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He! Jan! He!«
Die mächtige Gestalt des Bauers taucht auf dem Weg auf.
Er steigt vom Pferd und klopft gegen die Fensterscheibe. Slim aber, der ihn schon hat kommen sehen, sperrt die Tür auf, um ihn hineinzulassen.
In der Stube erhebt sich die kleine magere Frau, die im Abenddämmer strickend am Fenster gesessen hat, und hinkt durch die Stube, um ihm einen Stuhl am Ofen zurechtzurücken.
»Segen über Euren Eintritt, Bauer,« ertönt ihre Stimme.
Kobe Snipzel setzt sich und sagt:
»Was macht die Wirtschaft?«
Jan Slim zündet seine schwarze Pfeife mit dem Deckel aus Silberfiligran an, setzt sich ebenfalls schweigsam wie immer und fängt an auf die Ofenplatte zu trommeln.
Um diese Zeit steigt ein Geruch von Kartoffeln und Kohl aus dem Kessel, der auf dem Herd kocht, oder der großen Kaffeekanne entsteigen bräunliche Schwaden, die den Duft von Kaffee durch die Stuben tragen.
Der dicke Snipzel sitzt da mit ausgestreckten Beinen und läßt die Hand auf seinem Ochsenziemer ruhen, sieht Jan an, sieht Ursula an, sieht auf die Uhr, auf den Schrank, den Ofen und sagt nichts.
Ursula hebt nur ab und zu die Nase von ihrer Stickerei und spricht von den Kartoffeln, von dem Getreide oder von dem Wetter, das zu erwarten ist.
Dann ist es, als ob er auf einmal aus einer langen Träumerei aufwachte. Er hebt den Kopf hoch, schlägt mit der flachen Hand auf die Schenkel und antwortet mit lauten Ausrufen und breiten Bewegungen. Meist aber redet keiner ein Wort, man hört nur das Saugen der Lippen, die den Tabakrauch herausblasen, das Knallen der Kohlen im Ofen und das Ticken der Uhr in ihrem Gehäuse.
Von Zeit zu Zeit nimmt Boer Jan die Pfeife aus dem Mund, spuckt in die Ofenschublade, drückt mit dem Daumen auf den Tabak im irdenen Pfeifenkopf und schüttelt die Asche vom Fingernagel ab. Oder er stopft die Pfeife aufs neue und setzt sie mit einer Hanfzündschnur in Brand.
Vom offenen Kuhstall her dringt Gerassel von den Halsketten der Kühe, die Pantinen klappern in der Backstube, Stimmen, hin und wieder von Gesängen und Gelächter unterbrochen, tönen zwischendurch bald ferner, bald näher.
Kobe horcht auf und sucht, ob er nicht unter den Stimmen die eine herausfindet, die ihm wie Musik über sein Herz streichelt, aber sie mischen sich immer wieder, so daß, wenn es ihm scheint, die Stimme von Roose herausgehört zu haben, es doch stets nur die Stimme von der Santje, der Magd, ist.
Das Pferd an der Haustür hat Langeweile und scharrt mit dem Huf auf dem Steinpflaster, da wird erst Snipzel gewahr, daß es Zeit ist zu gehen.
Zu Anfang da ist er gegangen und hat nur ruhig gefragt, wo Roose wäre, aber jetzt, da hat er schon aufbegehrt, denn er ist doch ein heftiger Mann und gewißlich gewöhnt, überall als Herr respektiert zu werden. So schreit er denn voll Ungeduld:
»Wo ist denn Roose? Die habe ich heute noch nicht gesehn.«
Es ist die Zeit, wo man die schöne Roose im Kuhstall am Melkeimer finden kann, oder über die Balje gebückt, um das Gemüse zum Nachtmahl zu spülen, denn sie wird doch nicht etwa wegen ihm jetzt die Hände müßig in den Schoß legen.
Der Pachter fühlt den Zorn in sich aufkommen.
Warum rufen sie denn nicht ihre Tochter, dieser Slim mitsamt seiner mageren Ursula. Sitzt der da und raucht seine Pfeife und glotzt die Wände an, und die Frau, dürr wie sie ist, kann auch nur die Nase in den Strickstrumpf stecken und auf dem Stuhl sitzenbleiben.
Er geht jetzt, denn er kann es sich gut denken. Dieses Spiel hat er schon längst durchschaut.
»Die wollen mir hier bloß ihre Tochter verstecken und werden sie mir so lange aus den Augen bringen, bis sie mich dazu gekriegt haben, daß ich ihnen sage, was ich da für Absichten habe. Das ist schon gut, aber die sollen auf ihrer Hut sein, denn ich hab' sie in der Hand, wo sie mir doch das viele Geld schuldig geblieben sind.«
Es macht sich aber zuweilen doch, daß Kobe, als er wiederum den Hof von Boer Jan betritt, vor dem Feuerherd ein frisches Mädchen mit weichem Braunhaar findet.
Das ist genug, ihm seine gute Laune wiederzugeben.
»Roose, wann wollen wir hochzeiten gehen?«
Sie bleibt schweigsam sitzen, nur Santje die Kleinmagd hebt dreist ihre kleine aufwärtsgestülpte Nase in seiner Richtung und sagt:
»Wenn Er mich doch bloß fragen wollte, Pachter, da macht' ich gleich auf der Stelle mit ihm Hochzeit.«
Alle, die noch in der Stube sind, brechen in ein schadenfrohes Gelächter aus, nur Jan Slim und seine magere Bäuerin lachen nicht mit, denn dazu kommen sie nie.
Lauter aber als alle anderen lacht Pachter Kobe.
»Santje ist billig zu haben; und da soll dann wohl die Roose die Kühe melken für sie und die Milch zur Stadt bringen, he? Die macht's einem leicht.«
Der Pachter freut sich, daß Roose in der Stube ist. Man sieht es ihm an, seine stahlgrauen Augen blitzen wie Pflugmesser, wenn er Roose hinaus- und hineingehen sieht, und eine Röte steigt ihm immer heftiger ins Gesicht. Er klopft sich rasch hintereinander auf seinen Wanst, wie er es sonst nur tut, wenn er eine Pinte Bier getrunken hat, und jeden Augenblick schluckt er an irgendeinem Wort, das er doch lieber nicht sagen will. Und das bleibt so die ganze Zeit, wo Roose im Zimmer ist.
Jan Slim sitzt und guckt mit schiefen Blicken aus seinen tückischen Augen auf ihn und läßt immer dichtere Qualmwolken aus seiner Pfeife um sich aufsteigen. Dazwischen seufzt Ursula, daß sie sitzen muß und sehen, wie auf ihrer weißen Taube das Auge dieses mächtigen Mannes ruht.
Und es kam so, daß Snipzel, als er die Landstraße hinab zu seinem Gehöft ritt, immer von einer wohligen Wärme umgeben war, die ihm wie mitten aus seiner Seele stieg, und daß er wie einer war, der zu viel Genever im Wirtshaus »Zum grünen Hund« getrunken hatte, daß seine Lungen wie im Brand standen. Er hielt an und sog mit aufgeblähten Backen den Duft der Wiesen in sich ein und schlug sich vor den Kopf.
»Kobe! in dich ist einer gefahren. Wie war es denn doch sonst, wenn du zum Beispiel ein Pferd gekauft oder deinen Weizen gut untergebracht hast und dir das so recht geglückt ist. Wie war das denn doch da mit der Freude! Du hast gut gegessen und du hast gut getrunken, um dir deinen Leib zusammenzuhalten. Und was so für das Gemüt war, da hast du dir eine Kirmes geleistet, und mit Geigen dazu. Und hier stehst du nun so auf der Landstraße und läßt die Augen der jungen Dirn vor dir her tanzen. Mir deucht, du bist nicht mehr ganz recht.«
Die schweren Hufe des Pferdes schlagen gegen das Pflaster, Schritt für Schritt geht es dem aufblinkenden Hof zu, der Pachter aber sitzt in sich versunken, und sein Geist kehrt um und strebt dem Hause zu, wo wie eine heiße Blume der blühende Leib der jungen Roose schimmert.
»Die Roose, die ist schön,« grübelt er, »dem Slim seine Tochter ist schön und gut. Keinen findest du, der das nicht sagte. Dem Manne bringt sie den Segen ins Haus.«
Dann wird er aber plötzlich über seine Dummheit wütend:
»Jan Slim seine Tochter ist aber ein Kind. Das ist sie noch und könnte wohl fast noch dein Kind sein. Das ist jetzt nicht die Zeit von solchen Dingen zu träumen: deine Haare sind ja schon grau. Kobe, alter Junge, was wirst du mit dieser goldenen Jugend machen.«
Er gab sich einen Ruck und begann an die Kartoffelpreise zu denken.
»Sie stehen auf den Sack acht Franken, wenn sie auf zwölf stehen werden, schlag ich sie los. Bei dem Geldmachen, da steht man sich doch noch am besten im Dasein.«
Aber es überkam ihn doch, daß er beim Eintritt in sein einsames Gehöft nicht mehr an Säcke voll Kartoffeln denken konnte. Er ließ sich wuchtig auf seinen Stuhl nieder und konnte sich gar nicht mehr damit zurechtfinden, daß er hier wie ein alter Kettenhund in seinem Winkel sein Leben versessen hatte.
Und eine tiefe Einsamkeit schien ihm den reichen, hellen Bauernhof mit seinem frohen Mägdelärm zu beschatten, bis daß er dalag, wie eine Dorfkapelle am Abend, wenn sie menschenleer geworden ist.