Joseph von Lauff
Sankt Anne
Joseph von Lauff

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VII

Wer ist der Seelenmensch . . .?

Er hieß eigentlich Klaas Buhle, war ein weitläuftiger Vetter der Bottertjes, hatte im benachbarten Knocke Station und tat Matrosendienst auf dem vorgeschobenen Leuchtschiff ›Wielingen‹, das Verbindung hielt mit den Seezeichen von Heyst und der Westerschelde – aber alle Welt kannte ihn nur unter dem obigen Namen und wußte, daß er nicht nur die grauen Wellenköpfe durchschaute, wenn sie gegen die geteerten Planken stießen und mit ihren gelblichen Augen über die Reling fortsahen, sondern sie wußte auch, daß er schon seit vielen Jahren eigentümliche Beziehungen mit denen unterhielt, die auf Hobelspänen lagen und mit Kopf und Füßen zwei unscheinbare schwarze Bretter berührten. Er war schwer von Begriff und fahrig in seinen Gedanken. Sein Verhältnis zur Außenwelt wurde wie Triebsand hin- und hergeschoben. Er war geistig verlähmt und doch nicht geistig verlähmt. Er hörte und sah nicht soviel wie andere Menschen, obgleich er Dinge vernahm, von denen die übrige Welt keine Ahnung hatte. Sein Blick ging nach innen. Er glaubte nicht an den Tod. Sterben? – Unsinn! – auf Erden gibt es kein Sterben. Für ihn vernichtete der Tod nicht das Leben, sondern veränderte es nur; es verklärte sich nicht, sondern haftete am Diesseits. Die armen Seelen gingen nach seiner Ansicht gleich Menschen umher, saßen bei Tisch, betrieben Geschäfte und sahen mit frierenden Augen durchs Fenster, unheimlich für die Hinterbliebenen, die deshalb alle Veranlassung hatten, ihnen Gutes zu tun und ihre Wünsche, die sie durch Klopflaute darlegten, in Erfüllung zu bringen. Er verkörperte die Seelen derjenigen, die ihm im Leben nahegestanden hatten. Er sah sie leibhaftig vor sich, rief sie mit Namen an, sprach mit ihnen, erzählte ihnen lange Geschichten von den Dünen, vom Meer und aus seinem eigenen Leben, aber er hatte immer das eigenartige Empfinden dabei, daß sie stören. Vornehmlich im Juli und während der Zeit der heiligen Nächte kam ihm dieser Gedanke. Dann zündete er Talgkerzen an, wo er auch immer sein mochte: an der Reling, in der Kajüte, in seiner Kammer, klopfte mit harten Fingern auf den Tisch oder auf ein Stück Holz und rief dann: »Herein!« – und wenn sie kamen, fragte er sie: »Rum oder Arrak gefällig?« – Allein die armen Seelen wollten von Rum und Arrak nichts wissen, stellten sich um die Lichter und wärmten ihre klammen Hände an den mageren Flämmchen. Sie liebten überhaupt brennende Kerzen, und Klaas Buhle sorgte dafür, daß sie auch bei festlichen Gelegenheiten nicht zu kurz kamen, daß auch sie, wie er sich ausdrückte, Pläsier hätten, wenn sich die Lebenden amüsierten – und so war er denn auch heute auf die fünfzehn Kerzen und die fünfzehn Bouteillen verfallen, um ihnen Freude zu machen. Er hätte auch sicherlich gefragt: »Rum oder Arrak gefällig?« – aber das ging heute nicht; er durfte nicht warten, bis Madam Bottertje die Talglichter angesteckt hatte, denn um Mitternacht mußte er sich auf dem Feuerschiff stellen, da seine zweitägige Landzeit herum war.

Und so ging er denn durch die stille Nacht hin mit ruhigen, schlaksigen Schritten, über sich all die winzigen Sonnen und Millionen von Sternen und neben sich die armen Seelen mit bangen Gesichtern und fröstelnden Händen. Das war ein merkwürdiges Gehen in dieser Gesellschaft! – Die Erde hielt den Atem an, als er über sie fortschritt. Vor sich hatte er das Blinkfeuer des Leuchtturms von Knocke und die langgezogenen Dünen, die sich wie ausgebleichte Baumwollsträhnen gegen den Himmel abnahmen. Bald darauf kam er durch rieselnden Sand, und dann lag das Meer unter ihm in seiner bleiernen und gigantischen Ruhe. In Knocke machte er das Wachtboot los, legte sich in die Riemen und fuhr mit der Trift gegen das Leuchtschiff an, das wie ein festgekettetes Ungetüm zwischen der Heyster und Knocker Bank stand, ohne Murren und Stöhnen die eiserne Fessel ertrug und mit wachsamen Augen über das aalglatte Meer sah. Viele Seemeilen blinkte es über die ebene Fläche. Sein Licht rüttelte wie ein Falke in freier Luft und verharrte Stunde um Stunde in der nämlichen Stellung. Klaas Buhle hörte auf das Schlürfen des Wassers und die Arbeit der Riemen, die ein bläuliches Leuchten aufwarfen, als schafften sie in brennendem Fusel. Nach stündiger Fahrt kam er an Bord, während der abgelöste Mann wieder an Land ging. Alles machte sich in großer Heimlichkeit; nur die Bootskette tat einen hastigen Seufzer.

»Man Ruhe, man Ruhe,« sagte der Seelenmensch und ging breitbeinig über das glitschrige Deck fort. Dort trat ihm der Kapitän entgegen, der aus der Kajüte kam, um vor dem Schlafengehn das Wetter zu sichten. Sein Punschgesicht war von einem harten Haarkranz umgeben. Im linken Mundwinkel saß ein irdener Stummel mit glimmendem Tabak.

»Seelenmensch, Ihr habt heute die Nachtwacht.«

»Well, Kap'tän.«

»Um zwei Uhr die rote Laterne.«

»Well, Kap'tän.«

»Was Neues dahinten? Unsereins schwimmt schon vierzehn Tage und kann nicht mitreden.«

»Wie das so ist, Kap'tän: arme Seelen und noch ärmere Menschen!«

»Ich meine: ob was Neues auf Land ist?«

»Bei den Bottertjes – ja. Haben frische Besetzung. Fünfzehn Lichters auf fünfzehn Bouteillen.«

»Und sonst?«

»Der Domine kommt.«

»Der mit dem strammen Weibsbild, das sich ins Meer wirft, wo andere, der mankierenden Kurasch wegen, nicht hingehn?«

»Well, Kap'tän.«

»Wer sagt das?«

»Madam Bernadintje.«

»Na, dann ist wieder Leben in Sankt Anne,« sagte der Kapitän und begab sich nach achtern.

»Mynheer Kap'tän, soll ich die Luken versichern?« rief ihm Klaas Buhle noch nach.

»Wo die See so glatt wie 'ne Hand ist . . .

»Ich meine man.«

»Was ist da zu meinen?«

»Damit die Seelen von denen, die da unten liegen, nicht 'reinkommen können. Sonst tun sie's und kucken mit langen Gesichtern in den Kajütenspiegel. Und dann ist der Spiegel zum Deuwel.«

»Oller Klaas!« sagte der Kapitän, drehte bei und ging schlenkrig nach unten, um den Rest der Rumflasche alle zu machen.

»Hat auch keine Religion,« meinte der Zurückgebliebene, flegelte sich mit aufgestützten Armen über die Reling und spuckte ins Wasser, das langsam an den dicken Planken vorbeigurgelte. »Ne – der hat auch keinen Glauben,« sagte er düster, reckte sich hoch und sah mit seinen blassen Vergißmeinnichtaugen durch die sternklare Nacht hin.

Der Blick vom Feuerschiff aus konnte viele Seemeilen fassen. Die Nacht war so durchsichtig wie ein Musselingewand, das mehr entschleierte als verhüllte und das Entschleierte noch reizvoller machte. Sie war ein verführerisches Weib, das breithingelagert und mit halbwachen Augen sich vom Sternenlicht überschauern ließ – eine Todbringerin und doch ein Weib, in dessen Armen man das Leben vergaß und sich glücklich schätzte, an dem schönen Leibe sterben zu können. Auch Klaas Buhle sah das, hatte jedoch kein richtiges Verständnis dafür, aber er sah die Lichter von Blankenberghe, Diamantfünkchen zu einer Schnur gereiht, die den Horizont abgrenzten, näher die Perlenkette von Heyst und hart gegen Nordost das große Feuer von Walcheren, das silberweiße Lichtfetzen über die unendliche See warf. Und er sah noch mehr . . . Er sah . . . alle grauweißen Segel hoch, hatte es Kurs gegen Westen. Es kam von der Schelde. Lautlos, in majestätischer Ruhe, zielbewußt und mit gigantischen Möwenflügeln zog der Ostindienfahrer unter den Sternen. Auf Rufweite ging es vorüber – dann schwand es mit derselben majestätischen Ruhe, mit derselben Feierlichkeit und Andacht, als führe eine große, unaufhaltsame Sehnsucht in das Land der Verheißung.

»Auch eine Seele,« sagte der einsame Wächter, zog die teerige Mütze vom Kopf und legte die Hände zusammen. Hierauf warf er einen Blick gen Himmel, wo die goldenen Bilder sich drehten wie Laternen und Flitter in einem langsam kreisenden Karussell, ohne Aufhören, in stets wechselnden Formen, mit sich änderndem Licht, bis sie untertauchten ins Meer und den grauenden Morgen. Aber die stille und große Sehnsucht machte noch die letzten Segel hoch, furchte die See und steuerte dem Land der Verheißung und dem jungen Tag entgegen. – – –

Lisbeth, Madam Bottertjes lange Kochinchinahenne, flog auf den Holzzaun und krähte. Eine Henne – und krähen . . .? So war es nun einmal: sie gerierte sich wie der beste Hahn in Sankt Anne, hielt aber das Eierlegen für eine überflüssige Angelegenheit, weshalb Moritz Dütz-Josum sie mit jenem Namen beehrte, und zwar im Hinblick auf die englische Königin, die auch ein weibliches Huhn war, aber krähen konnte wie der forscheste Mannskerl, obgleich sie bis an das Ende ihrer Tage in ihrem jungfräulichen Zustand verharrte. – Also Lisbeth flog auf den Hofzaun und krähte – und als sie krähte, da kam auch der junge Morgen über Sankt Anne, stöberte die Lerchen aus dem Heidekraut auf und warf sie mit rosigen Fingern in den wolkenlosen Himmel. Hei – wie sie flogen und sangen! – Und er puderte leichten Goldstaub über die Dächer, ließ eine Handvoll davon über die altmodischen Pappeln rieseln und tat hierauf einen goldenen Blick in das geöffnete Fenster, an dem Hans Behrend stand und über das erwachende Leben hinaussah. Verloren glitt er ihm mit der Hand über die Stirne und sagte: »Herrlich – was?! – es gibt doch nichts Schöneres auf der Welt als so ein herausgeschnittenes Stückchen vlämischer Erde.« Und unten ging Dütz-Josum vorbei, schwenkte seinen Zylinder und begab sich mit seinem Malgerät in die nahegelegenen Wiesen, um Studien an Jan Bottertjes Ferkeln zu machen, die sich hier während der Sommertage vergnügten und es besser hatten als der verlorene Sohn in der Bibel. Der junge Tag aber sah noch freundlicher aus und sagte abermals: »Da geht auch so ein Mensch. Früher war alles Not und Elend in ihm. Gewiß, ein anderes Elend, wie du es hast, aber es war doch ein furchtbares Mißgeschick, so zu verkümmern und an seinem besten Glauben verzagen zu müssen. Jetzt ist er sonnig geworden; er nimmt sein Herz in die Hand und wirft es den Lerchen nach, die in den Himmel fliegen. Gehe hin und tue desgleichen.« Er hörte die goldene Stimme; er hörte sie so deutlich, wie er das Jubellied des unscheinbaren Punktes vernahm, der immer höher kletterte, immer herzinniger sang, um sich schließlich mit dem ewigen Blau zu vereinen. Das Lied jedoch tönte weiter und weiter . . . und da reihte sich ein sonniger Tag an den andern, und jeder hatte die nämlichen Worte, und da kam ein stilles Sinnen über ihn und ein Zustand feinen Genießens. Er atmete auf, er fühlte sich wieder, und wenn auch sein Geist ihn des öfteren an die heilige Stätte geleitete, wo die schöne Herzogin ruhte, deren Züge ihm stets das liebe Gesicht der Verstorbenen widerspiegelten – im Sichversenken in die Natur, im Umgang mit Heinrich vom Hövel und Moritz Dütz-Josum, im Fördern seiner eigenen Arbeit fand er das wieder, was von ihm gegangen war, da er verstört und wegemüde sein Bestes für immer verloren glaubte: die Ruhe. Der Wind, der von den Dünen wehte, brachte sie ihm, die große Stille flüsterte sie ihm zu, das brausende Meer legte sie ihm ans Herz; was er durchlebt und durchrungen hatte, löste sich von ihm, gleichwie ein großer, dunkler Vogel die feste Scholle läßt und mit mächtigen Flügeln seewärts streicht, um nie mehr wiederzukehren. Die sonnigen Tage an der vlämischen Küste mit all ihrem Gold und dem Zauber ihrer beredten Sprache taten schon Wunder. Das Böse und Schwere schien hinter ihm zu liegen. Hans Behrend hatte seinen Frieden gefunden; er sah leuchtenden Blickes in das fröhliche Auge seines Freundes und meinte: »Du hast schon recht gehabt – hier gesundet die Seele.«

Und da eines Tages . . .

Das khakifarbige Häuschen, das Bernadintje bewohnte, war total umgewandelt. Man sah es ihm an: es kicherte ordentlich vor eitel Vergnügen, denn es stand so blank im Putz da, daß man die Augen zudrücken mußte, um von all dem Glanz nicht geblendet zu werden. Gott ja! – es war ja immer das reinste Schmuckkästchen gewesen, aber heute übertraf es sich selber. Man hätte es direkt ins Paradies versetzen können, und die dicken Posaunenengel hätten vor lauter Freude gerufen: »Hoch, Bernadintje!« so appetitlich sah es aus, so appetitlich, wie nur ein Häuschen auf der himmlischen Wiese aussehen mochte. Der Messingklopfer blitzte und funkelte wie neugeboren. Hinter den Fensterruten standen frische Vorsetzer und hingen funkelnagelneue Gardinen, davor blühten Geranien und Sommerlevkojen in rotlackierten Töpfen, von der Straße bis zum Hausflur liefen zierliche Figuren aus blauem und weißem Streusand, neben der offenen Haustür reckten sich zwei stattliche Oleanderbäume auf, die noch vor wenigen Tagen im benachbarten Gärtchen placiert waren. Und unter den Oleanderbäumen da stand sie selber – da stand Bernadintje, auch so ein richtiger, ausgewachsener Posaunenengel mit Flügelhaube, Goldspiralen und klingenden Ohrgehängen, drehte sich selbstgefällig in den stattlichen Hüften, tat schön und zierte sich gleich einem weiblichen Fasanenvogel, und dabei erzählte sie jedem Passanten, was sie alles zuwege gebracht hätte: wie sie die Betten mit neuen Federposen gestopft, die Dielen gescheuert, die Glasservante gebohnert, kurz, was sie alles getan habe, um den Einzug des Herrn van Dornick und seiner Fräulein Tochter so glänzend wie nur möglich zu machen. Und dann kam sie auf die beiden zu sprechen, setzte des Längeren auseinander, was für nobele Menschen es wären, wie sie so gar keine Umstände machten, sich ganz wie gewöhnliche Leute betrügen, obgleich die Tochter es mit der größten Schönheit aufnehmen könne, und der Domine so gelehrt wäre, daß er, ohne ein Examen abzulegen, direktemang in den Himmel hineinspazieren dürfe.

»Überhaupt die van Dornicks . . .!« – mit dieser Wendung schloß sie jedesmal ihre Betrachtung ab und warf dabei ein Kußhändchen in die erste Etage hinein, was lediglich sagen sollte: »Nu wißt ihr's – piekfeine Leute . . .!« – und dann begann die Geschichte von vorne, und als schließlich ihre Schwester herüberkam, um auch mal nach dem Rechten zu sehen, stand Bernadintje noch immer unter den Oleanderbäumen und begrüßte sie: »Tag, Wilhelmintje – angtree. Wie gefällt dir die Sache? Meinetwegen können nu meine Inwohners in die Zimmers hineintriumphieren.«

Wilhelmintje geizte denn auch gar nicht mit ihrem Lob, war sehr splendid damit und sagte: »Einfach großartig. Das reinste Palä. ›Ons Wilhelmintje‹ kann's nicht feiner in Amsterdam haben.«

»Meine ich auch,« entgegnete Bernadintje, und dann tat sie wieder schön wie eine Fasanenhenne und zierte sich, als wenn sie in zu engen Lackschuhen ginge.

In diesem Augenblick ließ ihre Schwester einen herzhaften und tiefen Seufzer fahren.

»Was los, Wilhelmintje?«

Diese gab nur vier Worte zum besten.

»Jan und Moritz Dütz-Josum . . .!« sagte sie traurig.

»Was ist mit die?«

»Gott – ja, Bernadintje! – den Admiral de Ruyter hat er ja nu wohl glücklich unter den Tisch fallen lassen, aber wie das mit die Mannsleute so ist: sie kommen immer wieder auf neumodische Sachen. Was unten placiert ist, tut er nach oben, und was oben liegt, steckt er in die unterste Kiste, und ich will nicht Wilhelmintje Bottertje heißen, wenn er nächstens nicht auf den Einfall kommen tun täte, Amalie am Schwanzstück aufzuschirren.«

»Aber, Wilhelmintje, wieso denn?«

»Heimlichkeiten!« kam es giftig zurück, »ganz infamige Heimlichkeiten! – Ich dachte schon zuerst an Basilius seine Geschichten; aber das war's nicht. Es sind andere Mouvements, und das geht nu schon ganze acht Tage in dem nämlichen Turnus. Kaum ist Lisbeth mobil und kräht von der Hühnerleiter herunter – bums! ist auch mein Jan aus den Posen, steckt sich 'ne Pfeife an, dann 'rin in die Kleider und 'raus auf die Wiesenkoppel hinter die Kirche.«

»Er will doch nicht wie der Seelenmensch die Toten beschwören?«

»Bernadintje, keine Spur von Idee, aber er macht andere Sprünge, und die mußte ich wissen. Na, denke ich heute morgen so im Schummern: Wilhelmintje, jetzt Achtung. Und richtig, es kam wie an den andern Tagen: Lisbeth kräht – und mein Jan in die Kleider. Ich aber auch 'raus, und als er fort ist, bemühe ich mir ganz stillkes ans Fenster – und wer geht da vorüber? – Moritz Dütz-Josum, und ganz gemütlich geht der unschuldsvolle Hammel vorüber und grüßt noch. Na, denke ich, wart' noch ein bißchen. Und wie ich so warte, kommt das mit ›hü‹ und ›hott‹ um die Ecke herum; Jan auf die Landkutsch, Amalie, Sophie und Doortje vorneweg – und richtig: in voller Plängschaß kutschiert Mynheer Bottertje auf die Wiesenkoppel zu und hinter die Kirche, und das um 'ne Zeit, wo Lisbeth erst zweimal gekräht hatte.«

»Herrje noch!« verwunderte sich Bernadintje. »Was tut er denn da? Er darf doch in die Nähe von die Kirche keine Komödiantenstückchen betreiben?!«

»Betreibt er auch gar nicht, keine Spur von 'ner Betreibung! – aber er hat andere Raupens im Koppe. Ich also hinter ihm her, und als ich auf die Wiese erscheine . . . Bernadintje,« sagte sie so recht tief aus dem Magen heraus, »ich bin schon viel in die Welt herumgekommen, und du weißt auch, daß ich als Meisje bei Mynheer van der Muilen in Stellung war.«

»Ja, Wilhelmintje, das warst du.«

»Da mußt du auch wissen, daß mir schon das Rarste vor Augen gekommen ist, denn wenn man so in die Welt kuckt, passieren Geschichten . . .! – Bernadintje, da habe ich Individuums gesehen, die anstatt mit dem vorderen Teil mit dem Schwanz fraßen, wie zum Beispiel die Olifanten im Beestentuin zu Amsterdam – aber was ich hinter die Kirche erblickte . . .

»Na, was denn?«

»Sitzt da mein Dütz-Josum in seiner ganzen Unschuldsvolligkeit mitten auf die Wiesenkoppel und malt, und Jan mit die Landkutsch immer um den Maler herum, immer mit Amalie, Sophie und Doortje um den dämlichen Maler herum – und als ich ihn anrufe, schreit er immerzu: Kunst, Wilhelmintje! – Modell, Wilhelmintje! – und dann ging's wieder los, als müßte er in 'ner Zirkustente hundert Gulden auf einmal verdienen. – Kunst, Wilhelmintje! – Modell, Wilhelmintje! – Ich hielt mir die Ohren zu, ich konnt's nicht mehr anhören.«

»Um Gott nicht, was malte der Kerl denn?!«

»Was Dummes: »Jan in natura, die Landkutsch natura, Amalie, Sophie und Doortje – alles natura, aber was das Schlimmste bei die Sache war: du und ich – wir beide saßen auch in die Landkutsch, hatten jede 'ne Schnapsbouteille im Arm und sangen gerade so, als wenn wir von 'ner Kirmes kämen . . . und so wahr ich hier stehe: ich habe in meinem ganzen Leben keinen Genever getrunken.«

»Heilige Jungfrau von Sankt Anne ter Muiden!« lamentierte Bernadintje. »Nein – dieser eklige Moritz!«

»Sage ich auch, Bernadintje. Unter die Augens bin ich ihm aber gegangen und habe gesagt: Mynheer, hab' ich gesagt, ist das 'ne Noblesse von Sie, anständige Madams als Säufers zu malen? Tun Sie das man unter die Regentschaft van de Koning van Preußen und nicht unter die Regentschaft van ›Ons Wilhelmintje‹.«

»Richtig,« bekräftigte Bernadintje.

»Aber was tut nun mein Maler? – Sich auf den Kopf stellen – das tut er und spartelt mit die Beine in den Himmel; na, und du kennst ja die Beine! – und dann kommandierte er: Achtung! – präsentiert das Gewehr! und streckt nur eins in die Höhe, und das alles man so stehenden Koppes herunter, und Jan schreit dazwischen: Kunst, Wilhelmintje! – Modell, Wilhelmintje! – Ich habe mir ja krank darüber geärgert und bin nach Hause gegangen.«

Ihre letzten Worte klangen so wehleidig und kamen so gepreßt und langsam von ihrem properen Munde, als hätten sie Pech an den Füßen gehabt, allein Bernadintje begütigte sie und sagte: »Bekriege dich man und trinke bei mir ein Köpje mit Kaffee, dann gibt sich das wieder, und wir können drüber nachsimulieren, wie wir den Koppsteher und das unbedachtsame Herrgottswurm von deinem Ernährer aufs frische in Kurs bringen. Die Bottertjes sind ja komische Menschen! Der deine geht ja noch eben, aber was der meinige war, so ist er ein richtiger Sardanapalus von Konstantinopel, wie ich das mal in 'nem schönen Geschichtenbuch gelesen habe – und nu komm man 'rein, Wilhelmintje,« und sie komplimentierte ihre Schwester über die feingeschnörkelten Sandfiguren in ihr solides Häuschen, drehte sich jedoch, als sie hinter sich Schritte vernahm, noch einmal um und hätte sicherlich die ganze Geschichte von ihrem frisch hergerichten ›Palä‹, dem Domine und seiner Tochter erneut vom Stapel gelassen, wäre der Richtige vorübergegangen. Als sie aber Hans Behrend gewahrte, machte sie nur einen sehr feinen Diener, zeigte auf die beiden Oleanderbäume und dann auf die schneeweißen Gardinen, die hinter allen Fenstern hingen. Sie wollte doch aller Welt ihre gehobene Stimmung ans Herz legen.

Allein er verstand nicht, was Bernadintje eigentlich wollte, grüßte zuvorkommend und ging seines Weges. Er schritt über die nahegelegenen Polder, an der großen Mühle vorbei, über Hazegras den Dünen und dem ewigen Meer entgegen.

Aus dem Schornstein des netten Häuschens stieg alsbald ein lichtblaues Wölkchen in den sonnigen Himmel hinein, ein Zeichen, daß die beiden Bottertjes in aller Gemütlichkeit dem Kaffee zusprachen. Und sie saßen beim Kaffee wie zwei wohlgenährte, aus derselben Werkstatt hervorgegangene Menschenkinder, so daß Klaartje, die erst vor etlichen Tagen bei Madam Bernadintje in Stellung getreten war, alle Mühe beim Anpräsentieren hatte, die beiden auseinanderzuhalten. Es gelang ihr nur schwach, denn so oft ihr Bernadintje auch vorreden mochte: »Die mit das blaue Schleifchen bin ich, und die mit das rote ist meine ältere Schwester Madam Wilhelmintje« – es half alles nichts: Klaartje wurde absolut nicht findiger dadurch und selbst, als sie nach fünfjähriger, treuer Dienstzeit sich einen eigenen Hausstand in Sankt Anne begründete, war sie nicht klüger als am ersten Tage ihres Diensteintrittes geworden und wunderte sich Stein und Bein darüber, wie es die Menschenmöglichkeit war, daß der liebe Gott es fertig gebracht hatte, zwei so ähnliche Geschöpfe in die Welt gesetzt zu haben. Zwei Fliegen oder zwei Mäuse oder zwei Kaffeebohnen – ja, das ließ sich noch hinnehmen, aber zwei Menschen . . .! – Klaartje kam nun einmal über die Sache nicht fort, glaubte doppelt zu sehen und hätte beinahe die teure Milchkanne am Boden zertöppert, wäre ihre Herrin nicht zugesprungen; aber der Kaffee schmeckte, und das war doch wichtiger, als sich über die Dammelei Klaartjes zu ärgern, und weil er so gut schmeckte, wurden die beiden Schwestern auch milder gestimmt und versenkten mit jedem Stückchen Kandiszucker, das sie in die Tassen hineinpraktizierten, auch eine Portion ihres gerechten Unmuts. Eine freundliche Resignation ging über sie fort, und in dieser Resignation sahen sie die ganze Kunst- und Modellgeschichte mit anderen Augen an und dachten gerechter und christlicher über Jan und den fidelen Moritz Dütz-Josum. Bernadintje kam hierauf wieder auf den Domine und seine Tochter zu sprechen und erzählte, daß sie so gegen fünf herum eintreffen müßten, und wie sie alles nobel und splendid gemacht habe – und dabei klingelte sie mit ihrem Kaffeelöffelchen gegen die Tasse, daß es klappte und tönte. Und die liebe Nachmittagssonne sah in die Stube hinein und vergoldete alles: die Geranienstöcke, die Bilder an den Wänden und den schönen Messingkäfig, der blankgeputzt auf der Anrichte stand. Auch der Kanarienvogel hätte vor lauter Freude gesungen, wäre es ihm nur möglich gewesen, denn er war ebenfalls von Porzellan, genau so von Porzellan wie Wilhelmintje ihr Vogel – und Klaartje kam nicht aus der Verwunderung heraus und kicherte immer in sich hinein: »Nein, dieser liebe Gott! – zwei Bernadintjes und zwei Wilhelmintjes!« – und so ging das weiter, bis die Schatten draußen schon lange Beine und spitze Köpfe bekamen, und die Schwalben niedriger flogen. Und als sie das taten und mit ihren Flügelspitzen fast die Grashälmchen zwischen den Pflastersteinen berührten, da schwenkten sie auch um die beiden Oleanderbäume herum und wunderten sich und segelten mit einem langgezogenen »Sriiii!« durch alle Winkel und Ecken von Sankt Anne ter Muiden. –

Inzwischen hatte Hans Behrend draußen auf den hohen Dünen gestanden. Das Meer war nicht mehr so ruhig und still wie in der verflossenen Nacht und am Morgen gewesen. Lange, graue Wogen rollten dem Strand zu. Sie kamen daher mit festen, kräftigen Schritten von Mannsleuten, die ein Ziel erreichen und über die vorgelagerten Dünen ins Land wollten. Aber je näher sie kamen, je schwächer wurde der Anmarsch; schließlich trippelten sie nur mit Kinderfüßchen im Sande herum und stießen Muscheln und Seetang spielend vor sich her. Und dennoch packte es: dieses ewige Kommen und Gehen, dieses Pilgern im grauen Gewand und die mächtige Stimme aus der Tiefe heraus, die Himmel und Erde und Wasser mit ihren Klängen erfüllte und weithin wie eine mächtige Domorgel tönte! – Unter ihrem Rauschen und Klingen trat er den Heimweg an. Als er den Kirchturm von Sankt Anne vor Augen hatte, verstummte sie allgemach. Um ihn her regte sich nur das Weben des Abends und das sanfte Geflüster in Halmen und Ähren, das ihn begleitete bis zum Eingang des Dorfes – aber da tönte es wieder, und je weiter er die Straße verfolgte, um so schöner und feierlicher hallten ihm die Klänge entgegen. Waren die großen Stimmen des Meeres wieder heraufgekommen, und kreisten sie jetzt um die Bündelpfeiler des breitausgelegten Kirchturms, der mit dem angeklebten Langschiff wie ein stumpfes Ungetüm aus der nächsten Umgebung herauswuchs? Schon möglich! – aber er wunderte sich doch über das plötzliche Erwachen der Orgel, die sonst nur an Sonn- und Feiertagen gespielt wurde und heute mit einer Tonfülle sich gab, die vermuten ließ, daß nicht gewöhnliche Hände die Register zogen und über die Tasten hinwegglitten. Ein beseligender Odem war in sie gefahren, und überirdische Hände meisterten sie. Da trat er über die grasbewachsene Schwelle. Scheuen Fußes durchschritt er das dunkle Portal; eine welke Helle umfing ihn, die nur in Höhe des Gewölbes von dem milden Glanz der untergehenden Sonne durchsetzt war. Niedrige Schatten kauerten in den Ecken und Nischen. Nur einzelne reckten sich auf und sahen über die Brüstung der Orgelbühne, als wollten sie sich über die Person vergewissern, die zu einer so ungewöhnlichen Zeit alle Register und Pfeifen erklingen machte.

Auf leisen Zehenspitzen ging er voran; dann setzte er sich in das zunächst gelegene Kirchengestühl und ließ sich von der Weihe des heiligen Ortes umschauern. Immer voller und inniger brauste es von der Bühne herunter. Aeoline und vox humana waren deutlich erkennbar. Jubelstimmen waren dazwischen; er vermeinte auf den Tonwellen ein mattes Licht zu erblicken, das stetig an Größe zunahm, sich verkörperte und als weißgekleidete Frauengestalt die Kirche durchschwebte. Sie kam mit geschlossenen Füßen, die Augen wie in großer Trauer verschleiert. Um ihre Mundwinkel spielte ein bewegliches Lächeln. Unter dem weichen Stoff des Gewandes entwickelte sich die Linie ihres ganzen Körpers in berückender Schönheit. Ihre weißen Arme hoben sich flehend. Er glaubte ihren Odem zu spüren, er wähnte den berauschenden Duft des geliebten Weibes bei sich zu haben . . .

Da legte ihm jemand die Hand auf die Schulter.

Es war Heinrich vom Hövel.

»Hörst du?« fragte ihn dieser mit gedämpfter Stimme.

»Ja – ich höre.«

»Es ist Erasmus van Dornick.«

»Der Prediger?«

»Ja – er ist soeben mit seiner Tochter gekommen. Sein erster Gang ist immer zur Orgel. So hat er's alljährlich gehalten.«

»Und sie . . .

»Ist bei ihm – da oben.«

Hans Behrend sah ihn groß an, dann drückte er sich die Hand vor die Augen, als müsse er das entschwundene Bild und die liebe Gestalt noch einmal beschwören, und siehe: als das brausende Tongewebe in Mozarts Ave verum überging, erschien sie ihm nochmals – unbestimmt und weit auf den Stufen der Empore, von wo aus die schmale Treppe zur Bühne hinaufführte. Sie stand regungslos und hörte auf die himmlischen Klänge, die immer seliger und reiner wurden. Es schien ihm, als wenn die Dämmerung sich verstärkte, als wenn Figuren und Bilder auf den Epitaphien leise zerflössen, und die Engel vom Altare stiegen, um die Alleinstehende mit ihren goldenen Schwingen zu decken. Ein geheimnisvolles Dunkel ließ alles noch wesenloser erscheinen; draußen aber lag der Abend in lieblicher Klarheit, und sein Licht begrüßte Himmel und Erde.

Da verstummte die Orgel, und mit ihrem Verstummen löste sich auch die weiße Gestalt von der Empore. Der Prediger gesellte sich ihr; dann kamen sie näher. Hochaufgerichtet, an der Seite ihres Vaters, erschien Anna van Dornick.

Sie ahnte, was ihr bevorstand, sie wußte, was nun kommen würde und sollte, denn die Worte traten ihr wieder in den Sinn, die Heinrich vom Hövel noch vor wenigen Tagen gesprochen hatte. Sie war ihm niemals begegnet im Leben – erst heute; sie kannte ihn nur dem Namen nach; nur wie fernes Glockenläuten hatte sie Kunde davon, was die Welt über ihn wußte und dachte – und diese Kunde war ihr wie ein wilder Schwan erschienen, der haltlos dem fernen Norden zustrebte. Unbeachtet hatte sie ihn fliegen sehn, ohne den leisesten Gedanken, seine Spur zu verfolgen. Seit der letzten Auseinandersetzung mit Heinrich vom Hövel aber war das anders geworden. »Er gehört dem Geschlecht der Ruhelosen an und sehnt sich nach Ruhe,« klang es ihr zu, und dieser Ruhelose war jetzt in ihr Leben getreten und wartete auf die Hand, die sie ihm aufs Herz legen sollte, und sagte ihr leise: »Trösten heißt vergessen, und vergessen heißt Liebe gewinnen . . .« Es war wie Freude in ihr und doch wie ein heimliches Grauen, dem sie hilflos gegenüber stand. Was sollte das alles? Wohin führte das alles? – Was sollten überhaupt die geheimnisvollen Worte bedeuten? Sie war doch keinem Rechenschaft schuldig, und niemand hatte das Recht, ihr mit dem bestimmten Befehl das Messer auf die Brust zu setzen: Das sollst du. Mochte der Ruhelose doch weiter fliegen, wie der weiße Vogel immer gen Norden, und dort an einem kalten Felsen verbluten . . . Auch das konnte erlösen und Trost geben, ebensogut, wie es ihre weißen Hände vermochten, die sie selber so oft gen Himmel streckte, wenn sie vermeinte umzukommen in ihrer tiefen Not und Bedrängnis, und die Sterne nur ein frostiges Lächeln für sie übrig hatten. Ja, trösten heißt vergessen, und vergessen heißt Liebe gewinnen – aber auch sterben.

Sie beugte sich vor der Macht des Augenblicks. Sie hörte kaum die geflüsterten Worte, mit denen Heinrich vom Hövel das erste Begegnen einleitete, kaum die Stimme ihres Vaters, die ihn herzlich willkommen hieß und fast den Anschein hatte, als habe sie einen Segen gesprochen. Ihre feinen Nasenflügel bewegten sich leise. Willenlos, mechanisch, kaum wissend, was um sie vorging, reichte sie ihm ihre Hand hin, die weiße, schlanke, wundervolle Hand, die selbst im Dunkel der Kirche noch gespenstisch aufleuchtete – und als er ihre Fingerspitzen berührte . . .

Er konnte ihr Antlitz nicht sehen, ihre Hand jedoch berührte ihn seltsam, und ein Hauch strömte von ihrem Körper aus, der ihn an jene Tage erinnerte, an die er nur mit namenlosem Glück und mit namenlosem Elend zurückdenken konnte, an jene Stunde, wo die geheimnisvolle Stimme auf dem purpurblauen Meere verzitterte . . . Und als sie hinausgingen, als es licht um sie wurde, und die Helle des Abends sich über ihre Stirne legte, über das Medaillengesicht, eingerahmt von der Fülle goldener Haare – als er das alles erkannte und die nämlichen Augen sah – die wundersamen Augen von früher – die Augen, die sich geschlossen hatten für immer und jetzt wieder zum Leben erwachten, da erbleichte er bis in die Lippen hinein, da schien ihm der Boden unter den Füßen fortgerissen zu werden.

Wie im Traum ging er neben ihr, wie im Traum verabschiedete er sich bald darauf von ihr und Erasmus van Dornick – und dann, als er mit ihm allein war, mit Heinrich vom Hövel allein war, da zog er ihn mit sich in die Wiesen hinaus, in das umdämmerte Land, wo nur der Himmel über ihnen war, und die endlose Stille ihm sagen konnte: »Hier hört dich keine menschliche Seele . . .« Da rang sich ein heißer Schrei von seinem Herzen herunter, und mit wütendem Griff umklammerte er die Hand seines Freundes.

»Aber, Mensch . . .!« sagte dieser.

»Du . . .!« stöhnte Hans Behrend, und seine Blicke irrten maßlos ins Weite. »Sei still, da ging sie soeben. – Stille! – Du konntest sie sehen, wie sie bei mir war und durch die vereinsamte Straße einherging. – Verwunschen . . .

»Behrend . . .

»Sie ist mir wiedergegeben. Sie lebt! – Sie ist auferstanden von ihrem Grabmal; sie ist erwacht am italischen Meer!«

»Aber du bist ja außer dir.«

»Das weiß ich,« sagte er fröstelnd. »Aber sie lebt ja! – Sie lebt! – Das war ja Maria!«

Jubelnd und dennoch verzweifelt waren ihm die Worte vom Munde gekommen. Dann stieß er sich mit der Faust gegen die Stirne und weinte bitterlich.

»Ich wußte es,« sagte Heinrich vom Hövel mit umflorter Stimme, »und diese Erkenntnis kam mir, als du am Grabmal der jungen Herzogin knietest, als du sie wiederfandest in der Liebfrauenkirche zu Brügge.«

»Ja, du,« sagte Hans Behrend, »noch besser: da ich sie wiederfand in Anna van Dornick.«

Heinrich vom Hövel schwieg.

Fern, hinter den Dünen, war die Sonne untergegangen.

 


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