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Dreizehntes Kapitel.

Verschiedene Reparaturen am Stadthause zwangen die Familie, in diesem Jahr bis ziemlich tief in den Herbst hinein auf dem Lande zu bleiben, doch genoß man in den schönen Septembertagen den letzten Rest des Sommers. Der Sund war in der herbstlichen Färbung eigentümlich stimmungsvoll und man verbrachte die Abende immer noch gern aus der Terrasse.

Es herrschte ungewöhnliches Gepränge, denn die Mitglieder der Kommission mit ihrem Präsidenten waren heraus geladen.

Am Abend, als die Herren allein im Wäldchen draußen saßen und Elisabeth noch mehr warmes Wasser zum Toddy brachte, erlaubte sich der Kapitänlieutenant eine Scherzrede, die ihr das Blut in die Wangen trieb. Sie sagte nichts, aber die Wasserkanne bebte, als sie dieselbe hinstellte, und sie sandte dabei dem betreffenden Herrn einen so zürnenden und verächtlichen Blick zu, daß er sich einen Augenblick beschämt fühlte.

»Gott's Tod, Beck!« rief er aus, »hast du gesehen, welche Augen sie machte?«

»Ja, es ist ein stolzes Mädchen!« antwortete Beck, der heimlich aufgebracht war, doch seine Gründe hatte, seinen Vorgesetzten sanft zu behandeln.

»So, ein stolzes Mädchen!« wiederholte dieser gereizt in einem Ton, der merken ließ, er meine eigentlich, es hätte »unverschämter Dienstbote« heißen sollen.

»Ich wollte sagen, ein schönes Mädchen,« verbesserte sich Beck ausweichend und lachte gezwungen.

Elisabeth hatte das gehört. Sie war verletzt, und zum erstenmal stellte sie einen Vergleich zwischen dem Marineoffizier und Salve an. So hätte sich Salve an Becks Stelle nicht benommen.

Als Karl sie später am Abend allein traf, während sie auf der Terrasse aufräumte, fragte er halb bekümmert: »Elisabeth, du hast dir doch nicht zu Herzen genommen, was der alte, polternde Grobian sagte? – Er ist im Grunde ein braver und anständiger Bursche, der mit seinem Geschwätz nichts Böses meint.«

Elisabeth schwieg und suchte das Gespräch dadurch zu beenden, daß sie ins Haus trug, was sie gerade im Arm hielt.

»Nein, ich dulde nicht, daß du beleidigt wirst, Elisabeth!« brach er plötzlich mit flammendem Feuer aus und griff nach ihrem Arm. »Die Hand, mit der du arbeitest, ist mir teurer als alle die feinen Damen miteinander!«

»Herr Beck!« fiel sie ihm wild und mit Thränen im Auge ins Wort, »ich geh' meines Weges – noch diese Nacht, – wenn ich dergleichen mehr hören muß.«

Sie verschwand im Gang, doch Beck kam ihr nach.

»Elisabeth,« flüsterte er, »ich meine es ernst!« – Sie riß sich mit Heftigkeit von ihm los und eilte in die Küche, wo die Schwestern beim Feuer standen und plauderten.

Der Lieutenant benutzte den sternenhellen Abend zu einem einsamen Spaziergang über die Insel und kam erst nach Mitternacht heim.

Er hatte es nicht gerade so gar ernst gemeint, aber nun, nachdem er sie so wunderbar schön mit Thränen im Auge gesehen, – nun, ja, nun meinte er es wirklich ernst. Er war im stande, sich mit ihr zu verloben, über alle Rücksicht hinweg, wenn es sein mußte.

Am nächsten Morgen fuhr er mit dem Segelboot nach Arendal, doch im Vorübergehen hatte er dem Mädchen noch zugeflüstert: »Ich meine es ernst!«

Diese stets wiederholten Worte verwirrten Elisabeth. In der Nacht war sie wach gelegen und hatte sich dieselben überdacht und sie unwillig zurückgewiesen, denn was konnten sie anders bedeuten, als daß er glaubte, ihr erklären zu dürfen, er liebe sie, und sie hatte schon beschlossen, ihre Drohung auszuführen und das Haus zu verlassen.

Aber nun – wiederholt – und in diesem Tone! Wollte er ihr wirklich Herz und Hand bieten und sie zu seiner, des Marineoffiziers Frau machen?

Eine glänzende Reihe alter Träume stieg vor ihr auf und berauschte sie fast. Sie war in der ganzen Woche zerstreut und bleich und dachte mit Angst an den Sonntag, wo er wieder kommen sollte. Was würde er da sagen?

Und – was wollte sie antworten?

Doch er kam nicht; seine Geschäfte hatten ihn zu einer unvorhergesehenen Reise gezwungen. Dagegen kam Marie Forstberg, und diese merkte wohl, daß in des Mädchens Sinn irgend eine Veränderung vorgegangen; denn es entzog sich offenbar jeglicher Hilfe von ihrer Seite, und in den Blicken, die Marie ganz zufällig auffing, lag etwas Hartes, Unfreundliches. Es ging ihr das näher, als sie sich selbst gestand. Treu, wie sie war, klopfte sie ihr, einer plötzlichen Herzenseingebung folgend, liebevoll auf die Schulter, allein das machte gar keinen Eindruck; sie hätte ebensogut ein Stück Holz streicheln können, und als sie ins Zimmer trat, konnte sie die Frage nicht unterdrücken: »Was ist mit Elisabeth vorgegangen?«

Die andern hatten aber nichts bemerkt.

Karl Beck kam nicht wie gewöhnlich erst den nächsten Sonnabend, sondern vorher, mitten in der Woche, und er eilte hastigen Schritts durch die Gemächer, als er Elisabeth nicht in der Wohnstube fand.

Endlich traf er sie oben. Starr schaute sie zum Fenster des Bodengangs hinaus, wo man nur das Wäldchen längs dem Felshang und den Himmel darüber erblickte. Sie hörte seinen Schritt – als er die Treppe heraufstieg, und sie fühlte so unsägliche Angst, einen so tödlichen Schrecken, daß sie meinte, sie müsse zum Fenster hinausspringen. Was sollte sie antworten?

Als er nun kam und den Arm um sie legte und halblaut fragte: »Elisabeth, willst du mein sein?« – fühlte sie sich in ihrem Leben zum erstenmal einer Ohnmacht nahe. Kaum wußte sie, was sie that; doch unwillkürlich stieß sie ihn hart von sich.

Von neuem ergriff er ihre Hand und fragte: »Elisabeth, willst du meine Frau werden?«

Totenbleich antwortete sie: »Ja!«

Doch da er sie wieder umfassen wollte, sprang sie plötzlich zurück und sah ihn mit dem Ausdruck des Entsetzens an.

»Elisabeth!« sprach er zärtlich und suchte sich ihr wieder zu nähern. »Was hast du denn? … Wüßtest du, wie sehr ich diese Stunde ersehnt habe!«

»Nicht jetzt … nicht mehr jetzt!« bat sie, indem sie abwehrend die Hand ausstreckte, … »später …«

»Du hast doch ›ja‹ gesagt, Elisabeth … daß du mein bist …« doch er fühlte, sie wünsche, daß er gehe.

Lang saß sie da oben auf einer Kiste und stierte stumm vor sich hin.

Also war es geschehen. Ihr Herz klopfte so sehr, daß sie es selbst zu hören meinte, und sie fühlte einen dumpfen Schmerz darin. Ihr Gesicht nahm allmählich einen steifen, kalten Ausdruck an. Sie dachte, nun teile er der Stiefmutter mit, daß sie sich verlobt hätten, und bereitete sich darauf vor, den unvermeidlichen Kampf tapfer zu bestehen.

Sie erwartete, hinabgerufen zu werden. Endlich beschloß sie, selbst zu gehen.

In der Stube saß jeder ganz ruhig bei seiner Beschäftigung. Der Lieutenant that, als läse er; doch als sie eintrat, sandte er ihr über das Buch hinweg einen verstohlenen, zärtlich bekümmerten Blick zu.

Das Abendmahl ward aufgetragen und alles nahm seinen friedlichen Verlauf; Karl scherzte ein wenig, wie er es sonst zu thun pflegte. Elisabeth war es, als liege über allen ein Nebel. Einmal fragte Mina sie, ob ihr etwas fehle, mechanisch antwortete sie: »Nein.«

Also sollte es später abends geschehen. Sie selbst trug, wie allabendlich, das Geschirr ein und aus, – nur daß sie den Boden nicht unter den Füßen, und was sie trug, nicht in den Händen fühlte.

Der Abend verging und man begab sich zu Bett, ohne daß etwas geschehen.

Im Halbdunkel des Treppenhauses ergriff Karl mit Wärme ihre Hand und sagte: »Gute Nacht, meine Elisabeth, meine, meine Elisabeth!« – allein sie war außer stande, den Druck zu erwidern, und als er seine Lippen ihrer Stirne näherte, entzog sie sich ihm hastig.

»Ich kam nur heraus, um dir dies zu sagen, liebe, geliebte Elisabeth!« flüsterte er mit bebender Glut in der Stimme und suchte sie dabei zu umfangen. »Morgen muß ich wieder hinein. Soll ich fort, ohne ein Zeichen, daß du mich liebst?«

Sie bot ihm langsam die Stirne; er küßte sie, und sie entfernte sich gleich darauf.

»Gute Nacht, meine Geliebte!« flüsterte er ihr nach.

Elisabeth lag lange Zeit wach. Sie hatte ein Bedürfnis zu weinen und dabei innerlich ein Gefühl des Frierens; und als sie endlich einschlief, träumte sie nicht von ihrem Bräutigam, sondern von Salve, die ganze Zeit von Salve. Sie sah, wie er sie mit seinem ernsten, gramvollen Gesicht anstarrte, und sie stand vor ihm wie eine Verbrecherin. Er sagte etwas, was sie nicht hören konnte, aber sie wußte, daß er sie verdammte, und daß er den Kleiderstoff über Bord geworfen.

Sie stand frühzeitig auf und suchte ihre Gedanken mit andern Träumen zu beschäftigen, – mit ihrer Zukunft als Frau des Offiziers. Doch es war, als wollte alles, was sie sonst für echtes Gold gehalten, sich ihr nun als schlechtes Messing erweisen. Sie fühlte sich unglücklich und bedachte sich lang, ehe sie in die Wohnstube trat.

Karl reiste diesen Morgen nicht. Er hatte eingesehen, daß irgend etwas mit Elisabeth noch nicht in Ordnung sei.

Am Vormittag, als die Schwestern fort und die Stiefmutter beschäftigt war, gelang es ihm, mit ihr allein zu reden; – sie ging immer noch wie im Fieber herum und erwartete, daß er mit Madame Beck gesprochen habe.

»Elisabeth,« sagte er, ihr Haar sanft glättend, denn sie sah ganz verzagt vor sich nieder, – »ich konnte nicht fort, ehe ich noch einmal mit dir geredet.«

Sie blickte immer noch vor sich hin, doch entzog sie sich ihm nicht.

»Hast du mich lieb? … Willst du meine Frau werden?«

Sie schwieg. Endlich sagte sie, etwas bleicher und wie mit Ueberwindung: »Ja, Herr Beck!«

»Sage du zu mir, sage Karl,« bat er innig, »und … schau mich an!«

Sie sah ihn an, aber nicht so, wie er es erwartet. Es war ein eigen fester, kalter Blick, mit dem sie sprach: »Ja … sobald wir verlobt sind.«

»Sind wir es denn noch nicht?«

»Wann erfährt es Ihre Stiefmutter?« fragte sie zögernd.

»Liebe Elisabeth – die hier im Hause dürfen nichts merken, ehe – vor drei Monaten, wenn ich …« Ein Ausdruck ihres Gesichtes und die kurze Bewegung, mit der sie die Hand zurückzog, ließ ihn innehalten und das, was er ursprünglich hatte sagen wollen, rasch abändern: »Nächste Woche von Arendal aus schreibe ich dem Vater, und dann erzähle ich der Mutter, was ich geschrieben. Bist du damit zufrieden, Elisabeth, liebe Elisabeth? Oder willst du, daß es gleich abgemacht werde?« rief er entschlossen und griff wieder nach ihrer Hand.

»Nein, nein, nicht jetzt! … nächste Woche! Die nächste Woche mag es sein!« rief sie mit plötzlicher Angst, während sie flehend seinen Händedruck zum erstenmal erwiderte.

»Und dann bist du mein, Elisabeth?«

»Ja … dann …« sie suchte seinen Blick zu vermeiden.

»Also lebe wohl, Elisabeth … aber Sonnabend komme ich wieder; ich kann es nicht länger entbehren, dich zu sehen.«

»Adieu,« sagte sie etwas tonlos.

Er sprang in das Segelboot, das ihn erwartete, sie aber sah ihm nicht nach und ging den entgegengesetzten Weg ins Haus.

In der Welt der Eindrücke haben kleine Dinge oft schweres Gewicht. Als der Lieutenant Elisabeth erklärt hatte, er wolle sie zu seiner Frau machen, war sie von seiner großartigen Denkweise überwältigt worden. Sie fühlte, ihr Wert habe in seinen Augen alles aufgewogen. Daß er aber vor dem äußeren Kampf mit der Familie zurückweichen würde, hatte sie dagegen nicht geglaubt.

Sie hatte selber empfunden, wie peinlich dies werden würde, allein sie hatte sich in seinem Schutz geborgen gefühlt. Als er nun aber so unerwartet um den Zeitpunkt zu feilschen begann, erst ihn sogar so weit verschob, daß er selbst nicht mehr hier war, wenn die Sache daheim zur Sprache kam, durchfuhr sie ein Gefühl, das sie fest hielt wie einen rettenden Strohhalm, um sich doch vielleicht noch anders besinnen zu können.

Sie kämpfte hart und schwer in den paar Tagen, ehe Karl Beck nach Hause kam, und die Nacht war sie wie im Fieber.

Samstag abend kam er, und die erste Person, die er begrüßte, war sie; – fast schien er aus dem Verhältnis nicht länger ein Hehl machen zu wollen; doch sie huschte still und bleich in der Stube ein und aus.

Er hatte einen Brief vom Vater mitgebracht, und derselbe ward nach der Mahlzeit laut vorgelesen. Er war aus einem südamerikanischen Hafen datiert, und auch Salve war darin erwähnt. Auf der Höhe von Kap Hatteras hatten sie einen schweren Sturm zu bestehen gehabt, so daß sie genötigt waren, die Takelung der Großstenge zu kappen. Nun hing die Stenge noch an ein paar Tauen und schlingerte in dem gewaltigen Seegang vor und zurück gegen die untere Takelung, so daß diese zerschlagen werden mußte. Da hatte Salve Kristiansen sich hinauf gewagt, um auch den Rest zu kappen, und während er oben saß, ging das Ganze über Bord. Er fiel mit hinab, doch war er so glücklich, im Fallen eine Toppenant Eine Toppenant ist ein Tau, welches das Raheende (Rahenocke) mit dem Topp der betreffenden Stenge oder des betreffenden Mastes verbindet zu dem Zwecke, die Rahe aus der Horizontallage zu bringen (toppen). zu ergreifen und sich dadurch das Leben zu retten. »Es war ein großes Wagestück,« schloß der Bericht; »übrigens ist bei ihm nicht alles, wie es sein sollte und wie es zu sein schien.«

»Oh, das dachte ich mir immer,« äußerte Beck mit verächtlichem Achselzucken; »er war stets ein gottvergessener Gesell, und ist er diesmal nicht draufgegangen, so thut er's sicher das nächste Mal.«

Er bemerkte die zornigen Blicke nicht, die ihm Elisabeth zuwarf. In diesem Augenblick fühlte sie mit Verzweiflung, daß es nur ihre Schuld war, wenn Salve so tolldreist handelte und so schlecht geworden war. Lange saß sie stumm und rang still die Hände im Schoße; sie kämpfte mit einem Entschluß.

Ehe sie zur Ruhe gingen, flüsterte Karl Beck ihr zu: »Ich habe schon heute dem Vater geschrieben, und morgen, Elisabeth ist unser Verlobungstag! … Wird Mina Augen machen!«

Elisabeth, war die letzte, die in der Stube herumräumte, und als sie das Gemach verließ, nahm sie ein Stück Papier und Schreibsachen mit sich. Sie legte sich aufs Bett: doch um Mitternacht saß sie bei einem Licht und bemalte das Stück Papier mit Buchstaben. Sie schrieb:

 

»Entschuldigen Sie, daß ich nicht Ihre Frau werden kann, doch mein Sinn steht nach einem andern.

Elisabeth Raklev.«

 

Sie faltete das Blatt zusammen und schloß es in Ermangelung einer Oblate mit einer Stecknadel. Hierauf öffnete sie leise die Thür zu dem Zimmer, in dem Madame Beck schlief, legte ihren Mund an deren Ohr und flüsterte ihren Namen. Madame Beck wachte auf und erschrak sehr, als sie Elisabeth ganz angekleidet und, wie es schien, reisefertig vor sich stehen sah.

»Madame Beck,« sagte das Mädchen leise, »ich will Ihnen etwas anvertrauen und Sie um Rat und Hilfe bitten. Ihr Stiefsohn hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden wolle – das war am vorigen Sonntag – und ich antwortete ›ja‹: aber nun mag ich doch nicht. Drum will ich jetzt zu meiner Muhme oder lieber noch weiter fort, wenn Sie mir einen Weg wissen. Denn sonst, fürchte ich, kommt er mir nach.«

Madame Beck war wie vom Himmel gefallen. Erst machte sie ein ungläubiges, höhnisches Gesicht: allein da sie fühlte, es müsse sich doch alles so verhalten, setzte sie sich unwillkürlich im Bett auf.

»Aber – warum kommst du damit gerade zur Nachtzeit?« bemerkte sie endlich, mißtrauisch forschend: ihr schien die Sache noch nicht ganz klar.

»Weil er es heute dem Vater geschrieben und es morgen Ihnen und den andern sagen wollte.«

»So – hat er schon geschrieben! Also deshalb hat er dich ins Haus gebracht!« bemerkte sie nach einer Pause etwas bitter.

Da fiel ihr aber ein, daß in Elisabeths Benehmen doch etwas Edles lag. Sie sah sie freundlicher an und sprach: »Ja, du hast recht: es ist am besten, du gehst fort, – irgendwohin, wo er dich nicht so leicht erreicht.«

Sie begann zu überlegen. Da kam ihr ein leuchtender Gedanke: sie stand auf und kleidete sich an. Sie besaß den Verstand eines Mannes und war gewöhnt, alle Angelegenheiten selbst zu führen. Gerade in den letzten Tagen hatte der Schiffer Garvloit, der mit ihrer Halbschwester verheiratet war, sich nach einem norwegischen Mädchen erkundigt, das im Hauswesen mithelfen könnte; das war ja ein Platz für Elisabeth. Es galt bloß an Bord seiner Kuff Holländisches Schiff, ziemlich breit gebaut, Groß- und Besanmast. zu gehen, welche segelklar dalag.

Madame Beck schrieb sogleich einen Brief an Garvloit, den sie Elisabeth übergab, und händigte ihr dazu eine ziemlich runde Geldsumme aus – den Lohn, den das Mädchen verdient, wie sie sagte.

So ruderte Elisabeth in der stillen Mondscheinnacht allein in der kleinen Prahm nach Arendal. Sternenerfüllt lag der glänzende Sund zwischen den tiefen Schatten der Bergabhänge, während ein oder der andre helle Mast verriet, daß Fahrzeuge unter Land waren. Manchmal fiel eine große Sternschnuppe, und Elisabeth war voll jubelnder Freude, die sie oft dämpfen mußte, indem sie lange Strecken hart darauf los ruderte. Sie war wie aus der Gefangenschaft entkommen, – befreit von einem lastenden Druck. Und – Marie Forstberg! Wie freute sie sich darauf, sie zu sehen!

Sie gelangte vor Tag in die Stadt und ging sogleich zu der Muhme. Dieser erklärte sie, Madame Beck wünsche, daß sie eine Stellung bei Garvloit in Holland annehme, der gerade segelfertig dalag. Sie zeigte ihr den Brief; – es hatte solche Eile.

Die Muhme hörte sie eine Weile an, dann sagte sie plötzlich; »Elisabeth, – es ist etwas mit dem Marineoffizier vorgegangen!«

»Ja, Muhme,« erwiderte sie aufrichtig, »er hat mich zur Frau verlangt.«

»Nun, und –?«

»Und da antwortete ich anfangs so viel wie ja; – aber ich mag ihn nicht, und da sagte ich es Madame Beck.«

Die Gebärden der Muhme zeigten, wie überraschend sie die Neuigkeit fand.

»Also, du hast ihn nicht wollen?« sagte sie endlich. »Wahrscheinlich deshalb, weil du lieber den Salve Kristiansen magst!«

»Ja, Muhme,« versetzte sie leise.

»Ei, warum nahmst du ihn dann nicht?« meinte die Muhme ziemlich hart.

Elisabeth traten die Thränen in die Augen.

»Ja – wie man sich bettet, so liegt man,« bemerkte die Alte, die stets groß in Sprichwörtern war, strengen Tones und ging an die Bereitung des Kaffees.

Ehe Elisabeth sich zur Kuff hinausrudern ließ, begab sie sich ins Posthaus, wo sie Marie Forstberg schon außer Bett fand.

Marie war sehr erstaunt, als jene ihr von ihrem neuen Entschluß erzählte. Die Stelle war so vorteilhaft, ein fast selbständiger Posten im Hause, und Madame Beck hatte ihr selbst es angeraten, sagte Elisabeth, die es geschickt vermied, die andre auf die richtige Spur zu leiten.

Daß Marie Forstberg sich die Geschichte doch nicht gut zusammenzureimen wußte, merkte Elisabeth an ihren Augen. Als sie voneinander Abschied nahmen, umarmten sie sich und weinten.

Im Landhaus draußen herrschte große Ueberraschung über Elisabeths Verschwinden. Der Lieutenant hatte ihren Brief gefunden, doch nicht geglaubt, daß sie abgereist sei, und hatte in gewaltiger Gemütsbewegung das Haus verlassen, um erst spät nachmittags heimzukommen.

Inzwischen hatte Madame Beck den Töchtern die Sache mitgeteilt; vor Fremden mußte man sie natürlich geheim halten.

Obgleich sein Auge sie überall suchte, so fragte der Lieutenant doch erst am Abend ausdrücklich nach Elisabeth: und als er erfuhr, daß sie weggegangen und nun vielleicht schon unter Segel nach Holland sei, saß er wie versteinert da. Dann betrachtete er höhnisch eine nach der andern.

»Wüßte ich, daß ich dieses einer von euch zu verdanken habe,« rief er endlich, »so …« er packte den Stuhl, auf dem er gesessen, schlug ihn auf den Boden, daß er krachte, und lief in sein Zimmer. Doch ihr Brief war leider deutlich genug; – sie liebte einen andern, und er wußte auch, wer es war.


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