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Sanfter Schäfchenmonat, schöner Pfingstmond, wenn du doch endlich kommen wolltest, wünschte sich jeden Morgen die Tochter von Jan Slim, wenn sie ihr Fenster öffnete und in die Weite über die eintönigen Felder schaute, die noch keine Spur von Grün überziehen wollte.
Und ein Tag folgte immer wieder dem anderen, die Knospen sprangen eines Morgens an den Bäumen und Hecken auf, lustige, lebensdurchschwellte Knospen, die voll Frühlingshoffnungen waren. Ein sanftes Flügelschlagen mischte sich in die weichen Nachmittagslüfte; mit freudigen Zurufen grüßte man die Schwalben, die auf das Holzwerk der alten moosbewachsenen Dächer zurückgekehrt waren; und die Zitzen der Schafe begannen jetzt zu schwellen. Das Brummen der Hummeln war da! Und das Summen der Maikäfer!
Und zu gleicher Zeit, wie das Land, das in der Sonne an seinem lieblichen, neuen Kleid und dem hochzeitlichen Schleier spann, war auch Roose damit beschäftigt, ihre Leinenbettücher zu nähen für das Bett ihrer Liebe, zu dem der teure Mann sie bald geleiten sollte, und während ihre leichte, geschäftige Hand immer wieder den Faden anzog, sagte sie sich:
»Ich werd' sie mit einem so starken Faden nähen, daß sie so lange halten, wie mein Glück dauert; und wenn sie dazu gedient haben, uns so lange wir leben als Lager nützlich zu sein, sollen sie immer noch wie neu sein, wenn man uns in unserer Todesstunde hineinbettet.«
Und als sie zum letzten Male ihre Nadel hindurchgezogen hatte, tagte endlich auch der Hochzeitsmorgen.
Wenn die Rosen nahe daran sind zu erblühen, sind sie weder rot noch weiß, weder ganz geöffnet noch ganz geschlossen. So ist auch das junge Menschenkind, das man durch die halbgeöffnete Tür sehen kann, wie es bleich und vor Ergriffenheit bebend nicht wagt die Schwelle zu überschreiten, denn es scheint Sonne und Wind zu scheuen.
Röte und Blässe wechselte auf Roosens Wangen, aber man hätte nicht sagen können, daß sie nicht doch einer Rose ähnlich war, oder daß sie ganz wie eine Lilie war. Ihr zärtliches kleines Herz konnte es gar nicht recht ausdenken, daß sie nun nicht mehr im Herzen ein Mädchen sein sollte, und war ganz verzweifelt, daß es noch nicht ein richtiges Frauenherz geworden war.
Zur Mittagszeit haben sie sich trauen lassen, und Katharina kann nun von Kobe ›mein Mann‹, und Lamm darf jetzt von Roose ›meine Frau‹ sagen.
So flüstern es sich die Leute zu, als man sie aus der Kirche kommen sieht. Jeder Mann mit seiner Frau am Arm; vor allen Leuten haben sie es sich zugelobt, und ihre Gesichter leuchten freudig.
Sie gehen jetzt durchs Dorf.
Wie Kranke, die Luft schnappen wollen, öffnen die Häuser ihre Fenster und Türen der Sonne; und die kleinen Kinder auf den Türschwellen zwischen Katzen, Hühnern und Hunden heben ihre winzigen Hände in die Luft, um den weichen Frühlingswind zu fangen, der vom Himmel weht.
»Hoch Kobe! Hoch Lamm! Viel Freude und Glück für die Zukunft!« rufen ihnen die Leute zu, und überall, wenn sie vorüberkommen, laufen die Hausfrauen bis auf die Treppenstufen von der Haustür, und jede bewundert die kräftige Gestalt von Lamm und den Liebreiz der Roose.
Dann löst sich bald einer, bald der andere aus dem Hochzeitszug, ohne ein Wort zu sagen, während die anderen weiterschreiten, und kommt mit einer Geige wieder, auf der er zu spielen anhebt.
Eine große Tanzlust bemächtigt sich der Frauen und Männer, und sie beginnen sich hin und her zu wiegen, indem sie einander um die Taille fassen oder mit ernsten Gesichtern die Beine aufwerfen, so daß Stiefel und Schuhe schwer über das Pflaster stapfen, aber die Hochzeit ist noch nicht richtig im Gange. Die Kragen der Männer schneiden ihnen ins Fleisch, und die Frauen haben Angst sich in den steifgestärkten Röcken frei zu bewegen. Aber bald werden die Gläser klirren!
Langsam geht man über die Felder auf den Pachterhof zu. Kobe und Katharina gehen ganz vorne, etwas weiter hinterher kommen Lamm und Roose, und die anderen folgen zu zweien. An der Spitze des Hochzeitszuges schreitet stolz der Geiger allen voran.
Bei jedem Schritt hebt er und senkt er den Oberkörper, um sich im Takt zu halten, und manchmal, wenn die Hochzeitsleute etwas zurückbleiben, macht er halt, in dem er mit dem Fuß im Takt trampelt, bis daß der Zug ihn wieder eingeholt hat. So schreitet er einher, den Kopf auf die Schulter geneigt und seinem Spiel ganz hingegeben. Und während er die Walzer und Polkas spielt, läßt seine Geige die lockenden Gluckser eines brütenden Huhnes hören: von Zeit zu Zeit, wenn es an Kolophonium zu mangeln beginnt, hört man den Bogen über die Saiten knirschen, ohne daß dabei ein klarer Ton zustande kommt.
Lange Bretter sind in dem großen Zimmer des Pachterhofes über Unterständer gelegt worden, um als Tische zu dienen, und auf dem Tischtuch ist das Geschirr fein ordentlich aufgestellt worden.
»Zu Tisch denn!«
Und der ganze Hochzeitszug drängt zur Stube hinein. Knie pressen sich gegen Knie. Stühle werden aneinandergerückt, und wo es sich macht, dient ein Sitz gleich für zwei.
Verschiedenerlei Fleischsorten, Bier und Wein bringen bald die Köpfe in Gärung. Man lacht, man schreit, man ruft sich dies und jenes zu von einer Seite des Tisches zur anderen, und die Blicke der Frauen legen sich wie Samt auf die Gestalten der Männer.
Auf einmal entsteht an der Türe ein so großer Lärm von Instrumenten, daß die Leute aufspringen und die jüngeren unter den Männern fangen mit einem Pas-de-deux an.
»Sie sollen hereinkommen,« sagt Kobe Snipzel wohlgelaunt.
Und vier große, blasse Musikanten, mit blondem Haar und blondem Bart, stellen sich jetzt zu beiden Seiten der Tür auf, die Mützen haben sie aufbehalten und fangen an aus Leibeskräften auf ihre Instrumente einzublasen, daß ihre Backen sich wie große Schweinsblasen blähen. Die zwei rechts von der Eingangstür spielen die Klarinette, und die beiden, die zur Linken stehen, blasen die Posaune.
Unter den Klarinetten ist eine, die man immerzu vor der anderen hört, obgleich auch die andere immer rascher spielt, daß sie selbst nahe daran ist die Töne durcheinander zu bringen und der Bläser schon ganz verzweifelt mit dem Fuß gegen den Fußboden klopft und seinen Körper wiegt wie einen Fiedelbogen, um sich ja nur im Takt zu hallen. Man merkt, daß es eine alte Nebenbuhlerschaft zwischen den beiden Klarinetten gibt. Der einen scheint es Spaß zu machen, den Pfiff einer Ratte, die Klage eines Käuzchens, einen Unkenruf und das Zirpen einer Fledermaus nachzuahmen, während die andere sich melancholisch damit abzumühen trachtet, im Atem bei der wilden Jagd zu bleiben und ihre Schnick-Schnacks klar herauszubringen.
Die beiden Posaunen dagegen geben sich ernsthaft und beherrscht, wie Leute, die mit den Sorgen des Lebens Bescheid wissen; sie versuchen, ohne sich erst zu beklagen, sich in gegenseitige Harmonie zu bringen, indem sie beide gegenseitig die Lust unterdrücken, durch besondere Leistungen zu glänzen.
Am Schluß eines Stückes drehen die Musikanten ihre Instrumente um und lassen aus ihnen den Speichel heraustropfen.
»Gebt ihnen zu essen und zu trinken,« ruft Kobe.
Mager und gierig, mit geblähten Lefzen nach den leckeren Bissen schnappend, reichen sie sich gegenseitig den Topf mit Fleisch, das Brot und das Bier. Aber halt! Der Schulmeister setzt gerade seine Brille auf die Nase, er zieht ein Papier aus der Tasche, faltet es langsam auseinander und hustet dreimal in die Hand.
»Still da! Der Schulmeister will reden!«
Er begann wirklich zu reden und nicht zu knapp.
Er sagte feine Sachen über das Zusammensein zu zweien, und daß man sich aufeinander jetzt stützen könne in allen Lebensumständen, und er sprach von der Bedeutung einer guten Wahl bei den Mädchen und Burschen, von der Übereinstimmung der Charaktere, der natürlichen Zuneigung der gleichen Lebensalter, und daß das Glück nur aus gegenseitigen Zugeständnissen geboren wird, und noch andere Dinge dazu, die unmittelbar an die Neuvermählten gerichtet waren und die Frauen in beträchtliche Rührung versetzten.
Der Schulmeister sprach mit einer bedächtigen Stimme, indem er darauf ein besonderes Gewicht legte, seine Rede zu interpunktieren, um seine Worte besser in die Köpfe seiner Zuhörer eindringen zu lassen, und von Zeit zu Zeit sah er über seine Brille hinweg, ob sie ihm auch alle noch folgten. Die einen hörten ihm mit gesenkten Köpfen zu und sahen dabei auf den Grund der Gläser, die anderen hatten ihre Augen auf das Papier gerichtet, von dem er ablas, und wieder andere beobachteten mit weit aufgerissenen Mündern einfältig lächelnd die Neuvermählten.
Was diese aber anbetraf, so waren beide Paare sehr verwirrt, denn es ist immer etwas Feierliches dabei, wenn ein Mensch unter dem Schweigen aller redet; und Roose, die die Augen halb geschlossen hielt, rollte mit beiden Fingerspitzen ein Kügelchen Brot auf dem Tisch, ab und zu errötend, wenn sie die Augen aller auf sich fühlte, während Katharina blaß und mit fest geschlossenem Mund sich kaum das Schluchzen verbeißen konnte, das ihr aus tiefstem Herzen aufstieg.
Und als der Schulmeister geendet hatte mitten in einem betäubenden Lärm von Bravorufen und Händeklatschen, erhob sich nun seinerseits der Pachter Snipzel. Eine so große Erregung hatte sich seiner bemächtigt, daß ihm der Schweiß bis auf den dicken Hals hinabtroff. Er öffnete ganz weit den Mund, aber ohne erst etwas sagen zu können, und darauf sah man ihn über die Breite des Tisches hinweg dem Schulmeister die Hand hinhalten, und als er sie ihm dann ganz kräftig wohl an die vier Mal geschüttelt hatte, sagte er endlich:
»Schulmeister, das war gut gesagt, besser kann man das nicht!«
Die gesättigten Musikanten wischten sich den Mund mit dem Handrücken, dann setzten sie wieder zum Spielen an. Sie waren noch immer ebenso blaß, lang und mager, aber das Bier hatte sie gestärkt und ihre Hände krochen an ihren Instrumenten entlang wie dünne zusammengekrümmte Spinnen.
Wer war der erste, der gerufen hate:
»Vorwärts zu zweien!«
Das war wohl weder dieser, noch ein anderer allein, sondern alle auf einmal.
Die Frauen krempten ihre Kleider über die weißen Unterröcke hoch, so daß nur das Rockfutter zu sehen war, und nachdem sie sie mit Nadeln in der Höhe der Hüften befestigt hatten, legten sie ihre Hände auf die Schultern ihrer Kavaliere und der Tanz nahm seinen Anfang.
Man tanzte im Hof, in den Stuben, in der Küche; die Mägde tanzten mit den Knechten im Stall, es drehte sich alles im Tanz vom Pachterhof bis zur Dorfstraße, im Schweiße des Angesichts, umwirbelt vom Sonnenstäubchen des Nachmittags. Die Klarinetten miauten, die Posaunen brüllten, und auf dem benachbarten Feld krachten Feuerbüchsen, Flintenschüsse und das Geschrei der Bauern brach sich Bahn. Hier und da sah man in den Ecken Männer stehen, mit den Händen gegen die Magengegend gepreßt, und sich erbrechen.
Der Abend senkte sich über diesem Lärm.
Da ging man endlich paarweise zum Hof hinaus, die vier Musikanten voraus, die Brautleute hinterher. Und ein jedes Mal, wenn sie an einem Wirtshaus vorüberkamen, stellten sich die Musikanten an beiden Seiten der Eingangstür auf und ließen die Hochzeitsgesellschaft hindurch, die sodann eintrat, sich niedersetzte und ganze Tischrunden bildete. Man warf die Mützen in die Luft, Küsse knallten, gefolgt von Maulschellen, und die Arme der Männer umschlangen die Frauen ohne Scheu.
Es gab manchen Spaß, man ging Wetten ein, probte seine Kräfte und Geschicklichkeit, und es kamen auch ein paar Raufereien auf, die man jedoch unterdrückte. Leute traten an sie heran und sagten ihr » Proficiat« den Brautleuten, stießen mit ihnen an, und überall war ein Geschäker, Ausgelassenheit, Lachen und reichliches Gekreisch.
Es ist der Brauch in Brabant, daß man diese Wirtshausumzüge macht, aber je mehr man lacht und trinkt, desto mehr verwirren sich die Gedanken.
»Nach meiner Meinung ist das jetzt genug,« sagte Kobe und sah Katharina an.
Und als sie sich daran machten. Lamm und Roose zu suchen, da hatten sie sie vergeblich gesucht.
Ja, das war eine schöne Hochzeit. Lange noch floß das Bier in die Gläser, und nach Mitternacht wurden die Dörfer durch lauten Lärm aus dem Schlaf aufgestört: das waren die Hochzeitsgäste, die in ihre Behausungen zurückkehrten.
Anmerkung zu Seite 1: eingearbeitet_joe_ebc
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