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Mitternachtsgesang

Der in der Schöpfung fiebernde Mensch bei der Schreibtischlampe während der zwölf Glockenschläge:

Alte Nacht!
            Was knatterst du?
Lief nicht leer die Spule?
Neuer Tag!
            Wo flatterst du?
Jungblutsüßer Buhle!

*

Abendrot und Morgenrot
Teilen diese Erde
Wie zwei gleiche Stücke Brot
In Enteil'! und Werde!

Abendrot und Morgenrot
Lohnt nie ein Zusammen,
Ob sie, einer Sonn' entloht,
Horizont entflammen.

Alte Nacht und neuer Tag,
Solche Unterscheide:
Zwölfter Stunde letzter Schlag
Muntert auf – sie beide.

Künft'ges und Verronnenes
Falten Eure Hände!
Wollt doch mein Ersonnenes
Spalten nicht durch Wände!

Nacht! verweil' nicht! Runzel' nicht!
Riegle deine Türen!
Tag! bei dieser Funzel Licht
Muß ich mich noch rühren!

*

Nein doch! Nacht: bleib mir noch wach
Probe meine Gründe!
Tag stob ab: darum du mach',
Daß mein Werk sich runde!

Kirchendach um Kirchendach
Bis auf die Sekunde
Stürmte er dem Zeitmaß nach
In der Türme Runde.

Aber absolviert die Reih'n
Schlanker Uhrenhäuser
Tritt er resolviert hinein
In der Huren Häuser.

Und verpraßt die halbe Nacht
Und kürt weiße Lämmer
Und verpaßt die hohe Wacht,
Spürt nicht Zeitgehämmer.

Und er döst allmählich ein,
Wiegt ihn eins der Lämmer;
Und er löst sich erst beim Schein
Von dem frühsten Dämmer.

*

Alte Nacht!
            Was läufst du leer?
Wechsel aus die Spule!
Seufzend folgt sie dem Begehr:
Jungblutsüßer Buhle! ...


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