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Das Ergebnis der Neuwahlen war: Präsident Krüger 7854, General Joubert 7009, Richter Kotzé 81 Stimmen. Die Partei Jouberts war mit dem Ergebnis der Wahl unzufrieden und legte gegen Krügers Wahl Protest ein. Als der Volksrat am 1. Mai wieder zusammentrat, mußte infolgedessen eine Wahlprüfungskommission eingesetzt werden, die aus drei Krüger- und drei Joubert-Männern bestand. Inzwischen sollte Krüger, dessen Amtszeit eigentlich am 5. Mai ablief, bis zu einer Beschlußfassung über den Wahlprotest im Amte bleiben. Die Mehrheit der Kommission war der Ansicht, daß die Wahl Krügers in unanfechtbarer Weise erfolgt sei, jedoch reichte auch die Minderheit der Kommission einen Bericht ein, in dem sie eine Neuwahl empfahl. Der Volksrat dagegen stimmte mit 18 gegen 3 Stimmen dem Antrag der Mehrheit zu, und so wurde Krüger am 12. Mai 1893 zum dritten Male als Staatspräsident vereidigt. Bei der Amtsübernahme hielt Krüger wiederum, und zwar diesmal vom Balkon des neuen Regierungsgebäudes aus, eine Ansprache an
das versammelte Volk, das auf dem Kirchplatz vor dem Gebäude in großer Menge versammelt war. Er mahnte die Bürger zur Einmütigkeit, hieß auch die Frauen im Lande willkommen und ermahnte dann noch besonders die Kinder, bei denen die Zukunft liege, ihrer Muttersprache
Diese Ermahnung hatte ihren besonderen Grund in der im vorhergehenden Jahre durchgeführten Schulreform, die sich auf dem Prinzip der holländischen Unterrichtssprache aufbaute. Hier betonte der Präsident nachdrücklich, daß man die
Sprache der Väter nicht vergessen dürfe, um nicht die
Geschichte der Väter und den Glauben der Väter zu vergessen. Die nationale Sprache müsse der Träger des nationalen Gedankens sein und darum müsse der Jugendunterricht in der Sprache der Väter durchgeführt werden, damit die Kinder einerseits in geschichtlichem Zusammenhange blieben mit ihrem Volke und andererseits die Bibel der Väter im Mittelpunkte ihres Lebens stehe. »Christlich und national« war darum seine Losung für den Unterricht. Auf einen solchen Unterricht, sagte Krüger, hätten die Kinder ein Recht und darum werde er alles thun, um für richtigen Unterricht zu sorgen. Er hat das 5 Jahre später in seiner Präsidentschaftsrede noch näher ausgeführt. (S. S. 266 und 267).
Gerade die beiden in diesen Reden berührten Gesichtspunkte hatte Präsident Bürgers in dem von ihm im Jahre 1874 entworfenen und durch seine Beredsamkeit auch im Volksrate zur Annahme gebrachten Schulgesetze außer acht gelassen. Er war darum »in Streit mit dem religiösen Bewußtsein der Nation« gekommen. Er hatte die religiöse Grundlage der Schule beseitigt. Darum blieb auch sein Gesetz, wo er nicht persönlich mit der Macht seiner Rede dafür eintreten konnte, ein toter Buchstabe. Und nach dem Freiheitskriege war es eine der ersten Sorgen der Regentschaft, deren Haupt Krüger als Vizepräsident war, ein den wesentlichen Bedürfnissen und Wünschen der Nation entsprechendes Schulgesetz zu bekommen. Den Mann, der die nötige wissenschaftliche Bildung besaß und die Ueberzeugung der Buren teilte, glaubte Krüger in Pfarrer du Toit gefunden zu haben und ernannte ihn zum Superintendenten des Unterrichtes. Das von ihm entworfene Schulgesetz wurde im Jahre 1882 vom Volksrate angenommen, aber so gut seine Grundlage war, so mangelhaft war die Ausführung. Du Toit war mehr Politiker als Schulmann, und im Jahre 1889 legte er das Amt nieder. Die Entwickelung der Goldfelder und der Strom der Einwanderer nahm damals die Kraft und die Aufmerksamkeit der Regierung so in Anspruch, daß sie ihre Fürsorge der Schule nicht widmen konnte, wie sie wollte. Und so blieb eine Zeitlang der Posten eines Unterrichtsdirektors unbesetzt. Als dann eine neue Kraft für diese Stelle gesucht wurde, wollte man wegen der Verteiltheit des Volkes in kirchliche Parteien keinen Pfarrer mehr wählen. Und so wandte man sich an Dr. Mansvelt, der Professor der modernen Sprachen in Stellenbosch war. Dieser lehnte zunächst ab, nahm aber auf wiederholte Aufforderung und nach persönlicher Unterredung mit dem Präsidenten Ende 1891 doch an. Nachdem er sich durch längere Inspektionsreisen von dem Zustande der Schulen im Lande überzeugt hatte, entwarf er zusammen mit einer vom Volksrate gewählten Schuldeputation ein neues Gesetz, über das eine Volksabstimmung gehalten wurde, wonach es der Volksrat einstimmig annahm.
In der Hauptsache waren die Grundzüge des Gesetzes von 1882 gewahrt geblieben, aber im einzelnen enthielt das neue Gesetz viele Verbesserungen und Fortschritte. Präsident Krüger hatte an allen Beratungen persönlichen Anteil genommen; die Sitzungen wurden sogar meistens in seinem Hause gehalten. Er hatte ursprünglich insonderheit gegen drei Punkte Bedenken gehabt, von der Erhöhung der Staatszulagen befürchtete er ein Erschlaffen der privaten Initiative und ein die Gewissenhaftigkeit abschwächendes Uebertragen der Pflichten, die christlichen Eltern obliegen, an den Staat. Er hatte in seiner eigenen Kirche gesehen, wie die schweren Lasten, die ihr gegenüber der Staatskirche oblagen, die Opferwilligkeit gestärkt hatten. Aber er mußte schließlich zugeben, daß die Einsicht von der Notwendigkeit des möglichst besten Unterrichtes an die Kinder eines Volkes, das sich gegenüber einer rasch einströmenden europäischen Bevölkerung auf dem Erbe seiner Väter behaupten mußte, noch nicht allgemein genug sei, um nach seiner idealen Auffassung handeln zu können. Außerdem aber auch brauchte man Musterschulen und höhere Schulen zur Heranbildung von Beamten aus den Landeskindern, und dies erforderte finanzielle Opfer, die nicht von privaten getragen werden konnten. So hat sich denn hier, wie auch später, der Präsident den Verhältnissen gefügt, obwohl er niemals seinen Grundsatz aufgegeben hat.
Bedenken hatte er auch gegen die allgemeine Forderung eines bestimmten Befähigungsnachweises unter den Lehrern, weil er glaubte, es sei undankbar gegen die alten Lehrer, die dem Staat und Volk ihre Dienste in schweren Zeiten fast umsonst erwiesen hatten und nun auf die Seite geworfen werden müßten. Hier wurde denn ein Kompromiß geschlossen, daß diese Klasse von Lehrern noch in den »Außen«- oder »Burenschulen« fortwirken könnten, wenn sie wenigstens bescheidenen Ansprüchen genügten. Der dritte Punkt, gegen den Präsident Krüger zunächst Einwände erhob, war die Unterstützung von höheren Mädchenschulen. Er fürchtete davon eine Umwälzung und Auflösung des Volkslebens, nach dessen ganzer Auffassung die Frau ins Haus gehöre. Aber im Vertrauen auf seine Berater gab er doch nach und später war er es sogar, der gegenüber den sogenannten Fortschrittlern die Aufnahme von talentvollen Mädchen in das Staatsgymnasium empfahl. Er selbst hat auch im Jahre 1894 die Staatsmädchenschule in Pretoria in eigener Person mit Gebet und Ansprache eröffnet, und mit ihm war zugleich das Volk für diese Reformen gewonnen.
Entschlossen, den Unterricht möglichst allgemein zu machen, war er sofort bereit, dem Antrag zuzustimmen, daß in den Gegenden mit gemischtsprachiger Bevölkerung unter gewissen Bedingungen auch diejenigen Schulen Staatszuschuß erhalten sollten, in denen nicht das Holländische Unterrichtssprache sei. Ein eigenes Gesetz wurde zu diesem Zwecke am 1. Juni 1892 erlassen, und unter seinem Schutze entwickelten sich einzelne englische Schulen und die blühende deutsche Schule in Johannesburg. Und als der Präsident sah, daß die englische Bevölkerung von der gewährten Begünstigung zu wenig Gebrauch machte und die politischen Gegner eine Schulkommission und einen Schulfond von Mk. 2 000 000 errichteten zur Unterhaltung von Schulen, die im antinationalen Geiste geleitet wurden, gab er im Jahre 1896 trotz seiner prinzipiellen Abneigung gegen Staatsschulen seine Zustimmung zur Errichtung von Ausländerschulen auf Staatskosten, in welcher sämtliche Bewohner der Goldfelder gegen ein sehr geringes Schulgeld oder auch umsonst ihre Kinder schicken konnten. Diese Schulen hatten nur die Pflicht, auch für die Erlernung der Landessprache Gelegenheit zu geben, und nach Verlauf von zwei Jahren bestanden bereits 52 solcher Schulen mit 49 Lehrern und 1499 Kindern, von denen jedes den Staat im Jahre Mk. 240 kostete. Auf diese Weise genossen die Engländer einen Vorzug vor der ganzen Bevölkerung. Daß sich im übrigen der Präsident von dem Grundsatz, die holländische Sprache als einheitliche Unterrichtssprache durchzuführen, nicht abbringen ließ, beweist nur, daß er früher als andere erkannte, wie notwendig die Erhaltung der Volkssprache für die selbständige Entwicklung und Konsolidierung einer Nation, zumal einer Nation wie der der Buren ist, welche sich inmitten einer übergewaltigen fremden Bevölkerung behaupten muß.
Das Volksschulwesen machte in der Zeit von 8 Jahren solche Fortschritte, daß es auf der Weltausstellung in Paris von der dazu eingesetzten internationalen Kommission 2 große Preise bekam – eine Auszeichnung, die um so verdienter war, wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten: zerstreute Bevölkerung, Kaffernkriege, Arbeitermangel, lang dauernde Trockenheit, Rinderpest u. s. w. die Schulen zu kämpfen hatten. D. H.treu zu bleiben. Die Einigkeit der Bürger war in diesem Jahre besonders nötig, denn das Land wurde schwer heimgesucht durch gewaltige Ueberschwemmungen. Die Flüsse stiegen so hoch, wie es seit Menschengedenken nicht vorgekommen war und richteten einen kolossalen Schaden an.
Ein Jahr vor den Neuwahlen, die Krüger zum dritten Male an die Spitze des Staatswesens stellte, hatte sich in Johannesburg eine Vereinigung gebildet, die in beklagenswerter Weise in die ferneren Geschicke Transvaals eingriff. Es war die sogenannte »Transvaal National Union«, die sich zur Aufgabe machte, die Bevölkerung von Johannesburg stetig in Gährung zu erhalten, Beschwerden gegen die Regierung zusammenzuklauben und für die Erreichung ihrer Ziele auf jede denkbare Weise zu agitieren. Scheinbar ereiferten sich die Herren für das Stimmrecht; daß ihre wirklichen Pläne auf anderem Gebiete lagen, wird sich später zeigen. Daß auch hier Rhodes seine Hand im Spiele hatte, haben die späteren Ereignisse bewiesen.
Die erste Gelegenheit, die sich bot, enthüllte den aufrührerischen Geist dieser »Nationalen Union« deutlich und klar. Und das war bei Gelegenheit des Krieges gegen die Kaffern in den Blauwbergen. Die Republik hatte in jenen Tagen beständig Schwierigkeiten mit den Kaffernstämmen im Norden. Heute war es dieser, morgen jener, der sich herausfordernd gegen die Regierung benahm. Endlich trieb es einer von ihren Häuptlingen, Namens Malapoch, der in den Blauwbergen wohnte, so arg, daß die Regierung sich gezwungen sah, ein Kommando gegen ihn aufzubieten. Er war so weit gegangen in seiner Frechheit, daß er seine Untergebenen, die auf dem platten Lande rings um die Blauwberge wohnten, ermorden ließ, wenn sie die ihnen nach dem Gesetze obliegenden Steuern an die Regierung der Republik abführten.
General Joubert ließ nun zu einer Expedition gegen Malapoch aufrufen, unter anderen auch die jungen Männer der Stadt Pretoria. Unter diesen jungen Leuten befanden sich natürlich Unterthanen fremder Mächte, aber alle kamen mit der größten Bereitwilligkeit dem Rufe des Feldkornetts nach, mit Ausnahme der Engländer.
Diese hielten sich als » British Subjects« (Britische Unterthanen) für viel zu vornehm, um für die verachteten Buren zu kämpfen. Englische Geistliche mischten sich auch in die Sache, hielten Ansprachen und reizten die Gemüter auf. Der Feldkornett war endlich gezwungen, gemäß des Kriegsgesetzes fünf der Widerspenstigen zu arretieren. Diese reichten sofort eine Beschwerde beim Höchsten Gerichtshof ein und verlangten, daß der Feldkornett angewiesen werde, sie in Ruhe zu lassen. Der Gerichtshof entschied aber, daß sie (nach dem Gesetze) gezwungen seien, Kriegsdienst zu thun, worauf die Herrchen unter einer Bürgereskorte nach dem Kommando gesandt wurden. Inzwischen war die sogenannte National-Union nicht unthätig geblieben und hatte allerlei herausfordernde Beschlüsse gegen die Regierung gefaßt. Man würde die Brutalität dieser Leute nicht begreifen, wenn sich nicht später gezeigt hätte, wer ihre Hintermänner waren. Die englische Regierung nahm sich auch offiziell um die Sache an und beauftragte Sir Henry Loch, sich nach Pretoria zu begeben, um diese Frage mit der Regierung der Republik zu besprechen. Unterdessen hatte aber der Volksrat einen Beschluß gefaßt, wonach Personen, die noch nicht Bürger sein konnten, gegen Bezahlung einer gewissen gesetzlichen Geldsumme vom Kriegsdienst befreit bleiben sollten.
Verhöhnung des Präsidenten.
Kurz darnach kam Sir Henry Loch nach Pretoria. Bei seiner Ankunft veranstalteten die Engländer einen Auflauf, und sobald der Präsident mit dem Gouverneur im Wagen Platz genommen hatte, spannten die Jingos die Pferde aus und zogen den Wagen unter dem Absingen von ordinären englischen Spottliedern nach dem Transvaal-Hotel. Einer der Leithämmel sprang mit einer großen englischen Flagge auf den Bock, vor dem Transvaal-Hotel angekommen, ließen sie den Wagen stehen und verlasen eine Adresse an Sir Henry Loch. Eine Anzahl transvaalischer Bürger, die inzwischen bemerkt hatten, was im Werke war, faßten nun den Wagen, in den der Präsident, der während der Verlesung ausgestiegen war, sich wieder setzte, und zogen ihn nach dem Regierungspalast. Daß dieser Vorgang einen sehr schlechten Eindruck auf die Bürger machte, und dem Haß gegen die Ausländer, insonderheit gegen die Engländer, neue Nahrung gab, braucht nicht gesagt zu werden. Der Volksrat, der damals gerade Sitzung hatte, nahm eine Interpellation an, worin die Regierung um Aufschluß ersucht wurde, warum keine Maßregeln getroffen gewesen wären, um einen für das Volk der Republik so beleidigenden Auftritt zu verhindern. Bald darnach war eine Masse von Bürgern in der Stadt, die gekommen waren, um einer Wiederholung der Beschimpfung vorzubeugen.
Inzwischen arbeitete die sogenannte »National Union« weiter. Sie lud Sir Henry Loch zu einem Besuch nach Johannesburg ein, da sie wohl wußte, daß in Johannesburg mehr Aussicht als in Pretoria bestand, einen Aufruhr ins Werk zu setzen, bei dem man auf eine Intervention von England rechnen konnte. Präsident Krüger, der einsah, daß ein Besuch des hohen Kommissars in Johannesburg nur zu Verwicklungen führen könne, riet ihm aufs dringendste von diesem Besuch ab und ging so weit, Sir Henry Loch privatim zu erklären, daß auf ihm die Verantwortlichkeit ruhen werde, wenn durch seinen Besuch in Johannesburg irgend welche Verwicklungen entstünden. Dieser sah infolgedessen von dem vorgenommenen Besuch in Johannesburg ab, und auch im übrigen war sein Verhalten in der Oeffentlichkeit durchaus korrekt. Aber was that er im Geheimen? Als die National-Union sah, daß der vorgenommene Besuch in Johannesburg nicht zur Ausführung kam, sandte sie einige ihrer Mitglieder, darunter Cudhope und Leonard, mit einer Adresse an Sir Henry Loch nach Pretoria. Daß der Inhalt dieser Adresse brutal und beleidigend war, sowohl für die Regierung als für den Volksrat, darüber wird sich niemand verwundern, wenn er die Quelle kennt, aus der sie stammte. Oeffentlich riet Sir Henry Loch der Deputation an, ihre Beschwerden in Ruhe vor den Volksrat zu bringen, im Geheimen aber fragte er sie, wie viel Gewehre und Patronen man in Johannesburg habe, und wie lange man der Regierung Widerstand leisten könne, bis er imstande sei, mit englischen Truppen von außen her zu Hilfe zu kommen.
Wie echt englisch ist diese Handlungsweise eines hohen englischen Beamten! Man kann sagen, daß Sir Henry's Verhalten charakteristisch ist für die ganze englische Politik in Südafrika. Lügen, Betrug, Intriguen und geheime Aufreizungen gegen die Regierung der Republik: das waren allzeit die Kennzeichen der englischen Politik, die schließlich in dem gegenwärtigen grausamen Kriege geendigt hat. Daß die Johannesburger damals die Ermunterung zu einem Aufstand, die in der Frage Sir Henry Loch's lag, nicht benutzten, ist bloß der Thatsache zu danken, daß es an Gewehren und Munition fehlte. Aber es ist leicht zu begreifen, von welchem Einfluß dieser Rat auf die Ereignisse sein mußte, die kurz darnach eintraten.
Um das Wesen und die Wirksamkeit der »National Union« zusammenhängend darstellen zu können, mußten wir der Zeit vorauseilen. Unterdessen hatten sich in der äußeren Politik Ereignisse abgespielt, die von größter Wichtigkeit waren. Es war nämlich im Jahre 1893 die zweite Swasielandkonvention geschlossen worden. Es hatte in dieser Angelegenheit zunächst eine Konferenz in Colesberg zwischen dem Hohen Kommissar und dem Präsidenten stattgefunden, die ohne Resultat war, an die sich aber eine zweite Konferenz in Pretoria anschloß. Hierhin kam Sir Henry Loch mit seiner Gemahlin, zwei Töchtern und einem zahlreichen Stab und wurde in glänzender Weise empfangen. Bei den Festen, die zur Ehre von Sir Henry gegeben wurden, hätte ein Uneingeweihter denken können, es fände der feierliche Empfang eines treuen Freundes und Bundesgenossen der Republik statt. Die Uebereinkunft, die schließlich zu stande kam, war nicht von der Art, daß man sie mit Freude hätte begrüßen können, aber es war nicht mehr zu erreichen. Die Hauptpunkte waren: Die Republik erhält das Recht, mit der Swasiekönigin einen Vertrag zu schließen, durch welchen die Schutzherrschaft und das Verwaltungsrecht auf die Republik übergeht, während die inneren Angelegenheiten der Swasiekönigin und ihrem Rat überlassen bleiben, sodaß Swasieland nicht als Teil der Republik betrachtet werden kann. Alle männlichen weißen Bewohner des Landes sollen volle Bürgerrechte der transvaalischen Republik bekommen, wenn sie innerhalb 6 Monaten darum nachsuchen. Der holländischen und englischen Sprache sollen gleiche Rechte vor den Gerichtshöfen eingeräumt werden. Die Südafrikanische Republik bestätigt die in der ersten Swasielandkonvention bereits abgegebene Verzichtleistung auf ihre Ansprüche auf einige Landstrecken im Norden und Nordwesten des Landes.
Diese Uebereinkunft konnte aber bloß Gültigkeit erlangen, wenn die Swasiekönigin mit ihrem Rat ihre Zustimmung dazu gab. Es erhob sich nun unter den Swasies starker Widerspruch gegen die Uebernahme ihres Landes, wie sie gemäß dieser Konvention hätte stattfinden sollen. Der Widerspruch wurde hervorgerufen und gestärkt durch allerlei englische Jingos und Abenteurer, darunter vor allem von einem gewissen Hulett aus Natal. Dieser brachte es bald so weit, daß die Swasies eine Deputation nach England sandten, um gegen die Uebernahme ihres Landes von Seiten der Republik zu protestieren. Die Deputation erreichte jedoch nichts. Da aber im Swasielande nun Streitigkeiten und Fehden entstanden, in die energisch einzugreifen die Südafrikanische Republik nach den geltenden Bestimmungen keine Möglichkeit hatte, und so ein unhaltbarer Zustand hervorgerufen wurde, so kam es bald darauf zu einer neuen Zusammenkunft zwischen Sir Henry Loch und dem Präsidenten in Volksrust (1894), wo eine neue (dritte) Konvention abgeschlossen wurde, durch welche die Republik das Recht erhielt, Swasieland in Besitz zu nehmen, ohne es jedoch zu einem integrierenden Teile ihres Landes machen zu dürfen. Abgesehen von dieser Beschränkung war nun Swasieland so gut wie ein Teil der Republik. Im Jahre 1895 wurde diese Konvention vom Volksrat in einer außergewöhnlichen Sitzung genehmigt, und damit war auch diese lästige Sache erledigt.
Kaum glaubte man ausruhen zu können von den Streitigkeiten um die Gebiete der Eingeborenen, da annektierte plötzlich England Samboan- und Umbigesa-Land. Mit beiden Ländern hatte die Republik schon lange Freundschaftsverträge, und auch bei den Unterhandlungen über Swasieland war man sich stets einig, daß die Republik später, sobald die Swasielandfrage geregelt sei, ihre Ansprüche auf beide Länder geltend machen und über ihre Annexion mit England verhandeln werde. Als jedoch die Swasielandkonvention im Jahre 1895 vom Volksrat genehmigt war, annektierte England plötzlich das fragliche Gebiet, obwohl es darauf so wenig Anspruch hatte als auf den Mond. Der Grund für dieses Vorgehen kann nur der gewesen sein, die Republik zu reizen und zu kränken, denn man schnitt hiermit Transvaal den letzten Weg zur See ab – einen Weg, dessen England nicht bedurfte. Daß die Regierung der Republik gegen die Annexion protestierte, spricht von selbst, aber England kehrte sich nicht daran.
Im Jahre 1895 ging endlich ein Lieblingswunsch des Präsidenten in Erfüllung. Die Eisenbahn nach der Delagoabai wurde in Pretoria festlich eröffnet. Nach vielen Schwierigkeiten war der Bau, dank dem Eifer der Niederländisch-Südafrikanischen Eisenbahngesellschaft, endlich vollendet. Zu ihrer Einweihung hatten alle in Südafrika vergegenwärtigten Regierungen ihre Vertreter geschickt, und der Volksrat stellte 20 000 Pfd. Sterling zur Verfügung, damit die Bürger, die von dieser Vergünstigung Gebrauch machen wollten, umsonst nach der Delagoabai reisen und das ganze Werk in Augenschein nehmen konnten. Tausende lernten dadurch das Unternehmen kennen und würdigen. Diese Eisenbahn brachte eine Veränderung in die ganzen inneren Verhältnisse Transvaals. Bis dahin hatte die Kapbahn sozusagen ein Monopol besessen für den Verkehr nach Johannesburg. Das konnte nun nicht mehr so bleiben. Um eine friedliche Konkurrenz zu ermöglichen und sich einen entsprechenden Anteil an den Erträgnissen des Verkehrs nach ihrer größten Stadt zu sichern, schlug die Regierung der Republik vor, daß die Erträgnisse des gesamten Fracht- und Personen-Verkehrs nach Johannesburg zu gleichen Teilen zwischen den Staaten verteilt werden, deren Bahnlinien nach Johannesburg führten. Das waren denn die Kapkolonie, Natal und Transvaal. Cecil Rhodes (damals zum zweiten Male Premierminister der Kapkolonie) mit seinen Beratern dachte sich aber die Sache anders. Es wurden für die Kapkolonie 50 % verlangt, während sich in die anderen 50 % Natal und Transvaal teilen sollten. Davon wollte nun wieder die Regierung der Republik nichts wissen, und so entstand ein Tarifkrieg.
Tarifkrieg mit der Kapkolonie.
Die Kapregierung setzte den Tarif bis nach Vereeniging (Grenzstation zwischen Freistaat und Transvaal; die Eisenbahnen des Freistaates unterstanden damals noch der Kapregierung) herab. Die Südafrikanische Eisenbahngesellschaft dagegen erhöhte ihren Tarif auf der ihr gehörigen Strecke der Kapbahn von Vereeniging bis Johannesburg, um so die Preisherabsetzung auf dem anderen Teile dieser Strecke wieder auszugleichen. Die Kapregierung ersann nun einen neuen Plan. Um ihre Güter nicht über die verteuerte Strecke führen zu müssen, ließ sie sie an der Viljoensfurt abladen und von da auf Ochsenwagen nach dem nahen Johannesburg verbringen. Nun befand sich aber in dem Zollgesetz der Republik ein Passus, wonach der Präsident bestimmte Stellen an den Grenzen zu »Einfuhrhäfen« erklären konnte; an anderen als den von ihm bezeichneten Orten war die Einfuhr verboten. Als nun die Kapregierung die Güter auf Ochsenwagen transportieren ließ, beschloß die Regierung der Republik (sie hatte die gleichen Interessen, wie die N. Z. A. S. M., weil sie für die Rentabilität der Bahn garantieren mußte), die bestehenden »Einfuhrhäfen« (eigentlich »Furten« oder »Driften«) für überseeische Güter zu schließen. Nur gegen überseeische Güter wandte sich die Regierungsproklamation, um so den Binnenhandel des Oranjefreistaates und der Kapkolonie nicht zu benachteiligen.
Ein Verrat am Volkstum der Afrikaner.
Wie halfen sich Rhodes und seine Regierung nun? Sie behaupteten, die Londoner Konvention sei verletzt. In dieser Konvention befand sich nämlich eine Bestimmung, wonach die Einfuhr eines Artikels, der aus irgend einem Teil des britischen Reiches stammte, nicht verboten werden könne, wenn nicht auch zugleich die Einfuhr desselben Artikels aus allen anderen Ländern verboten werde. Die Republik hatte also die Konvention verletzt, weil sie der Kapkolonie, einer britischen Besitzung, und dem Oranjefreistaat, dem Bruderstaate, eine Vergünstigung vor den überseeischen Ländern gewährt hatte. Sie mußte nun entweder die ganze Bestimmung aufheben oder zu der gehässigen Maßregel übergehen, die ganze Einfuhr zu verbieten. Rhodes reichte seine Klage bei der britischen Regierung ein. Kurz zuvor hatten in England allgemeine Wahlen stattgesunden, und es war dadurch die Regierung ans Ruder gekommen, die zur Zeit des gegenwärtigen Krieges noch da war. Chamberlain war darin, und er war natürlich sofort bereit, der Republik ein Ultimatum zu senden, stellte jedoch die Bedingung, daß die Kapkolonie, wenn aus dem Ultimatum ein Krieg erwüchse, die Hälfte der Kosten tragen, eine Hilfstruppe bewilligen und ihre Eisenbahn zur freien Verfügung stellen müßte. Zur Schande der Afrikaner, die im Ministerium Sitz hatten, muß gesagt sein, daß sie diesem Vorschlag sofort zustimmten. Die Republik bekam ihr Ultimatum, und nun mußte sie natürlich nachgeben und sich verpflichten, die Furten nicht mehr zu schließen.
Das einschneidendste Ereignis unter der dritten Präsidentschaft war der Jameson-Raubzug, – ein Unternehmen, dessen Verantwortung nicht auf Jameson ruht. Chamberlain hat wohl zur Zeit des Einfalles behauptet, daß er von dem ganzen Komplotte nichts gewußt habe. Später aber ergab sich, daß die britische Regierung, oder zum mindesten der Kolonialminister Chamberlain vollständig unterrichtet war von den Plänen und Intriguen Cecil Rhodes', die in dem schändlichen Jameson-Einfall sich auswirkten. Rhodes hatte schon lange den Plan, sich in einer oder der anderen Weise der Republik zu bemächtigen; sein Geld, seinen Einfluß und seine Stellung als erster Minister der Kapkolonie machte er diesem Ziele dienstbar. Die »Nationale Union«, von der wir bereits gesprochen haben, wurde von ihm gebraucht, um die Gemüter in Johannesburg stetig in Gährung zu halten, und schließlich wurde sie sein Werkzeug bei dem Komplott gegen die Existenz des Staates. Durch seine Vermittlung wurden insgeheim Waffen und Munition nach Johannesburg eingeschmuggelt und in den Simmer- und Jack-Minen, deren größter Teilhaber er war, geborgen. Rhodes wußte wohl, daß Johannesburg allein nicht im stande war, eine Umwälzung mit Aussicht auf Erfolg zu beginnen. Er mußte darum einen geeigneten Platz an den Grenzen der Republik zu bekommen suchen, wo er eine Truppenmacht zur Unterstützung einer Empörung versammeln konnte. Zu dem Zwecke knüpfte er mit der britischen Regierung durch Vermittlung seines Faktotums Dr. Rutherford Harris und der Journalistin Miß Flora Shaw Unterhandlungen an, um das Gebiet der Chartered Company so auszubreiten, daß die gewünschten strategischen Punkte noch da hinein fielen, und aus den Telegrammen, die während der Unterhandlungen mit der britischen Regierung zwischen diesen Personen gewechselt wurden, ergibt sich, daß Minister Chamberlain mit der ganzen Sache bekannt war.
Chamberlains Anteil.
Eines der Telegramme von Flora Shaw an Rhades endigte mit den Worten: »Chamberlain rein im Falle der Intervention europäischer Mächte, aber ich habe besondere Gründe zu glauben, daß er wünscht, daß Sie es sofort thun sollen.« ( Chamberlain sound in case of interference European powers, but have special reasons to believe wishes you must do it immediately.) Dazu nehme man noch folgende Telegramme von Rhodes an Miß Shaw: »Teilen Sie Chamberlain mit, daß ich gut durchkommen werde, wenn er mich unterstützt, aber er muß keine Kabel senden, wie er sie an den Hohen Kommissar in Südafrika gesandt hat. Heute ist die Krisis, ich werde gewinnen, und Südafrika wird England gehören.« ( Inform Chamberlain that I shall get through allright, it he supports me, but he must not send cables like he sent to the High Commissioner in S. Africa. Today the crux is I shall win and South-Afrika will belong to England) und: »Wenn Sie nicht sorgen können, daß Chamberlain den Hohen Kommissar beauftragt, sofort nach Johannesburg zu gehen, so ist die ganze Sache verloren. Der Hohe Kommissar würde eine ausgezeichnete Aufnahme finden und den Dingen noch eine Wendung zu Gunsten Englands geben können, aber er muß sofort per Kabel beauftragt werden, und die Instruktionen müssen sehr deutlich sein, da er schwach ist und keine Verantwortung auf sich nehmen will.« ( Unless you can make Chamberlain instruct the Hugh Commissioner to proceed at ance to Johannesburg, the whole position is lost. High Commisioner would receive splendid reception and still turn position to Englands advantage, but must be instructed by cable immediately. The instructions must be specific, as he is weak and will take no responsibility.) Außerdem muß man wohl beachten, daß der vom englischen Parlamente ernannten »Untersuchungskommission für Britisch-Südafrika« nur ein Teil der Telegramme von der englischen Regierung vorgelegt und wahrscheinlich die kompromittierendsten zurückgehalten wurden. Warum thut man so etwas, wenn man doch eine Untersuchung anstellt, um die Wahrheit herauszufinden? Soll man nicht daraus entnehmen dürfen, daß Chamberlain ebenso schuldig war wie Rhodes? Daß aber auch aus den erwähnten publizierten Telegrammen bereits deutlich genug die Beteiligung Chamberlains an dem Komplott zu ersehen ist, wird wohl niemand im Ernste leugnen können.
Der Anteil der Johannesburger Reformer.
Kaum war Rhodes sicher, daß er den gewünschten Landstrich von der britischen Regierung erhalte, so begann er auch sofort Maßregeln zu ergreifen, um hier die »Südafrikanischen Polizeitruppen« zu sammeln und mit Pferden und Kriegsmaterial auszurüsten, um zu einem Einfall in die Republik fertig zu sein, sobald die Dinge in Johannesburg zum Eingreifen reif seien. Unterdessen hatte er sich auch mit den Führern der »Nationalen Union« in Verbindung gesetzt und seinen Bruder Colonel Rhodes nach Johannesburg gesandt, um dort mit ihm vereint zu arbeiten und ihn zu vertreten. Colonel Rhodes hatte von ihm unbeschränkte Vollmacht, so viel Geld auszugeben, als er für nötig erachte. Lionel Philips, einer der Verschwörer, war nach Kapstadt gereist, wahrscheinlich um dort das Nähere mit Rhodes selbst zu besprechen. Von da kam er plötzlich wieder zurück unter dem Vorwande, das neue Gebäude der »Kammer für Minenwesen« als ihr Vorsitzender eröffnen zu müssen. Das Gebäude war noch garnicht einmal fertig, aber die Eröffnung war auch bloß ein Vorwand, um Philips im geeigneten Momente Gelegenheit zu geben, eine politische Ansprache zu halten. Gegen Ende November war es, wo diese Eröffnung stattfand und Philips eine Rede voll heftiger Angriffe gegen die Republik hielt. Bereits früher waren ein paar Mitglieder der »Nationalen Union« in Kapstadt gewesen, um dort die Ausführung des Planes mit Cecil Rhodes zu beraten. Der Absprache gemäß kam daraufhin Ende November Dr. Jameson nach Johannesburg, um die nötigen Maßregeln gemeinschaftlich mit den Leitern der Union zu treffen. Bei dieser Gelegenheit ließ er sich von ihnen einen Brief geben, in dem seine Hilfe erbeten wurde, und den er jederzeit als Vorwand zu einem Einfall gebrauchen konnte. Der Brief enthielt die Mitteilung, daß über kurz ein Zusammenstoß zwischen den Ausländern und der Regierung bevorstehe und dabei den Frauen und Kindern und dem Privateigentum in Johannesburg das Schlimmste bevorstünde. Dieser Brief, unterzeichnet von Charles Leonhard, Colonel F. Rhodes, Lionel Philips, J. Hays, Hammond und Farrar, trug kein Datum, sodaß Jameson in der Lage war, sich auf ihn zu berufen. Inzwischen wurden die Bewohner von Johannesburg auf jede nur mögliche Weise von der Rhodes-Presse und der Union aufgestachelt, welche einen Ausbruch der Leidenschaften künstlich vorbereiteten. Ende Dezember 1895 erließ Leonard als Vorsitzender der »Nationalen Union« ein langes Manifest, worin eine Reihe von Beschuldigungen gegen die Regierung erhoben wurde. Alles was dazu dienen konnte, die Gemüter aufzuregen, wurde hier herbeigezogen. Natürlich war die Stimmrechtsfrage einer der hauptsächlichsten Beschwerdepunkte, und doch hatte Lionel Philips, ebenfalls ein Vorstandsmitglied der Union, nicht lange vorher an seinen Teilhaber in London, einen deutschen Kapitalisten Namens Beit, der auch mit Rhodes in enger Beziehung stand, geschrieben: »Wir geben keinen blauen Deut um das Stimmrecht.« ( That we do not care a fig for the franchise).
Die Schildkröte.
Gerade als die Gährung in Johannesburg ihren-Höhepunkt erreicht hatte, kam Präsident Krüger von seiner gewöhnlichen jährlichen Rundreise durch die Distrikte nach Pretoria zurück, und hier war es, wo er bei der Gelegenheit der Ueberreichung einer Adresse durch die Bürger gegenüber ihrem Drängen auf Bestrafung der aufrührerischen Elemente die Worte gebrauchte: »Man muß der Schildkröte erst Zeit geben, ihren Kopf herauszustrecken, ehe man sie fassen kann.« Aus diesen Worten wollte man den Beweis herleiten, daß Krüger von der Vorbereitung des Jameson-Einfalles gewußt und mit der Schildkröte Jameson bezeichnet habe. Diese Behauptung ist aber völlig unbegründet. Weder Krüger noch sonst jemand von den transvaalischen Behörden hätte damals eine solche That für möglich gehalten, noch viel weniger wurde sie erwartet. Wohl wurden Pferde, Lebensmittel und Futter von englischer Seite selbst in der Republik aufgekauft, aber die Engländer behaupteten, daß die Ansammlung der Polizeitruppen an der Westgrenze der Südafrikanischen Republik für eine Expedition gegen die Kaffern, insonderheit gegen den Häuptling Linchwe, bestimmt sei. Und die Bürger hatten infolge dessen so wenig Argwohn, daß sie selbst beim Einkauf des Kriegsbedarfs und bei der Verbringung der Güter nach all den Punkten, welche später Wegestationen für Jamesons Zug von Kimberley bis fast nach Krügersdorp bildeten, mit thätig waren. Ja, der Präsident hatte sogar vorher dem britischen Hohen Kommissar Sir Herkules Robinson die Unterstützung der Republik zum Schutze der Frauen und Kinder gegen die Matabeles, mit denen die Engländer Schwierigkeiten hatten, angeboten, aber unter Bezeugung des Dankes für sein Anerbieten die Antwort erhalten, daß die Hilfe einstweilen noch nicht nötig sei. Hätte der Präsident etwas von Jamesons Plan geahnt, so hätte er ihn wahrhaftig nicht so tief in die Republik eindringen lassen. Aber so war in den Tagen, da die Truppen für den Jameson-Einfall zusammengezogen wurden, der Oberbefehlshaber der burischen Streitkräfte, General Joubert, nicht einmal in Pretoria, sondern im Distrikte Wakkerstroom auf seiner Farm und kam erst ein paar Tage vor dem Einfall nach Pretoria zurück.
Was der Präsident mit der Schildkröte meinte, bezog sich auf die National-Union, die beständig auf die Regierung schalt und drohte, Gewalt zu gebrauchen, um Abstellung ihrer Beschwerden zu erreichen. Er wollte damit sagen, man solle die Bewegung ruhig weiter gehen lassen, bis sie ihren wahren Charakter unverhüllt zeigte und sich so unzweifelhaft schuldig gemacht habe, daß die Regierung die vornehmsten Mitglieder, also die eigentlichen Aufrührer, wegen Hochverrat strafen könne. Bei einem früheren Eingreifen könnten diese Leute immerhin noch den Versuch machen, ihre Schuld zu leugnen, und sie wären dann vielleicht nicht vor aller Augen zu überführen.
Der Zustand in Johannesburg war gegen Ende Dezember 1895 der Art, daß Tausende die Stadt verließen und sich nach den Küstenstädten flüchteten, während die »Nationale Union«, die sich von nun an »Reform-Komitee« nannte, »Schutzkorps« errichtete und sie mit Waffen und Munition versah. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden und Blutvergießen zu verhindern, faßte die Regierung den Entschluß, ihre Polizei einzuziehen. Sie betrachtete diesen Aufstand nicht als ernst, Man erzählt (J. F. von Oordt hat diese Erzählung aufgenommen) der Präsident habe sein Pferd gesattelt im Stall und sein Gewehr geladen neben seinem Bett stehen gehabt während der Zeit des Jameson-Einfalles. Daran ist nichts Wahres, ausgenommen daß einige Freunde ihm zurieten, Pretoria zu verlassen wegen der Gefahr eines Angriffes und er darauf antwortete: »Wenn es so weit kommen sollte, nehme ich mein Pferd und Gewehr und gehe zu meinem Kommando.« D. H. denn da er nicht vom Volke ausging, sondern durch Intriganten von oben künstlich gemacht wurde, so wäre das Ganze nur eine Farce gewesen, wenn die Folgen nicht so ernst gewesen wären. Der einzige unter den sogenannten »Reformern«, der wußte, was er zu thun hatte, war Colonel Rhodes. Alle anderen waren Theater-Revolutionäre. Verschiedene Deputationen, die der Präsident aus Johannesburg empfing, zeigten deutlich, daß ein großer Teil der Bewohner nichts mit dem Aufruhr zu thun haben wollte. Einer dieser Deputationen versprach er, den Ausländern in Bezug auf bestimmte Beschwerden entgegenzukommen und die Verleihung des Stimmrechtes an alle zu beantragen, die sich in der gegenwärtigen Zeit offen als Freunde der Republik erwiesen. Auch erließ er eine Proklamation, in welcher er erklärte, er wisse wohl, daß die Aufrührer nur einen kleinen Teil der Bevölkerung von Johannesburg ausmachten, und er habe zu den ordnungsliebenden Bewohnern das Vertrauen, daß sie die Bemühungen der Regierung zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Gesetz unterstützen würden.
Jamesons Auszug.
Diese Ermahnung zur Ruhe wurde am 30. Dezember erlassen. An demselben Tage aber erhielt bereits General Joubert von dem Minenkommissar Marais in Ottoshoop ein Telegramm, daß an diesem Morgen um 5 Uhr 30 ein Kommando von 800 Mann Chartered-Company-Truppen mit Maxims und Kanonen in der Richtung auf Johannesburg vorbeigezogen sei, und daß der Telegraph zwischen Malmanie, Zeerust und Johannesburg zerschnitten sei. General Joubert sandte sofort Telegramme an die Kommandanten der verschiedenen Distrikte, an erster Stelle an die von Rustenburg, Krügersdorp und Potchefstroom, worin er ihnen von dem Vorfall Kenntnis gab und sie beauftragte, sofort ihre Bürger zusammenzurufen und sich den Eindringlingen entgegen zu werfen. Inzwischen hatte die Regierung in Johannesburg eine Kommission ernannt, um dort die Ordnung aufrecht zu erhalten. Ihr ist es zu danken, daß es nicht zum Blutvergießen kam. Die »Reformer« beschlossen nun, eine Deputation nach Pretoria zu senden, um dort mit der Regierung zu verhandeln. Sie wurde im Namen der Regierung von General Kock und den Richtern Ameshoff und Kotzé empfangen und stellte die Forderung, es sollte Jameson erlaubt werden, in Johannesburg einzuziehen, in welchem Falle sie die Verantwortung dafür übernehmen wolle, daß er friedlich Johannesburg wieder verlassen und über die Grenze zurückgehen werde. Unterdessen hatte aber die Regierung das Angebot des Hohen Kommissars Sir Henry Robinsons (dieser war seit Ende 1895 wieder an Stelle Sir Loch's getreten), nach Pretoria zu kommen, um eine friedliche Lösung des Konfliktes zu ermöglichen, angenommen. Die Deputation erhielt darum die Antwort, daß vor der Ankunft des Hohen Kommissars die Regierung keine Schritte thun werde, wenn sich die Stadt ruhig verhielte.
Die Uebergabe.
Jameson war inzwischen in größter Eile in der Richtung auf Johannesburg vorgerückt. Der Hohe Kommissar hatte hauptsächlich auf Drängen von Jan Hofmeyer, dem Führer des Afrikanerbundes, eine Proklamation erlassen, worin Jameson und allen seinen Begleitern befohlen wurde, sich über die Grenze zurückzuziehen. (Kurz nach dieser Proklamation erfolgte der Rücktritt Cecil Rhodes als Minister der Kapkolonie.) Diese Proklamation nebst einem Briefe des britischen Geschäftsträgers in Pretoria, Jacobus de Wet, wurde Jameson überbracht durch einen Bürger von Transvaal Namens Ben Bouwer. Jameson störte sich daran aber absolut nicht, er nahm sogar Leutnant Eloff von der Krügersdorper Polizei, der ihm entgegenritt, um ihm den Rückzug zu befehlen, gefangen. Erst auf den Bergen bei Krügersdorp stieß Jameson auf transvaalische Truppen unter den Kommandanten Malan, Potgieter und Cronjé und beschoß sie sofort mit Geschütz; als er aber einen Angriff auf die Höhe machte, wurde er mit Verlust zurückgeschlagen. Daran sah Jameson, daß er hier nicht durchkommen werde. Er schwenkte deshalb rechts ab, um die Stellung der Buren zu umgehen. Während der Nacht wurde er aber zurückgeworfen durch Feldkornett De Fouché, und am folgenden Morgen, als er noch weiter nach rechts zog, stieß er bei Doornkop auf die Bürger Cronjés, dem er sich nach einem heftigen Gefechte ergeben mußte.
Es ist behauptet worden, daß Jameson sich ergeben habe unter der Bedingung, daß sein und der Seinen Leben geschont werde. Thatsächlich hatte Kommandant Cronjé in einem Briefchen an Colonel Willoughby, den Kommandanten des Jameson-Korps, erklärt, daß er ihr Leben schonen werde, wenn sie sich mit allem, was sie hätten, ergäben und der Südafrikanischen Republik Schadenersatz leisteten. Aber noch während Kommandant Cronjé daraufhin mit Dr. Jameson sprach, kam Kommandant Malan von Rustenburg dazu und fragte, was verhandelt werde; und als er hörte von Bedingungen, die gestellt wurden, sagte er zu Cronjé: »Wir können keinerlei Bedingungen verabreden, das ist Sache der Regierung in Pretoria«. Dem stimmte auch Cronjé zu, und Kommandant Malan ließ nun Dr. Jameson auf Englisch mitteilen: Was ihm Cronjé gesagt habe, sei dahin zu verstehen, daß das Leben der Gefangenen bloß verbürgt werde bis nach Pretoria, wo sie dem Generalkommandanten überliefert würden. »Wir«, fuhr er fort, »können in diesem Augenblick keine definitiven Bedingungen angeben, das muß der Regierung überlassen bleiben.« Daraufhin machte Jameson eine Verbeugung und sagte: »Ich nehme Ihre Bedingungen an.« Jetzt erst vollzog sich die Uebergabe, Jameson und seine Leute wurden entwaffnet und nach Pretoria gebracht.
Krügers Anteil am Schicksal der Verschwörer.
Inzwischen war da auch der Hohe Kommissar angekommen und hatte gleich darnach eine Unterredung mit dem Präsidenten und seinen Staatsmännern. Nachdem er seinem Bedauern über den Vorfall Ausdruck gegeben hatte, begann er sofort über die Beschwerden der Ausländer und über nötige Reformen zu sprechen. Da fiel ihm aber Krüger ins Wort und wies ihn darauf hin, daß jetzt nicht die Zeit sei, um über solche Dinge zu reden. Das Einzige, worüber man jetzt zu verhandeln habe, sei die Frage, welche Maßregeln ergriffen werden müßten, um weiteres Blutvergießen zu verhindern, und auf welche Weise sich die Auslieferung der Waffen in Johannesburg vollziehen solle. Robinson hatte auf seine Anfrage, ob er kommen könne, um die Jameson-Angelegenheit friedlich erledigen zu helfen, die Antwort erhalten: »Ja, kommen Sie, Sie können vielleicht Blutvergießen verhindern.« Er hatte dabei gemeint, er könne etwas thun, um die etwa beabsichtigte Erschießung von Empörern zu verhindern; aber als ihm nun gesagt wurde, er möge den Johannesburgern zur Uebergabe raten und so Blutvergießen verhindern, war er von seiner Aufgabe nicht erbaut und wollte nichts davon wissen. D. H. »Unter welchen Bedingungen muß Johannesburg die Waffen abliefern?«, fragte nun der Hohe Kommissar, worauf Krüger antwortete: »Bedingungslos«. Und als der Hohe Kommissar noch zögerte und Einwände machte gegen die Forderung des Präsidenten, fügte dieser hinzu: »Ich gebe Johannesburg 24 Stunden Zeit, um sich bedingungslos zu unterwerfen. Anderenfalls werde ich die Stadt dazu mit Gewalt zwingen.« Sir Hercules konnte nichts erreichen, der Präsident blieb unerbittlich in seiner Forderung, und so endigte diese Zusammenkunft ohne Resultat.
Die Erregung der Bevölkerung.
Die Bürger mit ihren Kommandanten waren in großer Aufregung. Man kann begreifen, daß sie jetzt, nachdem sie jahrelang von der National-Union gequält und gereizt worden waren, nicht in der Stimmung waren, um Jameson und die Johannesburger Aufrührer ungestraft entkommen zu lassen. Als Beweis für den Geist, der unter der Bürgerschaft herrschte, mag folgender Vorfall dienen.
Ein Kommandant mit ungefähr 400 Bürgern, die auf dem Wege waren, um sich Jameson entgegen zu werfen (dieser hatte sich damals noch nicht übergeben), kamen durch Pretoria und benutzten diese Gelegenheit, um dem Präsidenten einen Besuch zu machen und ihm guten Tag zu sagen. Als Krüger heraus kam, um den Bürgern zu danken, redete ihn der Kommandant also an: »Präsident, wir sind hierher gekommen, um Ihnen unseren Gruß darzubringen und Ihnen zugleich mitzuteilen, daß wir entschlossen sind, wenn wir Jameson gefangen haben, direkt nach Johannesburg zu ziehen und dieses Nest samt den Aufrührern zusammen zu schießen. Sie haben uns nun lange genug gequält.« Krüger antwortete darauf: »Nein, Bürger, so müßt ihr nicht sprechen, bedenkt, daß Tausende Unschuldiger und Getreuer in Johannesburg sind, und daß die Uebrigen sich zum größten Teile nur haben verführen lassen. Wir wollen nicht rachsüchtig sein, was würden denn die Folgen eines solchen Schrittes sein!« Der Kommandant erwiderte darauf: »Nein Präsident, Ihr sprecht vergebens. Was hilft Langmut? Gerade weil wir die Aufrührer viel zu lange mit Langmut behandelt haben, sind sie so weit gegangen. Meine Bürger und ich, wir sind fest entschlossen, nun einmal für immer der Aufrührerei ein Ende zu machen.« Darauf wurde Krüger zornig, oder stellte sich wenigstens so, als wäre er es und sagte: »Nun gut, wenn ihr dann nicht mehr nach mir hören wollt, so setzt mich ab als Staatspräsidenten und regiert ihr dann das Land nach Eurer Weise«. Jetzt erst wurde der Kommandant ruhiger und sprach: »Nein, Präsident, so meinte ich es nicht, wir wollen ja gerade auf Sie hören, aber wir werden doch zu sehr gequält«. Darauf antwortete ihm der Präsident auch ruhiger: »Nun gut, wenn Ihr nach mir hören wollt, dann thut, was ich sage und überlaßt das Weitere mir«.
In der Versammlung der Kommandanten, welche gemeinsam mit dem Ausführenden Rate über das Geschick von Jameson entscheiden sollten, hatte Krüger einen sehr harten Stand. Er hatte nämlich den Plan, und dieser Plan hatte bereits die Zustimmung des Ausführenden Rates gefunden, Jameson und die Seinen der englischen Regierung auszuliefern, damit diese Uebelthäter durch ihre eigene Regierung nach ihren eigenen Gesetzen gestraft würden. Davon wollten aber die Kommandanten nichts wissen, und erst nachdem auch die Herren Fischer Der heutige Delegierte in Europa. Beide Herren waren damals vom Oranjefreistaat gesandt, um zu sehen, ob sich für ihn die Notwendigkeit ergäbe, gemäß seinen Vertragsverpflichtungen zu Hilfe zu eilen. D. H. und Kleynveld vom Oranjefreistaat ihnen zugeredet hatten, doch dem Wunsche des Präsidenten Gehör zu geben, glückte es ihm, seinen Willen durchzusetzen und die Zustimmung der Kommandanten dazu zu erhalten, daß diese Sache der Regierung überlassen bleiben solle.
Als der Hohe Kommissar sah, daß Krüger auf der Förderung der bedingungslosen Uebergabe von Johannesburg bestehen blieb, ließ er durch den britischen Geschäftsträger dem »Reformkomitee« telegraphisch davon Mitteilung machen. Daß die Johannesburger Revolutionäre nun dieser Forderung, ehe die 24 Stunden verstrichen waren, nachkamen, braucht eigentlich nicht gesagt zu werden, denn mit Ausnahme von Colonel Rhodes und vielleicht noch einem oder zwei Anderen war keiner unter den Verschwörern, der nicht beim ersten Gewehrschuß die Flucht ergriffen hätte. Sie hatten den Aufstand hervorgerufen und daran mitgearbeitet nur in der Hoffnung, daß England für sie die Kastanien aus dem Feuer holen werde. Selbst ihr Leben in Gefahr zu bringen für eine Sache, für die sie, wie eines ihrer vornehmsten Mitglieder kurz zuvor gesagt hatte, keinen blauen Deut gaben, daran dachten sie nicht.
England dankt.
Die Regierung hatte inzwischen dem Hohen Kommissar mitgeteilt, daß sie die Absicht habe, Jameson und die Seinen der englischen Regierung auszuliefern, damit sie vor dem obersten Gerichte in England abgeurteilt werden sollten. Daraufhin sandte Chamberlain dem Präsidenten ein Telegramm, worin er im Namen Ihrer Majestät für die »großmütige That« dankte. Wie tief die Dankbarkeit saß, und wie England diese Großmut belohnte, haben die späteren Ereignisse bewiesen. Bei dieser Gelegenheit sei konstatiert, daß der Deutsche Kaiser sein Glückwunschtelegramm aus völlig freier Initiative sandte. Krüger hatte nicht, wie es dargestellt wurde, bei Bekanntwerden des Jameson-Einfalles um den Schutz befreundeter Mächte nachgesucht. D. H.
Unterdessen lieferte Johannesburg seine Waffen ab, aber viel weniger, als man gedacht hatte, daß da wären. 1800 Gewehre und drei beschädigte Marims war alles, was abgegeben wurde. Jameson und die Seinen wurden kurz darauf dem Gouverneur von Natal ausgeliefert, der sie nach England sandte. Die englische Regierung setzte die Soldaten sofort in Freiheit. Jameson und noch ein paar der Anführer wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, aber ehe sie ihre Zeit abgesessen hatten, wieder in Freiheit gesetzt. Am 9. Januar wurden die »Reformer« teils in ihren Häusern, teils in ihrem Klub gefangen genommen und nach Pretoria gebracht. Am 10. Januar erließ dann der Präsident eine Proklamation an die Bewohner von Johannesburg, worin er zunächst wiederholte, daß er nur eine kleine Anzahl verschlagener Männer innerhalb und außerhalb Johannesburg als die Verschwörer betrachtete, und darauf aufmerksam machte, welch' schreckliches Unglück durch diese That hätte entstehen können. Außerdem versprach er Johannesburg die Einsetzung eines Stadtrats und schloß mit einem Appell an die Einwohner, es ihm möglich zu machen, vor den Volksrat hinzutreten mit der Losung: »Vergessen und vergeben«. Die Bürgerkommandos gingen friedlich nach Hause, zogen aber vorher in geschlossenem Zuge durch Johannesburg – eine Art Demonstration.
Das Strafgericht.
Die Einzelheiten des Prozesses gegen die Verschwörung brauchen hier nicht angeführt zu werden. Um nicht den Vorwurf der Parteilichkeit auf sich zu laden, suchte die Regierung der Republik für diesen Prozeß einen Richter, der außerhalb der Sache stand. Sie erbat und erhielt zu diesem Zwecke den Freistaatrichter Gregorowsky. Die meisten der Angeklagten kamen mit Gefängnis oder Geldstrafe davon. Nur vier der Hauptleiter, nämlich Philips, Rhodes, Farrar und Hammond, wurden zum Tode verurteilt. Aber auch dieses Urteil wurde vom Ausführenden Rat Auf Krügers Antrag. D. H. in eine Geldstrafe von 25 000 Pfund Sterling für jeden von ihnen umgewandelt, und so endigte der erste Akt des Dramas, dessen letzter Akt sich soeben auf den blutgetränkten Feldern Südafrikas abgespielt hat.
Krüger in Johannesburg.
Im Anschluß an diese Johannesburger Vorgänge sei hier noch des furchtbaren Unglückes gedacht, das am 19. Februar 1896 diese Stadt traf durch die Explosion einiger Wagenladungen Dynamit, wodurch ein großer Teil der Vorstädte Fordsburg und Braamfontein vernichtet, eine Menge Menschen getötet und verwundet und Hunderte des Obdaches beraubt wurden. Die Ausländer bewiesen bei dieser Gelegenheit ihre Sympathie mit den Opfern des Unglücks dadurch, daß sie in wenig Tagen zu ihren Gunsten die Summe von 70 000 Pfund Sterling (1 400 000 Mark) zusammenbrachten, zu welcher die Regierung noch 25 000 Pfund Sterling zulegte. Der Präsident begab sich ohne Verzug nach Johannesburg, besuchte die Verwundeten im Hospital und rühmte hier die Hilfsbereitschaft, welche die Ausländer in dieser Sache gezeigt hatten, und die seinem Herzen sehr wohl gethan habe. Er fügte hinzu, sie möchten sich dabei des Wortes des Heilandes erinnern: »Selig sind die Barmherzigen, denn auch ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren.«
Der Anschlag auf die Unabhängigkeit der Republik war also mißglückt. Aber nun ging Minister Chamberlain ans Werk, um zu sehen, ob er selbst nicht mehr Erfolg hätte. Durch sein Zuthun geschah es, daß der »Jamesonraid« ersetzt wurde durch einen riesenhaften »Britishraid«.
Chamberlain lädt Krüger ein und erteilt ihm »liberale« Ratschläge.
Sein Erstes war, den Präsidenten einzuladen, nach England zu kommen, um dort mit ihm transvaalische Angelegenheiten zu besprechen und das, obwohl er, wie er auch bald deutlich erklärte, über Artikel 4 der Londoner Konvention, den einzigen Artikel, durch welchen die ausländische Politik der Südafrikanischen Republik noch einigermaßen gefesselt war, zu verhandeln nicht bereit war. Angesichts einer solchen Einladung sollte man wirklich denken, es wäre nicht England sondern die Republik, die etwas gut zu machen gehabt hätte. Gleichzeitig sandte Chamberlain eine andere Depesche, worin er unter anderem vorschlug, an Johannesburg eine Art von Home Rule (Selbstverwaltung) zu geben, und publizierte diese Depesche im Londoner Staatsanzeiger, noch ehe sie der Präsident empfangen hatte. Wenn man bedenkt, daß es gerade die Frage der Home Rule für Irland war, um derentwillen sich Chamberlain von der Partei Gladstones trennte und seinen Radikalismus mit seinem derzeitigen Jingoismus vertauschte, so muß man geradezu erstaunt sein über die Unverschämtheit des Vorschlages, den er dem Präsidenten machte – zumal unter den damaligen Verhältnissen. Die Regierung der Südafrikanischen Republik empfing zunächst nur einen kurzen Auszug aus dieser Depesche mit Anführung der hauptsächlichsten Punkte – während sie in dem Londoner Staatsanzeiger bereits ihrem ganzen Wortlaute nach veröffentlicht war – und antwortete darauf kurz, daß sie es für unerwünscht und unratsam erachte, im voraus bereits die Ratschläge zu veröffentlichen, welche die Britische Regierung der Republik zu geben für nötig befinde, und daß außerdem die Republik eine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten nicht zulassen könne. Die Antwort wurde nun auch sofort im Staatsanzeiger der Südafrikanischen Republik veröffentlicht. Kurz nach Empfang dieser Antwort sandte Chamberlain eine Depesche, worin er erklärte, wenn sein Vorschlag nicht gut aufgenommen worden sei, so ziehe er ihn zurück. Daraufhin gab der Präsident telegraphisch die Bedingungen an, unter denen er bereit sei, nach England zu kommen. Der Hauptpunkt war für ihn, Ersetzung der Londoner Konvention durch einen Friedens-, Handels- und Freundschafts-Vertrag. Davon wollte aber Chamberlain nichts wissen. Er sprach von nichts als von anerkannten Beschwerden, die abgestellt werden müßten, da dieses für England als die Vormacht von Südafrika von größter Bedeutung sei. Was Artikel 4 der genannten Konvention anlangte, so erklärte er, daß dieser auf jeden Fall in eine neue Uebereinkunft wieder aufgenommen werden müsse. Was sollte also die beschwerliche Reise für einen Sinn haben? und wozu sollte ein Ersatz der früheren Konvention dienen, wenn der einzige Artikel, durch den die Unabhängigkeit der Republik noch einigermaßen beschränkt war, wieder aufgenommen werden sollte? Als Chamberlain sah, daß er den Präsidenten nicht nach England bekommen könne, ohne ihm eine Bürgschaft dafür zu geben, daß die Reise nicht nutzlos sein werde, zog er seine Einladung zurück.
Die Rüstungen der Südafrikanischen Republik.
Inzwischen war der Regierung klar geworden, daß sie sich vorbereiten müsse auf mögliche Ereignisse, und man machte nun den Anfang mit dem Ankauf von Munition, Gewehren und Kanonen. Das war um so nötiger, als der Jamesoneinfall die Republik so gut wie wehrlos gefunden hatte. Die Bürger hatten damals keine anderen Gewehre als die alten Martini-Henry, und eine große Anzahl hatte überhaupt keine Gewehre. Die Munition aber hätte nicht genügt, um zwei Wochen Krieg zu führen. Es mußten also Maßregeln getroffen werden, um die Bürger gegen jeden räuberischen Einfall zu bewaffnen. Doch geschah nicht mehr, als nach dem Gesetze nötig war – und dieses verlangte, daß jeder Bürger bewaffnet sein müsse. Noch größere Mengen Munition, Gewehre und Kanonen dagegen wurden bestellt nach der Untersuchung der vom Parlamente bestellten sogenannten »Untersuchungskommission für Britisch-Südafrika« in London, denn dabei kamen Dinge an den Tag, welche bewiesen, daß Chamberlain an dem Raubzug nicht so unschuldig war, als er sich stellte. Das ergibt sich schon aus den bereits angeführten Telegrammen, die dieser Untersuchungskommission vorlagen, und noch mehr aus denen, welche absichtlich zurückgehalten wurden. Dazu kam, daß Chamberlain kurz nach der Untersuchung im Unterhause erklärte, Rhodes wäre ein ehrlicher und anständiger Mann, und es wäre nichts geschehen, was den persönlichen Charakter dieses Mannes beflecken könnte. Man konnte hieraus keine andere Folgerung ziehen, als die, daß Chamberlain der Mitschuldige von Rhodes war und Rhodes öffentlich verteidigte, weil er fürchtete, dieser könnte Dinge offenbaren, die für den Herrn Minister alles, nur nicht angenehm wären. Zum mindesten war das die Auffassung der Republik, und sie wurde in dieser Auffassung noch dadurch bestärkt, daß Dr. Jameson wegen Krankheit aus der Haft entlassen, unmittelbar darauf gesund wurde und selbst eine Stellung als Offizier erhielt. Kann man es nun der Regierung der Südafrikanischen Republik übelnehmen, daß sie sich vorbereitete, um nicht ohne Schlag und Stoß Englands Beute zu werden? Ja mehr noch, war es nicht ihre Pflicht zu sorgen, wie sie es gethan hat, daß das Land in die Lage gesetzt wurde, sich zu verteidigen? Und doch ist von dieser Thatsache fortwährend von englischen Ministern und von der englischen Presse Kapital geschlagen worden, um Krüger Vorwürfe zu machen, und schließlich selbst, um den ungerechten Krieg zu rechtfertigen.
Chamberlains Depeschen.
Kurz nachdem die Südafrikanische Untersuchungskommission ihr Werk beendet hatte, begann Chamberlain jene ununterbrochene Reihe von Depeschen, die andauerte bis zum Ausbruch des gegenwärtigen Krieges, und wobei er keine andere Absicht hatte als die, das Volk Englands gegen die Republik zu verbittern und ihm vorzureden, daß die Republik sich fortwährend gegen England versündige und systematisch die Londoner Konvention bräche.
So sandte er im Anfang des Jahres 1897 eine Depesche, nach welcher die Republik die Londoner Konvention durch folgende Akte verletzt hatte:
durch den Beitritt zur Genfer Konvention,
durch ihr Preßgesetz,
durch ihr Einwanderungsgesetz,
durch Abschluß eines Auslieferungsvertrages mit Portugal u. s. w.
Seine Behauptung stützte er auf den mehrerwähnten Artikel 4 der Konvention
Dieser Artikel IV lautet: »Die Südafrikanische Republik wird keinen Vertrag und kein Bündnis mit irgend einem Staate oder einer Nation mit Ausnahme des Oranjefreistaates, auch nicht mit irgend einem Eingebornenstamme östlich oder westlich der Republik eingehen, bevor Ihre Maj. die Königin nicht ihre Zustimmung dazu gegeben hat.
Diese Zustimmung wird als erfolgt angesehen, wenn Ihre Maj. Regierung nicht innerhalb 6 Monaten nach Empfang der Abschrift eines solchen Vertrages (die ihr nicht sofort nach [
scil. vorläufigem, D. H.] Abschluß desselben zugestellt werden muß) erklärt hat, daß die Vollziehung eines solchen Vertrages in Widerspruch steht mit den Interessen Großbritanniens oder einer der Besitzungen Ihrer Majestät.« D. H., welcher bestimmt, daß kein Vertrag in Giltigkeit treten solle, wenn die Britische Regierung ihn nicht gutfände, und daß die Britische Regierung 6 Monate Zeit haben müsse, um ihre Zustimmung oder Ablehnung bekannt zu geben. Chamberlain behauptete nun, der Sinn dieses Artikels sei der, daß jeder Vertrag, sobald er entworfen – also noch ehe er geschlossen sei – Ihrer Maj. Regierung zugesendet werden müsse, während die Regierung der Südafrikanischen Republik dabei blieb, das habe erst zu geschehen, wenn der Vertrag fertig vorliege. Die Regierung der Südafrikanischen Republik stützte sich für ihre Auffassung auf den Geist und die Geschichte der Londoner Konvention ebenso sehr wie auf die Worte »
upon its completion«, d. h. »nachdem der Abschluß erfolgt ist« und antwortete darum der Britischen Regierung, daß sie die Anschauung Chamberlains nicht teile, aber bereit sei, die Frage einem unparteiischen Schiedsgerichte zu unterwerfen. Chamberlains Erwiderung war: England sei der Suzerän der Südafrikanischen Republik und könne darum mit ihr nicht vor ein Schiedsgericht gehen.
Der Streit um die Suzeränität beginnt.
Daß sich über diese Antwort Chamberlains die Regierung sehr aufregte, braucht nicht versichert zu werden, denn warum anders als um Aufhebung der Suzeränität zu erreichen, hatte man 1883 den Gang nach London gemacht und eine neue Konvention zu erlangen gesucht? And seit der Konvention von 1884 hatte bei niemand mehr auch nur der geringste Zweifel darüber bestanden, daß die Konvention aufgehoben sei. Sogar in einer Unterredung mit einem Journalisten Dr. Harris, der Herausgeber der Saturday Review, ist gemeint. D. H. hatte Sir Herkules Robinson, selbst einer der Verfasser der Konvention von 1884, ohne weiteres zugegeben, daß die Suzeränität ohne alle Frage seit 1884 abgeschafft sei. In einer mit Recht sehr gepriesenen Antwort (16. April 1898) hat denn auch Dr. Leyds diese Thatsache unwiderleglich nachgewiesen. Er konnte sich dabei auch auf einen Brief Lord Derby's vom Februar 1884 stützen, worin dieser der Deputation den Entwurf einer neuen Konvention sandte, welche die Konvention von Pretoria ersetzen sollte. In diesem Entwürfe ist auf der ersten Seite die Einleitung der Konvention von 1881 und darunter die der Konvention von 1884 abgedruckt, und darüber steht geschrieben: »Die Worte und Paragraphen, die in Klammern stehen oder kursiv gedruckt sind, werden zur Aufnahme (resp. Beibehaltung D. H.), die innerhalb einer schwarzen Linie stehenden zur Weglassung ( scil. für die neue Konvention, D. H.) vorgeschlagen.« Und nun ist die ganze Einleitung von 1881 von einem schwarzen Striche umrahmt; zudem sind die Worte »unterworfen der Suzeränität Ihrer Majestät, ihren Erben und Nachfolgern« von Lord Derby durchstrichen. Es war vor allem von Wichtigkeit, zu beweisen, daß die Vorrede der Konvention von 1881, wo allein von Suzeränität gesprochen wird, verfallen sei, denn Chamberlain behauptete gerade, daß diese noch bestehe und in Kraft sei. Sehen wir aber einmal ab von der Thatsache, daß, wie dargelegt, die Einleitung in Klammern stand und also verfallen war, so hätte man, wenn Chamberlain Recht hätte, zwei Einleitungen zu ein und derselben Konvention, und noch dazu zwei verschiedene Vorreden. Und das wäre absurd.
Jeder ehrliche Mensch würde nun gedacht haben, Chamberlain würde einsehen, daß er im Irrtum war, aber nein, er blieb auch jetzt einfach dabei, die Suzeränität bestände noch. Daß mit einem solchen Manne eine vernünftige Auseinandersetzung nicht möglich ist, wird man wohl allgemein zugeben. Es ist denn auch allein der wohlbekannten, wenn es sich um ein kleines Volk handelt, so oft zu Tage tretenden englischen Brutalität zuzuschreiben, daß Chamberlain seine unsinnige Behauptung aufrecht erhielt.
Die Korrespondenz zwischen der Regierung und Chamberlain wurde unterbrochen und begleitet von zwei wichtigen Ereignissen im inneren Leben der Republik: den Verhandlungen über die Thätigkeit der »Industriellen Kommission« und dem Konflikte zwischen richterlicher und Staatsgewalt.
Die Industrie- oder Minen-Kommission wurde ernannt zur Untersuchung der Klagen der Minen-Kommission. Daß es Lasten gab, die zu schwer auf die Industrie drückten und vermindert werden mußten, ist außer Zweifel und ergab sich auch aus dem Berichte der Kommission, aber die Hauptursache, daß einige Minen keinen, andere wenigstens keinen Gewinn wie ihn die Anteilhaber wünschten, abwarfen, liegt in der Ueberkapitalisation, in der Gründung von Gesellschaften auf wertlosem Boden, in der Umwandlung von Gesellschaften, bei welcher der Gewinn an den Finanzhäusern hängen blieb, und in dem Spekulationsfieber, das die Aktien so in die Höhe trieb, daß der Käufer unmöglich mehr auf gute Dividenden rechnen konnte. Die großen Finanzhäuser hatten alles in der Hand und ließen nach ihrem Wunsch und Bedürfnis die Preise steigen oder fallen; das Publikum war das Opfer ihrer Manöver. Die Kommission, die ihre Sitzungen zu Johannesburg hielt und eine Menge Zeugen verhörte, machte in ihrem Berichte eine Reihe von Vorschlägen, wie man der Industrie entgegenkommen könne, vor allem beantragte sie:
Verminderung der Eingangszölle auf Lebensmittel.
Verständigung mit anderen Staaten Südafrikas behufs erleichterter Anwerbung und billigeren Transportes der farbigen Minenarbeiter.
Ernennung einer Kommission, um zu untersuchen, ob sich das Dynamitmonopol aufheben lasse; inzwischen sollte die Regierung selbst Dynamit einführen und an die Minen zum Selbstkostenpreis unter Zuschlag von 20 Schilling Einfuhrzoll abgeben.
Herabsetzung der Eisenbahntarife bis zu einer Verminderung der jährlichen Bruttoeinnahme der Gesellschaft um 500 000 Pfd. Sterling.
Das waren die Hauptvorschläge; einige andere von geringerer Bedeutung können hier übergangen werden. Die Regierung legte diesen Bericht dem Volksrate zur Beratung vor und dieser ernannte eine neue Kommission, um den Bericht zu prüfen und Anträge zu stellen. Nach langen Debatten über das Gutachten der Volksratskommission wurde endlich beschlossen, die Eisenbahngesellschaft müsse ihren Tarif herabsetzen bis zu einer Verminderung ihrer Einnahmen um 200 000 Pfd. Sterling, und die Regierung solle Mittel suchen, um den Minen das Dynamit billiger liefern zu können. Der Regierung glückte es dann auch, die Frachtpreise vor allem auf Kohlen und Lebensmittel herabzusetzen und das Dynamit um 5 Schilling pro Kiste den Minen billiger zu verschaffen. Außerdem wurde ein Uebereinkommen mit Portugal geschlossen, wodurch aus portugiesischem Gebiete ein starker Zuzug von Kaffernarbeitern erreicht wurde. Chamberlain beschuldigte später die Regierung, sie habe die Winke ihrer eigenen Industrie-Kommission unbeachtet gelassen.
Bei dem bereits erwähnten Konflikt zwischen richterlicher und Staatsgewalt standen Regierung und Volksrat auf der einen, eine Sektion des höchsten Gerichtshofes auf der anderen Seite. Die Streitfrage entstand so: Es war ein allgemein angenommenes Prinzip, daß Volksratsbeschlüsse Gesetzeskraft hatten, auch wenn sie Bestimmungen der Verfassung änderten. Der Höchste Gerichtshof, speziell Richter Kotzé, mit dem sich nun der Konflikt entspann, hatte in früheren Prozessen, z. B. der »Dom«-Sache, diesen Grundsatz auch anerkannt. Bei einem späteren Falle wollte er das plötzlich nicht mehr thun. Im Distrikt Krügersdorp waren gewisse Landstrecken zu Goldfeldern »proklamiert« worden, und an dem Tage, wo diese Proklamation in Kraft treten sollte, kamen Tausende zusammen, von denen jeder sich, wie es das Gesetz ursprünglich vorgesehen hatte, seine » claims« (bewaarplaatsen, Parzellen) abstecken wollte. Wer sich die »bewaarplaatsen«, soviel ein Einzelner gesetzlich haben durfte, als Erster absteckte, dem gehörten sie, natürlich gegen Entrichtung der gesetzlichen Abgaben. Da nun bei dem Andrang zu den neuen Goldfeldern bei dieser Art der Verteilung große Unordnungen zu befürchten waren und die Regierung davor auch gewarnt wurde, so beschloß sie, um nicht wieder England einen Anlaß zu einem unberechtigten Eingriff zu geben, den Volksrat zu ersuchen, er möge einen Beschluß dahingehend fassen, daß die »proklamierten« Plätze nicht, wie es das Goldgesetz wollte, durch Absteckung, sondern durch Verlosung verteilt werden sollten. So bekam jeder die gleiche Möglichkeit des Erfolges, und alle Unregelmäßigkeiten konnten vermieden werden. Ein gewisser Brown störte sich aber an diesem Volksratbeschluß nicht, sondern steckte sich an dem Tage, wo die (unterdessen zurückgezogene) Proklamierung in Kraft treten sollte, eine große Anzahl von claims ab und bot dafür die gesetzlichen Abgaben an, die aber nicht angenommen wurden. Als diese Sache nun vor den Höchsten Gerichtshof kam, der hier zuständig war, erklärte Hauptrichter Kotzé entgegen seinen früheren Entscheidungen, daß der Volksrat kein Recht habe, einen Beschluß zu fassen, durch welchen Grundsätze der Verfassung verletzt würden.
Diese Entscheidung würde das ganze Staatsgebäude der Republik über den Haufen geworfen haben, denn viele Gesetzesbestimmungen betreffs der Goldfelder, des Stimmrechtes u. s. w., beruhten auf Volksratsbeschlüssen. Die Regierung konnte sich darum unmöglich mit dieser Entscheidung zufrieden geben. Es würde eine unbeschreibliche Verwirrung entstanden sein, wenn in einem Lande, dessen Verhältnisse sich so rasch ändern, wie das in einem Goldlande naturgemäß der Fall ist, und das zudem so viel Spekulanten und Intriganten birgt, wie sie in die Südafrikanische Republik sich eindrängten: wenn hier nicht durch Volksratsbeschlüsse, wie es der Augenblick erfordert, bestimmte Interessen geschützt und Gefahren für den Staat abgewehrt werden könnten. Gegen einen solchen Beschluß konnte nach des Präsidenten – offenbar richtiger – Auffassung wohl durch das »souveräne Volk« protestiert und dadurch eine Volksabstimmung herbeigeführt werden, aber nimmermehr konnte der Gerichtshof oder der einzelne Richter das Recht haben, eine Prüfung der Volksratsbeschlüsse auf ihre Gesetzlichkeit vorzunehmen. Das bewies Krüger auch im Jahre 1898 in seiner großen Rede bei der Uebernahme der vierten Präsidentschaft (s. S. 254-261) an der Hand der Verfassung, deren Geschichte und Geist keiner besser kannte als er. Auch gleich im Jahre 1897 legte er diesen prinzipiellen Standpunkt wiederholt dar, u. a. auch bei Gelegenheit einer Rede in Bloemfontein (10. März 1897), wo er ausführte: »Wenn die Staatsbeamten den Willen des Volkes nicht ausführen, dann hat das Volk das Recht, seinem souveränen Willen Anerkennung zu verschaffen«. Diese ideal-demokratische Auffassung war der Leitstern der Politik Krügers. Nur von ihr aus kam er auch z B. über das religiöse Bedenken hinweg, ob eine »Empörung« gegen die Annexion gerechtfertigt sei. Andererseits hatte er um dieser Macht willen, die dem einzelnen Bürger nach dem Geiste der Verfassung zukam, die großen Bedenken gegen eine unbeschränkte Vermehrung der Zahl der stimmberechtigten Bürger, selbst wenn die neuen Bürger nur eine beschränkte Anzahl von Vertretern wählen konnten. Das Votum der Wähler stand nach dem Geist der Verfassung Transvaals über dem Votum der Gewählten. Das Volk als Gesamtheit war die höchste Autorität im Staate; über ihr stand nur Gott, dessen Autorität im öffentlichen Leben zu erhalten, für Krüger auch von staatsmännischem Gesichtspunkte aus das Allerwichtigste sein mußte. Denn ohne sie mußte ein so demokratischer Staat der Anarchie anheimfallen. D. H. Um ein Beispiel anzuführen: Im November 1896 sollte das in der vorigen Sitzung veränderte Goldgesetz in Kraft treten; darin kam aber ein Passus vor, der nicht ganz deutlich war, und der, wenn keine Erläuterung mit Gesetzeskraft stattfand, die bestehende Minenindustrie stark schädigen und ihre Rechte in die Hände von Spekulanten spielen konnte. Was geschah nun? Die Minenindustrie wandte sich natürlich an die Regierung und wies sie auf die Gefahr hin; Dr. Leyds kam dann in eine Sitzung des Volksrates, legte dort die Verhältnisse dar und erreichte so einen Beschluß, der die Gefahr abwandte. Das sah jedermann als den natürlichen Verlauf an. Jetzt sollte es auf einmal anders sein; das war der Konflikt. Sir Henry de Villiers, der oberste Richter der Kapkolonie, der, wie beiläufig erwähnt sein mag, die Auffassung der Regierung teilte, brachte eine Vermittlung zustande: der Richter versprach, die Beschlüsse des Volksrates zu respektieren, und der Präsident seinerseits versprach, eine Revision der Verfassung beim Volksrate zu beantragen. Kurz zuvor war außerdem bereits ein Gesetz angenommen worden, wonach in Zukunft jeder richterliche Beamte bei seiner Eidesablegung versprechen mußte, sich kein »Prüfungsrecht« (d. h. das Recht, die Gesetze auf ihre Berechtigung zu prüfen), anmaßen zu wollen. Im Februar 1898 schrieb aber der Hauptrichter Kotzé dem Präsidenten einen Brief, die ihm versprochene Verfassungsänderung sei nicht erfolgt, deshalb erachte er sich auch von seinem Versprechen entbunden und werde in Zukunft alle Beschlüsse des Volkrates an der Verfassung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin prüfen. Das war dem Präsidenten denn doch zu viel; einen Entwurf für die Verfassungsänderung hatte er noch gar nicht vorlegen können, da der Volksrat erst im Mai zusammentrat. Er gab nun dem Hauptrichter seine Entlassung. Die englische Presse schimpfte und raste, und Minister Chamberlain machte aus dieser Angelegenheit später eine »Ausländer-Beschwerde«.
Unterdessen hatte Chamberlain auch den Mann gefunden, Unterhandlungen mit der südafrikanischen Republik brauchte, Im Jahre 1897 wurde Sir Alfred Milner zum Gouverneur der Kapkolonie und Hohen Kommissar für Südafrika ernannt. Sir Milner war früher im Dienste seines Landes in Aegypten gewesen, und wenn er etwas da gelernt hatte, so war es das, die Fellahs als Wesen niederer Art zu betrachten und die Ideen, die er in Aegypten eingesogen hatte, brachte er mit nach Südafrika, wobei er sogar vergaß, daß der Afrikaner kein ägyptischer Fellah ist. Daß Chamberlain diesen Sir Alfred Milner nur in der Absicht ernannte, die Dinge in Südafrika auf die Spitze zu treiben, ist ohne allen Zweifel. Seine Ernennung wurde denn auch von den Jingos mit lautem Jubel empfangen. Grundzug und Ziel seiner Politik ergeben sich aus dem Worte, das er einem vornehmen Afrikaner gegenüber gesprochen hatte: »Die Macht des Afrikanertums muß gebrochen werden.« Dieses Werkzeug Chamberlains hat denn auch seinen Auftrag treu ausgeführt und hat heute die Genugthuung, Südafrika zu einer Wildnis gemacht und tausende Unschuldiger ihres Lebens beraubt zu haben. Sir Alfred Milner ist der Typus eines Jingos und autokratisch bis zur Unerträglichkeit und voll Verachtung für alles, was nicht englisch ist.
Als dieser Mann seine Thätigkeit begann, war die Amtszeit des Präsidenten wieder abgelaufen, und es mußten Neuwahlen stattfinden, wozu diesmal drei Kandidaten vorhanden waren: Krüger, Joubert und Schalk Burger, Mitglied des Ausführenden Rates und Vorsitzender der »Industriekommission« von 1897. Es war dies die erste Wahl, die gemäß dem neuen Gesetze mit geheimer Abstimmung stattfand.
Im Freistaate hatten unterdessen bereits Neuwahlen stattgefunden, da Präsident Reitz wegen langwieriger Krankheit sich gezwungen gesehen hatte, sein Amt niederzulegen. Richter M. T. Steijn war an seinerstatt Präsident geworden. Es ist unnötig, hier eine Schilderung dieses Mannes zu geben. Sein Heldenmut, seine Entschlossenheit und seine Vaterlandsliebe sind der ganzen Welt bekannt, und was man darüber auch schreiben möge, es ist unmöglich zu sagen, was das Herz jedes echten Afrikaners für Präsident Steijn empfindet. Es ist sicher, daß er seinem Volke allezeit im Gedächtnis bleiben wird als einer der größten und edelsten Männer, die Südafrika hervorgebracht hat. Einige Zeit nach seiner Wahl fand eine neue Konferenz zum Zwecke des engeren Zusammenschlusses beider Republiken in Bloemfontein statt. Die Notwendigkeit einer näheren Verbindung wurde auf beiden Seiten empfunden; das war vor allem die Folge des Jameson-Zuges.
Während des Aufenthaltes in Bloemfontein bei Gelegenheit eines Festessens machte Krüger den Scherz, zu sagen, die Republik müsse im Bündnisschließen vorsichtig sein, denn die Königin von England sei eine » kwaaie« (holländisch: » kwade«) Frau. Und obwohl jeder, der afrikanisch versteht und die Umstände beachtet, unter denen das Wort gesprochen ist, sofort weiß, daß damit nichts anderes gemeint sein konnte, als daß Königin Viktoria eine Dame sei, mit der man vorsichtig umgehen müsse, und die nicht mit sich spaßen lasse, so suchten die Jingo-Blätter es doch so hinzustellen, als sei die Königin schwer beleidigt worden. Natürlich war das Gegenteil davon die Wahrheit.
Engeres Bündnis mit dem Freistaate.
Die Konferenz zwischen beiden Regierungen führte zu sehr günstigen Resultaten. Man sicherte sich Gegenseitigkeit zu in der Behandlung der Bürger des Bruderstaates, so daß z. B. die Rechte, die ein Transvaaler im Freistaate genoß, auch dem Freistaater in Transvaal zufielen, jedoch sollte davon das Stimmrechtsgesetz nicht berührt werden. Außerdem aber wurde ein politisches Bündnis geschlossen und ein »Rat von Abgeordneten« (Föderations-Rat) eingesetzt, der jährlich einmal, abwechselnd in Pretoria und Bloemfontein, zusammenkommen sollte, um Vorschläge zu machen, welche zu näherer Vereinigung führen und die Gesetze beider Republiken so viel als möglich in Uebereinstimmung mit einander bringen könnten. Die Volksräte der beiden Staaten stimmten diesem Vertrage zu, aber verständigten sich jetzt dahin, daß jeder Bürger beider Republiken im Bruderstaat Bürgerrecht haben solle, sobald er dort den vorgeschriebenen Eid ablege.