem nichts mag widerstehn,
Dem scheu die Gluth selbst weicht, wo durch die engste
Waldnacht er sprengt auf seinem braunen Hengste.

Wie helle Flamme blitzt in seinen Händen
Der hochgeschwungne Stahl, sein Haar, sein Bart
Scheint lautre Flocke aus den Feuerbränden.
Um ihn, an ihm ist alles Feuerart,
Und Trotz wie dieß beut allen Widerständen,
Wie stark die Feinde stehn, wie dichtgeschaart
Sein würgend Schwert. Wer ist der Schlachtenfrohe,
Ist's Surtur selbst in seiner Flammenlohe?

Zwei Söhne hatte Godigisel, Recken
Gewalt'ge waren beide, Geiserich
Und Gontharich; als Geiserich die Decken
Des Stroms vom Gluthhauch, der darüber strich,
Durchlöst gesehn, und wie aus weite Strecken
Die Fluth herausdrang, alles sank und wich,
Da rief er: ›Weiter abwärts laßt uns bahnen
Den Weg hinüber, folget mir, Alanen!‹

Wo sanft der Strom sich biegt um einen Hügel,
Da hatten wir, hinschreitend durch die Nacht,
Und sorglich jeder Mann sein Roß am Zügel,
In kurzer Frist den Uebergang vollbracht.
Jetzt aus! das Schwert gezogen, in die Bügel!
Und fort und wie aus Flügeln in die Schlacht!
Wir kamen an, als schon von unsern Schaaren
An Tausende versenkt, erschlagen waren.«

»Wir ritten durch; aus beiden Seiten brannte
Der Wald um unsern Pfad, in Funken stob
Die Gluth, die wie mit Flügeln uns umspannte,
Ein Drache, dessen Rachen Feuer schnob.
Als unser Blick ins freie Thal sich wandte
Und froher jeder Mann sein Schwert erhob,
Da rächen wir die Tausend, die geblieben,
Mit dreifach von der Wuth verstärkten Hieben.

Rasch ist der Sieg in unsre Faust gegeben,
Und Geiserich kam hier durchs Schlachtgefild,
Wo Gontharich, sein jüngrer Bruder, eben
Vom Rest des Heers gekührt ward aus dem Schild;
Denn todt lag Godigisel. Stumm ergeben
Stund Geiserich – sein Blick nur rollte wild;
Als man ihn sieht, den Alles todt schon glaubte,
Streckt jede Hand sich aus nach seinem Haupte.

Er weist sie kurz zurück, erhebt die Leiche
Des Vaters auf sein mächtig Pferd, erfaßt
Des Bruders Hand und spricht: ›Nun sind die Reiche
Des Südens dein! Voran! gönn' keine Rast
Dem Schwert, schließ weder Frieden noch Vergleiche,
Bis du sie alle dir erobert hast.‹
›Führ!‹ rief das Heer als Geiserich gesprochen,
Und schleunig ward zum Fortzug aufgebrochen.

Nach Gallien ging's; auf meilenweite Strecken
Ward unser Heerszug angesagt mit Blut.
An hundert Städte rauchten auf, der Schrecken
Ging vor uns her, und nach uns kam die Gluth.
Doch ewge Nacht soll jene Zeit bedecken!
Wir lernten bald als höh'res Erdengut
Die Pflugschar schätzen statt des Mordstahls, lernten
Anstatt der Blutsaat den Ertrag der Ernten.

Hinabgestiegen von den Pyrenäen
Bebauten wir und schon im nächsten Jahr
Das reiche Land; da sah man Diese säen,
Und Jene bei den Heerden, eine Schaar
Bei Hammer und Gewerb, die andre mähen.
Bei uns ist Gunthrich König, Hormigar
Herrscht bei den Sueven und dem Volk nach Loosen
Vertheilten sie das Land, das neue Gosen.

Es wurden neue Richterstühle, neue
Gesetze festgestellt; bald fügten auch
Die Eingebornen selbst, nicht mehr in Scheue
Vor ihren Siegern sich dem neuen Brauch.
Die römische Bedrückung, Ungetreue
Und Tyrannei wich vor dem Frühlingshauch
Zwar einer armen, rauhen, aber wahren
Und edlen Freiheit unter uns Barbaren.

Sie kamen vom Gebirg, wo sie verborgen
In Höhlen, zitternd, mondenlang geweilt,
Nachdem sie flüchtig Haus und Hof in Sorgen
Verlassen hatten, wieder heimgeeilt
Der dritte Theil von ihrer Aecker Morgen
Ward uns den Fremden willig zugetheilt;
Für sie und uns vollbrachten spät und frühe
Die Arbeit wir dafür mit leichter Mühe.

Die Gothen höhnten uns mit finstrem Neide,
Sie wollen, sagten sie, nicht Nachbarn sein
Von Männern, die dem Waffenglanz die Weide,
Dem Schall der Hörner vorziehn die Schalmei'n.
Es kam zum Streit, zum blutigen Entscheide.
Im Anfang war das Glück mit unsern Reihn,
Doch bald vom schwer erkauften Sieg gelichtet,
Sahn wir uns übermannt und schier vernichtet.«

»Bring,« sprach Aëtius, »den Nationen,
Bring den Entscheid von mir den Völkern; sag',
Die Gothen sollen im Gebirge wohnen,
So weit es Rosse nährt, und wo Ertrag
Der goldnen Aehre reist, doch wo die Kronen
Der Palme schaun am nie bewölkten Tag
Aufs blaue Meer, durchblitzt von Sonnenstrahlen,
Da gründet euren Wohnsitz, ihr, Vandalen!

Dort mögt ihr eurem Elemente zollen,
Dem Meer, das unstät ist gleich euch und wild,
Das Schiff soll euer Roß, die Wogen sollen
Die Schollen, das ergiebige Gefild
Für eure Thatkraft sein, der Brandung Rollen,
Der Sturmwind, eures Sinnes Ebenbild! –
Ob ihr dann Kauffahrtei treibt oder raubet,
Wer fragt darnach? – ich wahrlich nicht, das glaubet.«

Aëtius hielt inn', er sah gelichtet
Die Anker schon und sein Gedanke war
Mit einemmal nach Afrika gerichtet.
»Genug jetzt,« rief er, »gehe nun, Barbar,
Ich hoff', es werde euer Streit geschlichtet.«
Sie trennten sich. Ein Plan, wenn auch nicht klar,
Doch schon der Reise nah zum finstern Werke
War schon der Zielpunkt seinem Augenmerke.

Denn dazumal ward Afrika verwaltet
Durch Jenen, der so hoch ihn übertraf;
Zwar gleich an Muth, gleich kühn und hochgestaltet,
War Bonifacius, Carthagos Graf,
Nur war sein Kriegsruhm reicher schon entfaltet,
Und strenger noch sein Sinn, der treu und brav
Placidien bisher und ihrem Sohne
Sich stets erwiesen als ein Schirm dem Throne.

Gefürchtet, bis zur Grausamkeit erhaben
War seine Kriegszucht. Einstens trat vor ihn
Ein armer Mann und sprach: »Von allen Gaben
Hat eine nur der Himmel mir verliehn,
Ein reifes Glück – ich hab' es heut begraben,
Es war mein Weib, die Treue ist dahin.
Ein Mann aus deiner Kriegsknecht Schaar entehrte
Mein Haus, dir klag ich's laut – der Unbewehrte.«

»Komm morgen wieder vor mit deiner Klage,«
Rief Bonifacius aus, »und auf mein Wort
Du sollst zufrieden sein; wie hieß er, sage,
Der dich beschimpft? Schon gut!« und hastig fort
Zu Pferde stieg er. Als am andern Tage
Sich jener einfand am bestimmten Ort,
Empfing er aus den Händen seines Rächers
Das abgehau'ne Haupt des Ehebrechers. –

So streng nun auch die beiden Helden schienen,
Doch waren sie von jener Größe fern,
Die statt sich selbst, dem Ganzen nur zu dienen,
Als Antrieb kennt und aller Pflichten Kern,
Noch auch wie bei den spätern Palatinen
War nur Ergebenheit ihr Hort und Stern;
Von Ehrsucht schwoll ihr Herz und sank dann wieder
Bis in den Abgrund der Verzweiflung nieder.

Sie sagten sich, wenn wir dereinst verscheiden,
Gibt nichts die Welt als eine Todtenbahr;
Wie lebten doch weit glücklicher die Heiden!
Genuß und Freuden gab doch ihr Altar!
Und was erwartet uns nach Kampf und Leiden?
Der Himmel, sagt die Kirche; ist es wahr?
Die Höllenqual, wenn wir der Sünde fröhnen,
Und nicht vorher die Heiligen versöhnen.

In Spanien hatte sich indeß verbreitet
Der Ausspruch des Aëtius. Verimod,
Von Schaaren des Vandalenvolks geleitet,
Zog überall umher. Ein Aufgebot
Erging, gerüstet ward, und vorbereitet
Zu Fahrt und Raubzug Schiff und Ruderboot.
In Bälde war dem rauhen Dienst der Wogen
Ein mächtiges Geschlecht herangezogen.

Jedoch nach Hippos palmumwachsner Mauer
Kam einstmals zu dem Bischof Augustin
Carthagos Graf, im Antlitz tiefe Trauer;
Es lagen beide lang auf ihren Knie'n,
Und Niemand als ein frommer Mönch, ein grauer,
Vernahm es, was sie sprachen, und wohin
Noch in derselben Nacht zur Reise fertig
Der Gras zur See ging, eines Kampfs gewärtig.

Er hatte schon mit bittrem Gram vernommen;
Der Mann, der ihm als ein Empörer galt,
Aëtius sei nach Rom zu Hof gekommen,
Und steige rasch an Ansehn und Gewalt.
»Bald,« ruft er, »wird man die Getreu'n und Frommen
Zurückgesetzt, und so den letzten Halt
Des Reichs erschüttert sehn. O üble Wendung,
Mißrathne Welt, unselige Verblendung!«

Er eilte, seinen Vorsatz kundzugeben
Von Welt und allem sich zurückzuziehn,
Und zum beschaulichen und frommen Leben
Ins Dunkel eines Klosters zu entfliehn,
Denn innerst fühlt er sich zugleich erbeben,
Ein Traum war ihm geworden, ihm erschien,
Er schaue längst Verstorbner Schatten wieder,
Die warnend sahn zu ihm vom Himmel nieder.

Nun aber wird ihm plötzlich aufgetragen,
Vandalen, die den nahen Küstenstrich
Geplündert hatten, mit dem Schwert zu schlagen,
Vor dem so oft schon der Barbar entwich;
Wie groß und hehr erscheint ihm ein Entsagen
Am höchsten Ziel des Ruhms! Er rüstet sich
Vor Tag noch den Piraten nachzustreifen,
Und wenn sie wo gelandet, anzugreifen.

Er will mit altem Muth, obwohl vom Leide
Sein tiefverletztes Herz im Busen krankt,
Im irdischen Gewand und Waffenkleide
Dem Frommen, dem er schon so vieles dankt,
Zu Diensten sein, dann aber fern vom Neide,
Und nimmer noch hat sein Entschluß gewankt,
Auf immer einer argen Welt entsagen,
Und beten wie ein Mönch und Bußkleid tragen.

Und als er Tags darauf mit seinen Treuen
An Bord geht, um ihn her sein kleines Heer,
Ins Segel saust der Wind und Düfte streuen
Vom Land die Blüthenbäume weit ins Meer,
Doch ihn mag nur der Sterne Glanz erfreuen.
Dort ist sein Licht, seitdem die Welt ihm leer,
Den bittern Pflanzen an den Natronseen
Gleicht was die Erde gibt vor jenen Höhen.

So ganz in seine künftige Bestimmung
Betrachtend hingeneigt, bemerkt er kaum
Was um ihn vorgeht. Als das Schiff die Krümmung
Der Küsten hinter sich hat, und den Saum
Des Vorgebirgs, da weckt aus jener Stimmung
Der Ruf des Seevolks ihn, und wie vom Traum
Erwacht sein Blick, die Ferne zu durchspähen,
Denn schon, so heißt es, ist der Feind zu sehen.

Ein Kriegsschiff lag, der Tag begann zu grauen,
In breiter Bucht vor Anker, ans Gestad,
Es war ganz nah, sank furchtbar anzuschauen,
Ein dunkles Gluthroth über Feld und Pfad,
Und stieg im Rauchgewölk zum Aetherblauen.
Die Flamme sengte dort in Flur und Saat,
Dort sah man Heerden weggetrieben, hörte
Den Sturz von Balken, wo der Feind zerstörte.

Er harrt nicht erst des Boots, die Ankerkette
Ergreifend, läßt er sich mit einer Hand
Ins Meer hinab, ihm folgen um die Wette
Die Seinen durch die Brandung nach dem Land,
Und mit dem Schwerte nach der Trümmerstätte;
Jetzt sieht man ihn, jetzt ruft zum Widerstand
Vom Kriegsschiff die Trompete der Barbaren,
Der Beute und des Lebens sich zu wahren.

Nur Wenige gehorchten auf das Rufen,
Die Meisten hatte Wein in Schlaf gewiegt,
Die Einen lagen hingestreckt aus Kufen,
Die Andern von des Tages Mühn besiegt,
Ruhn sorglos, ohne Waffen aus den Stufen
Der Häuser, deren Dach in Asche liegt,
Die Einzelnen, die noch den Kampf beginnen,
Sind müd, entkräftet, oder ganz von Sinnen.

Und nur die Weiber der Vandalen hatten
Mit ihren Hunden, die sie losgehetzt
Im Rachekampf um die gebliebnen Gatten,
In eines Hauses Hof sich festgesetzt,
Und kämpften bis zu tödtlichem Ermatten;
Wild flattern ihre Locken, blutbenetzt
Um die entblößten Schultern, die mit Ringen
Bespangten Arme, die das Schlachtbeil schwingen.

Entschlossner Muth und wilde Lust verleihen
Der Römer Schaar bald einen leichten Sieg.
Carthago's Grafen ruft ein Hülfeschreien,
Und als um jenes Haus der Kampflärm schwieg,
Enteilt er die Gefangnen zu befreien.
Indem er rasch empor die Treppen stieg,
Erblickt er hier, erschöpft, bedeckt von Wunden,
Die Amazonen, viele schon gebunden.

Nur eine stund noch, blaß wie eine Leiche;
Die Schönheit des Gesichtes, der Gestalt
Erhöhte der Erschöpfung sanfte Bleiche,
Und fesselte mit magischer Gewalt;
Die Stirne war, des Busens Lilienweiche
Von losgebundner Lockenfluth umwallt,
Dem Hals wie hingebeugt zum Opfertode
Entquoll der Wunde Blut, das purpurrothe.

Ein trotzig Lächeln, das den Feind verachtet,
Umschwebt den Mund mit Sanftmuth noch vereint,
Wer sie bekämpft, hält inn erst und betrachtet
Das schöne Bild mit süßer Lust, es scheint,
Daß jeder mehr nach ihrer Liebe trachtet
Als sie zu tödten, doch sie selbst vermeint
Nur um so ernstlicher die raschen Wunden;
Sie scheint ein Edelwild, bekämpft von Hunden.

Carthago's Graf, dem selbst der Helm im Streite
Von eines Feindes Hieb durchhauen war,
Kniet der nun hingesunkenen zur Seite,
Sein Diener reicht Verband und Balsam dar.
Da hebt den Dank des Blickes die Befreite
Auf ihren Retter, groß war die Gefahr,
Daß vor dem Himmelsblick, in den er siehet,
Der Himmel, dem er sich geweiht, nun fliehet.

Noch mehr erstaunt er, als von ihrem Munde
Die Sprache Roms in reinem Laut erklingt;
»Ist's möglich,« ruft er aus, »o Heil der Stunde,
Die dich aus Sklaverei uns wieder bringt!«
»Dich trügt,« gab sie zur Antwort, »falsche Kunde,
Wenn du mich hieltest für verkauft, uns zwingt
Kein andres Band, als daß wir den Barbaren
Seit lang verpflichtet und befreundet waren.«

»O schöpfe Muth,« versetzt er, »und Vertrauen
Und euer Schicksal gib in unsre Hand!
Du sollst dein Rom, sollst deiner Heimath Auen
Und bald bei uns ein zweites Vaterland,
Wie einst Elisa es gesehn, erschauen!«
Er spricht es, und geleitet nach dem Strand,
Und hebt an Bord, die seinen Sinn gefangen,
Ergriffen von dem sehnlichsten Verlangen.

Er fühlt beschämt und plötzlich sich geschieden
Von jener Festigkeit, die seine Brust
Noch kaum erfüllte mit erhabnem Frieden,
Statt deß erwacht welch neue Lebenslust!
Nachdem er taglang sie zu schau'n gemieden,
Und endlich, als er sie geheilt gewußt,
Betritt er ihr Gemach mit bangem Schritte,
Damit er sie, ihm zu befehlen, bitte.

»Für mich,« begann sie nun, »für mich verloren
Ist Wunsch und Bitte. Retter! mein Bericht
Ist kurz und thränenreich. In Rom geboren
Rief mich von dort mein Vater, seiner Pflicht
Und jenem Mann treu, dem er einst geschworen.
Als wir am Meergestad beim Abendlicht
Des dritten Tags ermüdet angekommen,
Hat Athaulf uns zur Mitfahrt ausgenommen.

Wir folgten ihm nach Spanien, Krieg auf Kriege
Mit Sueven und Vandalen sahn wir dort,
Mein Vater fiel nach unsres Feindes Siege,
Sie rißen mich von ihm als Beute fort.
Er rief noch: ›Ehret dieses Kindes Wiege,
Vandalen!‹ und es war sein letztes Wort –
›Vandalen, hört! Die Mutter dieses Lammes
War eures Volks und königlichen Stammes.‹

Bespritzt von Blut, schlachttriefend wie sie waren,
Umstanden sie mich ehrfurchtsvoll, doch ich
Nichts achtend, lag mit wildzerrauften Haaren
Bei meines Vaters Leiche, bis man mich
Auf einem Schilde forttrug. Nun seit Jahren
Lebt' ich bei diesem Volk und ritterlich
Beschützten sie mich stets, und wohlgelitten
Fügt' ich mich bald in ihre rauhen Sitten.

Bald fühlt' ich auch, das wilde, unruhvolle,
Das von der Mutter angeerbte Blut,
Das Blut vom Stamme der Vandalen rolle
In meinen Adern noch, ihr Schlachtenmuth
Und ihre Wanderlust. Mich hielt nicht Scholle
Noch Band der Liebe, sondern Meeresfluth
Und Kriegslärm zog mich an, und statt der zarten
Und stillen Freuden – Lust an kühnen Fahrten.

Doch nun bin ich gefangen, überwunden,
Ein schwaches Weib, wie ich es war zuvor,
Und tiefer Abgrund schließt die letzten Stunden
Des stolzen Glücks in sich, das ich verlor.« –
»Dafür hab' ich ein höchstes Glück gefunden,
Und wenn der Himmel mich dazu erkor,
So will ich,« rief Carthago's Graf, »auf Erden
Dein treuer Schützer und Erhalter werden.«

Da hob aus der Umhüllung Schleiertuche
Das schöne Weib ihr stolzes blasses Haupt
Und sprach: »Nicht mich, nicht dich zu retten suche;
Uns trenne nur ein Wort, hast du geglaubt?
Ich hab' gelernt in einem heil'gen Buche,
Verfolgung aber hat uns deß beraubt,
Wir glauben dem nur, dem das All' lobsinge,
Den Gott, den Vater, Schöpfer aller Dinge.

Erfahre, daß wir niemals anerkannten
Im Sohn die gleiche göttliche Natur,
Du stehst vor einer der von euch Verbannten;
Allein wie hart man gegen uns verfuhr,
Wir blieben treu bei dem von uns bekannten,
Dem vor dem Höchsten dargebrachten Schwur,
Und keines von den römischen Gesetzen
Vermocht' uns, das Bekenntniß zu verletzen.«

Sie schwiegen lang. Schon hatte Meil' auf Meilen
In raschem Flug das Boot zurückgelegt,
Und unaufhaltsam vor dem Wind, die Säulen
Des Herkules erreicht, wo, wie bewegt
Vom Sturm, das Meer braust und in Wogensäulen
Der Stoß des Oceans die Fluth erregt,
Da mahnt die Sage ihn von der verlornen
Atlantis und er spricht zur Auserkornen.

»Gebieterin, du lenkst in unsrem Willen
Zum Ziele jeden Wunsch der Endlichkeit,
Die Regungen in diesem Busen stillen,
Vergeblich wär's, und jeder Widerstreit
Vergeblicher. Horch wie die Wogen schwillen!
Noch eine Stunde und wir sind befreit,
Und hinter uns versinkt, die den Barbaren
Verfallne Welt mit ihren todten Laren.

Fern von den Menschen, die wir leicht vermissen,
Und fern von ihrer Lehren Zwang und Wahn,
Entdecken wir, und nicht im Ungewissen,
Nein, jenes Eiland in dem Ocean,
Das sich von unsrem Erdtheil losgerissen,
Des Nordens Sternbild weist die sichre Bahn,
Dort – ohne jemals Freuden zu bereuen –
Laß uns Cytheres schönen Dienst erneuen.«

»Ach! um den Traum, der einst die Welt entzückte,
Den nichts mehr wieder,« rief sie, »herbeschwor,
Die Menschheit fragt, die arme nothgedrückte,
Nach jener Welt, da die Welt sie verlor.
Cythere, die mit jedem Reiz geschmückte,
Taucht nie mehr wieder aus der Fluth empor,
Doch ihr, die saget, um des Sündenfalles
Ward Gott gekreuzigt, ihr ja kreuzigt Alles!

Die höchste Wahrheit, Liebe, Macht und Güte
Starb an dem Marterholze dann,
Um jede Hoffnung, jede Seelenblüthe
Liegt finstre Nacht und schwarzer Todesbann,
Ein Gräuel, den nicht, ohne daß es wüthe,
Das menschliche Gefühl ertragen kann,
Damit ihr auch mit Recht, wohin ihr dringet
Den Brand, die Geißel der Verfolgung bringet!«

Da trat vor solch entsetzlichem Gedanken
Der Graf zurück, im Innersten erschreckt,
Er scheint noch einen Augenblick zu schwanken,
Dann aber stürzt er auf sein Knie, bedeckt
Mit Küssen heiß die Hand der zarten Schlanken,
Und ruft: »Gefühle, nie gekannte, weckt
Dein Wort in mir. Verfolgte, euer Leben
Sei künftig keinem Leid mehr preisgegeben!«

»Du wähnst, daß deine Mitwelt unser schone,«
Versetzte sie, »und deine eigne Pflicht
Heißt dich verfolgen; wenn die Marterkrone
Dereinst mein armes Haupt im Tod umflicht,
Dann werd' ich dein sein, dein vor jenem Throne
Der Wahrheit und des Lichts.« »Ich, zweifle nicht,«
Rief Bonifacius, »werde dich erringen,
Und gält' es Höll' und Himmel zu bezwingen.«

»Unwürdig deiner Thränen,« sprach sie bebend,
»Sieh mich als Letzte deines Hauses an,
In deinen Willen, deiner Gnade lebend;«
Und da sie's sprach, so war's, als zög' ein Schwan
Dem Schiff voraus, sich bald im Flug erhebend,
Bald untertauchend in die Wellenbahn,
Ermüdet senkten sich die Augenlieder,
Und Schlaf ergoß sich über ihre Glieder.

Es war schon Nacht, es schlichen schon die Träume
Sich in der Menschen Brust mit leisem Trug,
Als man durchs Dunkel der Orangenbäume,
So still als ging es einen Leichenzug,
Die Fremde durch des Grafenhauses Räume,
Und in das fernste der Gemächer trug;
Als bald darauf die Hochzeit ward gefeiert,
Erblickte man sie zwar, doch tief verschleiert.

Da hieß es bald, kein wahres Leben schlüge
In ihrer Brust, es wall' kein Menschenblut
In ihrer Adern Marmor, es betrüge
Den Sinn nur ihrer Blicke Seelengluth,
Sie sei nur ein Idol und eine Lüge
Des Lebens, und nicht teilhaft an dem Gut,
Wodurch der Menschheit ward das Heil geboren.
Und ewig sei dem Himmel sie verloren.

Denn bei dem Einbruch der Vandalen habe
Das Heidenvolk versenkt im Erdengrund
Ein Bild Dianas; als hernach zum Grabe
Der Ort für viele Kämpfer ward, da stund
Ein Heil'ger dort, und seines Segens Gabe,
Den über die Gefallnen sprach sein Mund,
War damit auch dem Götzenbild gegeben
Und rief darin hervor ein eignes Leben.

Denn an sich todt, so ward es durch die Worte
Des Heiligen erweckt, und höllenhaft
Von Ursprung, aber am geweihten Orte,
Empfing es etwas von der Eigenschaft
Der Gnade; zwar ein Spuk der Höllenpforte,
Umfloß es doch ein Strahl von höh'rer Kraft,
So Engelsbild zugleich und Teufelinne
Gewann sie des Verführten Herz und Sinne.

Oft wenn der Mond zum dunklen Piniengrunde
Im Garten des Palastes niederschien,
Erhob sie, hieß es, sich in später Stunde
Vom Lager und entflog zur Jagd dahin.
Man sah ihr Horn, man hörte ihre Hunde.
Doch mit des Dunkels, mit der Nacht Entfliehn
Stieg sie herab und huschte mit den Schatten
Zurück, und auf das Lager ihres Gatten.

Doch wie verschlossen seines Hauses Pforten,
Gescheh'nes zu verheimlichen bemüht,
So blieb auch jeder Mahnung frommen Worten,
Den Bitten selbst verschlossen sein Gemüth.
So hieß es laut, so hieß es aller Orten;
Und mancher Haß, der still bisher geglüht,
Erhob sich scheulos jetzt, und schwer berüchtigt,
Ward bald der Graf des Abfalls selbst bezüchtigt.

All dieses Flüstern ward ihm zugetragen,
Und eine Reue, die schon nicht mehr schlief,
Schürt seinen Argwohn, weckt ein Unbehagen,
Das ihn bei Nacht aus leisem Schlummer rief,
Und ihn am Tag verfolgt mit Selbstverklagen.
Da kam von unbekannter Hand ein Brief,
Darin stund: Bonifacius behüte
Dein Leben vor Placidia's falscher Güte!

Sei dir's voraus verkündigt, hieß es weiter,
Du wirst zurückberufen, dein Gericht
Ist schon gesprochen; jemand, eingeweihter
In ihre Plane, mahnet dich aus Pflicht,
Aus Freundespflicht; der eine der Begleiter,
Der dich zu holen kommt – o folge nicht!
Er trägt dein Todesurtheil, fordre Gründe,
Und du wirst sehn, verstummen muß die Sünde.

»O sicher ist es so,« rief voller Bittre
Der Graf bei diesem Brief, »sie gibt mich preis,
Und ich – weßhalb, statt, daß ich ewig zittre,
Ich sollt' mich nicht befreien? Ja, so sei's –
Es sagt's dieß Blatt, das ich in Staub zerknittre,
Sie zürnt mir unversöhnlich, da sie weiß,
Daß ich Marcella mir zum Weib erkoren;
Gewiß! sie hat mir Untergang geschworen.«

Der mächtige Magnet der Heeresschaaren,
Des Kaiserthrones erster Satellit,
Aëtius hatte nicht sobald erfahren,
Wie rasch sein schlauer Brief gewirkt, so schritt
Sein Haß daran, die Folgen sich zu wahren.
Von Ehrgeiz voll, der keine Kränkung litt,
So war er jeder Schwäche fremd geblieben,
Und wußte nichts, als Rom und sich zu lieben.

Zu lang schon trug's sein stolzes Herz mit Schmerzen.
Daß seine Kaiserin ihm nur verziehn,
Und Jenem, dem sie hold in ihrem Herzen
Die höchsten Ehren fort und fort verliehn;
Er sann, den Schimpf nun endlich auszumerzen.
Indem er ihr bedeutend sprach; es schien,
Des Bonifacius Absicht sei, sich loszusagen,
Und Afrikas Besitz für sich zu wagen.

Als mit dem Blick der vorwurfsvollsten Strenge
Placidia ihn zurückwies, fuhr er fort:
»Und aus der blinden abgefallnen Menge
Der Arianer las dein treuer Hort
Ein Weib sich auf, an Spaniens Meeresenge
Erhascht' er die Sirene. Wer vom Wort
Der wahren Lehre weicht, der ist begreiflich
In allem andern auch so seil und käuflich.

Es zeigt sich bald, ob ich zum Lügner werde!
Der Schuld'ge wird, wenn man ihn herberief,
Sich nicht zu stellen wagen.« – Die Geberde
Der Kaiserin verrieth, ihr Schmerz war tief,
Und starr gefesselt blieb ihr Blick zur Erde.
»Die Sünde,« sprach sie dann mit Zögern, »schlief
Bis ein Versucher kam; jedoch zum Lobe
Des Himmels sei gewagt die Tugendprobe.«

»O,« höhnte jetzt Aëtius, »unverkennbar
Hat Arglist nur sein treues Herz verführt;
Doch wahrer Diamant bleibt unverbrennbar.
Was steht ihr wie vom Donner angerührt?
Das Recht, die Wahrheit dauern unzertrennbar,
Und blank der Stahl, von keinem Hauch berührt!« –
Er sprach's und wissend, daß er schwer verwunde,
Verließ den Hof der stolze Mann zur Stunde.

Doch Bonifacius, der dem Brief vertraute,
Und nun von Rom Gesandte kommen sah,
Im Wahne, daß er ihre List durchschaute,
Rief grimmig aus: »Sagt eurer Bathseba,
Daß ich, aus den man einstens Alles baute,
Daß ich wohl weiß, was gegen mich geschah,
Weßhalb ihr kommen seid zum Tod zu holen
Den treuen Knecht; so ward es euch befohlen.«

»Vom Tode!« sagten mit Erstaunen Jene,
»Vom Tode hatten wir kein Wort gehört;
Du sollst nach Rom, zu Hof.« »Ich kenn' die Scene,
O!«lachte Bonifacius hoch empört,
»Sagt nur, daß ich mich nicht hinübersehne,
Bis jetzt noch nicht! Geht, gehet hin und schwört,
Daß ihr mich ganz gesund traft, machet eilig,
Sonst ist bei mir auch kein Gesandter heilig.«

Mit solchen Worten, Zorn im Blicke sprühend,
Entließ er sie und trat noch schmerzbetäubt
Zur Anvermählten: »Lang in Treue mühend
Hat vor Verrath sich dieses Herz gesträubt,
Doch nun, und wenn bis an den Himmel glühend
Darum die Asche der Verwüstung stäubt,
Nun sag' ich los und ab mich von dem Throne,
Auf dem ein Weib herrscht, Mannessinn zum Hohne.«

»Erhöre,« sprach Marcella, »meine Bitten;
O söhne mit Placidien dich aus,
Und mich, für die du solchen Haß erlitten,
Mich lasse fort, statt daß ich in dein Haus
Verderben bring'!« » Nein!« rief er, » nein, durchschnitten
Ist jedes Band der Treue, Nacht und Graus
Ist über Babylon hereingebrochen,
Obwohl dafür, du Engel, selbst gesprochen.«

»Erliegen wirst du,« rief sie aus, »ich ahne
Unsäglich Elend.« – »Fürchte nichts, vernimm!
Zu Hülfe ruf' ich jener Völker Fahne,
Von denen du mir sprachest.« »Wie? den Grimm
Entfesseln willst du wüthender Orkane?«
»Wenn auch! nicht Höll' und Teufel sind so schlimm
Wie meiner Feinde Haß. Ich will's vollenden
Und mag man Heere gegen mich entsenden.«

Er sprach es, und von Stund an ging sein Sinnen,
Als Hülfsvolk wider seiner Gegner Macht,
Die schrecklichen Vandalen zu gewinnen.
Und als ihr Angebot ward ausgemacht:
Ein Drittel Afrikas, der Städte Zinnen,
Der Küsten Schifffahrt und der Berge Schacht;
Nach Spanien kamen, Gold um ihre Finger
Und Gold im Mund, der Botschaft Ueberbringer.


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