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Salve war so glücklich gewesen, ein englisches Barkschiff nach Hesnäs zu bergen und hatte dafür ein großes Salär empfangen. Es hatte ihm, wie gewöhnlich, vor der Heimkunft gegraut; doch als er seine Familie nicht vorfand und man ihm den Grund davon mitteilte, war er gleich nach Arendal hineingefahren, um sich zu erkundigen.
Elisabeth empfing ihn draußen auf dem Gange.
»Grüß dich Gott, Salve,« sagte sie und nahm ihn bei der Hand. »Ich war deinetwegen sehr ängstlich und habe dich ungeduldig erwartet. Du mußt sehr leise auftreten – da hinein.« Sie führte ihn ins Seitengemach. »Und wo ist Gjert?«
Er blickte sie etwas erstaunt an; das war nicht die Art und Weise, wie sie ihn zu empfangen pflegte. Es war etwas Kühnes in der Art, wie sie gewissermaßen über sein Ausbleiben Rechenschaft verlangte. Sonst war er es, der das Gespräch einleitete und nach Belieben einen Schimmer gnädiger Laune zeigte.
»Gjert,« antwortete er kurz, »ist daheim. Aber ängstlich warst du meinetwegen? Hast ungeduldig gewartet?« fragte er in einem Tone, als fände er daran etwas auszusetzen.
»Es kann mir doch nicht eins sein, Mann, ob du draußen in Gefahr bist oder nicht? – Das weißt du ganz gut.«
»Wie steht's denn mit der Muhme?« unterbrach er sie. »Ist sie sehr krank?«
»Du kannst sie sehen; komm mit hinein, aber sachte!«
Salve fühlte, daß er eigentlich gezwungen wurde, folgte ihr aber doch.
Er hatte stets so viel als möglich vermieden, Mutter Kristine zu sehen, und es ganz seiner Frau überlassen, die Beziehungen aufrecht zu halten. Er fürchtete das prüfende Auge der Alten und gedachte stets ihrer Warnung, sich Elisabeth nicht zu nähern, so lange er irgend einen Zweifel gegen sie im Herzen nähre.
Als er ins Zimmer trat, näherte er sich mit Ehrerbietung ihrem Bett.
»Du bist's, Salve!« sprach die Muhme mit schwacher Stimme. »Man sieht dich nicht oft. Elisabeth hat mir so viel Gutes gethan, und Henrik ist so still und lieb; wo ist denn Gjert, hast du ihn nicht mitgebracht?« Sie sah ihn fragend an.
»Er ist daheim, Muhme,« erwiderte er. »Wie geht's Euch denn?«
»Na, ich danke – du siehst's ja selbst. Ich denke so oft daran, was aus dem Buben werden soll; er ist so wild und doch so gut, der arme Kerl!«
»Oh, du wirst schon sehen, Muhme, wir bringen ihn vorwärts,« sagte Elisabeth, die hinter Salve stand, und näherte sich dem Bette; »aber du weißt, du sollst nicht viel reden!«
Salve war peinlich berührt. Das Gespräch hatte sich gerade auf den Gegenstand gelenkt, der daheim den Anlaß zu dem letzten Unwetter gegeben, und trotzdem sprach Elisabeth so leicht darüber hin. Seine Miene wurde schroff.
»Du hast in der Nacht so vergnügt ausgesehen, Elisabeth! Wer war denn gestern bei dir?«
»Frau Beck.«
»Die junge?« fuhr die Muhme fort,
»Jawohl. Allein du redest zu viel, Muhme!«
»Ich fürchte selbst,« dachte Salve. Doch als er bemerkte, daß ihm Elisabeth ganz unbefangen hinauswinkte, überwand er sich für einen Augenblick und sagte etwas gezwungen: »Hoffentlich seid Ihr gesund, Muhme, bis ich in ein paar Tagen wiederkomme! Lebt wohl bis dahin!«
Er ging etwas hastig hinaus und seine Stirn war gewitterdrohend, Sein Stolz verbot ihm, auszusprechen, was er dachte; doch lag es ihm auf der Zunge, ihr kurz und bitter zu sagen, daß sie seinetwegen natürlich in Arendal bleiben könne, so lange sie nur wolle, und dann gleich nach Hause zu reisen,
Elisabeth las in seiner Miene, was in ihm vorging, und als sie in die Küche gelangt waren, kam sie ihm zuvor.
»Du, höre einmal, Salve,« begann sie, »ich bleibe selbstverständlich hier, solange die Muhme so krank ist.«
»Natürlich,« versetzte er trocken, »hier hast du ja auch Bekannte!«
»Du meinst Frau Beck? Sie ist gegen mich so freundlich gewesen und ich habe sie lieb, sie ist unglücklich verheiratet, die Arme!«
Salve stutzte. Elisabeth schien ja plötzlich allerlei vergessen zu haben – daß es gewisse Steine des Anstoßes gab. Vielleicht weil sie nun bei der Muhme daheim war?
Er schaute sie kalt an, als begriffe er sie nicht recht.
»Du kannst bleiben, solange du willst,« sagte er und beeilte sich, fortzugehen, konnte sich aber nicht enthalten, noch beizufügen: »Es ist ja auch so einsam und langweilig daheim!«
»Darin hast du nicht so unrecht, Salve; ich habe es da draußen wirklich viele Jahre einsam genug gehabt. Du bist so oft fort, und da sitze ich beständig allein. Nun sind es zwei Jahre her, daß ich nicht bei der Muhme war.«
»Elisabeth!« rief er und suchte sich noch immer zu beherrschen – »hast du den Verstand verloren?«
»Das will ich eben vermeiden!« antwortete sie mit eisiger Ruhe.
Er starrte sie an; – da stand sie und sagte ihm dies gerade ins Gesicht.
»Habe ich dich endlich!« bemerkte er höhnend. – »Geahnt habe ich's immer. Meinetwegen magst du nach Hause kommen, wann du willst,« fuhr er kalt und gleichgültig fort.
»Du hättest immer wissen sollen, daß ich dein bin – daß ich dich liebte – vielleicht sogar zu sehr!«
»Ich werde dir Geld schicken – darauf kommt es mir nicht an. Meinetwegen kannst du mit Frau Beck und den Vornehmen umgehen, solange du willst!«
»Und warum sollte ich mit Frau Beck nicht umgehen dürfen? Meinst du vielleicht,« rief sie mit erhobenem Kopf und unwillig funkelnden Blicken, »daß ich etwas gethan habe, was mir nicht erlaubt, mit freier Stirn in ihr Haus zu treten? Eins will ich dir sagen, Salve – und ich sage es um unsrer Liebe willen – das muß ein Ende nehmen! Denn wenn es so zwischen uns bleibt,« schloß sie langsam und ihre Stimme bebte, »so könntest du vielleicht den Tag erleben, wo von dieser Liebe nichts mehr übrig wäre. Für dergleichen kann man nicht, Salve!«
Er stand noch einen Augenblick stumm und sah sie an. Die scharfen, dunklen Augen verrieten, daß sich etwas Gefährliches in ihm rege, vor dem er sich selbst fürchtete.
»Ich will hoffen, du hast das in der Aufregung gesagt,« antwortete er mit schrecklichem Ernst. »Ich will darum nicht böse sein, sondern es vergessen, ich verspreche es dir, – und nur denken, daß du heute nicht ganz du selbst – daß du krank warst.«
»Täusche dich nicht selbst, Salve! Ich meine, was ich sage, so gewiß, als ich dich liebe!«
»Lebe wohl, Elisabeth! Ich komme Mittwoch wieder,« sprach er, als ob er nun an seinem Vorsatz festhalten und nicht mehr hören wolle.
Nachdem er fortgegangen war, sank Elisabeth förmlich auf die Bank. Sie war entsetzt über das, was sie gesagt.
Eine tiefe unbeschreibliche Angst erfüllte ihr Herz. Sie kannte ihn und wußte, sie setze bei seiner leidenschaftlichen Natur alles aufs Spiel – laufe Gefahr, ihn ganz von sich und in ein wildes Leben in der Fremde hineinzustoßen. Und doch mußte, mußte sie es wagen. Und mit Gottes Hilfe wollte sie siegen und ihn mit ihrer Liebe festhalten.