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Fünfter Gesang.
Die griechische Insel.

An einer Küste, wo in blauen Buchten
Zum schönsten Strand die Meereswelle geht,
Verschließt das Eiland hinter unbesuchten
Berghöhn ein Thal von Blumenduft durchweht.
Der Eppich überwuchert Fels und Schluchten;
Am Abhang, wo die schlanke Palme steht,
Blühn dicht und wild die Lilien und Päonien,
Und milde Lüfte wehn vom nahen Ionien.

Cypressengänge führen vom Gestade
Zur heitern, hochgelegnen Wohnung hin.
Mit Hermen prangt Hofmauer und Arkade,
Die Pinie breitet ihren Baldachin
Ums platte Dach, und hoch wirft die Cascade
Ihr schirmend Netz von zitterndem Rubin.
Den Garten schließt in seinen kühlen Schatten
Ein Portikus, belegt mit Porphyrplatten.

Von hier kann man durch dunkle Rebgelände
Ins Innre dämmernder Gemächer schaun,
Wo sich in Arabesken heitre Wände,
Was zwischen ihnen vorgeht, anvertraun.
Im Bade lacht, als ob er mitempfände,
Aus dunkler Nische keck der Marmorfaun;
Gemalte Früchte, Wildpret, Vögel, Fische
Verkünden dort die reichbesetzten Tische.

Hier unter epheulaubumrankter Linde,
Im Arm den jungen Bacchus, lacht Silen;
Der Alte beugt sich nach dem schönen Kinde,
Und läßt ihn, neckend, reife Trauben sehn.
Wie lockt den jungen Gott das Rebgewinde!
Wie schön müßt' ihm ein Kranz von Trauben stehn!
Schon will er, scheint's, im kindischen Entzücken
Die Feuergeister aus der Beere drücken.

Der Fruchtbarkeit Geheimniß zu bedeuten,
Glänzt Ceres dort, und weiter rechts und links,
Die Tatzen aufgehoben zum Erbeuten,
Mit schlafenden Gesichtern Sphinx und Sphinx,
Ein Herkules mit Keul' und Löwenhäuten,
Und Hirt und Heerde, Flöten und Syrinx;
Diana ruht, ermüdet von der Birsche,
Auf einem Fels und liebkost ihre Hirsche

Dort sieh, der Sonnengott, er spannt den Bogen,
Furchtbar und schön, es droht sein hoher Blick,
Erhabner Zorn sträubt seine Lockenwogen
Vom Glanz der Stirn um Schulter und Genick,
Und rings um ihn, vom Immergrün umzogen,
Sieht man die holden Töchter der Musik,
Aus jedem Buschwerk lacht, aus jeder Grotte
Das Marmorbild von einem holden Gotte.

Hier wohnt ein Römer, einst des Kaisers Sklave,
Dann Freigelassner, dann sein Günstling, jetzt
Vom bangen Rom in ein Asyl zur Strafe
Von Rom – und in ein Paradies versetzt.
Und seine Schuld? Vielleicht sah einst im Schlafe
Der Cäsar sich von einem Mann verletzt,
Der Jenem ähnlich war, und Schmeichler kamen,
Und warnten ihn vor seines Freundes Namen.

Im Herzen war er Heide stets geblieben,
Gebot war ihm der Christusglaube nur,
Wie konnt' er dauernd ein Bekenntniß lieben,
Wozu kein Drang der innersten Natur,
Wozu ihn nur Befehl und Furcht getrieben?
Und hier, wo nimmermehr der Hof erfuhr,
Was angebetet ward in diesen Gründen,
Beschloß er, neu den Götterdienst zu gründen.

Er wagt's, auf eines Tempels öden Schwellen
Ein Leben, dem die Zeit sich abgewandt,
Aus eignem Machtspruch wieder herzustellen,
Und sieh, der Himmel, den das Kreuz verbannt
Beginnt aufs neue sich ihm aufzuhellen!
Des Altars Opfergluth, schon ausgebrannt,
Erfüllt noch einmal, eh' sie lischt für immer,
Das schöne Inselland mit seinem Schimmer.

Und ihn, wie einst den greisen Labdakiden,
Als auf Kolonos er gebeugt und blind,
Ins Dunkel trat des Hains der Eumeniden,
Begleitete sein schön und einzig Kind.
Auf ihrer Stirne lag ein ernster Frieden,
Ihr Herz war noch, wie Kinderherzen sind,
Schuldlos und priesterlich umwallt vom Schleier,
Vollbrachte sie Gebet und Opferfeier.

Oft, wenn sie mit den goldnen Weiheschalen
Zum frommen Dienst bekränzt im Tempel stand,
Wenn sich das Purpurlicht der Frührothstrahlen
Mit ihrer Wangen Andachtsgluth verband,
Und schneeweiß auf die reichen Goldsandalen
Herniederfloß ihr schimmerndes Gewand,
Erstand im Volk der alte Glaube wieder,
Es stiegen Himmlische zur Erde nieder.

Sie stund am Meer allein und unbeachtet,
Wenn sanft des Abends letzter Glanz zerstob,
Und von den seidnen Wimpern übernachtet,
Durchflog den Blick, wenn sie das Haupt erhob,
Ein Feuer, wie aus Sapphos Liedern schmachtet,
Ein Feuer, dem sich sanfter Schmerz verwob.
Denn als schon bald die Winterstürme tobten,
Hielt ihr das Meer noch ferne den Verlobten.

Telestes war's, in Sikyon geboren,
Wohin einst mit dem reichen Hausaltar,
Nachdem die Freiheit in Athen verloren,
Sein mächtiges Geschlecht entflohen war.
Zum Bräutigam der Römerin erkoren
Von beiden Eltern, war er manches Jahr
Auf Reisen fern gewesen, um die Lehren
Der Schulen Roms und in Athen zu hören.

Doch er, der in so manchem Feuerliede
Von Freiheit und vergangner Größe sprach,
Der späte Sohn Athens war kein Pelide,
Er sah, ein thatenloser Telemach,
Gelähmt von Roms allmächtiger Aegide,
Dem großen Vorbild seiner Ahnen nach;
Bald wanden um das Haupt des Hoffnungslosen
Statt wilder Lorbeern, Myrten sich und Rosen.

Der Sonnenglanz, der einst Athen verklärte,
Schien noch in ihrem seelenvollen Blick,
Der Schmerz, der nagend seine Brust verzehrte,
Der Schmerz um die gefallne Republik;
Er wußte, daß auch sie im Busen nährte
Den Jammer um der Heimath Wehgeschick,
Und beider Herzen band im Liebesbande
Die Liebe zum verlornen Vaterlande.

Vor Anker lag ein Fahrzeug ihm gerüstet,
Das reichlich von den reichsten Waaren trug,
Womit Corinth auf seinem Markt sich brüstet;
Geschmeide, Seidenstoff und Schmuck genug,
Darnach die Augen einer Braut gelüstet.
Sobald ein guter Wind die Segel schlug,
Durchflog sein Schiff, da kaum der Tag erschienen,
Aegeas Fluth, begleitet von Delphinen.

Allein das Meer, durch das am Tag in stiller
Und heitrer Fluth das Schiff geruhig schwamm,
Verwandelt sich vor Nacht in dunklen Schiller
Und rollt empor den weißen Drachenkamm;
Der Regen strömt, die Winde pfeifen schriller,
Furchtbar droht hier und dort ein Klippendamm,
Bald überspült, bald aufgedeckt von Wogen,
Durch welche pfeilschnell kommt das Schiff gezogen.

Und angstvoll mit dem vorgebeugten Segel
Bemüht sich's durch die wilde Wetterschlacht,
Es zückt in die gethürmten Wellenkegel
Der Blitz herab; der Mast, die Planke kracht;
Unheimlich flattern graue Sturmesvögel,
Wie Schatten in der ungeheuren Nacht –
Als wollten sie den Schiffern prophezeien,
Und klagend sie dem Wellentode weihen.

Indessen fleht zum höchsten Segensspender,
Zu Zeus, die Braut, gewarnt durch manchen Traum,
Es steigt ihr Opferrauch dem Blitzentsender,
So oft Gewitter ziehn am Himmelssaum.
Sie ruft den Sonnengott, den Heilvollender,
Und alle Götter in dem Aetherraum,
Vor allen aber Aphroditens Güte,
Daß ihre Huld den Bräutigam behüte.

Es spricht zu ihr der Greis; »O Kind, Cythere
Sei gnädig! Kränz' mit Rosen und Akanth
Ihr Bild, auf daß Telestes wiederkehre!
Mir bangt für ihn, sein Schiff ist leicht bemannt,
O sieh, wie dunkel wird es auf dem Meere!
Von Knidos hat er Boten mir gesandt.«
Die Wolken rollen dunkler sich zusammen
Und nah' und näher glühn die Wetterflammen.

Sie kniet am Ufer, dran die Wogen prallen;
Wo eines Tempels Wölbungen durchstöhnt
Der wilde Sturm, läßt sie die Locken wallen,
Vom Wetterleuchten wunderbar verschönt.
Da ist's, als ob ein sanfter Laut von allen
Den Götterbildern zu ihr niedertönt.
»Sei ruhig!« scheinen sie ihr zuzusprechen,
»Bald wird Neptun die Macht der Woge brechen.

Doch hör', o Liebliche! nicht Stürme werden
Dir je so schrecklich sein als jener Geist,
Der uns Olympiern die Macht auf Erden,
Der euch den heitern Jugendtraum entreißt,
Wenn euer armes Herz in Schuldbeschwerden
Ein dunkles Jenseits halb mit Klagen preist;
Dann Sterbliche, dann sehnet euch zurück
Nach eurer Götterzeit verlornem Glück!«

So klang's herab, und sie mit bangem Schritte
Wankt vom Altar. »Was war's, das ich gehört?
Als ob ein tönend Weh' die Luft durchschnitte,
Als ob ein Stern, in seiner Bahn zerstört,
Ein Klaglied sang! – Doch horch! hat meine Bitte
Den Sturm nicht übertönt? Ich bin erhört?«
Und heller schon, so sehr die Wogen branden,
Erschallt der frohe Ruf: »Sie sind's, sie landen.«

Sie kommen schon, und wie noch halb mit Bangen
Die Jungfrau nach dem Strand eilt, drängt Telest
Sich aus dem Volk und eilt, sie zu empfangen,
Und hält sie jubelnd an sein Herz gepreßt.
Sein fluthbethautes Haar netzt ihre Wangen,
Er hält sie freudig mit den Armen fest,
Die, Nächte lang in Kampf mit Sturmgefahren,
Geprüft und stark wie Götterarme waren.

»Geliebte, bin ich nicht dem Meer entstiegen,
Und komme wie Leander aus der Fluth?
Du darfst es glauben, siehe nur, da liegen
Korallen, funkelnd wie die Abendgluth,
Gesteine, die den Sonnenglanz besiegen,
Und Perlen, deren voll die Tiefe ruht.
Dieß schenkten Nymphen mir für ihre süße
Holdsel'ge Schwester, die als Braut ich grüße.«

Er spricht's und legt mit Lächeln seine Hände
Auf ihre Schultern sanft, faßt ihre Hand
Und ruft: »Mir ist, als ob ich erst empfände,
Wie süß das Leben ist, o theures Land,
O ringsum ihr geliebten Gegenstände,
Ionien, mein schönes Vaterland!
Dank Götter! Was sich künftig noch begebe,
Für diese Stunde dank' ich, daß ich lebe!«

Jetzt durch den Garten eilt und kommt begleitet
Von Fackeltragenden in froher Hast,
Antenor zu den Glücklichen und breitet
Die Arme nach dem theuren Sohn und Gast.
»Komm,« ruft er, »komm, das Fest ist schon bereitet,
Dein sei auf ewig, die dein Arm umfaßt!
Zu Hymenäen stimmen wir die Leier,
Noch diese Nacht sei eure Hochzeitfeier.«

Nun blüht der Garten hallend vom Gesange,
Und Blumen blühn von Wohlgerüchen schwer,
Aus grünem Dickicht zückt die bunte Schlange,
Die Nachtigall fliegt im Gebüsch umher.
Ein Oelwald dehnt sich manche Parasange
Tief dunkelnd aus bis weit ans blaue Meer.
Der Pinie Schatten glüht in Abendröthe,
Hymen, o Hymenäen tönt die Flöte.

Das Fest beginnt, mit Knaben reihn zu Tanzen
Die Mädchen sich, die scheu zuerst entflohn,
Und während sich das Haupt die Gäste kränzen,
Durchhallt den Saal der Flöte sanfter Ton.
Wohlrüche duften, goldne Leuchter glänzen,
Und laut und heller wird der Jubel schon;
Da ruft Telestes aus der Gäste Schaaren;
»Wo weilt noch unser Retter in Gefahren?

Ihr werdet, meine theuren Freunde wissen,
Wie gestern mitten in der höchsten Noth,
Umringt von Klippen, Sturm und Finsternissen,
Als schon zu stranden unser Schiff gedroht,
Ein Fremder uns dem nahen Tod entrissen,
Dem ich die Mitfahrt in Corinth entbot.
Mir ahnt, daß sich ein Gott in ihm verhülle,
Dem ich als Dankgruß diesen Pecher fülle.«

Der Fremde tritt herein; mit Segensgrüßen
Umdrängt man ihn, er aber sieht's und weicht
Entsetzt zurück. »Warum zu meinen Füßen?«
Sein strenger Blick erglüht, sein Mund erbleicht.
»Telestes, wie, was willst du mit dem süßen
Weihtrank, den ihr mir knieend überreicht?
Ihr opfert mir? – Zurück, gottlose Thoren,
Auch mich hat in der Schuld das Weib geboren!«

Zornglühend ruft er aus, zerschlägt die Schale;
»Kennt ihr nicht den, der siegend auferstand?«
Und wie erschrocken Alles schweigt im Saale,
Erhebt er hochbegeistert seine Hand.
»Wie? Kam ich hier zu einem Götzenmahle?
Raucht hier noch der verbotnen Opfer Brand?
Nicht kam ich, daß man mich als Gott verehre,
Nein – daß ich euch zum wahren Gott bekehre.

Nur Ein Gott ist's, den alle Welt verkünde,
Ein Weltheiland! Doch ihr, wahnsinnig wild,
Trinkt ew'gen Tod vom heißen Mund der Sünde,
Und euer Retter ist ein steinern Bild.
Fragt euren Zeus, warum sein Blitz entzünde
Die heil'gen Eichen, fragt, mit welchem Schild
Wird der euch schirmen, dessen Tempelhallen
Straflos vom Witz der Spötter wiederhallen?

Kein Tag verging, wo nicht von den Gestaden
Des Pontus bis zum hellen Wolkenschooß
Der Alpen, stromweiß sich darin zu baden,
Barbarenhochmuth römisch Blut vergoß.
Sarmaten, Hunnen, Gothen, Sueven, Quaden –
Unzählig und wie das Verderben groß –
Durchstreifen, plündern, stürzen vollends nieder
Des großen Reichs gebrochne Riesenglieder

Altäre, Gräber, heil'ge Kirchenstufen
Zu Ställen von den Räubern umgekehrt,
Reliquien zerstampft von Rosseshufen,
Paläste, ganze Städte öd, verheert!
Entweiht vor ihren wilden Siegesrufen
Matronen, Jungfrau'n, weinend und entehrt,
Bischöfe, Senatoren, Ritter, Bürger
Gefangen, oder unterm Schwert der Würger.

Blickt um euch her und seht, wie von Bedrängniß
Der Menschheit Antlitz todtbleich ist verzerrt,
Es brennt das ungeheuere Gefängniß,
In das der blinde Wahn die Welt gesperrt.
Umgürtet ist der Erdkreis von Verhängniß,
Gezogen ist des ew'gen Richters Schwert;
Nur unser Haupt, die wir für Christum zeugen,
Blickt in den Weltsturm, ohne sich zu beugen!«

So ruft der Christ, es sprüht ein wildes Feuer
Aus seinem Blick, Telestes aber spricht;
»Du bist mir, Gast und Retter, doppelt theuer,
Doch meine Götter, hör' es, lass' ich nicht!
Ich weiß o Christ, ich weiß, der Sieg ist Euer,
Doch in der Seele lebt die höh're Pflicht,
Und mir gebührt, bei den Besiegten stehen,
Und soll es sein, mit ihnen untergehen.

Der Schmerz ist dein Gott, meiner das Entzücken!
Soll deine Lehre, schrecklicher Ascet,
Das Kreuz in unser heitres Leben drücken?
Und die mir schuldlos hier zur Seite steht,
Ach sie soll schon die Frucht der Reue pflücken!
Nein, Freude nur sei heute mein Gebet!
Wähnst du, anstatt der Jugend mich zu freuen,
Werd' ich am Hochzeittag mir Asche streuen?«

»Ja, beuge,« ruft der Christ, »dich vor dem Lamme,
Das alle Sünden dieser Erde trägt.«
Er ruft es und ergreift vom Fichtenstamme
Des Herdes einen Ast, schwingt und zerschlägt
Der Göttin Bildniß. – Hoch auf zuckt die Flamme,
Telest, der keine Dankpflicht mehr erwägt,
Wirft jetzt, eh' Worte seinen Zorn noch fristen,
Ein Opfermesser in die Brust des Christen.

Hinsinkt er stumm; noch einmal sich erhebend
Drückt er sein Kreuz ans Herz in letzter Gluth,
Und spricht im Sterben, seinem Feind vergebend;
»Nicht komme über dich, o Freund, mein Blut;
Es sei ein Quell, zum Glauben dich belebend!« –
So stirbt er. – Starr auf seiner Leiche ruht
Des Griechen Blick, als woll' sein Auge bannen,
Die Quellen Blut, die aus der Wunde rannen.

Ein Schrecken unterbricht die frohe Stunde
Und alles blickt auf ihn, der langsam jetzt
Den Stahl entzieht der tiefen Todeswunde,
Vom Blute des Erschlagenen benetzt.
Und gleich als schwör' er einem dunklen Bunde,
Und wie vor Eumeniden Nahn entsetzt,
Dann hinkniet mit verhülltem Angesichte;
»Nun weicht der Traum des Glückes dem Gerichte.

Was ich gethan, ach, wär' es noch zu ändern,
Ihr! die ihr diesen Mord gesehen, weint
Um ihn und mich; von allen Liebespfändern,
Mit denen süße Hoffnung mich vereint,
Von allen flieh' ich fort zu fernen Ländern,
Bis in Entsagungen mein Herz versteint,
Zur Sühnung dieses Einen Augenblickes,
Weih' ich mich ganz zum Dienst des Weltgeschickes.

Jetzt, da die Völker um ihr Schicksal ringen,
Da Glaube wider Glaube sich erhebt,
Das Alte stürzt und Neues hebt die Schwingen,
Jetzt ist Verbrecher, wer sich selbst nur lebt;
Kein Friede mehr wird diese Brust umschlingen,
Verderben muß, wer nicht nach Thaten strebt.
Daß thatlos ich an meiner Zeit gesündigt,
Durch diese Schuld ward mir es angekündigt.«

So ruft er, und sein Wille muß geschehen,
Mit Thränen hält ihn nicht die junge Braut,
Es hält ihn nicht des Vaters dringend Flehen,
Sein Blick, der nur noch in die Zukunft schaut,
Sieht kalt sein ganzes Glück zu Grunde gehen.
»Fort,« ruft er, »fort, eh' noch der Morgen graut,
Ob nie mir mehr ein glücklich Eiland grüne,
Zuletzt wird jedem doch ein Grab zur Sühne!«

Dem Worte folgt, kaum war es ausgesprochen,
Ein Echo furchtbar und verhängnißvoll,
Denn an die Thüre drang ein donnernd Pochen,
Und ein Geschrei, das durch den Saal erscholl;
»Sie kommen! flieht!« Dann rief's: »Er ist erstochen,
Vertilgt das Heidenvolk, ihr Maß ist voll!«
Und wüthend drang heran der Tempel Schrecken,
Ein Häschertrupp, die Strafe zu vollstrecken.

»Vereinigt laß uns sterben, stürzet Säulen
Auf uns herunter,« ruft Telestes aus,
Und birgt noch mit dem Schild vor Pfeil und Keulen
Die Braut in seinem Arm; des hohen Bau's
Gewölb durchdrang der Flamme lautes Heulen
Und wirft sich von den Giebeln auf das Haus;
Auf Schutt und Trümmer schaun des Morgens Sterne
Und jauchzend Siegsgeschrei hallt in die Ferne!

In dieser Nacht, aus deren dunklem Schooße
Solch ungeheurer Jammer sich gebar,
Verschied auch Theodosius der Große,
Den starren Blick gerichtet zum Altar,
Die Faust geballt noch wie zum Lanzenstoße,
Und als der Todte lag auf offner Bahr,
Die Krone schien an ihren beiden Jochen,
Das Scepter in der Mitte abgebrochen.

Die Söhne des Gestorbenen empfanden
Noch jung und zart des Herrschens ganze Wucht,
Arkadius gebot den Morgenlanden,
Und früh trug ihm der Jahre rasche Flucht,
Dem Morgenstern in diamantnen Banden,
Die bittere mit Asche volle Frucht;
Honorius so bleich wie eine Leiche,
Gebot Italien und dem Abendreiche.

Auf beiden Seiten war kein Heil zu hoffen,
Statt Eines Pfeilers wankte zweier Grund,
Zwei Häupter – ward das Eine schwer betroffen,
So lächelte des Andern falscher Mund.
Man sah, als einst das Thor zur Gruft war offen,
Daß auf dem Sarg ein Mene Tekel stund;
»Gezählt sind deine Länder und getheilet,
Rasch ist der Tod und das Verderben – eilet.«

An beider Thron stund ein von Krieg Gestählter,
Ein Atlas, der erhielt ihr Firmament,
Ein starker Held, Serenas Anvermählter,
Siegreich im Orient und Occident,
Zwar ein Barbar nur, doch ein Auserwählter,
Gezeugt von einem fremden Element,
Vandale von Geburt, bewährt in Schlachten
Und kühn in allem seinen Thun und Trachten.

Dieß war er, dem sein Eisenhelm so düster
Die Narbe der gebräunten Stirn gedeckt,
Der Mann, von dem der Höfling mit Geflüster,
Von dem die Großmuth sprach, im Feind erweckt,
Dieß war er, der ein steter Schirm und Rüster,
Sein Schwert hielt über Allem ausgestreckt,
Ein Schild des Reichs an jeder Grenz und Marke,
Dieß war der Streithahn Stelico, der Starke.

Das Zelt nur, nie die Stadt hielt ihn auf lange,
Wenn gleich den Herd der Bildung, Rom, das Licht
Der Welt zu schirmen vor Barbarendrange,
Ihm tief bewußt war und erkannte Pflicht;
Und für Arkadius, den schon die Schlange
Der Schmeichelei umkroch, zu groß und schlicht,
Begab sich Stelico vom Thron im Osten
Fort zu des Westreichs letzten Kriegerposten.

Wenn vor dem Volk der Schwächste aller Schwachen,
Wenn im Senat Arkadius erschien,
So schmückten seinen Leibrock goldne Drachen,
Sein Haupt ein Diademschmuck von Rubin,
Und goldne Augen schienen aufzuwachen
Aus tausend Schilden, und die sahen ihn,
Die Augen sahen, wie er grüßt' und nickte,
Sie sahn sein Herz und lasen die Edikte.

Da stund, daß jeder, der nicht abgeschworen
Dem Heidenthum, wer noch ein Götzenknecht,
Deß Eigenthum und Leben sei verloren,
Und seiner Kinder Eigenthum und Recht.
Zu gleicher Zeit bekamen Wände Ohren,
Und fort schlich von Geschlecht sich zu Geschlecht,
Damit es jede Menschlichkeit verletze,
Das Ungethüm der Hochverrathsgesetze.

Ein Abgrund, bodenlos und unermeßlich,
Umgab zwei kahle Felsen, und darauf
Ein zitternd Volk, denn nichts als was verrückt und gräßlich
Und scheußlich ist, trat in dem Zeitverlauf
Der Herrschaft des Arkadius, schwarz und häßlich
Wie seiner Sklaven schwarze Seelen auf,
Nichts als die Unzahl Geld- und Todesstrafen,
Worin sie sich wetteifernd übertrafen.

Und nur zuweilen schaut hervor voll Milde
Ein Jungfraunantlitz, hold wie Sonnenschein,
Gleich dem in Goldgrund aufgetragnen Bilde
Im Cedernschrank der alten Sakristei'n,
Und wie auf jenem schattigen Gefilde,
An das die Höhle grenzt voll Nacht und Pein,
So schmückten an dem sumpfigen Gestade
Die Lilien auch noch dort die dunklen Pfade.

In jenen Tagen sah die Hauptstadt landen
Ein Schiff, von dunkeln Segeln überragt;
Ein Greis in Ketten und ein Mädchen standen
Gebunden auf dem Deck, und angeklagt,
Daß sie des Götzendiensts sich unterstanden,
Sich zum verbotenen Altar gewagt,
Und Opfer dargebracht, nach Art der Heiden;
Noch mehr als Fesseln drückten sie die Leiden.

Ein Kämm'rer des Arkadius entdeckte,
Welch' hohe Schönheit, welche Liebeshuld
Sich unter Gram und Thränen hier versteckte,
Und wie gering erschien erst ihre Schuld!
Das Bild, das er von ihr entwarf, erweckte
Des Herrschers Mitleid, und die Ungeduld,
Eudoxia befreit zu sehn, enthüllte
Die Flamme, welche bald sein Herz erfüllte.

Die Kerkerhaft umschloß sie nicht mehr lange,
Arkadius erschien und sprach zu ihr;
»O stille deine Thränen, Jungfrau, bange
Vor keinen Leiden mehr, ja glaube mir,
Daß ich Verzeihung bald für euch erlange.
Gewährst du nur die eine Bitte mir,
Bereue deinen Abfall, und erneue
Das christliche Bekenntniß deiner Treue!«

»O besser wär's,« erwiederte mit Beben
Eudoxia, und ohne sich zu nahn,
»Du hießest mich den Stürmen übergeben
Auf offnem Meer, allein in einem Kahn.
Was wollt ihr noch von mir, von diesem Leben,
Der Liebe todtem Bild? Sieh mich nicht an,
Sonst möchten dich, wie vor Medusas Blicken,
Die Arme der Versteinerung umstricken.«

Sie stund, von ihrem edlen Schmerz erhoben,
In Hoheit da; mit einemmale brach
Ein Lichtstrahl in den Kerker, und von oben
Erhellte sich die Nacht umher, da sprach
Arkadius: »Hier will ich es geloben,
Ich führe dich noch einst in ein Gemach,
Das höher ragt als jeder Thron auf Erden,
Damit du sollest dort gesegnet werden.«

Eudoxia, es ahnend, wen sie spreche,
Erschrak, und sank vor ihm auf ihre Knie.
»Die Welt weiß nichts, als wie sie Treue breche,«
Erwiederte sie flüsternd, »aber nie,
Daß dieses Herz des Thrones Glanz besteche!
O Jüngling, dem das Scepter Gott verlieh,
Nur Stolz und Schönheit wagt's, um dich zu werben,
Kaum bin ich werth, o Herr, für dich zu sterben!«

Da hieß er rasch die Jungfrau sich erheben,
In seiner Seele kämpfte Stolz und Scham.
»Kind!« rief er, »denk' an deines Vaters Leben,
Den man für deine Schuld gefangen nahm;
Ich will's, so wirst du ihm zurückgegeben.
Bedenk', wer hier um dich zu bitten kam.«
So stürzt er fort und, um sie zu erringen,
Entschlossen, jedes Hemmniß zu bezwingen.

Denn war sie nicht dem Aergsten Preis gegeben?
Und er allein nur konnte sie befrei'n? –
Er durfte kühn sein Glück zu sich erheben,
Doch galt es, muthig und gefaßt zu sein,
Ein Wort zu früh, und ihr bedrohtes Leben
War dann gewissem Tod geweiht, allein
Nur Ein Mann in dem Reich der Griechen lebte,
Vor welchem heimlich selbst Arkadius bebte.

Wenn Jemand sich dem jungen Kaiser nahte,
Und wann er selbst, und wo er auch erschien,
Man sah ihn stets bewacht von seinem Rathe,
Von seinem bösen Dämon, von Rufin.
Es hoffte der, der Erste schon im Staate,
Den Herrscher fester noch an sich zu ziehn,
Und seine Tochter ihm als Braut zu geben.
Ein Plan, der krönen soll sein ganzes Streben.

Denn ob er gleich allmächtig im Palaste,
Gefürchtet in dem ganzen Reich gebot,
So war es doch Rufin, den Alles haßte,
Denn Marter und Gefängniß oder Tod
War jedes seiner Worte, man erblaßte,
Ward nur genannt sein Name, während Noth
Das Volk erdrückte, lud er ihm die Hölle
Der hohen Steuern auf, und Zins und Zölle.

Vor seinem Arm, bewaffnet stets mit Strafen,
Erschrak, wer schuldlos, und es wurde bleich,
Wer schuldbewußt war; beide, seine Sklaven,
Wie die, die sich empörten, arm wie reich
Empfanden seinen Stolz und Neid, es trafen
Oft doppelt seine Blitze und zugleich,
Und keine Stadt, kein Eiland war in Fluthen –
Er kam dahin und mit ihm Beil und Ruthen.

Ein schwarzer Tag begann dann anzubrechen,
Ein Tag des Zorns, der Schrecken, des Gerichts,
Ein Tag der Listigen, der Rohen, Frechen,
Der Feinde jedes Edlen, jedes Lichts.
Dann hörte man nur seine Stimme sprechen,
Und die sprach »schuldig« nur, oft um ein Nichts
Von Schuld, den Tod, doch vor ihm lag gespeichert
Der Opfer Gut, womit er sich bereichert.

Nun war er jüngst von einer solchen Reise
Nach Haus zurückgekehrt, und weit und breit
Erzählte sich das Volk schon laut und leise
Den nahen Tag der Hochzeit Festlichkeit;
Man hielt sich, ihm die heuchelnden Beweise
Befohlner Freude kund zu thun, bereit,
Er sah sich schon im Geist in späten Jahren
Verherrlicht bei den Ahnen der Cäsaren.

Doch als am Tag mit Schmuck und Kostbarkeiten
Die Stadt durchschritt der Hochzeit langer Zug,
Da hieß den Purpurteppich auszubreiten
Der Diener, der die Brautgewande trug,
Anstatt nach jenes Günstlings Haus zu schreiten,
Vor einer Kerkerthür, an die er schlug,
Und überreicht Eudoxien die Schlüssel,
Die Schleier und den Ring auf goldner Schüssel.

»Den Himmlischen, die dich so hold erschufen,
Ist Neid und jeder niedre Sinn verhaßt;
Sie hoben dich zum Glanz der Ehrenstufen,
Denn du erhellst der Krone goldne Last.«
Sprach's und das Volk trug unter Jubelrufen
Die Braut in einer Sänfte zum Palast;
Da trat hervor im reichsten Festgewande,
Und Waffenschmuck, der Herr der Morgenlande.

»Ich sagte dir's, wir sehen uns noch wieder!«
Er rief's und faßte ihre zarte Hand,
Und schloß den Ring um ihre zarten Glieder,
Und wand um ihre Stirn ein Perlenband.
Sie sah verstummt und bleich zur Erde nieder,
Und während sie nicht Wort noch Regung fand:
»Du jeder Kunst und holden List Erfinder!«
Rief rings das Volk – »Heil, Eros, Ueberwinder!«

In diesem Augenblick durchschritt die Menge
Ein Mann von stolzer, mächtiger Gestalt,
In seinem Antlitz Ernst und finstre Strenge,
Und einen Zug voll List und schlangenkalt.
Es schien, daß ihn ein grimmer Neid versenge,
Doch schnell gewinnt er über sich Gewalt,
Und eilt vorbei, bemüht, daß in der Nähe,
Und jetzt ihn ja kein Menschenblick erspähe.

Rufin, er war es, so beschimpft, betrogen,
Und preisgegeben jedem Spott und Hohn,
Erinnert sich, daß nah' die Völkerwogen
Der Gothen stehn und schon Byzanz bedrohn.
Denn von dem Ruhm des Alarichs gezogen,
Stund jenes Volk jetzt zu des Balten Sohn,
Und brach, als Theodosius war geschieden,
Den mit dem Griechenreich geschlossnen Frieden.


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