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Sechster Gesang.
Odoaker.

Aus Berghöh'n lebte tief im finstern Mähren
Ein Sohn des Edekon. Er hatte jetzt
Nach einem heißen Kampf mit einem Bären
Sich ausgestreckt im Wald und sich geletzt
Am Blut des Thiers. Sein Kleid war rauh und hären,
Von Wunden war ihm Arm und Brust zersetzt,
So lag er da; es sank auf seine Stirne
Ein Strahl der sich erhebenden Gestirne.

An alter Zeiten Glück im Hunnenlande,
Denkt Odoaker, an sein vieles Gut,
Den reichen Schmuck, die köstlichen Gewande –
Und wie das Alles nun dahin wie Fluth.
Er selbst gleich einem morschen Schiff am Strande,
Hat nichts als seinen unbesiegten Muth.
Die Seinen, wenn nicht todt seit Jahr und Tagen,
Sind überall umher zerstreut, verschlagen.

Entwurzelt neben ihm, vom Sturm zerknittert,
Am Boden lag ein alter Eichenbaum,
Die Wipfel rauchen noch, vom Blitz zersplittert,
Und aus der Erde aufgewühltem Raum
Erscheint ein Glanz und leuchtet, blinkt und zittert
Wie Mondenlicht, und winkt ihm wie ein Traum.
Vor Odoaker liegt im wunderbaren Prangen,
Ein Schatz von Münzen, Ringen, goldnen Spangen.

Ha! traf um solchen Hort der Blitz die Eiche,
Und zündete bis in den Grund hinab,
Und schlug entzwei die Krone mit dem Streiche?
Zeigt sich eröffnet hier ein Königsgrab?
Gewaltiger, wo sind nun deine Reiche,
Der Geist, der diesen Waffen Allmacht gab?
Wie – oder hätte Schuld mit diesen Gaben,
Der Erde ein Geheimniß eingegraben? –

Verwundert sieht er aus dem Münzenrunde
Das Bild des längst erschlagnen Gratian.
Ein Ring – und jetzt erkennt er in dem Funde
Den Schatz, den einst hier eingesargt sein Ahn!
So ward es ihm verheißen, dort im Grunde
Die Burg des Arbogast; von dort heran
Zog in den Krieg, den Orient zu verheeren,
Sein Ahne mit, um nicht mehr heimzukehren.

Reichst du die Hand mir aus dem Schooß der Erde
Und rüstest, alter Heldengeist, mich aus,
Damit ich Erbe deiner Thaten werde,
Und neu begründe deines Stammes Haus?
Heraus denn aus der Nacht Schiff, Lanzen, Pferde!
Und so versuch' ich's mit der Stürme Braus:
Empor rafft Odoaker sich und rege,
Von neuem Leben späht er nach dem Wege.

Ein Vogel schwingt sich südwärts durch die Lüfte,
Auf! dem nach ruft's in ihm, die ew'ge Stadt,
In ihr blüht noch ein Heil! So durch die Klüfte
Fort schleppt er sich, noch von der Wunde matt;
Bald steht er an der Donau, mildre Lüfte
Umwehn ihn hier, es rauscht der Linde Blatt,
Der Rebe Laub und in der Tannen Wildniß
Blickt hier und dort herab ein Gnadenbildniß.

Kaum ist er durch den Wald hindurchgeschritten,
Da kommen über einen Wiesenplan
Entgegen ihm Bewaffnete geritten,
Die erst erstaunt und finster sich ihm nahn;
Dann aber grüßen sie nach ihren Sitten,
Mit Zuruf ihn, und sprengen auf ihn an,
Die Rosse tummelnd, Schlachtenlieder singend,
Und um den Helmbusch ihre Lanzen schwingend.

»Er ist es,« rufen sie, »sein ganzes Wesen
Verräth den Sohn des edlen Edekon.
Der Herrscher Roms will unsre Schaar erlesen:
Zieh' mit uns zu des Abendlandes Thron.«
»Laßt erst von meinen Wunden mich genesen,«
War Odoakers Antwort. »Reichen Lohn
Giebt« – riefen jene – »Ricimer uns allen,
Er, der die Kaiser einsetzt nach Gefallen.«

»Wenn uns des Himmels Gnade soll erstehen,«
Sprach einer aus der Schaar, »so laßt uns dort
Um seinen Segen erst den Heil'gen flehen,
Der seine Zelle hat an diesem Ort.«
Dieß Wort dünkt ihnen gut und alle gehen,
Und treten vor den Mönch, der hier ein Hort
Des ganzen Landes ist, beschirmend, heilend
In jeder Noth zu Rath und Hülfe eilend.

Durch hoher Felsen Bau schien eine Flamme
Aus einer Wölbung halb in Stein gehau'n,
Halb aufgezimmert aus des Ahorns Stamme,
Darinnen stund von Antlitz ernst und braun
Der heil'ge Mann, liebkosend einem Lamme;
Er sah vor allem mit erstauntem Schau'n
Empor zum Odoaker, der die Schwelle
Gebückt beschreiten mußte zu der Zelle,

Mit gastlichem Entgegenkommen grüßte
Der Mann des Gotteshauses und begann:
»Du treibst wohl lang umher in wilder Wüste,
Und dennoch scheinst du mir ein edler Mann?«
Und Jener sprach: »Ich wie manch andrer büßte
Den Sinn, der Ruhe nicht ertragen kann.
Ich lebt' von Raub und Plündrung und von Morden,
Unstät und flüchtig ist mein Loos geworden.«

Als ob er ihm bis in die Seele blicke,
So forschend sah der heil'ge Severin
Den Fremdling an: »Geh, folge dem Geschicke,
Dir blühn Italiens Fluren, zeuch dahin,
Und dieses rauhe Fell um dein Genicke,
Wirst du vertauschen bald mit Hermelin;
Von Allen, welche je mein Haus betraten,
Gleicht keiner dir an Aussicht großer Thaten.«

Es pflegte nun den flüchtigen Germanen,
Des Berges Siedler, der Anachoret,
Der Held des Glaubens, der aus dunklen Bahnen
Das Heil bewahrt, zu dem das Leben fleht;
Er pflegte gern den fremden weißen Schwanen
Und sprach zu ihm, versunken in Gebet:
»Zeuch hin nach Rom gleich einer Morgenwolke,
Noch lebt ein Kriegsstamm dort von deinem Volke.« –

Der Rugier war geheilt, die Zeit gekommen,
Wo neues Sehnen in der Brust erwacht.
»Leb wohl,« sprach Odoaker zu dem Frommen
Und der zu ihm: »Dein harrt ein Ruf zur Schlacht,
Wenn du den Platz des Mächt'gen eingenommen,
Mißbrauche nicht die dir vertraute Macht.
Denk deß, der in der Wüste dich ernährte,
Und dieses Daches, das dir Schutz gewährte.«

So schieden sie, bald sahn die Wandrer ragen
Schneegipfel, rein umglänzt von Aetherblau,
Sie jauchzen auf, sie sehn nach langen Tagen
Der Waldeswildniß wieder Feld und Au,
Und wo durchs Thal ein Fluß wogt, hochgetragen,
Erhebt sich einer Stadt gewalt'ger Bau;
Doch wie sie näher kommen, seltsam, alles
Ist Oede nur und Stätte des Verfalles.

Sie schreiten nach den Mauern, dumpf erschallen
Nur ihre Tritte durch das hohe Thor,
Verlassen sind die Wohnungen, die Hallen,
Kein Laut von Menschendasein trifft ihr Ohr.
Geborstne Pfeiler, Giebel im Verfallen,
Mosaikböden, über die hervor
Das Gras wächst oder im Vorüberrieseln
Der Strom sich wälzt mit all den bunten Kieseln.

Und Götterbilder, Bacchus, Zeus und Hebe;
Schaun durch den Fluß herauf aus klarer Nacht,
Und in die Wogen taucht das Schlinggewebe,
Als ob es die zum Grund versunkne Pracht
Herauszuheben sich die Mühe gebe;
Doch dieser Mühe, der verlornen lacht
Die Fluth, und schmerzlich – aber um so milder
Beseelt ein Lächeln noch die Götterbilder.

Noch mehr mit ihrem dunklen Loos zufrieden
Erscheint dort auf versunknem Sarkophag
Das Volk Neptuns, der Chor der Nereiden
Zu Peleus und der Thetis Hochzeittag.
Wie sich vom Horn des Triton herbeschieden
Emporbäumt der Delphine muntrer Schlag,
Wie tummelt sich mit frohem Ungestüme
Das Zweigespann der Meeresungethüme!

Der Eisenhuf klang an die Marmorflosse,
Die Rugier sprengten nach des Tages Gluth
Ins kühle Bad der Wellen ihre Rosse,
Doch rings war früherer Zerstörung Wuth
Noch sichtbar, abgebrochne Wurfgeschosse,
Und an den Pfeilen eingerostet Blut,
Sie sahen wohl, daß hier mit Raub und Morde
Verwüstet hatte eine Hunnenhorde.

Gewichen war, seit die Verderbenbringer
Zerstörend hier gehaust, das mildre Jahr;
Gewichen war der Freude Thyrsusschwinger,
Und am zerstörten südlichen Altar
Erhob die Tanne ihren rauhen Finger,
Die dichte Wildniß, wie vordem sie war,
Begann ins Thal von eis'ger Berge Rücken
Mit jedem Monde weiter vorzurücken.

Dem Falken dient der Säule Knauf zum Horste,
Der Fuchs mit seiner Brut durchschweift den Saal,
Der wilde Eber mit der rauhen Borste,
Wo sonst gefeiert ward ein Bacchanal.
Die Rugier aber suchen durch die Forste
Zu Schäften Holz der Esche, hart wie Stahl,
Und neu bewehrt durchwandern sie mit Jagen
Das Hochgebirg in zweimal sieben Tagen.

Bald liegt vor ihrem Blick die Meereswelle,
Die Fluth der Adria. Mit reichem Sold,
Den Odoaker gab, wird auf der Stelle
Ein Schiff erkauft. Das Glück, den Tapfern hold,
Schwellt ihre Segel bald, es wird zur Schwelle
Verdeck und Bord, was von dem alten Gold
Erübrigt ward, Bedarf, und in den Schlingen
Sieht man sie Pferde nach dem Ufer bringen.

Mit ihren neuen Waffen, mit der Beute,
Der Probe jener, stürmen sie zum Strand
Und laden in ihr Schiff Geweih und Häute,
Vom Wild, das sie gefällt mit starker Hand.
Vom Helm und von den Schultern niederdräute
Der Rachen eines Wolfs, vom Schildesrand
Das Bärenfell, vom Schiffskiel schien zu stoßen
Ein Bisonhaupt mit Hörnern riesig großen.

Vom Hochdeck aber lenkt mit festem Griffe
Das Steuerruder Odoakers Faust,
Schon nah liegt Südens Land vor ihrem Schiffe,
Da plötzlich kommt ein Nordost hergebraust
Und treibt das Fahrzeug in die Küstenriffe;
In einer Nacht von Finsterniß umgraust
Zerschellt trotz aller Kraft der starken Hände
Ihr Fahrzeug an die nächsten Klippenwände. –

Zurück in eine lange Vorzeit blickend,
Zuhöchst von seinen Felsen warf die Gluth,
Den Rettungsschein zu fernen Segeln schickend,
Der Leuchtthurm vor Ravenna auf die Fluth.
Der Wächter saß beim Feuer schläfrig nickend,
Er hatte seit drei Tagen nicht geruht,
Seit unter schwarzverhüllten Himmelsbogen
Herangewälzt der Sturmwind Wog' an Wogen.

Doch schien es jetzt allmählig sich zu legen,
Und nur zuweilen warf der Fluthenschwall
Noch donnernd sich dem Mauerwerk entgegen,
Das bis zum Grund dann dröhnte von dem Prall.
Dann schienen sich die Zinnen zu bewegen,
Als drohten sie hinab mit ihrem Fall
Der Wogen kecke Häupter zu zerschmettern,
Die's wagten, noch an ihm emporzuklettern.

Das Eisenthor, das zu dem Leuchtthurm führte,
Sprang auf, hinan dann durch das Treppenhaus
Und vor den Wächter, der am Feuer schürte,
Trat rasch ein Jüngling, sprechend: »Lösch nur aus!
Der Schutzgeist, dem zu wohnen hier gebührte,
Auch er erlosch im Völkersturmgebraus,
Zerbrochen wird das Scepter, lang ein Hüter
Der Ufer dieses Meers und seiner Güter.«

Der Mann erhob sich jetzt von seinem Sitze
Und sah den Eingetretnen düster an.
»Wer bist du,« sprach er, »etwa der die Blitze
Und der die Wellen lenket im Orkan?
Denn bisher sahn nach dieser Felsenspitze
Der Schiffsherr und der Fischer in dem Kahn,
Und streckten hoffnungsfroh empor die Arme,
Daß ihrer Noth der Lichtstrahl sich erbarme.«

»Es droht,« ward ihm zur Antwort, »mehr als Stürme,
Ein Räuber diesen Ufern, der Barbar,
Dem Feinde nur noch leuchten diese Thürme
Und bringen uns nur näher die Gefahr,
Es werde Nacht, die Nacht sei's, die uns schirme!
Der Kaiser Roms, dir sei es offenbar,
Er kam, auf daß er seine Pflicht erfülle,
Ich kam hieher, daß ich das Meer verhülle.«

»Wohlan denn,« rief der Wächter, »also breche
Das Dunkel ein und breit' auf dein Gebot
Der Urzeit Schrecken um die Meeresfläche,
Das alte Graun, den grenzenlosen Tod.
An Fels und Wirbel der Charybdis steche
Die Klippe durch den Kiel und kein Pilot
Ergründe hier noch eines Ufers Nähe.«
»Du sagst's,« sprach Romulus, »und so geschehe.

Und dann erst – wenn vielleicht erst nach Aeonen
Die Geisterflamme wieder neu entfacht
Erleuchten wird den Weg der Nationen,
Und weichen muß die Barbarei und Nacht,
Dann wieder leucht' es diesen Meereszonen,
Bis dahin Elemente habt die Macht,
Holt eure Opfer, wüthet ihr Erbarmungslosen,
Den Stürmen gleich, die diese Brust durchtosen.

Was starrst du so? Bist du ein Mann, empfinde
Die Qual der ungeheuren Schmach, die Wuth
Der Ohnmacht, um die Wette mit dem Winde
Heul' deinen Fluch aus, oder hast du Blut,
So gieb es her, sieh mich und dann erblinde,
Verstumme, stummer als die Meeresbrut,
Und deine Zunge soll es nie gestehen,
Du habest den Augustulus gesehen.«

Der Kaiser schwieg, der Wächter rief; »Erhalte,
O Himmel lang dem Volk noch seinen Herrn!«
Erlöschend flackerte das Licht und wallte
Noch einmal auf, die Woge toste fern,
Und flüchtig schien durch eine Mauerspalte
Durch wehendes Gewölk ein bleicher Stern.
Da war's, als ob ein Hülfruf durchs Gedröhne
Der Brandung her vom Fuß des Thurmes stöhne.

Bald übertäubt vom Aneinanderschlagen
Zerschellter Planken war er im Getos
Der Fluth verstummt, doch ohne lang zu zagen
Rief Romulus: »Wen auch der Unglücksschoos
An diese Klippe warf, laß uns es wagen,
Und ihm Errettung bringen: ›Taue los!
Mir nach!‹« erschallt es nieder von dem Thurme,
Und auf die Klippe dringt er trotz dem Sturme.

Laut donnernd kam die Brandung hergeschossen,
Und aus den Wassern ringt und schwimmt ein Mann,
Der Jüngling beugt sich hülfreich und entschlossen
Zur Fluth hinab und beut, so weit er kann,
Das Tau zur Rettung dar, vom Gischt umflossen,
Der ihm von Haupt und Schulter niederrann.
Der andre siehts und sucht das Seil zu fassen,
Wenn ihn heran die Wogen wieder lassen.

Schon zwei und dreimal ist er nah und immer
Wirft ihn zurück die Woge weit vom Land,
Auf einmal weht vom Felsen auf den Schwimmer
Der Sturmwind einen Mantel und ein Band,
Durch Wolken bricht zugleich der helle Schimmer
Des Mondenlichts; rasch packt des Fremden Hand
Den Kaiserpurpur, doch die nächste Welle
Trägt ihn hinweg und fort in Sturmgebelle.

Momyllus zog die Stirn in düstre Falten;
»Was möglich war, es ward von uns versucht,
Doch jenen, scheint es, will das Meer behalten,
Der Unglücksel'ge ist vielleicht verflucht!«
Indessen aber durch der Fluth Gewalten
Rang Odoaker mit der Arme Wucht
In Sorge, daß er nur dem Riff entrinne
Und eine sichre Bucht am Strand gewinne.

Verschwunden sind, die hülfreich ihm von Oben
Die Hand gereicht, die tiefste Finsterniß
Ist um ihn her, und nur der Brandung Toben
Gießt einen Schimmer aus, zwar ungewiß,
Doch fühlt er nochmals seinen Muth gehoben,
Und mit der Sturzfluth, die ihn vorwärts riß,
Ringt nach der nahen Bucht vom Klippenrande
Der Halbentseelte sich und nach dem Strande.

Gerettet springt er von dem Felsgesteine,
Um nach den Mitgefährten umzusehn,
Da sieht er gegen sich im blassen Scheine
Des Dämmergrauens acht Gestalten gehn
Geschmückt mit Diademen, aber keine
Ist mehr als Luft und Schatten und Vergehn,
Die Schatten sind es, die zuletzt den Schatten
Der Würde des August besessen hatten.

Und ihnen folgt, der letzte dieser Todten,
Derselbe Jüngling, nein! er täuscht sich nicht,
Der ihm noch eben jetzt die Hand geboten,
Er schaut ihn, und es ist kein Traumgesicht,
Auf goldnem Wagensitz, berittne Gothen
Zu beiden Seiten, flackernd Fackellicht
Und Läufer mit bekränzten Thyrsusstäben;
So sieht er ihn an sich vorüberschweben.

Dahin ist die Erscheinung; feuersprühend
Steigt jetzt der Morgen aus dem Meer empor,
Er findet bald die Seinen, sich bemühend,
Zu retten was ihr Boot im Sturm verlor,
Er blickt um sich – ein Garten reich und blühend,
Tritt fruchtbar Land bis ans Gestad hervor,
Oelwald und Lorbeerhain, der Häuser Bogen
Vom Feigenbaum und Weingerank umzogen.

Wo vom zerschellten Schiff mit Arm und Zähnen
Der Eine hier nach einer Planke faßt,
Und neben ihm mit schaumbetrieften Mähnen
Sein Pferd die Fluth durchschnaubt in scheuer Hast,
Dort Andre neben überfüllten Kähnen
Herschwimmen angeklammert an den Mast,
Wie beugt aus duftdurchwehten Laubgehegen
Sich liebend ihnen dieß Gestad entgegen!

Fast schien's dem Helden nun genug gestritten,
So wonnig war die Welt, in die er sah.
Der Mantel war von seinem Arm geglitten,
Und lag ihm achtlos vor den Füßen da.
»Ich möcht' wohl auch hier wohnen – sanftren Sitten
Und Freude pflegen – solchem Himmel nah
Möcht' lieber ich ein Pflüger dieser Erde,
Als Herr sein über hundert Schiff und Pferde.«

Sein Waffenträger kam herangesprungen;
Der Abgrund hat es nicht hinabgeschlungen.
Das Meer giebt deine Streitaxt dir zurück,
Und Odoaker hält das Beil geschwungen,
Sein Auge leuchtet voller Siegesglück;
»Ja wahrlich, dieß allein kann uns erstatten
Land, Pflugschar, Gold und Alles was wir hatten.

Verkaufen wir sie denn dem nächsten Throne,
Die Streiche dieser Axt, hoch sei der Preis,
Dort winkt uns schon Ravenna's Mauerkrone,
Und dieses Land Italien, wer weiß,
Es wird uns später noch vielleicht zum Lohne.«
So sprechend zählt er seiner Mannen Kreis,
Ein Fähnlein wird entrollt und muthig schreitet
Zur Stadt die Schaar, vom Hoffnungsstern geleitet.

Doch bald ward ihnen Muth und Lust verdorben,
Am Hauptthor von den Herulern der Wacht
Vernahmen sie, daß Ricimer gestorben,
Orest besitze jetzt die höchste Macht,
Und Fremde würden nicht mehr angeworben.
»Orest!« rief Odoaker, »gebet acht,
Der setzt uns nicht zu seinem letzten Trosse,
Mein Vater war sein Freund und Zeitgenosse.«

In einem Hofraum, einst die blut'ge Bühne
Der Gladiatoren – fremd und kalt empfing
Orest die Rugier: »Wähntet ihr, euch grüne
Die Zeit noch Ricimers? Da freilich ging
Durch unser Burgthor straflos jeder kühne
Und freche Räuber, statt daß man ihn hing.
Mit euren Beilen ihr, ich will zum Baue
Der Schiff' euch brauchen, hackt und windet Taue!«

Die Hand auf seiner Brust, trat vor die Reihe
Der Seinen Odoaker jetzt und sprach;
»Orest, dein Anerbieten ist – verzeihe,
Für uns, stets tapfre Krieger, eine Schmach,
Dich hob das Glück, des Reiches höchste Weihe
Empfing dein Sohn, manch andrem aber brach,
Der einst mit dir des Ruhmes Tag genossen,
Sein Stamm und warf ins Elend seine Sprossen.

Sprich, wenn nun so, wie ich jetzt, vor dich träte
Der Sohn des Edekon, von langem Krieg
Gehärtet und um Waffendienst dich bäte,
Würd' ihm Erhörung?« Odoaker schwieg,
Indeß er in Orestes Blicken spähte,
Ob dort empor noch ein Erinnern stieg,
Halb ängstlich, halb mit stolzem Selbstgenügen
Hing ganz sein Augenmerk an seinen Zügen.

Er war zu stolz, um sich vor dem zu nennen,
Vor dem er hoffen durft', er werde ihn
Als Sohn des Vaters, dem er glich, erkennen,
Trät' nur sein Bild ihm vor die Seele hin.
Sein Auge schien von Fieberglut zu brennen,
Denn ganz in alte Zeit versunken schien
Orest, als tief in die Erinnerungen
Der Name Edekons ihm nachgeklungen.

Jetzt fährt er auf: »Wo kommt ihr her? Von Norden?«
Und während er darüber weiter sann,
Schien plötzlich ein Gedanke wach geworden:
»Wer spricht von Edekon dem schlechten Mann,
Er trug das Gift, um seinen Herrn zu morden!«
»Du lügst,« rief Odoaker, »komm heran
Und kämpf' mit mir« – und hoch das Beil geschwungen,
War vor Orest er drohend hingesprungen.

»Sohn eines Vaters, den ich niemals schmähe,
An diesem Schwung der Waffen kenn' ich dich!«
Rief schnell Orest – »o daß ich ihn noch sähe,
Wie dich jetzt, Tapfrer! Komm, umarme mich!«
»Ha!« rief da Odoaker, »ich verstehe,
Du wolltest schaun, ob ich an Muth dem glich,
Dem an Gestalt ich gleich'. Nun woll' willfahren
Auch unsrem Wunsch, nimm uns in deine Schaaren.«

Orestes nickte sanft: »Sieh her und höre – «
Er zog sein Schwert, bot ihm den Kreuzgriff dar
Und sprach: »Sohn Edekons, knie nieder, schwöre
Die Treu dem Kaiser Roms und seinem Jahr.«
»Mein Wort,« rief Odoaker, »ihm gehöre
Mein Arm und meiner Rugier Arm, so wahr
Ein Gott mit uns, wer's falsch meint, hört es Alle,
Daß über dessen Haupt der Eidschwur falle!«

Er schwur's; Orestes küßte seine Wange,
Und hob ihn, der noch kniete, zärtlich auf,
Ritt durch die Stadt mit ihm zum Festempfange,
Und führt an seine Posten ihn, hinauf
In ein Castell am Meerstrand; mondenlange
Sahn sie sich nicht mehr, bis der Dinge Lauf
Sie beide, die das Schicksal sich erkührte,
Auf einen Wahlplatz der Entscheidung führte.

Ein volles Jahr, mit trägen Grabesschritten,
Schlich thatenlos dahin. Wie müde schau'n
Im Mondenlicht, vom Tibergold durchschnitten,
Die sieben Hügel auf zum Himmelblau'n,
Die stolzen Höhn der einstigen Quinten!
Es ist als lieg' ein ahnend Todesgrau'n,
Ein Zürnen mit den ewigen Gestirnen
Um ihrer Siegesthore bleiche Stirnen.

Längst zog durch diese Bogen kein Triumph,
Kein Opferrauch mehr durch die Tempelhallen,
Wo Cymbel sonst und Tuba, laut und dumpf
Ruft nun der Nachtwind nur den Widerhallen –
Im Vorhof krümmt die Schlange sich im Sumpf,
Der Schirling wächst am Altar schuttzerfallen,
Und scheu nur schleicht im öden Heiligthum
Noch hie und da ein Götzendiener um.

Da trafen im Palast auf ihrer Runde
Zwei Männer einstmals auf einander zu,
Und einer sprach, ein mächtiger Burgunde,
Und schlug dabei an seine Eisenschuh;
»Es mahnt ein Wort in früh und später Stunde;
Wer schützte treuer stets als ich und du
Des listigen Orestes Sohn, den schwachen
Augustulus, als wir, wir deutsche Wachen?

Und was ist unser Lohn, ha, jedem Knechte
Ging immer, nur nicht wo man Lanzen brach,
Allein bei jedem Fest und Ehrenrechte
Der Soldsoldat von deutscher Abkunft nach.
Wir Riesen folgten diesem Zwerggeschlechte,
Ja wie zum Schmuck noch tragen wir die Schmach,
Er selbst hält in Ravenna Hof – wir dienen
Nur hier, ihm zu bewachen die Ruinen.

Wie Gundobald gethan, das sollt' uns lehren,
Er, der Italiens Scepter von sich stieß,
Um in sein eignes Reich zurückzukehren,
Und hier zu herrschen andern überließ.
Wer will uns, daß wir gleiches thun, verwehren?«
»Ha! Niemand,« rief der Andre, »überdieß
Verräth Orest uns noch an die Byzanter,
Denn wer ist ränkevoller und gewandter?«

So sprachen sie, und hoch beschworen beide,
So wahr der Himmel tapfren Männern hold,
Sie wollten nun und nimmer aus der Scheide
Ihr Schwert mehr ziehn um schnöden Römersold,
Nicht mehr auf Polstern ruhn, noch gehn in Seide,
Nicht einen Trank mehr thun aus welschem Gold,
Vielmehr zurück zu all den rauhen Ehren
Der Freiheit ihres Landes heimzukehren.

»Du siehst,« schloß Eriulf mit raschen Worten,
Und wog den Griff an seinem schweren Stahl,
»Es gilt nur uns, daß syrische Cohorten,
Daß Massaget und Perser, stark an Zahl,
Im Umkreis Roms sich lagern aller Orten,
Wohlan! will man uns keine andre Wahl
Als einen Kampf auf Tod und Leben gönnen,
Sie sollen sehn, was unsre Schwerter können.«

Indem sie noch so sprachen, war im Schlosse
Ein Soldtrupp Asiaten angelangt,
Und Einer, von Orest ein Kampfgenosse,
Sprach laut: »Ich bin nun hier und ihr empfangt
Handschlag und Gruß. Ja, Romulus, der Sprosse
Des tapferen Orest, für den ihr schwangt
Die Schwerter oft zur Zeit der Hunnenkriege,
Er bleibe Kaiser Roms, und herrsch' und siege?«

Der Gruß ward stumm und frostig aufgenommen,
Und einer von den zwei Germanen sprach:
»Orestes Heil? Uns kann das wenig frommen,
Wir haben nichts von ihm als harte Schmach.«
Kaum war's gesagt, so scholl ein Ruf: »Wir kommen!«
Und in dem nächsten Augenblicke brach
Ein neuer Söldnertrupp herein, und wieder
Schrien Jene: »Heil Orest! die Feinde nieder!«

Die Neugekommnen, Trotz im Blicke, maßen
Den fremden Troß und sagten voller Hohn:
»Wenn den Orest ihr sucht, so zieht die Straßen,
Die ihr gekommen seid, wißt, daß ihn schon
Auf einem freien Feld die Geier fraßen;
Den Romulus Momyllus, seinen Sohn,
Den Kaiser könnt ihr in Pavia sehen
Vor Odoaker knien und Mitleid flehen!

Wollt oder nicht, ihr müßt zu uns. Wem's glückte,
Der hat die Welt! Aus Odoaker baut!«
Doch jene Schaar verschloß das Thor und zückte
Die Waffen, rasch und ohne weitern Laut
Begann ein Todeskampf. Indessen rückte
Aus Rom schon Odoaker; als er's schaut:
»Vorwärts!« – gebietet er den Seinen – »weiter!
Der Tag ist nah und es bedarf der Streiter.«

Gleich einer Schlange, die ihr Nest behütet,
Umgab da die Campagna dunkelroth
Die ew'ge Stadt, aus der ein Nebel brütet,
Aus dessen Dunst des Fiebers Flamme loht,
Hier wo die Stürme stets zuletzt gewüthet,
Seit Bürgerkrieg, seit Haß bis in den Tod,
Seit dann Erobrer, fremd und unempfangen,
Den Einzug durch die Thore sich erzwangen.

Seit Tullia das schnaubende Gespann
Dort über ihres Vaters Leichnam rollte,
Seit Gracchenblut vom Capitole rann,
Nero vollzog was Catilina wollte,
Und jeder Mächtige nur Frevel sann,
Wie oft seitdem ob dir der Donner grollte,
Du schläfst auf deiner Herrscherkissen Flaum
So sanft noch, Rom! Wach' auf vom letzten Traum!

Wie nach der Ernt' ein Schnitter, der in Eile
Den Korb auf seine Schultern lud, so ritt,
Den Schild im Rücken, Odoaker, Meile
Auf Meile durch das Dunkel, mit ihm schritt
Sein Heerestroß. Sie machten Halt, die Beile
Zu schleifen an dem Meilenstein – ein Schnitt
Ins Schilf und ein Gejauchz, dann plötzlich wieder
Ist alles still und jeder wirft sich nieder.

Was saust heran, wie mit des Windes Flügeln,
Wie ein der Wüste selbst entstiegner Traum?
Wie Flug von Geistern über Leichenhügeln,
Wie Nachtgewölk an dunkler Berge Saum?
Ein Reitertrupp ist's mit verhängten Zügeln,
Aus Pferden, deren Huf die Erde kaum,
Kaum hörbar schlägt, Numidier sind's flugschnelle.
Nur ihrer Augen Weiß glänzt mondenhelle.

Sie sprengen an, und sichtbar durch das Blinken
Des goldnen Waffenschmucks hält ihre Schaar,
Und einer blickt empor und spricht: »Es sinken
Die Sterne schon, die Nacht ist in Gefahr,
Und ihres Himmels Wage schwankt.« Jetzt winken
Die Rugier sich einander: »Die gebar
Das Dunkel,« flüstern sie, und springen alle
Aus Schilf und Gräben aus im Waffenschalle.

Sie stürzen vor, die Aexte hoch geschwungen,
Doch jene Finstern sind wie ein Phantom,
Als hätte sie der Boden eingeschlungen,
So rasch dahin. »Vorwärts! denn nur in Rom«
Ruft Odoaker, »wird es ausgerungen.«
Und bald steht seine Schaar am Tiberstrom,
Und halb mit Lust schau'n ihre wilden Mienen
Die hier und dort noch rauchenden Ruinen.

Vom Bogen Constantins und bei den Eichen
Der lachenden Egeriagrotte – Grab
Und Schutt auf Schutt, der zwischen Dorngesträuchen
Des Glanzes schaurigen Verfall umgab.
Es mußte jetzt dem Tag das Dunkel weichen,
Schon glänzte Frühroth vom Gebirg herab;
Ums Capitol nur und des Forums Säulen
Erhoben noch den scheuen Flug die Eulen.

Und während laut schon durch die Straßenreihe
Die Erze dröhnten, und die Luft umher
Erfüllt war von der Kämpfer Wuthgeschreie,
Von Angriff und beherzter Gegenwehr,
Indeß lag hier noch überall die Weihe
Der heilig ernsten Stille, ja vielmehr
Verstärkt noch durch das tiefe Todesschweigen,
Das Allem hier so ziemend war, so eigen.

Besiegt war ja vom Dienst des Einen Gottes
Der hier sonst blumenduft'ge Steinaltar,
Im Finstern lag das Bild des Sonnengottes,
Minervas Haupt umflog die Eule zwar,
Nunmehr ein lebendes Symbol des Spottes,
Statt das der Weisheit, der sie heilig war.
Und nur im Tempel Jupiters – seit lange
Verödet – ward es laut im Säulengange.

Und Riegel sprangen auf und Thore knarrend;
In schwarzem Marmorsaale saß im Kreis,
Wie ehedem auf seine Consuln harrend,
Der hohe Rath mit Bärten silberweiß,
Der römische Senat und blickte starrend
Und stumm vor sich. Kein schreckender Verweis,
Kein Machtspruch war auf ihren Lippen sichtbar,
Nur Stolz und Ruhe streng und unvernichtbar.

Der Toga früher purpurne Verbrämung
War schwarz geworden, und vom Reisehut
Das Haupt bedeckt, begann ein Greis: »Die Lähmung
Der Ohnmacht liegt um euch. Auf! fasset Muth!
Ersparet euch die äußerste Beschämung,
Es ist das Beil nicht von Virginia's Blut,
Vom Blut der Söhne Brutus nicht geröthet,
Den Schatten nur hat der Barbar getödtet!

Es mahnt mich was an alte Freiheit wieder,
Denn nicht mehr Einer herrscht in diesem Staat,
Wir sind, wenn auch vom Tod befreite Glieder,
Doch wieder freier, römischer Senat. –
Es steigt und neigt sich alles; sinkt es nieder,
So kehrt es heim zu seiner ersten That,
Der Schlange gleich, die sich verjüngend häutet,
In sich verknüpft, die Ewigkeit bedeutet.

Und so mag denn was will und muß geschehen!
Das Größte bleibt, der Ruhm, den Rom errang,
So lang es Republik war, und bestehen
Wird dieser Ruhm ihm durch Aeonen lang.
Es kann ein freier Staat zu Grunde gehen,
Wenn ihn des Feindes Uebermacht bezwang,
Allein ihn wird durch alle fernsten Zeiten,
Das Mitgefühl der ganzen Welt begleiten.

So strahlt auch durch Verfall und dunkle Loose
Dein Vorbild Hellas ewig hell und jung,
Und trägt in unerschöpflich reichem Schooße
Den Keim der mächtigsten Begeisterung,
Denn Alles Schöne, Heilige und Große
Nährt sich von deines Ruhms Bewunderung;
Das Höchste stets ist, wie die Sterne droben,
Den Namen Sparta's und Athens verwoben.

Ist aber ein Tyrannenreich gebrochen,
So folgen seinem Sturz nur Flüche nach,
Und über Geißeln und zertretnen Jochen
Der Menschheit Haß und grenzenlose Schmach.
Ihr habt's gehört, das Urtheil ist gesprochen,
Vielleicht das letzte, das hier jemand sprach;
Freut euch! es war ein freies Wort, und ändern
Wird nichts die Zeit daran in allen Ländern.«

Die Andern seufzten auf, doch keiner wagte
Ein Wort des Zurufs, keiner auch ein Nein;
Jetzt hörten sie, daß draußen jemand sagte:
»Der Kampf war heftig, doch der Sieg ist mein.«
Es sprach's ein Mann, der über Alle ragte
Um eines Hauptes Länge, trat herein,
Und wies mit einem Wink zurück die Schaaren
Der blut'gen, ihn begleitenden Barbaren.

»Hört mich,« rief Odoaker, »euer Kaiser
Momyllus lebt, man hat euch falsch erzählt,
Er reiste nach Campanien und weiser,
Als hundert Andre, die die Welt gequält,
Hat dieser Jüngling statt der dürren Reiser
Des Scepters sich den Aehrenkranz erwählt,
Ein Landgut an Parthenopes Gestaden,
Ersetzt ihm diese Welt von Schuld beladen.

Vernehmt nun aber auch, o Senatoren,
Warum Orest und durch dieselbe Hand,
Die seinem Sohn, dem Kaiser, Treu geschworen,
Den Untergang und solch ein Ende fand.
Er hat die Macht durch eigne Schuld verloren,
Durch seine Falschheit, durch den Widerstand,
Den Stolz, womit er jedes Herz verletzte
Und sich dem Drang der Zeit entgegensetzte.

Ihr wißt was sich vollzogen hat seit Jahren;
Wo sonst geherrscht die Römermacht allein,
Da zogen Jene, die ihr die Barbaren
Zu nennen pflegtet, als Erobrer ein.
Sie nahmen, ob sie gleich die Sieger waren,
Den dritten Theil nur von den Länderei'n,
Dieß ist in Gallien, in den Pyrenäen,
In Spanien und in Afrika geschehen.

Suev', Goth', Vandale wurden nun Bebauer,
Zur Pflugschar umgeschmiedet ward das Schwert.
Wir in Italien hörten das, und rauher
Schien unser Loos uns, keines Tags mehr werth.
Erst fühlten wir's mit Unmuth, dann mit Trauer,
Zuletzt von grimmiger Begier verzehrt;
Wir sah'n uns als die Letzten der Barbaren,
Wir Rugier, die wir nichts als Söldner waren.

Kein Glück des Friedens, keine Stätte reiner
Und edler Luft, wir lebten besser nicht,
Wir lebten wie vordem der Fechter Einer,
Gehorsam hieß die einz'ge höchste Pflicht,
Und rings um uns war Alles schwächer, kleiner,
Erbärmlicher als wir, und uns im Licht,
Im Weg; dagegen ohne Herr und Hüter
Das schönste Land, die herrlichsten der Güter.

All' diese Villen lagen öd verwildert,
Kein fruchtbar Feld mehr, kein Ertrag,
Die Noth durch keine Zufuhr mehr gemildert,
Die einz'ge Kraft, an der noch etwas lag,
In unsrem Arm. Wie jetzt ich's euch geschildert,
So klang's einst an Orestes Ohr. Ein Tag,
Ersehnt von Tausenden, war angebrochen,
Der Wunsch von Tausenden ward ausgesprochen.

Land in Italien! Land dem treuen Knechte,
Der euch so lang das Eurige gewahrt,
Den Lohn für hundert Schlachten und Gefechte,
Wo wir mit unsrem Leben nicht gespart,
Dieß war die Losung und es war die rechte,
Das Jahr des Schwurs war um, nach unsrer Art
Gelobten wir ihn nur mit dem Betheuern,
Daß uns gewillfahrt werde, zu erneuern.

Ja Land! – daß nicht mehr als die Lagerdirne,
Des Soldmanns Weib am Dreiweg mit der Brut,
Und an der Heerstraß' sitz' und mit dem Zwirne
Die Häute näh' – ihr einzig Hab und Gut,
Daß nicht mehr unsern Kindern um die Stirne
Das Blondhaar seng' die fremde Mittagsgluth,
Ja Land und Arbeit! Geben und Empfangen,
Das wagten wir zu bitten, zu verlangen!

Es ward uns als Empörung angeschrieben;
Ich selbst ward eingekerkert, von Orest
Zum Tod verurtheilt, und mit mir je sieben
Von jeder Schaar, allein eh' noch im West
Die Sonne sank, war schon Orest vertrieben –
Er flüchtete mit einem kleinen Rest
Getreuer nebst dem Kaiser seinem Sohne,
Und ließ Ravenna mir und seine Krone.

Ich schlug sein Heer, ihn selbst hab' ich erschlagen,
Und als ich, noch mein Schwert mit Blut benetzt,
Die Stadt durchdrang in wildem Mordbehagen,
Zu tödten hatte ich mir vorgesetzt
Den Romulus, da fand ich bei dem Wagen
Von Frau'n umgeben einen Jüngling. Jetzt
Erkannt' ich den, der mir die Hand geboten,
Als einst mich Wellen zu verschlingen drohten.

Fast hätt' ich mich in jenem Augenblicke,
Vor ihm gebeugt, fragt nicht was ich empfand,
Ich sah enthüllt das Dunkel der Geschicke,
Denn ihm bot ich nun rettend meine Hand.
Doch seinen Purpur will ich nicht. Ja, nicke,
Ehrwürdiger Senat, ich geb' dieß Band,
Das Diadem der Cäsarn dir zurücke,
Damit es keine Stirne wieder schmücke.«

»So sei es,« wiederhallten in der Runde
Die Senatoren, und ein Geisterchor
Klang's seufzend nach, es schlug die letzte Stunde
Dem Reich im Abendland, es trat hervor
Der Engel des Gerichts und aus dem Grunde
Der Tiefe schlug die Schale hoch empor –
Und tönte mit dem Klang versunkner Zeiten
Hinüber in die Nacht der Ewigkeiten.

Die irdischen Klagen aber bracht' ein Rheder
Nach Palästina, wo vor einem Grab
Ein Frau'nbild saß im Schatten einer Ceder,
Und blickte nach Jerusalem hinab.
»Ruf dreimal Weh' aus über die Veröder,«
Sprach, während sie dem ärmsten Bettler gab,
Des Theodosius Wittwe, seinem Herzen
Einst Alles, jetzt nur noch ein Bild der Schmerzen.

Sie nahm die Erde, die sie ausgelesen
Am Grab des Jeremias, und den Staub
Der Gruft, wo Zions Könige verwesen,
Und sagte: »Geh' nach Rom, siehst du vom Raub
Entehrt die hohe Stadt, die einst gewesen
Die Herrscherin der Welt; so wahr ich glaub',
Daß ihre Pracht neu auferstehen werde,
So streu' auf ihren Schutt von dieser Erde.«


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