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Neuntes Kapitel.
Das neue Herrenhaus

Es war recht sonderbar, im Dunkeln durch das Dorf zu fahren, aber es war noch sonderbarer, im Herrenhause anzukommen und es so ganz verändert und doch dasselbe zu finden. – Die hellen Kaminfeuer in den Vorhallen, die neue Blumenstube, die Kronleuchter, die von den Decken hingen, die schönen Teppiche auf den Treppen, die vielen Lichter und das Geräusch machten das alte Haus so unkenntlich, und als Mia beim Hinaufgehen die alten ruhigen geschnitzten Gesichter sah, die aus den alten Nischen des Täfelwerks sie anblickten, war ihr ganz eigen zu Muthe, gerade als ob sie in einem Traume umherginge, und doch erheiterte es sie, es war, als sprächen ihr alte Freunde Muth zu. –

Herr Harley kam ihnen oben an der Treppe entgegen und führte sie in's Wohnzimmer. Mia war zuerst so sehr durch das Licht geblendet, daß sie kaum wußte, wie viele Menschen im Zimmer waren. Erst als Herr Harley ihr die Hand geschüttelt und eine Dame mit einer schönen Haube ihr einen Kuß gegeben hatte, wagte sie umher zu sehen. Herr Harley stellte Karl zweien Knaben in Jagdhabits vor. –

Also es waren Knaben da! – Das war eine Befriedigung, und nahe der Thüre saß ein junges Mädchen und stickte. – Mia hoffte, sie würde aufstehen und mit ihr sprechen, sie hätte auch gerne gewußt, ob Karl den beiden Knaben so gut gefiel, als sie es wünschte. – Ehe sie noch recht zur Fassung kam, stand Herr Harley wieder neben ihr, und ihre und Karl's Hand ergreifend führte er sie zu einem Sopha am andern Ende des Zimmers.

»Hier,« sagte er, »ist noch Jemand, den ich Euch vorstellen will. – Louis, dies sind Karl und Mia. – Mia und Karl, dies ist mein Sohn Louis.« –

Ein sehr bleicher Knabe erhob sich bei diesen Worten vom Sopha. Mia war recht neugierig ihn zu sehen, aber Herr Harley's Stimme klang so seltsam, als er seines Sohnes Namen nannte, daß Mia sich unwillkürlich nach dem Vater umsah. –

»Wie freundlich er aussieht,« – dachte sie, »weshalb mag er so sehr freundlich aussehen?« –

Aber das Lächeln verschwand schnell aus Herrn Harley's Gesichte, und machte einem so kummervollen Ausdrucke Platz, daß Mia es bedauerte, ihn angeblickt zu haben. – Sie drehte sich nach dem Sopha um, Louis hatte Karl die Hand geschüttelt und hielt ihr jetzt einen Finger entgegen.

»Es ist ein elendiglich kalter Abend,« – sagte er, wie es Mia erschien, mit unzufriedenem Tone. – »Es muß Euch recht unangenehm gewesen sein, an solch einem Abende auszugehen.« –

»Im Gegentheil, es machte uns viel Vergnügen,« sagte Karl.

»So!« – sagte Louis und sank auf's Sopha zurück. Er sah aus, als dachte er: »Für heute Abend habe ich genug gethan.« –

»Louis hat sehr gewünscht. Deine Bekanntschaft zu machen,« sagte Herr Harley zu Karl, »ich hoffe, Ihr werdet gute Freunde werden.« –

Louis erhob seinen Kopf und ließ ihn wieder sinken ohne Etwas gesagt zu haben, und Karl hatte einen solchen Anfall von Verlegenheit, daß Mia für den letzten Zuckerhut – wir erlauben uns diese Abkürzung – fürchtete.

»Nun, ich verlasse Euch, damit Ihr auf Eure eigne Art bekannt mit einander werdet,« – mit diesen Worten entfernte sich Herr Harley und redete zwei Herren an, welche an der andern Seite des Kamins standen.

Louis' Art, Bekanntschaften zu machen, war sehr eigenthümlich. Er ließ Karl und Mia fünf Minuten vor dem Sopha stehen, ehe er sie fragte, ob sie sich nicht lieber hinsetzen möchten. –

Karl setzte sich auf einen Sessel neben dem Sopha oder besser, er fiel so heftig auf den niedrigen Sitz, daß das ganze Zimmer davon erschütterte.

Mia setzte sich sehr ängstlich auf den Rand des Sophas, denn sie fürchtete, die Mäntel und Tücher, in welche Louis gehüllt war, in Unordnung zu bringen.

Wo waren jetzt alle Hoffnungen auf fröhliche Spielgefährten und Freunde geblieben? – Niemand, Herr Harley ausgenommen, schien auf sie Acht zu geben oder gar sie gerne zu sehen. – Sie wünschten sich in ihr gemüthliches Wohnzimmer im Predigerhause zurück. – Mia dachte an ihr Buch und Karl, der sehr hungrig war, dachte an die Milch und das Butterbrot, welches Kitty gerade in's Zimmer brachte, als der Wagen vorfuhr. – Es war am Ende doch nicht so dumm gewesen, ein gutes Mittagbrot gehabt zu haben. –

Von Zeit zu Zeit drehte sich Herr Harley um und sah nach dem Sopha hin und es schien Mia, daß er unzufrieden über ihr Stillschweigen war. –

Plötzlich wurde jedoch das Stillschweigen dadurch unterbrochen, daß Karl das Schüreisen, die Feuerzange und die Schaufel auf die eiserne Platte des Kamingitters warf, was einen fürchterlichen Lärm machte. – Louis sprang stöhnend vom Sopha auf, und die Dame mit der schönen Haube eilte zu ihm.

»Mein lieber Louis, – der abscheuliche Lärm, – Dein armer Kopf, – es thut mir sehr leid!« –

»O, es schadet Nichts,« – antwortete Louis, sich wieder niedersetzend, »mein Kopf that mir schon vorher so weh, wie nur möglich, der Lärm hat Nichts zu bedeuten; es giebt Dinge, die mir unangenehmer sind, wie Lärm.«

»Ich fürchte, Du leidest heute sehr, lieber Louis?«

»Nicht mehr, wie meistens. – Aber weshalb machen die Bedienten so großes Feuer? – Und weshalb bringt Papa Leute her, die mich plagen, – wenn –«

Mia unterbrach diese Rede dadurch, daß sie eben so geschwind vom Sopha aufsprang, wie Louis es eben zuvor gethan hatte. –

Louis hielt inne und sagte nach einer Minute Schweigen mit sanftem Tone: »Ich denke. Sie setzen sich wieder hin.«

»Nein,« – antwortete die Dame, deren Name Dalton war, »Miß Merton wird wohl daran thun, mit Mademoiselle nach oben zu gehen und ihren Hut abzunehmen, und ich denke, ihr Bruder Karl wird gewiß gern mit Richard und Horaz Vernon Bagatelle spielen. – Richard, komm her,« – sagte sie zu einem der Knaben, »unterhalte Dich mit diesem jungen Herrchen und« – fügte sie flüsternd hinzu, »halte ihn von Louis entfernt!«

Die beiden Knaben sahen sich etwas linkisch an und gingen dann nach dem Bagatelletische. – Frau Dalton führte Mia zu einer angenehm aussehenden jungen Dame, welche an einem Stickrahmen saß und Mademoiselle von ihr genannt wurde; sie bat dieselbe, ausfindig zu machen, welches Zimmer für Mia eingerichtet sei.

Es that Letzterer fast leid, der jungen Dame die Mühe zu machen, mit einem Lichte voranzugehen und ihr den Weg zu zeigen, sie dachte. Niemand kenne das Haus so wohl, als sie selbst. –

Mademoiselle brachte Mia in ein sehr hübsch möblirtes Zimmer, in dem ein helles Feuer brannte, sie half ihr den Mantel abnehmen und ihre und Karl's Sachen auspacken. Darauf glättete sie Mia's Haar und brachte ihren Anzug in Ordnung, auch sagte sie Etwas über schöne, helle Locken, zarten Teint und sanfte Augen, was Mia sehr komisch vorkam, was sie aber dennoch ganz gern hörte. – Als sie wieder nach unten kamen, war der Thee servirt und zwischen Theetrinken und Bagatellespiel verging der Abend.

Mia liebte sonst das Bagatellespiel nicht, aber heute schloß sie sich den Spielenden an, um mit dem jungen Mädchen bekannt zu werden, welches, wie sie durch Mademoiselle erfahren, Luise Vernon hieß und Herrn Harley's Nichte war. – Unglücklicherweise fiel Mia Nichts ein, worüber sie mit Luisen sprechen konnte, und diese machte zweimal den Versuch Mia Etwas zuzuflüstern, verstummte aber allemal, wenn sie bemerkte, daß Frau Dalton oder Mademoiselle nach ihr hinsahen. – Horaz und Richard sprachen viel mit einander, aber immer über Leute, die Mia und Karl unbekannt waren. – Louis blieb fest auf seinem Sopha liegen, aber Mia, die zuweilen nach ihm hinsah, glaubte zu bemerken, daß er trotz des Buches, das er in der Hand hielt, Karl beobachtete. Sie sah, daß er schnell aufsah, als Letzterer etwas lebhaft mit Richard über die Regeln des Spieles stritt und als Richard und Horaz mit einander lachten und sich etwas zuflüsterten. – Mia vermuthete, daß sie über Karl und seine knopflose Jacke oder über sein vieles Butterbrotessen lachten. – Louis stand plötzlich hinter den Knaben, beugte sein bleiches Gesicht hinunter und sagte halblaut: »Nein, das werdet Ihr nicht thun, laßt« – Mia verstand den Namen nicht – »zufrieden.« –

»Das ist nicht Deine Sache,« – antwortete Richard, »was geht es Dich an?« –

»Was sagst Du?« – fragte Herr Harley, der am Kamin saß.

»O Nichts, gar Nichts,« – antwortete Richard.

»Nichts von Bedeutung,« – erwiederte Louis, zu seinem Sopha zurückkehrend, aber Horaz und Richard ließen das Flüstern sein und betrugen sich höflicher gegen Karl. Um neun Uhr kam ein Mädchen, um die jungen Damen in ihr Schlafzimmer zu führen.

»Vergiß nicht, Luise,« – sagte Frau Dalton beim Gute-Nacht-Sagen, – »vergiß nicht, daß Du im blauen Zimmer allein schlafen sollst. – Ich wünsche, daß kein Hin- und Herlaufen zwischen Deinem und Fräulein Merton's Zimmer stattfinde, denn ich will nicht, daß Du Dich wieder so aufregst und so lange aufbleibst, wie in Weelsby, als ich Deiner Cousine Anna erlaubte, bei Dir zu schlafen.« –

Luise antwortete nur: »Gut!« – und Mia dachte, das zuviel Sprechen wäre keine Gefahr, die Luise drohte. Als sie bei Karl vorüber ging, hätte sie beinahe einen großen Verstoß gemacht, denn sie näherte sich, um ihn zu küssen, aber Karl hielt seinen Kopf so hoch und steif, daß sie noch zur rechten Zeit an die Schulknaben dachte und den ihren zurückzog. – Es war ein sonderbares, unbehagliches Gute-Nacht-Sagen, denn es war das erste Mal in Mia's Leben, daß sie Keinem dabei einen Kuß gab. Sie war ganz traurig, als das Mädchen sie verließ und sie allein am Kamin stand. Sie konnte sich nicht entschließen, niederzuknieen und ihr Abendgebet zu sagen, denn sie mußte gegen ihren Willen immer an die Erlebnisse des Tages denken und überlegen, ob es wahrscheinlich wäre, daß dieser Besuch ihnen noch so viel Vergnügen machen würde, als sie und Karl gehofft hatten. Als sie so da stand, hörte sie ein leises Anklopfen und als sie die Thüre öffnete, stand Luise Vernon vor ihr.

»Sst! – mein Licht ist ausgegangen, laß mich hinein, um es anzuzünden!« –

»Ich will mein Licht hinaus bringen,« antwortete Mia, »Du weißt, Frau Dalton sagte. Du sollst nicht zu mir kommen.« –

Aber während Mia nach dem Tische ging, um das Licht zu holen, kam Luise in's Zimmer und setzte sich an's Feuer.

»Ich bin recht froh, daß Du hier bist, Mia,« – sagte sie, »nun werde ich doch Jemand haben, dem ich alle meine Geheimnisse sagen kann. – Ist es nicht recht häßlich von Frau Dalton, daß sie uns nicht zusammen schlafen lassen will? – So ist sie immer! – Aber ich bin fest entschlossen. Dich zu meiner Freundin zu machen.« –

Mia hätte recht gerne in freundlicher Weise geantwortet, aber sie dachte daran, daß es Luisen verboten war zu sprechen.

»Hier ist Dein Licht, – willst Du nicht lieber gehen?«

»Bitte – schicke mich nicht fort! – Ich habe Dich um Etwas zu bitten, – sie sagen. Du bist ein gutmüthiges Mädchen. – Ach, Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich davor fürchte, in diesem unheimlichen, alten Hause allein zu schlafen; deshalb wollte ich Dich bitten, mich nur diese Nacht bei Dir schlafen zu lassen. Frau Dalton wird es nie erfahren, denn ich werde früh Morgens ganz leise in mein Zimmer schlüpfen, Niemand wird mich sehen und wir wollen recht gute Freundinnen werden.« –

Luise stand bei diesen Worten auf und legte ihren Arm um Mia's Nacken, Mia blickte schweigend in's Feuer. –

»Wer schweigt, willigt ein,« – sagte Luise und küßte sie.

Mia machte sich von ihr los.

»Nein, Du kannst nicht so ungefällig sein und jetzt Nein sagen,« – rief Luise. »Ich kann, ich will nicht allein schlafen. Ein Gespenst geht in der Nacht umher, und wenn ich es sehen sollte, würde ich mich zu Tode schreien. – Ueberdies, was ist denn unrecht dabei? – Niemand soll es wissen!« –

»Aber das ist gerade das Unrecht,« – erwiederte Mia. »Geh lieber hinunter und frage Frau Dalton.«

»Ich wage das nicht zu thun; es würde zu nichts führen und sie würden mich Alle so ansehen, die Herren und der Onkel und Louis. Sei nicht gleich am ersten Abende so unfreundlich.« –

Der erste Abend in der Ferienwoche! – Mia dachte an die Worte ihrer Mutter: »Ihr werdet andere Versuchungen haben!« – War dies nicht eine? – Einen Augenblick darauf wußte Mia, was sie thun sollte.

»Luise, ich will hinunter gehen,« – sagte sie. »Ich werde lieber gleich gehen, denn wir sollen hier nicht ohne Erlaubniß zusammen sprechen!«

»Gut, wenn Du es liebst, angestarrt zu werden und Frau Dalton böse zu machen. Ich möchte nicht gehen.«

Mia fühlte, daß der Entschluß ihr schwerer werden würde, wenn sie noch zögerte, sie ging also schnell die Treppe hinunter und öffnete, ohne sich eine Minute zu besinnen, die Thüre des Wohnzimmers. Es war ihr, als müßte sie in die Erde sinken, als alle Köpfe sich erhoben und alle Augen nach ihr hingerichtet waren; in denen der Frau Dalton las sie den Ausdruck der Mißbilligung. –

»Miß Merton,« – sagte die Dame, »Sie erschrecken mich; ich hoffe, es ist Nichts vorgefallen?« –

Mia ging gerade auf sie zu und trug ihre Angelegenheit vor, aber die Stimme versagte ihr fast und am Ende ihrer, wie sie meinte, langen Rede, sagte Frau Dalton:

»Bitte, sprechen Sie lauter, ich habe kein Wort verstanden, denn ich höre schwer.« –

Mia bemühte sich, laut zu sprechen, sie sprach auch einige Worte laut, endete aber flüsternd.

»Wirklich, Liebe, ich muß Sie bitten, lauter zu sprechen,« – sagte Frau Dalton wieder. –

Zur großen Erleichterung für Mia fing Jemand an zu sprechen, ihre Augen waren mit Thränen gefüllt, sie erkannte Niemand; aber sie hörte ihre Bitte von einer so klaren, deutlichen Stimme wiederholt, daß es dies Mal unmöglich war, sie nicht zu hören.

»Danke, Louis,« – sagte Frau Dalton. – »Also Ihr habt doch mit einander gesprochen,« – fuhr sie, zu Mia gewendet, in einem sehr trockenen Tone fort. – »Es ist doch sonderbar, daß junge Mädchen nie gehorsam sein können. – Luise ist sehr zu tadeln.«

»Nun, verzeihen Sie es dies Mal,« – sagte Herr Harley, Mia ernst ansehend, »es ist sehr kindisch, aber mögen sie heute zusammen schlafen. – Ich weiß, Mia fürchtet sich vor dem Besuche der stolzen Dame! – Ein Wort für Luise und zwei für Dich selbst; ist es nicht so, Mia?« –

Daß Herr Harley dachte, sie schütze Jemand anders vor, das war das Aergste! –

»Wenn ich nur die geringste Hoffnung hätte, daß Ihr mir folgen würdet,« – sagte Frau Dalton, »so würde ich noch einmal bitten, nicht zusammen zu sprechen, aber ich vermuthe, daß das zu viel verlangt ist.« –

»Ich werde nicht sprechen,« – sagte Mia. »Gute Nacht!« –

Frau Dalton beugte sich herab und zwei sehr kalte Lippen berührten Mia's Stirne. Mia hatte noch niemals einen solchen Kuß bekommen. –

Als sie an die Thüre kam, bemühte sie sich vergebens sie aufzumachen. Es kam Jemand und öffnete sie ihr, sie dachte, es sei Karl, aber nein, es war Louis. Mia wollte danken, aber ehe sie noch ihre Stimme wiedergefunden hatte, war er fort; sie eilte die Treppe hinauf. –

Luise war nicht halb so erfreut oder so herzlich, als Mia gehofft hatte. – Sie hätte es viel lieber gesehen, wenn Mia nicht fragen gegangen wäre, und dann ließ sie sich nicht vom Sprechen abhalten. – Sie erzählte, daß sie und ihre Brüder bei ihrem Onkel Harley bleiben würden, daß Frau Dalton Herrn Harley's Cousine sei und seit ihres Mannes Tode immer bei ihm gewohnt hätte, – daß sie Louis schmeichele und gegen alle Uebrigen unfreundlich sei, – sie wußte von jedem Hausbewohner Etwas zu erzählen, von Mademoiselle, von ihren Brüdern, von Allen. – Mia hörte nur ungern dem Schwatzen zu, und da Luise nicht glauben konnte, daß Mia nur aus Gehorsam gegen ihr Versprechen keine Antworten gab, so schalt sie sie übellaunig und verschlossen und sagte, sie könne solch zurückhaltende Leute gar nicht leiden. – Endlich wurde sie es müde, allein zu sprechen und ging zu Bette. –

Mia kniete zum Gebet nieder, aber es dauerte lange, ehe sie ihre Gedanken sammeln konnte. – Es schien ihr der längste Tag ihres Lebens zu sein und sie konnte sich kaum davon überzeugen, daß es nur gestern Abend war, als ihre Mama zu ihr an's Bett kam und sie küßte. – Die Erinnerung war nicht ohne Gefahr, denn sie brachte fast eine zweite Thränenfluth zu Wege. »Wenn Jemand hier wäre, dem ich Alles sagen könnte,« dachte sie; »wenn es nur Jemand wüßte, wie leid es mir thut, daß ich Frau Dalton verdrießlich gemacht habe, und daß Herr Harley mich verkannt hat! – Und ich, wie traurig bin ich, daß ich nicht Karl sprechen kann, – wenn ich nur Einen hätte, der mich liebte!« –

In demselben Augenblick sprachen ihre Lippen »Unser Vater« und diese Worte gaben ihren Gedanken eine andere Richtung. »Wie thöricht war ich, mich verlassen zu fühlen, denken zu können, daß hier Niemand ist, der mich liebt! Wie könnte ich es vergessen, daß Einer immer da ist, dem ich Alles sagen kann!«

Als Mia sich niederlegte, war sie ganz beruhigt, ja sie sagte zu sich selbst, daß sie ganz so glücklich wie immer sein könnte, wenn sie nur einmal mit Karl allein über alles Erlebte sprechen dürfte! –


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