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Wo sich den nordgepeitschten Wellenschlägen
Das Hochland Asiens entgegensträubt.
Wo trüb, als müsse sie's noch erst erwägen,
In ihre Bahn die Sonne tritt, bestäubt
Von Schneeglanz blinkt ihr Licht herab in schrägen
Und matten Strahlen dort, wie schlafbetäubt,
Und leuchtet nur der Steppe öden Haiden,
Worauf die Horden ihre Heerde weiden.
Dort haust ein rauh Geschlecht, dort wo der Wagen
Des Himmels strahlt, Furcht flößet schon der Blick
Des Kindes ein, das Haupt ruht hochgetragen
Auf breiten Schultern, stark ist das Genick;
Die Nasen sind wie ins Gesicht geschlagen,
Die Wange breit und narbig; mit Geschick
Weiß, kaum der Brust entwöhnt, sich auf den Rücken
Der Rosse schon das zarte Kind zu bücken.
Ein Theil des Stamms ist immerfort zu Pferde,
Die übrige Bevölk'rung hält zu Haus,
Beschäftigt mit Bebauung ihrer Erde;
Aus kleinen Augen schau'n sie kaum heraus,
Noch in Ertragung äußerster Beschwerde,
Ist diesem Volk kein anderes voraus;
Sie haben, denn sie achten auch nicht Wunden,
Nicht Panzer und nicht Helme umgebunden.
Und wandernd einst durch jene weiten Strecken,
Erschien beim Lager des Nomadenstamms,
Gefolgt von Mäusen, Raupen und Heuschrecken,
Ein großer Hirt in einem grauen Wamms.
Er hatte nichts, den hagern Leib zu decken,
Als um sich her die Felle eines Lamms,
Die Mäus' und Raupen trieb er, immer suchend
Und drängend, geißelnd vor sich her und fluchend.
In seinen hohlen Blicken lag ein tiefer
Und ekelhafter Gram, ein grauer Bart
Hing lang und wirr vom abgedorrten Kiefer;
Um seine Schultern saß nach Jägerart
Ein Thierfell, doch zerfetzt, voll Ungeziefer,
Und wie sein Scheitel, grau und dünnbebaart;
Um seine Lenden bei der Ledertasche
Hing wie bei Pilgern eine Kürbisflasche.
Indem er Dorne zog aus seinen Füßen,
Und seine Heerde rings die Flur zerfraß,
Sprach er zum Volk umher: »Ich soll euch grüßen,
Ich bin der Hunger, habt mich!« und er saß
Vor ihre Zelte hin, und brach die süßen
Und kleinen Blumen, sprechend: »Seht das Gras,
Die Wurzel, die dem Boden ich entrissen,
Dünkt meinem Gaumen noch ein Leckerbissen.
Ich wohne bald am unfruchtbaren Meere,
Bald, wo taglang am todten Dromedar
Die Schakals nagen in der Menschenleere,
Wo nie der Sand ein Sonnenkind gebar,
Auch mach' ich oft mit einem Siegesheere
Vor aller Welt mein Dasein offenbar,
Und lass' in Städten, die sich täglich füllen,
Die Menschen wüthend durch die Straße brüllen.
Zu euch jetzt! Wandert aus von euren Sitzen!
Zieht aus und fort, von mir hinausgeschreckt.
Durch ferne Länder sollt ihr niederblitzen,
Wie Hagel, der die Saaten niederstreckt –
Und wie ein Wolkenbruch in Felsenritzen
Versiegt, und in die Tiefen sich versteckt,
So sollt auch ihr im großen Völkerbrunnen
Versiegen geh'n. Und jetzt von hinnen, Hunnen!«
Er sprachs, da ward von unzählbaren Nagern
Die Haide bald ein ödes Haidegrab;
Der Hunne sah die Heerde täglich magern;
Nach Westen wies des Königs Wanderstab;
Und also zogen sie aus ihren Lagern
Vom Steppenhochland Asiens herab,
Und wälzten, Volk um Volk in sich begrabend,
Verheerend sich von Morgen gegen Abend.
Sie kommen, wie das Herbstlaub von den Aesten,
Das aufgehäuft im Sturm von dannen fliegt,
Am Tanais und wo in den Morästen
Des schwarzen Meers der große Strom versiegt,
Entflieh'n den nie geseh'nen Schreckensgästen,
Theils unterjocht und theils noch unbesiegt,
Nach Süd und West sich rastlos fortbewegend,
Die namenlosen Stämme jener Gegend.
So muß es sein, wenn in den Tropenzonen
Durch Urwaldnacht ein plötzlich Feuer leckt;
Im Flug ergreifts die höchsten Gipfelkronen,
Aus Höhlen, die kein Lichtstrahl noch entdeckt,
Flieh'n alle Thiere, die den Forst bewohnen;
Der Adler, von dem neuen Tag erschreckt,
Verläßt sein Nest am tausendjährigen Stamme,
Und rauscht empor, ein Phönix aus der Flamme.
Zu Boden stürzen uralt dunkle Rüstern,
Die Aeste fliegen prasselnd auf, es blitzt
Aus Säulen Rauches, die den Himmel düstern;
Es kocht der See, Fels, Sumpf und Erde schwitzt;
Die Steppenrosse mit weit offnen Nüstern,
Die Mähnen hoch, die Adern aufgeschlitzt,
Flieh'n fort und fort, verfolgt vom Feuerstrudel,
Und ihnen nach die Antilopenrudel. –
Es war zu einer mitternächt'gen Stunde,
Als Hermanrich, der Gothenfürst erfuhr
Von einem Hirten, daß ein Volk wie Hunde
Gestaltet, anzög' auf des Ebers Spur;
Er selbst lag krank im Zelt an schwerer Wunde,
Getroffen von der Brüder Racheschwur
Um Schwanhild ihre Schwester; ihrer dachte
Der König jetzt, und seine Reu' erwachte.
»Schwer ist mein Herz bedrückt, denn nicht mit Milde
Hab' ich geherrscht, mein Zorn war niemals gut,
Weil sie mir untreu war, ließ ich Schwanhilde
Zerreißen von der wilden Pferde Wuth.
Doch tönen soll's am eich'nen Heeresschilde,
Erwachen soll der alte Schlachtenmuth! – «
Auf seinen Speer gestützt mit seinen Söhnen,
Erhob er sich, und ließ den Schild ertönen.
»Statt Wodans mußt' ich an den Eichen sehen
Des Kreuzes Bild; jetzt ruf ich, es entflamm'
Der Krieger Brust, und laß nicht untergehen
Mit mir zugleich mein Volk und meinen Stamm,
Und lasse nicht den Fluch an uns geschehen,
Durch den zu Grunde ging Rehabeam.«
So sprach der Greis, und führte seine Starken
Dem Feind entgegen an des Landes Marken.
Geschlagen wurden nun die großen Schlachten,
Von denen längst verstummt die Sage mied,
Den Thaten, die die Helden dort vollbrachten,
Den Ruhm zu wahren und den Preis im Lied. –
Nur Adler sah'n, die bei den Leichen wachten,
Wie Hermanrich, der Gothenheld, verschied
Am Runenstein von seinem Blut befeuchtet,
Auf Leichenhügeln, bleich vom Mond beleuchtet.
Ein schwer Verhängniß an der gold'nen Spule
War ihm gewoben von der Nornen Hand,
Dem hundertjähr'gen Könige von Thule,
Der Quaden und Sarmaten überwand,
Der König war auf einem Richterstuhle,
Auf seine Krone schien ein Flammenband
Aus Hellas Gluth, und seinen Leichnam trugen
Zwölf Männer fort, die durch den Feind sich schlugen.
Zehn Monde wandten sich die Hochgemuthen
Dem Himmelswagen zu durch Wald und Moor,
Bis sich zuletzt in nebelweißen Fluthen
Von ihrem Blick das feste Land verlor.
Hier war's, wo plötzlich schien das Meer zu bluten,
Am Himmel blitzte Glanz an Glanz empor,
Ein Flammenschleier hüllte rosenfarben
Das Nordgestirn in goldne Feuergarben.
Die Fluth des Belt schien freudig aufzuwogen;
Die Gothen waren einst an diesem Strand,
Nachdem aus Schweden sie hinweggezogen,
Vor urlängst angelangt, das Ostseeland
Lag öd und unbewohnt, nur Möven flogen,
Wo einst ein großes Volk die Taue band.
»Hier war es,« rief der Aelteste der Gothen,
»Hieher einst kamen wir mit unsren Booten.«
Die andern fragten ihn, wohin zu dringen
Versuchtet ihr? er sprach, »ich weiß nur eins,
Es war die Zeit gezählt nach Jahresringen,
Die um das Heiligthum des Opfersteins
Im Tempel Odins an den Säulen hingen,
Wo sich versammelt' in der Nacht des Hains
Das ganze Volk, Julfeuer angeschüret,
Heerführer sich und Könige geküret.
Nun aber war damals hereingebrochen
Ein Winter über Gothenland, so rauh
Nie nie vordem, und an den Felsenjochen
Wich nimmermehr der Schnee dem Frühlingsthau.
Als wär' das Sonnenherz vom Tod durchstochen,
Verbarg ihr Antlitz sich in düstres Grau,
Es lösten sich vom Froste nie die Winde,
Die Küsten nicht vom Bann der Eisesrinde.
Kein Pflug zog Furchen in dem Erdengrunde,
Der Sommer brachte kaum ein spärlich Grün,
Und eine Sage ging von Mund zu Munde,
Es sollt' ein Land im fernen Osten blühn,
Das heil'ge Land der Asen, sprach die Kunde,
Woher einst Odin mit den Seinen, kühn
Der Wolken Bahn betretend, war gedrungen
Nach Asgards Höh'n, auf seinen Wanderungen.
Und so beschloßen wir zurückzukehren
Ins Morgenland, zum Born der Frühlingszeit,
Das mußten, ach, die Götter uns verwehren,
Den Hunnen wichen wir nach langem Streit,
Den schwarzen Hunnen. Ihn nun laßt uns ehren,
Den Heldenkönig, ihm in Felsen breit
Ein würdig Grab erhöhen, an den Borden
Des grauen Meers, am Strand des höchsten Norden.
Wie keine Schneelast bricht die Kraft der Eiche,
So brach auch ihn nicht seiner Jahre Last,
Und wachen wollen wir bei seiner Leiche;
Von Sohn zu Sohn sei hier der Helden Rast!
Und wer im Kampfe fiel, sein Geist erreiche
Die Stätte noch, die seinen Staub umfaßt;
Die Sage, die sonst untergehen müßte,
Nehm' ihren Schwanenflug an diese Küste.«
Sie senkten nun, sobald sie angelandet,
In einer Eisengruft den Leichnam ein,
Auf einem Fels, den Nordfluth stets umbrandet,
Wo einmal nur im Jahr der Sonnenschein
Mit zartem Blumenroth die Flur gewandet.
Zwölf Wächter stehen um den Sarg von Stein.
Alljährlich in der mitternächt'gen Stunde
Zur Sonnwendzeit hallt Schildklang in der Runde.
Des Gothenvolkes andrer Theil, verrathen
Von Glück und Ruhm, erkor der Flücht'gen Loos,
Und sie verließen Flur und Hain und Saaten,
Den Staub, der ihrer Väter Grab umschloß
Und wanderten nach Süden, und betraten
Das Land der Donau, dort wo tief und groß
Ihr Bett sich eine Meile weit verbreitet;
Von Alavir und Fritigern geleitet.
Nach Syrien! Die Adler Roms umschweben
Der Städte prächtigste, sie schmückt sich schon,
Durch ihre Straßen wogt ein rauschend Leben,
Auf weitem Forum glänzt ein offner Thron.
Umringt von Jubelnden mit Thyrsusstäben
Erschallt die Cymbel, klingt der Flöte Ton;
Auf! deinen Herrn und Kaiser zu bewirthen,
Bekränz', Antiochia, dich mit Myrten!
In Erz- und Marmorschrift begrüßt den Vater
Des Vaterlandes – Jovis Tempelthor;
Und vor dem Thor, ein schwarzer Menschenkrater,
Mit Bogengang und dunklem Corridor,
Wölbt sich das rauschende Amphitheater
Aus finsterem Cypressenhain empor;
Mit Spielen, die drei Tag' und Nächte währen,
Will sich die Stadt vor ihrem Herrn verklären.
Jauchz', Heuchlerin, der kaiserlichen Posse!
Dein Held erscheint, den hohen Sieger ziehn
Auf goldnem Wagen zwölf schneeweiße Rosse,
Io triumphe! jauchzt das Volk um ihn,
Heil Cäsar! donnert's aus dem langen Trosse,
Bacchantisch wogt zur Stadt der Schwarm dahin,
Satrapen, Gaukler, Sklaven, Senatoren,
Sophisten, Flötenspieler und Lictoren.
Und wie der Cäsar nun den Thron bestiegen,
Da stürzten die Satrapen sich zugleich
Vor seinem Thron in Staub wie Sonnenfliegen,
Und flehn um ihr verlornes Königreich.
Der Cäsar sieht sie finster vor sich liegen,
Es ahnt sein Stolz wohl nicht, daß ihnen gleich
Der Herrscher Roms, jetzt noch der Herr der Erde,
Im Staub einst so vor Fremden liegen werde.
Und aus dem Volke tritt hervor ein Blinder,
Der sich von einem Gott begeistert nennt:
»Wie Alexanders bis zum Land der Inder
Erstreckt dein Schwert sich, Cäsar! dich erkennt
Der Perser an als seinen Ueberwinder,
Zu deinen Füßen liegt der Orient,
Auf Elephanten, die den Feind zermalmen,
Durchziehst du siegreich dieses Land der Palmen.
Wie Blitze furchen deine Sichelwagen
Ins Heer der Feinde, deine Schiffe sind
Delphine, welche Kriegspalläste tragen,
An ihrer Pracht sieht sich die Welle blind;
Wenn ihre Ruder in die Woge schlagen,
Hält seinen Athem der erstaunte Wind;
Durch sie sind dir die Zügel eingehändigt,
Womit dein Arm die Meeresküsten bändigt.«
Geduldig hört der Cäsar seinen Preiser,
Und reich vergoldet wird sein Lobgedicht.
Er winkt – da wird der wilde Jubel leiser,
Den jetzt ein Herold rufend unterbricht:
»Vor Cäsar Valens, Roms erhabnen Kaiser,
Ruf' ich der Erde Völker zu Gericht,
Sein Wort verheißt – dreimal ergeht die Ladung –
Dem Schwachen Schutz, dem Flehenden Begnadung.«
Er ruft's, da öffnet sich der Kreis und mitten
Erblickt man unter einer Kriegerschaar
Zwei Fremde nahn, geharnischt und beritten,
Gewaltig, groß mit blondgelocktem Haar,
Ihr Blick und Ansehn zeugt von edlen Sitten,
Von hoher Kraft ihr breites Schulternpaar.
Vor ihrem Waffenschmuck, der golden funkelt,
Scheint alle kaiserliche Pracht verdunkelt.
Wie muthig ihre weißen Renner tanzen!
Die edlen Glieder deckt der weiße Schaum,
Die Satteldecken sind mit Purpurfranzen,
Mit Silber sind geschmückt Gebiß und Zaum.
Sie steigen ab, sie senken ihre Lanzen,
Die Menge macht erstaunt und schweigend Raum –
»Heil sei, o Cäsar, dir, und Ruhm beschieden,«
– Beginnen sie – »wir grüßen dich in Frieden.
Wir kommen, abgesandt vom Volk der Gothen,
Das flüchtig irrt am fernen Donaustrand;
Einst seine Fürsten, jetzt die Unglücksboten,
Vom Kaiser zu erflehen Brod und Land,
Und ein gesichert Grab für unsre Todten.
Wir bieten dir dafür zum Unterpfand,
Scheint anders diese Gabe noch gewichtig,
Das Eisen unsrer guten Schwerter pflichtig.
Gebt uns,« sprach Fridiger, »all eure Kriege,
Wir wollen die Gefahr, den Sturm, den Streit,
Euch geben wir dafür den Ruhm der Siege,
Und Ruhe eurem Land und Sicherheit.
O glaube nicht, ein Volk wie wir, erliege,
Weil's einmal unterlag, der Niedrigkeit!
Ward nicht auch euer Volk in schlimmen Tagen
Vom überlegnen Feind in Flucht geschlagen?
Wir kämpften, aber nicht mit Erdgeschöpfen,
Mit Wesen, die gebildet sind wie wir;
Dämonen waren es mit Hundeköpfen,
Scheußlich und wild, halb Satan und halb Thier;
Und wie ein Brunnen, der nicht auszuschöpfen,
Quoll ihre Ueberzahl bald dort, bald hier
Auf uns herein, und schlugen wir sie nieder,
Verhundertfacht erhoben sie sich wieder.
Denn als das Kreuz von jenen Tempelzinnen
Herabsah auf den heidnischen Altar,
Flohn götzendienerische Priesterinnen,
In Skythiens Wälder die Alrunenschaar,
Dort ließen sie das Blut der Opfer rinnen,
Zum Geiste flehend, der ihr Abgott war,
In grimmerfüllter, schrecklicher Beschwörung
Um Krieg, Verbrechen, Gräuel und Zerstörung.
Hör' uns, gefallner Lichtgeist, Herr des Bösen,
Dem wir als Schiwa, Typhon, Ahriman,
Der Opfer zuckend Eingeweid entlösen,
Erzeuger der Giganten, hör' uns an!
Erscheine, komm', die Gürtel uns zu lösen,
Zu flammender Befruchtung laß uns nahn,
Erzeuge, wie vordem mit unsern Müttern,
Mit uns auch Söhne, die das All erschüttern!
Titanen diesem neuen Himmelskönig,
Der unser uralt Zauberrecht verneint,
Der alle Wunder und Orakel fröhnig
Nur sich und seinem Lügenstande meint!
Titanen ihm – bis wieder siegestönig
Das Unterirdische der Welt erscheint,
Ja bis die Menschheit, bleich und angstbekümmert,
Vor uns gebeugt, das Christusbild zertrümmert.
Und Satan kam, von Donnern angekündet,
Die Erde barst, erschrocken stand die Fluth,
Von seinem Anblick schien der Wald entzündet,
Ein Lichtglanz, wie um Cherubstirnen ruht,
Umgab sein Haupt, mit Höllennacht verbündet,
Wie Sturmgewölk sich mischt mit Abendgluth;
Graunvoll, doch göttlich – rauschend längs der Hügel
Thessaliens, schwang er seine Meilenflügel.
Er sah die Zauberinnen knieend bangen;
Entflammt von ihrer frevelnden Begier,
Empfand auch er ein glühendes Verlangen,
Und rasch verwandelt in ein Flügelthier,
Erschien er wie ein Knäuel brauner Schlangen,
Zum Löwen ward das Haupt, die Brust zum Stier,
Mit wildem Luchsaug', mit dem Kuß der Faunen
Umschlang er hundertleibig die Alraunen.
Und ehe noch das Herbstlaub sich zerstreute,
Erscholl's vom Pontus bis zur Donaufurth
Vom Wehgeschrei der schwangern Höllenbräute;
Laut stöhnend ließen sie die Mißgeburt
Der Hunnen aus; sie banden Tigerhäute
Zu Windeln mit beschriebnem Zaubergurt,
Sie säugten mit der Milch von schwarzen Stuten,
Und badeten die Brut in Höllenfluthen.
Nun trauern unsre Harfen an den Eichen
Des Wahlfelds, welchem unser Stern erblich;
Erschlagen liegt bei seinen treuen Leichen
Der Völkerhirt, der König Hermanrich.
Der Sieger einst in allen Morgenreichen,
Vor dem der Heruler und Parther wich,
Und der, ein hundertjähr'ger Greis, gesehen
Sein riesig Reich auf immer untergehen.«
Es schwieg der Held und in die reiche Mähne,
Die seines Rosses Hals umflog, verbarg
Der treue Mann sein Antlitz und die Thräne,
Wie hingebeugt ein Trauernder am Sarg;
Doch Roms Beherrscher, seine kühnen Pläne
Bei sich verbergend, lächelte mit Arg,
Und von dem Oelbaum neben seinem Throne
Brach Valens einen Zweig dem Asensohne.
Der aber schwang sich kühn, den Blick erhoben,
Aufs Pferd, auf das mit einem Satz er sprang,
Und gab von seiner Riesenstärke Proben,
Indem er reitend seine Waffe schwang,
Und während ringsumher die Funken stoben,
Die Lanze hoch empor warf, daß es klang,
Und auffing, und zum Zweig des Friedenspfandes
Sie beugend stürmte durch die Wolken Sandes.
Durch jedes Wort, das Fridiger geredet,
Ward tief bewegt des Kaisers schwanker Muth;
»Wohl liegen die Provinzen weit verödet,
Allein wer wünschte solch gefährlich Gut? –
Dieß Volk, das uns so oft und kühn befehdet,
Das zahllos ist, und dessen Kraft nie ruht,
Bald, fürcht' ich, wird es, trotzend jeder Hemmung,
Statt zu befruchten, drohn mit Überschwemmung.«
Als nun allein um ihn die Räthe waren,
Trat Lupizin zuerst hervor, und sprach:
»Warum dem Wunsch der Gothen nicht willfahren?
Warum vollenden wir nicht ihre Schmach?
Dieß große Volk, das größte der Barbaren,
Das uns noch immer Treu und Glauben brach,
Ein Gott hat es mit Hab' und Gut und Leben
Für immer unsern Armen übergeben!
Verbunden mit den Völkern ihrer Zone,
Schon in Jahrhunderten vor unsrer Zeit,
Erschütterten die Gothen unsre Throne,
Wir sahen Frieden und Vertrag entweiht,
Der tapfre Decius fiel mit seinem Sohne;
Dianas Tempel, dessen Herrlichkeit
So lang bestund, zerstörten sie, der Werke
Erhabenstes an Schönheit, Glanz und Stärke.
Laß sie doch kommen, laß sie alle, alle
Von Hunger jetzt, und dann von Gold gelockt,
Wie Wölfe stürzen in die sichre Falle,
Ob der schon jetzt mein ganzes Herz frohlockt.
Schon seh' ich, wie mit ungeheurem Schalle
Am Strom sich's drängt, wie hier die Menge stockt,
Wie dort – genug, laß unser Schwert uns schärfen,
Laß mir den Ruhm, sie dir zu unterwerfen.« –
Bald sah die Donau Nachen, Boote, Flöße,
Fahrzeuge jeder Art, und überfüllt
Mit Menschen von noch nie gesehner Größe;
Die Einen sind in Waffenschmuck gehüllt,
Die Andern stemmen heftig Lanzenstöße
Dem Strom entgegen, der gehoben brüllt,
Auch schwimmen Viele kühn dem Strand entgegen,
Indem sie sich auf ihre Schilde legen.
Hinüber und herüber ging's mit Kähnen
Bei Tag und Nacht und ohne Rast und Ruh'n,
Man konnte fast den Strom bevölkert wähnen,
Die Schiffer hatten immerfort zu thun;
Vornehme hier, mit Augen voller Thränen,
Dort Arme, hilflos, mit zerfetzten Schuh'n;
Und Heiligthümer wurden mitgetragen,
Geräthe, Kinder, Hausthier, Roß und Wagen.
Vergessen bald ist Elend und Beschwerde
Des Krieges und der Flucht, mit frohem Schritt
Betritt das flücht'ge Volk die fremde Erde,
Willkommen sich und ihr. Zum ersten Ritt
Springt hier der Reiter wieder auf die Pferde,
Gezelt und Wagen nimmt ein Andrer mit;
Weithin am Ufer unter luft'gen Decken
Sieht man ein rasches Lager sich erstrecken.
Zweihunderttausend zählen die Legaten,
In rauher Anzahl um den Strand gepreßt,
Da rufet Lupizin: »Ich muß euch rathen,
Ihr Führer dieses Volks, dieß ist kein Fest.
Im langen Krieg zerstört sind unsre Saaten;
Wißt ihr, wie viel an einem Tag ihr eßt? –
Wir geben euch, doch fordern wir dagegen,
Ihr müßt uns euer Schwert zu Füßen legen.«
»Hab' ich um Fleisch mein Schwert euch angeboten?
Kauft Bundsgenossen ihr auf offnem Markt? –
Euch unser Schwert! Geht, holt es bei den Todten,
Dies in den Leib der Hunnen eingesargt.
Schon seit drei Tagen hungern meine Gothen;
Wir sind zu lang in jedem Kampf erstarkt,
Fügst du noch frechen Hohn zu unsern Qualen,
Vielleicht, daß mit dem Schwert wir euch bezahlen.«
Der Römer drauf: »Geziemt es den Besiegten,
Die Hand ans Schwert zu legen? Ihr sprecht Hohn;
Denn seit die Römer mit den Gothen kriegten,
Saht ihr je fliehend unsre Legion?
Uns, die wir unsern Willen eurem schmiegten,
Und Land euch boten, uns wagt ihr zu drohn?
Was unsre Sicherheit heischt zu bedingen,
Wir wollen es, wir können es erzwingen.«
»Nimm, Römer, nimm, wir haben Prachtgewänder,
Wir haben Rosse, glänzend wie die Nacht,
Um unsre Zelte flattern Purpurbänder,
An unsren Helmen blinkt des Goldes Pracht,
Nimm alles hin, als feste Friedenspfänder,
Doch nimmermehr den Hort, das Heil der Schlacht.
Ein Volk, das waffenlos ist, geht auf Erden
Gezeichnet wie verkaufte Lämmerheerden.«
»Wenn du,« entgegnet jener, »höhern Werthes
Die Waffe hältst in dem dir offnen Land,
So feilsch' ich nicht mit dir ob deines Schwertes,
Doch dafür heisch' ich dann als Unterpfand
Ein Höh'res als den Stolz des schönsten Pferdes,
Ein Wertheres als Gold und Prachtgewand –
Wir wählen, denn wir müssen Bürgschaft haben,
Uns Geißeln aus aus euern Frau'n und Knaben.«
Der Gothe preßt die Lippen stolz zusammen;
Die Faust geballt an seines Schwertes Knauf,
Erstickt er in der Brust des Zornes Flammen;
»So nehmt denn,« ruft er bittern Grimmes auf,
»Nehmt sie als eure Mägde, eure Ammen –
Es kann euch noch gereu'n so theurer Kauf!
Doch jene werden Thraciens rauhe Sterne
Verläugnen nimmermehr, in keiner Ferne!
Und nimmermehr, daß sie mit uns gelitten,
Vergessen in der fernen Sklaverei,
Daß sie die Hüterinnen unsrer Sitten,
Das Kleid uns woben, und getreu und frei
Mit uns in mancher heißen Schlacht gestritten;
Doch all dieß Glück, es ist dahin, vorbei.«
Er spricht's und eilt, dem Volke zu verkünden,
Was er gelobt, mit Rom sich zu verbünden.
Darauf geschieht nun dieß, mit Schmuck und Beute
Stellt sich dem Feldherrn dar, wer geben kann;
Von ihren Freiern scheiden sich die Bräute,
Ans Herz zum Segen hebt sein Kind der Mann;
»Nun seid ihr Lämmer, die der Wolf zerstreute,
Der euch durch arge List uns abgewann –
Dem wir, um zu bepflügen diese Schollen,
Mit unserm Blut für unsre Freiheit zollen.
Kommt, – lehrt mit Blicken freche Frevler zwingen!
Ihr Frau'n und Jungfrau'n! – Stolze Römer, naht!
Dieß sind sie, die wir euch als Geißeln bringen;
Nimm diesen menschlichen Tribut, Legat!
Wir Männer lösten uns von unsern Ringen,
Entsagten unsers Lebens theurer Saat;
Dieß sind sie, die wir euch als Geißeln weihen.
Und ihr, o hofft, daß wir euch noch befreien!«
Sie aber sahen jungfräulichen Glanzes
Auf ihren Feind, nicht schüchtern wie das Reh,
Kühn, wie zum Schritt des heim'schen Waffentanzes,
Aus Blicken zürnend wie die grüne See.
Hoch aufgebunden fiel des Lockenkranzes
Goldfluth um Schultern, glänzend wie der Schnee;
Das Wolfsgewand vom Runengurt umschlungen:
Sie glichen Löwinnen mit ihren Jungen.
Zweihundert Knaben standen bei den Frauen,
Der Norn ein jeder schlachtgeborner Sohn,
Gewohnt den Blitzen ins Gesicht zu schauen,
Zur Knechtschaft jetzt bestimmt, zu Lohn und Frohn,
Im Sklavenkleid das Fremdland zu bebauen; –
Doch aus der Väter Augen schien ein Drohn
Auf sie zu blicken, voll von Kampfverlangen,
Erzürnten Rosen glichen ihre Wangen.
Vergnügt sah Lupizin die Schaar der Freien,
Auf Eines Schultern legt er seine Hand,
Als woll' er Alle so der Knechtschaft weihen.
Fest an den Busen preßten ihr Gewand
Die Mütter ohne Schluchzen, ohne Schreien.
Zugleich erschien, um jeden Widerstand
Im Augenblick gewaltsam zu erdrücken,
Ein Trupp des Soldheers hinter ihrem Rücken.
Trophäen gleich lag Waffenschmuck geschichtet,
Und Fridiger hob hoch empor den Speer,
Die Spitze dann der Sonne zugerichtet,
Verkündete er laut; »Bei dieser Wehr,
Bei jenem Lichte, das die Nächte lichtet,
Gedenk' einst dieser Tage, Römerheer,
Und du, der Donau Fluth, vernimm! und roll' es
Hinab zum Meer im Unmuth unsres Grolles.
Ihr habt uns nichts gelassen als das Eisen,
Doch kommt die Zeit noch, wo wir hart und klar,
Und eisern euch bis hart ans Herz beweisen,
Daß um den Werth der Jugend, unser Haar,
Und unser Schwert mit noch zu niedern Preisen
Von eurem Geiz berechnet worden war.
Kommt diese Zeit, und sie wird kommen, eben
Weil ihr's so wollt – den Dank will ich euch geben.«
Hierauf beschwor zwar Mann um Mann den Frieden,
Jedoch das Herz von Ingrimm nur geschwellt,
Die Sühnung hoffend derer, die geschieden,
Um Wahrung und Befreiung ihrer Welt;
Doch jede laute Klage ward vermieden,
Es ward die Saat gesä't, das Feld bestellt,
Es schnitt der kinderlose Greis die Aehren,
Das Haus der Wittwe seines Volks zu nähren.
Des Südens schlummernde Altäre hörten
In fremden Lauten stillen Rachesang,
Verirrte Schatten, die den Bau zerstörten,
In den kein Joch die freie Seele zwang,
Der Jünglinge, die sich der Schmach empörten,
War's, daß ihr Haupt ein schmählich Band umschlang,
War's, daß sie mußten unter Beil und Ruthen,
Im Circus oder im Gefängniß bluten.
Für Rom in Asien und in Gallien siegte
Der Gothen Jugend, und ihr dunkles Loos
Fiel einer Zeit, für den, der sich ihr schmiegte,
Wie dem, der widerstand, gleich hoffnungslos.
Die Enkelin der alten Asen wiegte
Die Söhne ihrer Feindin auf dem Schooß,
Die Tochter aus uraltem Heldenstamme
Ward eines Freigelassnen Magd und Amme.
In jeder Sprache hört ein Gott die Klage
Des unterdrückten Rechts, an keinem Stein
Klebt schuldlos Blut, es findet seine Wage;
Kein stilles Ach geht ungehört allein,
Es dringt hervor zum sonnenhellen Tage,
Ein schmerzlich Flüstern hört der dunkle Hain,
Die Tanne rauscht's der Luft, die Lüfte wallen
Den Wolken zu, die's donnernd wiederhallen.
Verlassen von der Kraft verwandten Blutes,
In einer Welt, der keine Zucht mehr galt,
Gejocht von einem Volke, baar des Muthes,
Das jedem Hochsinn frechen Hohn vergalt,
Entfernt vom Lichte, das ihr All und Gutes,
Ihr Heiligstes mit Wärme sonst bestrahlt,
Gleich Blüthen, von dem Sturm in Staub gewehten,
Ward so der Menschheit ein Geschlecht zertreten.
Der Frühling kam, hoch schwollen die Gewässer
Der Donau brausend am Gestad empor,
Dem Gothen schnitt die Habsucht der Erpresser
Von jedem Tag, den ihre Müh' verlor,
Mit immer ungerecht'rem Maß und Messer,
Die Zufuhr der bedungnen Nahrung vor,
Und jede Klage, die sie hören ließen,
Ward höhnisch oder flüchtig abgewiesen.
Bei vollem Tisch, auf weichen Polstern lagen
Gesandte von Byzanz mit Lupizin,
Zwei Reiter sah man durch die Thore jagen,
Ein drohend Haupt, und Fridiger erschien.
»Wie,« rief der Römer, »hör' ich wieder Klagen?
Ihr glaubt wohl, daß ich eure Ceres bin?
Du siehst, ein attisch Mahl würzt unsre Leiden,
Willst du mein Gast sein, lerne mich beneiden.«
»Ich denke nicht in Wein mich zu versenken;
Ein ganzes Volk steht draußen in der Noth!
Von deinem Tisch magst du den Hunden schenken.
Wir fordern unser schwer erkauftes Brod.
Es ist des Bündnisses, deß wir gedenken,
Des Friedens unerläßliches Gebot.
Ihr würdet uns für Brod die Steine wägen,
Und Gold dazu aus unserm Blute prägen.«
»Wir könnten, Gothen! – Eure Götter rauschen
Nicht mehr um euch im Laub des Eichenhains,
Um unsre Mauern wandeln sie und lauschen,
Und lachen uns beim Becher vollen Weins.«
»Ganz wahr,« sprach Fridiger, »und immer tauschen
Die Völker Glück und Unglück. Doch nur eins,
Für jetzt nur dieß; warum ist meinen Gothen
Sogar der Eintritt in die Stadt verboten?
Was eure Märkte jedem Fremdling bieten,
Wovon ihr selbst besitzt im Ueberfluß,
Davon schließt uns ihr aus!« – »Schweigt, Scythen,«
Rief Lupizin, »ich thue was ich muß;
Was Vorsicht mir und treue Sorge riethen,
Und unerschütterlich ist mein Entschluß!
Ich will, was ihr auch saget, vor Barbaren
Die Thore dieser Stadt beschützend wahren.«
»Ihr schwelgt,« rief Fridiger, »in euren Thermen,
Und wir verhungern, euer Tisch ist voll …«
Und horch, da klang von drauß ein wildes Lärmen,
Das bis ins Innre des Pallastes scholl;
Es waren, statt nur um die Stadt zu schwärmen,
Die Gothen eingedrungen, und nun schwoll
Im Kampf schon mit den Römern, ihre Menge,
In wildem Brausen durch die Straßenenge.
Wohl wurden sie vom Ansturm der Cohorten
Zurückgedrängt, doch blutig schloßen sich
Vor ihrer Wuth die Riegel an den Pforten,
Da jeder kämpfend Schritt für Schritt nur wich.
Als dieß dem Lupizin mit leisen Worten
Gemeldet ward, und daß durch Lanzenstich
Und Schwertschlag mancher Römer umgekommen,
»Ha,« sprach er, »habt ihr Rache schon genommen?«
Berauscht vom Wein, der seinen Grimm erhöhte,
Befiehlt er, daß man gleich die kleine Schaar,
Die Wache Fridigers und jeden tödte,
Der mit ihm zum Pallast gekommen war.
Doch sich verbergend rief er laut; »Ich böte
Euch gern den Friedenstrunk, allein fürwahr
Ihr schlagt zu trotzig aus, ich muß nun schauen,
Durch starke Bande euch mit mir zu trauen.«
Auf diese Rede folgte nur ein Winken,
Und von Soldaten ward umringt der Saal;
Doch Fridiger rief; »Laßt die Speere sinken.
Den tödtet, der mich hält, mein scharfer Stahl!
Wenn wir mit euch auch heute noch nicht trinken,
Wir kommen euch zu Gast ein andermal!
Ich eile fort, den Aufruhr jetzt zu stillen,
Die Gothen hören nur auf meinen Willen.«
Da drang heran Gestampf von Rosseshufen,
Die Helden sahn sich an und jeder frug:
»Was war das,« als sie aus dem Hof das Rufen
Der Ihr'gen hörten, die man dort erschlug;
Und unverzüglich über alle Stufen
Mit einem Sprung durchbrachen sie den Zug,
Und Bahn sich schaffend mit gezücktem Schwerte,
Erreichen sie das Thor und ihre Pferde.
Sie schwangen sich nun in die Sättel, sprengten
Aufs offne Feld, und zu dem Lagerwall,
Und als sie angekommen waren, drängten
Sich alle um sie her mit Waffenschall,
Mit Worten, unter die sich Thränen mengten,
Erzählten sie den Tag, und überall
Verbreitete sich Schlachtruf, hoch entbrannten
Von wilder Kriegswuth alle Stammverwandten.
Gebirg und Thal bis zu der Städte Mauern,
Erfuhr jetzt Mord und Plünderung und Brand,
Die Gothenbanner mit den Eberhauern,
Blutroth entfaltet, wehten durch das Land,
Und dumpf erklang im Ton der tiefsten Trauer
Das Horn des Ur. Am andern Ufer stand
Alatheus Volk und Saphrax, auf die Zeichen
Erschienen sie, um hilfreich Hand zu reichen.
Zu gleicher Zeit begannen vorwärts eilend
Die Adler der Standarten ihren Flug;
Der Kaiser hielt auf einem Gut verweilend
Mit seinem Heer, das hier ein Lager schlug,
Zwei Tage Rast, den Kriegern Sold verteilend.
Die Nacht sank um der Wälder Höhenzug,
Des Leichhuhns klagendes Geschrei erweckte
Den Wolf, der heulend auf die Hunde schreckte.
Im Schatten eherner Akanthuskronen,
In Gärten unter Säulen hielten Mahl
Die Kriegstribunen und die Centurionen,
Ein nächtliches geharnischt Bacchanal;
Der hochgewölbte Schild der Paphlagonen
Ersetzte den gefüllten Weinpokal;
Der Imperator sprach mit muth'gen Worten
Ermunt'rung ein den Führern der Cohorten.
Den Wald hinan rückt nun das Heer zum Streiten.
Der Cäsar Valens sieht, entbrannt von Wuth,
Die Lanzen um sich her auf allen Seiten,
Und als die Höh'n erhellt des Tages Gluth,
Naht man den Gothen, die, umhüllt mit Häuten,
Die Rosse tränken an der nahen Fluth,
Und rasch entfliehn, um ihren Edelingen
Die Nachricht von des Feindes Nahn zu bringen.
Die Furie Cannäs rieth, die Schlacht zu schlagen,
Ein heißer Morgen war's und im August,
Die Sonne schoß von ihren Flammenwagen
Den goldnen Pfeil bis in der Erde Brust,
Und neben Valens, hoch das Haupt getragen,
Ritt Lupizin, doch heimlich schuldbewußt,
Ein Ahnen, daß sein letzter Tag gekommen,
Lag schwer auf ihm und hielt sein Herz beklommen.
Zu heftig hatten Valens Bogenschützen
Den Kampf begonnen, Fußvolk rückte nach,
Es sollte ihren Angriff unterstützen,
Doch wie die Sonne glühend niederstach,
Erlagen sie; den Augenblick zu nützen
Drang Fridiger heran, im Flug durchbrach
Sein Reiterschwarm der Römer Reihn und Glieder,
Und hieb die nun zersprengten vollends nieder.
Und nun mit düstrem kriegerischen Trauern
Rückt an die letzte Legion zum Streit,
Sie schwur bis auf den Letzten auszudauern,
Und hielt ihr Wort mit Heldenmüthigkeit!
Die Tapfern hielten Stand, wie Wall und Mauern,
Noch mit zerbrochnem Speer, so dichtgereiht,
Und so bedrängt von Vornen und im Rücken,
Daß sie vermochten kaum das Schwert zu zücken.
Und nun erschien auch auf den abendrothen,
Den nächst gelegnen Höh'n, mit frischem Muth
Die Hilfschaar der berittnen Ostrogothen,
Alatheus war's und Saphrax, in der Gluth
Des letzten Sonnenstrahls, wie Flammenboten
Des Siegs und Untergangs; so floß das Blut –
Die Kämpfenden vermochten auf dem nassen
Getränkten Boden kaum mehr Fuß zu fassen.
Umringt von Todesschreck' und Todesstreichen,
Getrennt von seinen Treuen, schafft sich Bahn
Der Kaiser Valens mitten hin durch Leichen,
Die Seinen suchen hilfreich ihm zu nahn,
Und dringen vor, ihn schirmend zu erreichen,
Doch als sie ihn zu Boden sinken sahn,
Da wandten sich auch die, und deckten fliehend
Den Rückzug, langsam sich dem Feind entziehend.
Er selbst ward auf dem Schlachtfeld aufgefunden,
Von etlichen Getreuen noch vor Nacht
Aufs Pferd gehoben, und erschöpft von Wunden
Nach einem Haus, das nahe lag, gebracht.
Doch als sie hier den Feinden widerstunden,
So ward von diesen Feuer angefacht,
Und über solchem Holzstoß ward im Leben
Der Kaiser Roms den Flammen übergeben.
Den Gothen aber ward von einem Knaben,
Der durch die Gluth gesprungen war, gesagt;
»Die Götter haben flammend ihn begraben,
Die mit ihm starben, haben ihn beklagt.«
Den Fridiger, zu Tode wund, umgaben
Die Seinen; »Freunde,« ruft er, »auf, es tagt!
Wie diese schlechte Hütte soll verbrennen
Die große Stadt, die alle Völker kennen.
Wenn sich mein Blick nun schließt, wer ist der Kühne,
Der euch zum Siege führen wird fortan?
Ich sterbe froh, es ward uns reichlich Sühne
Für unsrer Frau'n und Kinder Raub! Wohlan!
O, daß ein Land euch der Verheißung grüne!
Weit ist der Weg und blutig ist die Bahn!
Die Reiche blühn, gewaltig stehn die Mauern,
Unsterblich wird, was ihr gegründet, dauern.«