Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.
Die Arbeit

Das alte Herrenhaus lag nicht sehr fern von dem Predigerhause, es stand auf einer Anhöhe jenseits der Anpflanzungen, welche sich längs des Flusses hinzogen, den wir von der Bleiche aus sehen konnten. – Aber obgleich Mia und Karl es in zehn Minuten hätten erreichen können, so machten sie heute einen langen Spaziergang daraus, sie liefen um die Wette, sprangen über Gräben und schaukelten sich auf jeder Heckenthüre. – Als sie die Gärten des Herrenhauses erreicht hatten, waren sie Beide müde und ergötzten sich an einem Sitze unter einem Baume und dem guten Abendbrote, welches Kitty in den Korb gesackt hatte. –

Der Garten war kein wohlgepflegter Platz mit schönen Blumenbeeten, geraden Gängen und weichen Grasplätzen. – Einige Gänge und Beete waren im Gegentheil so sehr mit Unkraut bedeckt, daß man sie kaum von einander unterscheiden konnte. Die Zweige der Bäume und Gesträuche hingen bis an die Erde und waren so in einander verwickelt, daß Mia kaum durchkommen konnte, alle Augenblicke blieben ihre Röckchen darin hängen und mußten losgemacht werden. – Zuweilen hielt ein Dornstrauch sie fest, zuweilen ein junger Stachelbeer-Schößling, mit reifen Früchten beladen, die Niemand zu pflücken sich herabließ. – Als sie auf einen Grasplatz kamen, war das Gehen leichter, der Rasen war lang und dick und in ihm lagen hier und dort saftige Sommeräpfel und dunkelblaue Pflaumen verborgen, die von den Bäumen gefallen waren. – Es wäre dies ein gefährlicher Platz für Kinder gewesen, welche nicht, wie Mia und Karl, ernstlich dahin erzogen waren, niemals Etwas zu nehmen, was nicht ihnen gehörte.

»Bruder,« – sagte Mia, »wir wollen uns hier unter den großen Maulbeerbaum setzen und unser Abendbrot verzehren. Findest Du nicht, daß das Haus gerade jetzt, da die Sonne auf die Fenster scheint, sehr hübsch aussieht? Die Beeren der Pyrakantha, welche die Thüre einfaßt, fangen an sich zu röthen, der Jasmin und die Monatsrosen blühen und da sitzt auch die alte Nanny in ihrer Abendmütze auf der Schwelle und strickt. – Ich denke, mir wird das Herrenhaus nicht mehr so gut gefallen, wenn vornehme Leute wieder darin wohnen, wenn betreßte Diener die Treppen hinauf und herunter laufen und Equipagen vor der Thüre stehen werden. – Dann werden auch die alten Bäume beschnitten und die Gänge in Ordnung gebracht werden und wir werden dann nicht mehr herkommen und unser Abendbrot hier essen dürfen.« –

»Nein, aber vielleicht werden wir um etwas Besseres willen herkommen dürfen, als um unter Bäumen zu sitzen und in leeren Zimmern zu spielen. – Mia, wird mein größter Wunsch in Erfüllung gehen?« –

»Ich will es hoffen, Bruder, weil Du denkst, daß Dich das so glücklich machen wird; ich kann es nicht begreifen, warum Du Dir so sehr Knaben zum Spielen wünschest. Jene Knaben, welche wir in York sahen, waren doch so unliebenswürdig und grob, als das nur möglich ist.« –

»Das denkst Du nur, weil Du ein Mädchen bist und Nichts davon verstehst. Es ist schon ganz gut, mit Dir zu spielen, Mia, aber Du weißt. Du bist nicht und kannst niemals sowie ein Knabe sein. – Du kannst nicht so schnell wie ich laufen. Du kannst auch nicht springen und ringen. – Mit einem Wort, Du bist kein Spielkamerad für mich.« –

»O, das weiß ich, Bruder,« – sagte Mia, »und wenn ich selbst einem Knaben ein wenig ähnlicher sein könnte, so würde das die Mutter nicht gerne sehen. Das ist ja gerade solch ein Räthsel für mich, ich kann nicht zugleich Dir gefallen und der Mutter.« –

»Nun laß das sein und sage mir lieber, was für Leute wünschest Du Dir in das Herrenhaus? – Möchtest Du Mädchen zum Spielen haben?« –

»Nein, denn ich spiele am liebsten mit Dir und ich weiß. Du würdest nicht an Mädchenspielen Theil nehmen. Ich möchte schon recht gern, daß einige Kinder herkämen, aber es ist weniger ihretwegen, als wegen der hübschen Bücher, die sie vielleicht hätten. Ich wollte, sie hätten so viele, nein noch einmal so viele, als unsere Cousinen in Elstren, und sie wären sehr gefällig und liehen sie uns alle.« –

»Ich glaube, wir werden das Alles bald erfahren, denn ich hörte Papa sagen, daß der Herr, der das Haus gekauft hat, gern sehr schnell herziehen möchte. Er wird in künftiger Woche mit einem Baumeister herkommen, und Maurer und Gärtner engagiren und wird ihnen Allen Arbeit geben, damit der Ort schnell bewohnbar wird. – Ich sah schon, als wir herkamen, einige Männer, welche Bäume in den Anpflanzungen beschnitten. Und neulich jätete Nanny's Enkelsohn im Garten und sagte mir, daß der Herr ihm eine gute Bezahlung versprochen habe, im Fall er recht fleißig wäre.« –

»Karl, ich bin froh, daß Du des Knaben erwähntest, ehe ich meinen Stachelbeerkuchen gegessen habe, denn, weißt Du, ich denke, ich werde ihn ihm bringen, – es ist ihm recht was Schlimmes begegnet. – Papa erzählte es der Mama: Er hat gestern Abend einen Kessel mit kochendem Wasser umgeworfen und hat sich Gesicht, Hände und Brust schrecklich verbrannt. – Kitty erzählte, daß er solche Schmerzen gehabt hat, daß er das Mittagbrot nicht essen konnte, welches sie ihm heute gebracht hat.« –

»Das sieht Dir ähnlich, Mia, daß Du ihm Deinen Kuchen geben willst, nun werde ich meinen mit Dir theilen sollen, und ich bin so hungrig, ich möchte viel lieber einen ganzen als einen halben Kuchen essen.« –

»Ich auch, aber noch lieber gebe ich meinen fort, und Du brauchst mir gar nicht die Hälfte von Deinem zu geben; ich will ihn nicht, und ich werde Dich deshalb nicht weniger lieb haben.« –

»Aber ich würde mich viel weniger lieb haben, wenn ich Dir Nichts gäbe. – Da, – ich habe ihn mit meinem neuen Messer in zwei Hälften geschnitten; – essen wir ihn geschwinde auf und bringen wir Deinen Kuchen dem Jungen; die Schatten werden ganz lang.« –

Die alte Nanny hatte ihren Sitz auf der Schwelle verlassen, als die Kinder ankamen, aber die Hausthüre stand offen und sie brauchten Niemand, der ihnen den Weg zeigte, sie kannten jeden Winkel und jede Ritze in dem Herrenhause so gut, als die netten Winkelchen in dem Wohnzimmer des Predigerhauses. – So fanden sie denn bald den Weg nach dem Hinterhause und in die Küche, wo sich Nanny's Habseligkeiten befanden und wo sie ihre Mahlzeiten kochte. – Sie war nicht da, aber auf einer Art Sopha, nahe dem Fenster, lag der kranke Knabe, den sie besuchen wollten. Er mußte wohl sehr verbrannt sein, denn Hände, Hals und der untere Theil des Gesichts waren ganz in Leinwand gewickelt; er war sehr blaß und weinte, konnte sich aber nicht einmal die herabrollenden Thränen abwischen. – Mia und Karl wurden bei diesem Anblick traurig, sahen einander an und wagten kaum von der Thüre fort zu gehen. –

Da sah sie endlich der Knabe, wandte den Kopf ein wenig zu ihnen und sagte: »Bitte, kommen Sie näher; Großmutter wird gleich wieder da sein; sie ging nur das Schwein zu füttern.« –

Mia faßte sich ein Herz, kam näher und gab ihm den Kuchen. Er sah erfreut aus, aber sagte: »Legen Sie ihn dort hin, ich kann ihn nicht allein essen, Großmutter wird mich füttern.« –

»Es muß sehr unangenehm sein, so ruhig da zu liegen,« – sagte Karl, »Nichts thun, nicht einmal aufstehen und spielen zu können. Ich wundere mich gar nicht, daß Du darüber weinst.« –

»Ich weine nicht darüber,« – antwortete der Knabe, »daß ich nicht aufstehen und spielen kann. Ich möchte mir Nichts daraus machen, wenn das Alles wäre,« fügte er leise hinzu.

»Weinst Du wegen der Schmerzen?« – fragte Mia sanft, – »sind denn die Schmerzen so groß?« –

»Mittelmäßig, Fräulein, aber das Weinen würde sie nicht besser machen. Ich bin immer viel krank gewesen und bin daran gewöhnt, deshalb würde ich nicht weinen.« –

»Das ist recht!« rief Karl. – »Aber sage uns, wenn Du darfst, was Dich so sehr betrübt. – Vielleicht könnten wir Dir helfen.« –

Der Knabe wollte reden, aber kaum hatte er einige Worte hervorgebracht, als seine Stimme durch Schluchzen erstickt wurde und die Thränen noch schneller sein Gesicht hinabrollten. –

»Was sollen wir thun?« – rief Mia. – »Ich verstehe gar nicht, was er sagt. – Es ist Etwas über Unkraut und eine halbe Krone und seinen Vater. – O! da kommt die alte Nanny, das ist gut. Sie wird es uns sagen.« –

Nanny war sehr erfreut die Kinder da zu sehen, und ehe sie noch eine Frage an sie richtete, fing sie an von ihres Enkels Unfall zu sprechen: »Es ist ein großes Unglück für ihn,« – setzte sie hinzu, als sie damit fertig war, – »er war gerade auf dem Wege etwas kräftiger zu werden. – Als er von London, wo sein Vater, mein jüngster Sohn, wohnt, hieher kam, war er recht krank. – Er war in einem Hospital gewesen, und die Aerzte hatten gesagt, daß er sterben würde, wenn er nicht auf's Land geschickt werden könnte. Es war alles Mögliche, daß sein Vater für ihn die Reise hierher bezahlte, denn er ist sehr arm. – Mein Sohn war Gärtner und arbeitete früher hier, aber als das Herrenhaus verödet stand, war er genöthigt nach London zu gehen und dort Arbeit zu suchen; er kam immer mehr und mehr herunter. Erst als Tom herkam, erfuhr ich, wie arm er jetzt ist. – Tom half seinem Vater in den Straßen Obst und Allerlei verkaufen, ehe er den bösen Husten bekam: – Sie würden sich gewundert haben, Fräulein, wenn Sie gesehen hätten, wie fremd dem Jungen Alles aus dem Lande war und wie er sich über jede Kleinigkeit freute. – Jetzt hat er auch nur einen Wunsch und das ist der, daß seine Eltern und Geschwister hierher kommen, seitdem er ein Bischen besser wurde, hat er an nichts Andres gedacht und kaum hörte er, daß der reiche Herr hierher ziehen wird und daß in nächster Woche Leute für den Garten gemiethet werden sollten, als er um jeden Preis den Vater herschaffen wollte. – Die große Frage war die, woher das Geld zur Reise nehmen? – Tom faßte Muth und als der Herr zum ersten Male hierher kam, bat er ihn, ihm Arbeit zu geben. – Der Herr meinte zwar, der arme Junge sähe nicht aus, als könne er viel thun, er erlaubte ihm aber im Garten zu jäten und versprach ihm Geld zu geben, wenn er fleißig wäre. Vorigen Sonnabend kam der Herr wieder und gab ihm zwei Schillinge für seine Arbeit und sagte, daß, wenn Tom bis zum nächsten Sonnabend alle Beete und Kieswege bis zur Parkthüre gejätet hätte, so würde er ihm eine halbe Krone geben. Das würde mit dem, was ich erspart habe, genug gewesen sein. – Aber jetzt ist keine Hoffnung mehr, daß die Arbeit zur rechten Zeit fertig wird, denn seine armen Hände werden in keinem Monat geheilt sein. – Das macht ihn so unglücklich, denn wenn sein Vater nicht in nächster Woche kommt, so ist alle Hoffnung für eine Anstellung verloren. Die Arbeiter werden dann gemiethet, und es warten schon eine Menge darauf.« –

»Eine halbe Krone! – Ihr braucht nur eine halbe Krone?« – fragte Mia in betrübtem Tone. – »So viel gab ich gerade in York für die Puppenwiege. Wie wünsche ich jetzt, daß ich das Geld nicht ausgegeben hätte, ich würde es Euch geben. – Nun habe ich keinen Pfennig mehr und ich fürchte, Karl, Du hast auch Alles ausgegeben! – Wie schade, wie schade!« –

»Ja, ich habe Alles ausgegeben, – aber höre, Mia, – ich habe Dir Etwas zu sagen. – Nanny, sagtest Du, bis zur Parkthüre? – Die Beete und die Gänge bis zur Parkthüre? – Bis zum Sonnabend? – Heute haben wir Montag.« –

»Ja, Montag, wie Sie sagen, junger Herr. – Aber was hilft's! Der arme Bursche wird vor einem Monate keinen Finger rühren können, und dann ist es zu spät.« –

Ein unterdrückter Seufzer von dem Lager her drang zu Mia's Ohren, und sie legte ihre Hand auf Karl's Mund, der eben sprechen wollte. –

»Wir wollen lieber fortgehen, Karl, es ist so traurig davon zu sprechen, weil wir doch nicht helfen können.«' –

Karl war ganz bereit fortzugehen, ja er war plötzlich so eilig, daß er der Schwester kaum Zeit ließ, Nanny gute Nacht zu wünschen. – Er zog sie mit athemloser Hast die Treppe hinauf und sobald sie im Zimmer waren, warf er die Thüre polternd zu und rief: »Höre, Mia, ich habe einen herrlichen Plan! – Du sagtest, die Arbeit wird sich finden, und das ist geschehen, – die Arbeit für unsere Ferien hat sich gefunden! – Warum könnten wir nicht den Garten bis an die Parkthüre jäten? Warum könnten wir nicht die halbe Krone verdienen und sie dem Knaben geben, damit er seinen Vater kommen lassen kann?« –

»O, Bruder, denkst Du, wir könnten das thun?« –

»Ob ich es denke? – Ich bin dessen gewiß! – Jäten wir nicht oft unsern Garten, und ist das Unkraut hier schwerer herauszuziehen als dort?« –

»Nein, nur ist hier viel mehr Unkraut. Es ist auch sehr weit bis zur Parkthüre, wir müßten alle Tage sehr angestrengt arbeiten, um es bis Sonnabend fertig zu bekommen. Glaubst Du nicht, wir werden müde werden, und es sein lassen, ehe wir halb fertig sind?« –

»Nein gewiß, das werden wir nicht; es ist ja lange nicht so schwer, als Stunden haben. – Ich habe so oft die Jungen beneidet, welche draußen arbeiten und gedacht, wie viel hübscher es sein muß, draußen zu arbeiten als in der Stube über Bücher gebückt zu sitzen. – Und dann, denke nur, wie nett es sein wird, wenn wir dem Jungen die halbe Krone geben können, die wir selbst verdient haben! – Wie froh er sein wird! – Hörtest Du ihn seufzen? – Mia, – wir müssen es thun! – Wir wollen es thun!« –

»So denke ich auch, und sollte es nachher weniger angenehm und leicht sein, als wir hoffen, so – versprechen wir es uns – wollen wir fest bleiben, damit Tom nicht unglücklich ist.« –

»Mia, Du sprichst von uns Beiden, aber ich weiß. Du meinst mich. – Du denkst, ich kann niemals thun, was mir unangenehm ist, Du denkst, ich kann nicht beharrlich sein; – aber Du sollst sehen! – Nein, warte, – ich will nicht prahlen, – ich will nur sagen, daß ich hoffe, daß ich aushalten werde, selbst wenn es mir unangenehm werden sollte, weil ich einsehe, daß es recht ist.« –

»Nun, Karl, denke ich schon, daß Du fest bleiben wirst.« –

»Laß uns gleich gehen, Mia, und uns die Beete ansehen und uns für jeden Tag unsere Arbeit eintheilen.« –

Als Karl mit nüchternen Augen die Ausdehnung der verwilderten Beete und Gänge sah, die zwischen dem Herrenhause und dem Thore lagen und als er für jeden Tag die Arbeit eingetheilt hatte, mußte er Mia zugeben, daß es eine weite Strecke war und daß sie angestrengt zu arbeiten hatten, aber da er kein träger Junge war, so entmuthigte ihn das nicht, es stimmte ihn nur ernster für sein Unternehmen.

»Wir werden hart arbeiten müssen, Mia, das ist klar, aber es ist mir im Ganzen lieb, daß es nicht so leicht ist; das wäre gar nicht halb so lustig. Ich werde von Georg die Hacke borgen und Du sollst immer da jäten, wo die wenigsten Disteln sind, damit Du Dir die Hände nicht zerreißt.« –

»Danke dafür, daß Du an meine Hände denkst. Hier hast Du das letzte Stäbchen; wie froh werden wir Sonnabend Morgen sein, wenn wir an diesem Stocke anfangen werden, und noch froher, wenn wir das letzte dicke Unkraut, welches sich quer über das Thor ausstreckt, ausziehen werden.« –

Karl war noch zu voll von seinem Arbeitspläne, als daß er zugeben konnte, er würde froh sein, wenn die Arbeit vollendet wäre; aber er war vernünftig genug, Mia zu folgen, welche vorschlug, sich nicht mehr mit Spielen zu ermüden, sondern nach Hause zu gehen, um morgen früh aufstehen zu können. –

Des ersten Tages Arbeit war leicht gethan. Sie waren schon vor dem Frühstücke sehr fleißig und obgleich Mia der Rücken weh that und ihre Hände fast wund waren, ehe es Mittag war, so sagte sie Nichts davon. Ein- oder zweimal war sie nahe daran, sich zu beklagen, denn sie mochte Insekten und Würmer nicht leiden, und wenn sie Unkraut herauszog, schien es allemal, als riefe sie ganze Colonien derselben hervor. – Schwärme von kleinen, schwarzen Ameisen stachen ihre Hände und Füße, und Tausendfüßler krochen in ihren Schuhen umher, aber gerade als sie die Hacke wegwerfen und Karl sagen wollte, sie könne unmöglich weiter arbeiten, dachte sie an den armen Tom und besiegte ihre thörichte Furcht. –

Niemals gab es fröhlichere Kinder als Mia und Karl, als sie sich um ein Uhr zum Mittag niedersetzten. Kitty hatte ihnen erlaubt, es draußen zu essen, und Georg war so gefällig, es ihnen in einem Korbe nach dem Herrenhause zu bringen. Sie setzten sich unter den Maulbeerbaum, um es zu verzehren; ach! und es war sehr wonnig, ihre Füße, ihren Rücken und ihre wunden Hände ausruhen zu können.

»Ich fange an zu denken, Mia,« – sagte Karl, – »daß es ein Unterschied zwischen Arbeit als Arbeit, und Arbeit als Spiel ist. – Ich glaube, ich werde nicht mehr die Knaben, die am Pfluge gehen, während ich meine Lektion lerne, beneiden. Jetzt würde ich es für eine Art des Ausruhens betrachten, wenn ich, statt wieder zu jäten, eine Seite in der Lateinischen Grammatik lernen müßte.« –

Mia war darauf vorbereitet. »Du weißt,« sagte sie, »Du wolltest täglich einen Abschnitt lernen, willst Du es jetzt thun? – Auf dem Boden des Korbes liegt meine Tafel und Deine Grammatik. – Wir können hier sehr gut lernen, denn hier ist es ebenso ruhig als in unsern Lernwinkeln.« –

Karl war ganz dankbar für – einen so vernünftigen Grund zum Stillesitzen, und als Mia ihr Exempel beendigt, und er sich zwei Lateinische Regeln zu eigen gemacht hatte, war er ausgeruht und ging wieder gern zum Jäten zurück. – Um halb sieben Uhr hatten sie ihr vorgeschriebenes Tagwerk vollendet und waren nicht zu müde, um nach Hause zu laufen, sie wollten nicht zu spät zum Thee kommen. Nach dem Thee lasen sie ihre neuen Bücher, und als sie sich gute Nacht sagten, gestanden sie sich, daß sie einen frohen Tag verlebt hatten.

Der folgende Tag und wieder der folgende vergingen fast in derselben Weise, nur waren sie am dritten Tage etwas später mit ihrer Arbeit fertig und liefen nicht, sondern gingen nach Hause. Mia beklagte sich ein wenig über ihr Kniee, der Kies verletzte sie, und Karl zeigte ihr einen tiefen Schnitt in seiner Hand, den er sich gemacht, als er ein widerspenstiges Kraut, welches sich nicht herausziehen ließ, mit seinem neuen Messer abgeschnitten hatte.


 << zurück weiter >>