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Wie äußerlich unser Christentum ist, beweisen die vielen Schranken zwischen den Menschen. Der Hochadelige glaubt noch immer den Bürgerlichen durch einen Händedruck zu ehren – und der Bürgerliche ist auch noch heute oft so kindlich, sich dadurch geehrt zu halten. Wären wir in Wahrheit Jünger Christi und ehrten im Menschen den Christen, dann bestände der Standeshochmut ebensowenig mehr, wie die verächtliche Unterwürfigkeit, dafür wäre der echte würdevolle Stolz häufiger und es gäbe mehr Herzensadel.
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Fromm ist nicht Derjenige, welcher pünktlich jeden Sonntag den Gottesdienst begeht und andere kirchliche Gebote einhält, im übrigen Leben jedoch des Gottes uneingedenk ist. Auch der Werktag sei ein »Tag des Herrn«, und »Religion« muß jedes Handeln adeln, so weit es in unserer Kraft steht. Wer sich zur Andacht nur in der Kirche seines Glaubens aufschwingen kann, und nicht danach ringt, sein ganzes Leben zum Gottesdienste zu machen, der hat das Wesen des christlichen Gedankens überhaupt noch nicht begriffen. Er gleicht dann einem ungetreuen Diener, welcher in Gegenwart des Herrn gehorsam ist, sonst aber thut, was ihm beliebt.
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Dilettantisches Wolthun ist schlechter, als Härte. Der unbedacht geschenkte Thaler kann ebensogut einem Ehrlichen helfen, ehrlich zu bleiben, wie einen einfachen Lumpen zu einem doppelten machen. Nur wo offenbar schreiende Not droht oder vorhanden ist, müssen wir helfen, ohne erst lange zu fragen, selbst auf die Gefahr hin, einen schlechten Menschen zu neuer Uebelthat kräftig zu machen. Wir können ja nicht wissen, ob der Beweis unserer Menschenliebe nicht in ihm das kalt gewordene Herz zu neuem Leben weckt.
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Etwas ist beneidenswert: das Bewußtsein, daß man Niemand, welcher hilfesuchend naht, ohne Trost von seiner Thüre zu weisen braucht. Und die Menschen, welche das könnten, sind leider oft genug so kalten Sinnes, daß sie diese höchste Lebensfreude gar nicht verstehen.
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Unsere »Nächstenliebe« ist zumeist noch in Kinderschuhen, denn sie fragt den Armen zuerst: »Sage mir, welcher staatlichen und kirchlichen Richtung gehörst Du an, damit ich wisse, ob Du mein Nächster seiest.«
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Gutmütigkeit ist oft nichts als körperliche Schwäche, Güte aber ist eine Tugend des Herzens.
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Wer für sein geringes Gute – und gering ist's bei dem Besten – Lohn verlangt, hat Gott noch nicht gefühlt im innersten Gemüte, nicht begriffen in seiner Vernunft. Denn Ihn zu haben ist nicht nur für uns der höchste Lohn, es ist zugleich der nie rastende Stachel zur Liebe, welche nichts mehr für sich begehrt und wahrhaft selbstlos geworden ist.
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Alles Wissen der Welt, könnt' es je in einem Haupte vereinigt sein, wöge die Fähigkeit, rein und selbstlos zu empfinden, nicht auf.
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Der Jugend vornehmlich erscheint die Forderung, selbstlos zu werden, das Verlangen eines Thoren. Sie fühlt in sich den Drang ins Weite, will ihre Kraft in der Welt erproben, sich einen Teil derselben unterwerfen. Sie weiß eben Eins nicht, was heute leider auch so viele Aeltere nicht wissen, daß man in der Welt dasselbe sucht, was man so nahe hätte: sich selbst. Von allem, was leidenschaftliche Begehren verlangt, machen wir uns zuerst in uns eine »Vorstellung« und schmücken sie, wie das kleine Mädchen seine Puppe. Und diese Vorstellung verbinden wir dann, ohne es zu wissen mit den Dingen der Welt; und diesem Geschöpf unserer eigenen Bildungskraft, jagen wir dann nach. Und wenn sich das Erreichte als so anders erweist, dann klagen wir die Welt an und flugs schaffen wir uns wieder eine solche Puppe – o, welche Kinder sind wir! Unser eigenes Spiegelbild verführt uns, das Ich lockt das Ich, wir selber rauben uns den Frieden, indem wir uns in der Außenwelt suchen. Gar mancher wird dann so matt von der Jagd, daß er zuletzt allein im Grabe die Lösung des Rätsels erwartet, welche ihm nun »Nichts« heißt.
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Wieviel wird in unserer Zeit von »Duldung« gesprochen! Und dennoch ist sie kaum jemals so wenig geübt worden. O ja, wir sind sehr vorgeschritten: wir verbrennen nicht, wir foltern nicht. Aber im politischen und religiösen Leben fordert jede Gruppe Duldung für sich allein, jede sucht den Gegner durch alle Mittel zu erniedrigen und beweist dadurch, daß ihr echte Duldung unbekannt sei. In dieser liegt noch nicht jene Gleichgültigkeit, welche auch das Schlechte ruhig wuchern läßt. Wahre Duldung ruht auf der Erkenntniß, daß Niemand auf der Erde jemals die ganze Wahrheit besessen habe noch besitzen werde; auf der Einsicht, daß in allen, selbst in scheinbar seltsamen Formen und Formeln ein Geistiges enthalten sei, welches wert ist, durch die Vernunft auf seine Berechtigung untersucht zu werden. Andererseits aber ergiebt sich daraus, daß auch diese Duldung ihre Grenzen habe und zum Schwerte greifen müsse, sobald ihr durch die Vernunft erkanntes Recht beeinträchtigt wird, oder ein durch Gewalt gestütztes Unrecht für sich allein Duldung fordert.
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Es ist ein falsch verstandenes Christentum, welches dem Menschen die Lebensfreude als ein Verbrechen anrechnet. Der Gott, welcher das Menschenherz und den freundlichen Sonnenstrahl werden ließ, wollte nicht Lebenshaß und Finsterniß. Wer Ihn im Gemüte trägt, kann heiter und froh sein, und auch seine Freude ist Andacht, weil sie dann schuldlos bleiben wird.
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Jeder, welcher ehrlich einem sittlichen Leitbilds nachringt, hat heute vielen Menschen gegenüber einen schwierigen Stand. Ist er mild und wolwollend, so hält man es für Berechnung; Bescheidenheit gilt als versteckter Hochmut; offenes Urtheil für verbitterte Gereiztheit und ruhiger Stolz für Selbstüberhebung. Wem es so geht, der lasse sich nicht beirren. Bleibt er sich treu, so gewinnt er doch in jedem Jahrzehnt vielleicht einen echten Freund, und hat er nur drei solche sich errungen, so läßt es sich im Leben schon aushalten.
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Es giebt viele Menschen, welche, weil die Gottesvorstellung ihres anerzogenen Bekenntnisses ihnen nicht mehr genügt, Gott überhaupt leugnen, wie etwa ein Materialist den Geist, weil er sich durch keine chemische Formel bestimmen läßt. Beiden gilt dann die Leugnung als Markstein des Denkens und beide halten sich für geistig frei. Diese Art von »freien Geistern« ist heute so gewöhnlich, daß man sie am Biertisch der gemeinsten Schenke schwatzen hört. Das allein sollte genügen, sie verdächtig zu machen.
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In den Zeiten der Entwicklung weilt der Geist in der äußeren Welt. Von ihrem Wirbel ergriffen, schwingt er ruhelos im Umkreise und meint doch den Mittelpunkt dort finden zu können. Reif sein aber heißt: zu sich selbst heimgekommen, in sich niedergestiegen zu sein, und zuletzt in Gott ruhen und in der Liebe wirken. Unglücklich, wer niemals heimfindet!
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Die Kugel ist ein Bild der Kraft,
Die von dem Punkt die Strahlen sendet,
Sich wieder dann zur Mitte wendet
Und mit sich selber einig schafft.
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Je reifer man wird, desto weniger wird man einen Menschen für ganz gut oder ganz schlecht halten. Meist liegt Beides nebeneinander, oder es wirrt durcheinander und offenbart sich wechselweise. Ein alter Mensch, welcher noch im Stande ist, hart und unbarmherzig zu verurteilen, hat niemals tief in das Leben geblickt; tief ins Leben blicken heißt aber vor Allem: sehr tief in sich selbst schauen.
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Der Wissende kann leicht hochmütig werden, der Weise wird immer bescheidener. Und je mehr er sein in den Körper und in die Formen seiner Zeit eingeschlossenes Ich als Erscheinung eines Geistig-Wesenhaften erkennt, desto sicherer müßte er im Besitze der tiefsten Weisheit im Sinne, wenn auch nicht mit den Worten Christi sagen: »Ich bin nichts, der Vater ist Alles.«
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Welche Siege der menschliche Geist erringen möge, der höchste Kampfpreis wird es immer bleiben: daß er sich selbst als Geist erkenne.
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Nicht die Wahrheit, welche du gefunden hast, ist stets das Wichtigste, sondern die Mühe ist's, die du aufwenden mußtest, um zu ihr zu gelangen.
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Zwang der Ursächlichkeit.
Aus äußerer Dinge Sachverkettung
Für den
Verstand giebt's keine Rettung,
Vernunft nur, in sich selbst versenkt,
Des ehernen Zwanges Ketten sprengt,
Und tiefster Tiefe dann entblüht
Das freigewordene Gemüt.
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Wer in sich pflegt den Geist der Liebe
Dem lebt er in der ganzen Welt,
Dem sprüht er Nachts aus tausend Sternen
Und Tags vom lichten Himmelszelt.
Wer in sich nährt den Geist des Hasses,
Aus dem tritt finster er hinaus
Und löscht die Liebe in den Sternen
Und löscht sie in der Sonne aus.
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O laß die finstren Eifrer schelten
Die »jämmerlichste aller Welten«,
Du darfst sie doch die gute nennen,
Wenn sie Dich lehrte Gott erkennen.
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Ist erst die Gottessehnsucht Dir entglommen,
Dann sei getrost: Du wirst zu Gott auch kommen.
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Die Geisteswelt ist Eins –
Sie kann kein Mensch erwerben,
Was einer auch erlangt,
Es sind doch immer Scherben.
Doch aus dem kleinsten Stück,
Das unser Geist besitzt,
Uns immer noch zum Glück
Das Eins entgegenblitzt.
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Wandervögel sind wir alle,
Und wir ziehn durch Glück und Not,
Vor dem Winter, vor dem Tod
Nach der hohen Geisterhalle.
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Die Kluft, die von dem hohen Gott Dich trennt,
Es ist Dein Ich, das eigne Lust nur kennt.
Je mehr Du schleuderst in die Kluft hinein,
Um desto leerer wird der Abgrund sein.
Gieb
selbst Dich hin, dann schließt er sich im Nu
Und Liebe trägt Dich still dem Himmel zu.
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