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Das erste Zeichen des nahenden Sturmes waren die Vorfälle bei der Zwangsversteigerung des Wagens, den man dem Feldkornett Bezuidenhout gepfändet hatte. Die englische Regierung hatte nämlich begonnen, Steuern zu erheben und gegen diejenigen gerichtlich vorzugehen, welche ihr diese Steuern verweigerten. Unter denen, die sich weigerten, war auch Piet Bezuidenhout aus dem Potchefstroomdistrikt. Die Steuerverweigerung war eines der Mittel des passiven Widerstandes, den man nun gegenüber der englischen Regierung durchführte. Vorher hatten viele Bürger ihre Steuern bezahlt mit der Erklärung, daß sie nur unter Gewalt wichen. Als das aber von den englischen Staatsmännern so ausgelegt wurde, als ob die Bevölkerung zufrieden sei und ruhig ihre Abgaben bezahle, da verlangten die Einen eine Bescheinigung, daß sie nur unter Protest bezahlt hätten, und die Anderen weigerten sich überhaupt zu zahlen. Die Regierung ließ aber nun den Wagen Bezuidenhouts pfänden und nach Potchefstroom zur öffentlichen Versteigerung bringen. Bei dieser Versteigerung erschien Piet Cronje, der im letzten Kriege so bekannt geworden ist, mit einer Anzahl bewaffneter Buren, die den Gerichtsvollzieher mit Gewalt vom Wagen herunter holten und den Wagen selbst im Triumph nach Bezuidenhouts Farm zurückbrachten, Bezuidenhout und noch ein anderer Bürger wurden zu Krüger gesandt auf seine Farm Boekenhoutfontein im Distrikt Rustenburg, um ihn zu ersuchen, sofort nach Potchefstroom zu kommen, wo die Bürger bereit ständen, den Kampf um die Freiheit zu beginnen. Krüger kam diesem Ersuchen nach und fand die Bürger nicht weit von Potchefstroom entfernt versammelt. Hierhin sandte der Befehlshaber der englischen Truppen von Potchefstroom eine Anfrage, ob er Krüger sprechen könne, und als Krüger diese Anfrage bejahte, kam er heraus, erzählte, was bei dem Verkauf des Wagens geschehen war, und schloß mit den Worten: »Sie werden zugeben müssen, daß das offenbare Rebellion ist.« Krüger antwortete: »Ich würde Ihnen zustimmen, wenn wir die Annexion anerkannt hätten, aber das ist nicht der Fall. Wir betrachten uns nicht als Unterthanen von England, und die Steuersache ist nicht eine Privatsache Bezuidenhouts, sondern eine prinzipielle Frage, die das ganze Land angeht.«
Die »Empörer« wählen sich eine Regierung.
Infolge dieses Vorganges wurde nun von Krüger und den andren Führern auf einer Zusammenkunft des Komitees in Kaalfontein im Einverständnis mit dem Sekretär der derzeitigen Regierung über Transvaal bestimmt, daß die Volksversammlung, die nach Paardekraal auf den 8. Januar 1881 ausgeschrieben war, bereits am 8. Dezember 1880 stattfinden und dort das Volk entscheiden solle, ob eine friedliche Beseitigung der Schwierigkeiten möglich sei. Zwei Tage vor dem Termin wurde die Versammlung verboten und so die Teilnehmer zu Rebellen gemacht. Eine Masse Bürger kamen an dem bestimmten Tag hier zusammen, und nun wurde einmütig beschlossen, daß die Regierung der Republik ihr Amt wieder antreten und den Volksrat einberufen solle. Einem Triumvirat (der »Dreimannschaft«), bestehend aus Krüger als Vizepräsident, Piet Joubert als Generalkommandant Joubert wurde auf Krügers Vorschlag zu dieser Stellung gewählt, hatte sich aber lange dagegen gesträubt und erklärte, er sei kein General und fühle sich dieser Aufgabe nicht gewachsen. D. H. und Expräsident X. W. Pretorius wurden die Geschäfte der Regierung übertragen. Diese Dreimannschaft erließ eine Proklamation, worin sie das gute Recht der Republik an der Hand der Geschichte nachwies und die Wiederherstellung der Regierung der Südafrikanischen Republik allgemein bekannt machte.
Diese Proklamation mußte nun gedruckt werden, und zu dem Zwecke sandte man Kommandant Piet Joubert mit ungefähr 400 Mann nach Potchefstroom, während die Regierung nach Heidelberg zog, das vorläufig zum Sitz der Regierung ausersehen war. Heidelberg konnte mit leichter Mühe in Besitz genommen werden, da dort keine englische Besatzung lag und darum der Landdrost sein Bureau, wenn auch unter Protest, sofort übergeben mußte. Inzwischen war auch Cronje in Potchefstroom angekommen und hatte Vorkehrungen getroffen, daß die Proklamation gedruckt werden konnte. Hierbei fiel dann der erste Schuß, welcher den Krieg eröffnete. Die englische Besatzung feuerte auf eine Bürgerwache, die in den Straßen postiert war. Eine Kugel traf den Bürger Frans Robertse von der Farm Wijsfontein im Distrikt Rustenburg und durchbohrte ihm den Arm. Noch einmal sandten die Mitglieder der neu gewählten Regentschaft ein Ersuchen an den Vertreter der englischen Regierung, den Gouverneur von Transvaal, und appellierten an den »Edelmut der edlen britischen Nation«, um in friedlicher Weise das Land zurückzubekommen. Die Antwort war die Kommandierung der vorhandenen Truppen zur Dämpfung des »Aufstandes«.
Es soll hier keine Geschichte des Freiheitskampfes gegeben werden, die bereits bis in die kleinsten Einzelheiten bekannt ist. Es sei nur darauf verwiesen, daß bei der geringen Anzahl von Leuten, welche die Buren aufbieten konnten – im ganzen etwa 7000 Mann – mit der größten Vorsicht zu Werke gegangen werden mußte. Der Plan ging darum dahin, alle Dörfer, in denen die Engländer eine Besatzung hatten, einzuschließen, um ihnen alle Verbindungen abzuschneiden, und die übrigen Bürger an die Grenze von Natal zu schicken, um dort die heranrückenden Verstärkungen des Feindes auszuhalten. Eine andere Schwierigkeit war der Mangel an Munition; es kamen bei Beginn des Krieges auf den Mann ungefähr 15 Patronen, sodaß man auch damals gerade wie in der späteren Phase des gegenwärtigen Krieges von dem Feind erst Munition erbeuten mußte, um ihn mit seiner eigenen Munition beschießen zu können. Unter diesen Umständen wäre unser Unternehmen eine Thorheit gewesen, zumal auch Kaffern gegen uns aufgeboten wurden, wenn nicht Gott unsere Herzen bearbeitet hätte, daß wir mutig der großen Uebermacht entgegen gingen.
Der »Verrat« von Bronkhorstspruit.
Nur bei einem Gefecht dieses Krieges soll einen Augenblick verweilt werden, und zwar aus bestimmten Gründen. Es ist dies das Gefecht von Bronkhorstspruit. Es kam hier zum Zusammenstoß mit dem 94. Regiment, das von Lydenburg aus auf dem Wege nach Pretoria war. Die Burenführer, die von seinem Herannahen Meldung bekommen hatten, sandten ihm Kommandant Franz Joubert mit ungefähr 150 Mann entgegen. Als die beiderseitigen Streitkräfte aufeinanderstießen, sandte Joubert eine Meldung an den englischen Befehlshaber Kolonel Anstruther und ersuchte ihn, nach Lydenburg zurückzukehren, in welchem Falle kein Angriff stattfinden würde. Der Mann, der die Botschaft überbrachte, war der Bürger Paul de Beer, der gut englisch sprach. Anstruthers Antwort lautete kurz: »Ich bin auf dem Wege nach Pretoria, und ich gehe nach Pretoria.« Natürlich blieb nun Joubert und den Seinen nichts anderes übrig, als die Engländer anzugreifen. Der Schauplatz des Gefechtes war ein kahler Hügel, auf dem einzelne Dornenbäume standen. Die Engländer nahmen Stellung in einem Hohlweg, während die Bürger über offenes Terrain anstürmen mußten. Das Gefecht dauerte nur ein paar Minuten. Ungefähr 230 Engländer waren tot oder verwundet, die übrigen ergaben sich. Kolonel Anstruther, der selbst tätlich verwundet war, ließ Kommandant Joubert zu sich rufen, sagte ihm, daß er sich ehrlich besiegt erkläre, und ersuchte ihn, seinen Degen von ihm als Geschenk anzunehmen. Einige Minuten darnach war er tot. Wir würden diese Einzelheiten nicht erwähnt haben, trotz der früher schon mehrfach erhobenen lügnerischen Beschuldigungen, daß die Engländer hier in verräterischer Weise überfallen worden seien, wenn nicht Feldmarschall Roberts, Earl of Waterford, Kandahaar und Pretoria, diese gemeine Lüge der Vergessenheit entrissen hätte, indem er, als er im Laufe des letzten Krieges bei Bronkhorstspruit ankam, nach England telegraphierte, er befände sich jetzt auf dem Schauplatz, wo eine britische Streitmacht im Jahre 1881 in verräterischer Weise dezimiert worden sei. Doch das beweist bloß, welch' ein richtiger, echter Engländer Lord Roberts ist.
Amajuba.
Der Streit wurde überall in der Republik fortgesetzt unter der tüchtigen Leitung des verstorbenen Generals Joubert, der damals in der Kraft seiner Jahre stand und sein Feldherrntalent in glänzender Weise bewies, mit einem Erfolg für die Buren, der allgemeines Erstaunen erregte. Neben Joubert standen andere tüchtige Männer als Leiter des Krieges, so General Smit und Kommandant Piet Cronje, welch' letzterer auch in diesem Kriege durch seinen heldenmütigen Widerstand bei Paardekraal berühmt geworden ist. Der Feldzug erreichte seinen Höhepunkt in der Schlacht am Amajuba am 27. Februar 1881.
Während des Krieges blieb Krüger meistens bei der Regierung in Heidelberg, machte aber auch verschiedene Reisen zu den Kommandos, so nach Potchefstroom, in die Drakensberge und nach Standerton, um die Bürger an den verschiedenen Orten zur Ausdauer zu ermahnen. Ebenso begab er sich auch nach Rustenburg, um dort den Bürgern, welche die englische Besatzung belagerten, zuzusprechen. Hier vernahm er, daß die Kaffern des Häuptlings Magatos, der dicht bei Rustenburg wohnte, eine drohende Haltung angenommen hätten, und begab sich sofort mit sieben Mann, darunter seinem Sohn Piet Krüger, dahin.
Bei dem Häuptling Magato.
In Magatos Stadt angekommen, fand Krüger die Bewaffneten bei Tausenden zusammengeschart in ihren Strohhäusern, sicherlich in keiner guten Absicht. Er ging nun direkt auf das Haus von Magato zu und redete ihn also an: »Warum habt Ihr den Engländern nach ihrem Lager in Rustenburg Proviant geliefert, obwohl ich Euch bereits früher geboten habe, Euch in diesem Krieg völlig neutral zu halten, da es ein Krieg zwischen Weißen ist?« Magato antwortete: »Ich habe von den Engländern einen Bericht empfangen, daß sie bereits Heidelberg eingenommen hätten und im Anmarsch hierher wären, und wenn ich ihren Befehlen nicht Folge leiste, würden sie kommen und mich strafen.« Krüger erwiderte ihm darauf: »Wenn Du denn nicht auf mich hören willst, dann muß ich Dich vor den Kriegsrat bringen«, und faßte ihn dabei an der Hand. Während Krüger noch so drohend mit dem Häuptling sprach, stürmten die Kaffern von allen Seiten mit Beilen, Assegayen und Gewehren in die Wohnung des Häuptlings. Aber einer von Krügers Leuten, Piet van der Walt, stellte sich mit seinem Gewehr neben Magato und drohte, ihn niederzuschießen, wenn Krüger das geringste Leid geschähe. Magato, der nun sah, daß sein Leben auf dem Spiele stand, gab seinen Kapitänen Befehl, die Kaffern auseinander zu treiben. Die Kapitäne mußten Stöcke und Knüppel nehmen und zwischen die Leute schlagen, ehe es gelang, sie zu zerstreuen. Als sich der Lärm einigermaßen gelegt hatte, sagte Krüger zu Magato: »Ruft Eure Kaffern wieder zusammen, ich will ihnen meine Anweisungen geben.« Magato weigerte sich erst, da Krüger ja ihm sagen könne, was er wolle. Aber Krüger sagte: »Nein, ich will zu Deinem Volke selbst sprechen.« Nun wurden dann die Kaffern gerufen und kamen unbewaffnet und angstvoll näher. Krüger sprach sie an, tadelte ihr schlechtes Verhalten und ermahnte sie, sich in der Folge ruhig zu halten, denn »Kaffern haben mit diesem Krieg nichts zu thun«. Darnach sprach er noch längere Zeit mit Magato, wies ihn hin auf das Tadelnswerte seiner Handlungsweise und brachte ihn schließlich so weit, daß er versprach, neutral zu bleiben und weder den Buren noch den Engländern zu helfen oder entgegen zu arbeiten. Da Krüger nach Heidelberg zurück mußte, bat er Magato, ihm ein paar Pferde zur Verfügung zu stellen. Magato gab ihm darauf einen Wink, mit ihm ins Zimmer zu kommen und sagte ihm dort allein: »Ich kann Dir keine Pferde geben, sonst wissen es morgen die Engländer und bedrohen mich dafür. Wiederhole aber in Gegenwart meiner Kaffern Dein Ersuchen, dann werde ich es Dir abschlagen, und Du mußt dann sagen: ›Gut, dann werde ich sie mir mit Gewalt nehmen, wenn Du sie mir nicht gutwillig gibst.‹ Darauf werde ich in meinem Herzen sprechen: ›Es ist gut!‹ aber mit meinem Munde werde ich es Dir abschlagen.« So wurde es denn auch gemacht, und Krüger bekam zwei tüchtige Pferde für seine Rückreise nach Heidelberg.
Ungefähr in dieser Zeit war es auch, daß ein Bote kam, der Krüger aufforderte, nach der Natalgrenze zu kommen, da die Engländer um Waffenstillstand nachgesucht hätten, um über den Frieden zu unterhandeln. Sofort beeilte sich Krüger, nach dem angegebenen Punkte abzureisen, aber es war eine sehr mühsame Reise. Wegen der starken Regengüsse waren die Wege kaum zu begehen, und große Umwege mußten gemacht werden, um den Plätzen auszuweichen, welche in englischem Besitz waren. Der Waffenstillstand sollte am März ablaufen. Aber bis dahin war es für Krüger unmöglich, nach dem Platze seiner Bestimmung (Laingsnek in Natal) zu kommen. General Joubert hatte inzwischen im Hinblick auf die Verzögerung der Reise eine viertägige Verlängerung des Waffenstillstandes erbeten. Krüger wurde mit seinen Begleitern Pretorius, Dr. Jorissen und Maré von den Bürgern begeistert empfangen. Eine Zusammenkunft zwischen den Abgeordneten der Buren und dem Hohen Kommissar Sir Evelyn Wood, dem Vertreter des Britischen Reiches, fand bald darauf halbwegs zwischen beiden Lagern statt. Sir Evelyn Wood hatte während des Waffenstillstandes von dem britischen Kolonialminister Instruktionen empfangen, welche die Grundlage für die Unterhandlungen bilden sollten. Das war:
1. Amnestie für alle Burenführer.
2. Berechtigung der Buren, von ihrer Seite Unterhändler zu den Friedensverhandlungen zu bevollmächtigen.
3. Ernennung einer königlichen Kommission zur Untersuchung aller Streitfragen und zur Landesübergabe.
4. Selbstregierung unter britischer Suzeränität.
5. Aufnahme eines britischen Residenten in Pretoria.
6. Stellung der auswärtigen Politik der Südafrikanischen Republik unter englische Aufsicht.
Präsident Brand vom Freistaate sollte auch bei den Verhandlungen gegenwärtig sein, um eine Verständigung herbeizuführen. Die Zusammensetzung der sogenannten königlichen Kommission gab zu vielen Debatten Anlaß. Die englische Regierung wollte nur ausschließlich englische Unterthanen hineinberufen mit Ausnahme von Brand, der für beide Parteien Sitz darin haben sollte. Die Burenführer dagegen verlangten eine gemischte Kommission, die sich aus beiden Parteien zusammensetze. Ferner wollte die englische Regierung gleich von vornherein einen Teil der Republik, nämlich die Distrikte Wakkersstroom und Utrecht, für sich behalten. Gerade aber das wollten Krüger und die anderen Führer auf keinen Fall zulassen. Nach langen Verhandlungen frug Sir Evelyn Wood: »Wenn wir nun in diesem Punkt nicht nachgeben, werdet Ihr dann weiter kämpfen?« Darauf antwortete Krüger: »Das ist eine unbillige Frage. Wenn wir nicht nachgeben wollen, werdet Ihr dann weiter kämpfen?« Wood antwortete: »Ja,« worauf Krüger seinen Hut nahm, aufstand und sagte: »Dann brauchen wir ja nicht weiter zu unterhandeln.« Nun faßte Wood Krüger am Arm und sprach: »Nein, kommen Sie wieder, Sie müssen nicht so eilig sein.« General Smit war schon so weit gekommen, daß er sagte: »Es wird wohl das beste sein, wenn das Schwert entscheidet.«
Eine andere Schwierigkeit war die Frage der Zurückziehung Ihrer Majestät Truppen aus der Republik und die Verproviantierung der englischen Besatzung in den Dörfern während der Verhandlungen. Es schien einen Augenblick, als ob daran die Unterhandlungen scheitern würden, und das war der Augenblick, wo Dr. Jorissen im Auftrage Krügers seine sogenannte dritte Proklamation Abgedruckt in Dr. Jorissens Transvaalsche Herinneringen 1897 D. H. verfaßte. Diese dritte Proklamation ließ Krüger auch Präsident Brand, der gerade jetzt angekommen war, vorlesen, und dieser gab sich alle Mühe, ihn zu bewegen, von der Veröffentlichung des Stückes Abstand zu nehmen und die Verhandlungen fortzusetzen. Das geschah denn auch und zwar im Hause O'Neills. Es kostete viel Mühe, in den verschiedenen Punkten Einigkeit zu erzielen. Wood versuchte alle Mittel, sich den mündlich gegebenen Zusicherungen zu entziehen, und als der Waffenstillstand zur Fortsetzung der Verhandlungen aufs neue verlängert werden mußte, benutzte er die Gelegenheit, wo Krüger mit General Joubert und Dr. Jorissen im Gespräche war, um einfach einer Ordonnanz den Auftrag zu geben und dem Lager aus eigener Vollmacht mitzuteilen, daß der Waffenstillstand weiter ginge. Aber Krüger hatte das gemerkt und fragte: »Wo geht der Mann hin?« und sobald er dessen Absicht erfahren hatte, sagte er zu einem Adjutanten von Wood auf englisch: »Stop that man«, ging in das Zimmer und erklärte General Wood, er verlange von ihm als ehrlichem Manne, daß er das Uebereinkommen mit den Punkten, über die man sich verständigt habe, unterzeichne. Das Dokument lag auf dem Tisch, aber Wood wollte nicht unterzeichnen. Erst als Krüger rief: »Bürger, aufsatteln«, und Wood sah, daß weitere Ausflüchte unmöglich seien, gab er nach und unterzeichnete. Darauf konnte dann auch die Ordonnanz mit der Meldung von der Verlängerung des Waffenstillstandes abgehen.
Englischer Hochmut.
Als das vorläufige Friedensprotokoll unterzeichnet war, wollten die englischen Offiziere den Erfolg der Buren herabsetzen und ihnen ein Geständnis erpressen, daß sie furchtbare Verluste gehabt und deshalb den Widerstand gar nicht hätten fortsetzen können. »Wie viel Tote habt ihr denn gehabt auf dem Nek«, fragte einer von ihnen zuversichtlich Joubert. »Ich persönlich hatte 1, erwiderte dieser, dazu auch 1 Verwundeten.« Der Offizier lachte und wollte mit eigenen Augen mehrere Tote gesehen haben. »Gut«, rief Joubert in höchster Entrüstung, »graben Sie einen davon aus und bringen Sie ihn her, ich will ihn mit Haut und Haaren auffressen.« Ein Pfarrer aus Newkastle dagegen sprach Krüger die Hochachtung vor den Buren aus und bewunderte ihre Tapferkeit. Die Offiziere, die dabei standen, erzählten unterdessen, daß die englischen Truppen sehr tapfer gekämpft und viele Buren niedergeschossen hätten, bis ihnen die Munition ausgegangen sei; da hätten sie natürlich den Kampf aufgeben müssen. »Unsere Leute lassen sich eher tot schießen, als daß sie eine Patrone ausliefern.« Krüger sagte nichts darauf, wandte sich aber wieder zu dem Pfarrer und sagte: »Wenn Sie zu Ihrer Maj. kommen, sagen Sie auch, daß Sie ihren Soldaten eine besondere Belohnung geben muß für die Sorgfalt, mit der sie ihre Munitionsvorräte bewacht haben; wir fanden sie aus dem Berge noch säuberlich verpackt auf den Lasteseln.« Wood selbst stellte ähnliche Fragen. Unter anderem fragte er: »Was sollten die 200 Mann, die Ihr nach den Biggarsbergen sandtet?« »Wir hatten gehört, daß Ihr mit 12 000 Mann dorthin im Anmarsch wäret.« »Und da sandtet Ihr 200?« »Ja, wir hatten nicht mehr, aber ich habe gesehen, daß es genug waren.«
In dem Uebereinkommen, welches Krüger und Joubert und namens des Volkes der Südafrikanischen Republik unterzeichneten, wurde zugesichert: vollkommen freie Selbstregierung unter britischer Suzeränität gegen Aufnahme eines britischen Residenten in Pretoria und Rückgabe des während des Krieges in Beschlag genommenen britischen Eigentums. Der Punkt, der beinahe zum Abbruch der Verhandlungen geführt hätte, nämlich die Frage der Gebietsabgabe, wurde der königlichen Kommission zur Erledigung überlassen. Wood verpachtete sich namens der britischen Regierung, die Positionen bei Laingsnek nicht zu besetzen, wenn sie die Buren aufgäben, und auch keine Truppen oder Munition nach Transvaal zu schaffen. Die königliche Kommission sollte außerdem innerhalb 6 Monaten alle schwebenden Angelegenheiten erledigen, den Friedensvertrag feststellen und dann das Land an die Buren zurückgeben. Diese Kommission, die bald darauf zusammentrat, bestand aus Sir Hercules Robinson, dem neuernannten Hohen Kommissar, Sir Henry de Villiers, dem obersten Richter der Kapkolonie, und Sir Evelyn Wood. Sie brachten einen Friedensentwurf zu Stande, der unter dem Namen der Pretoriakonvention von 1881 bekannt ist. Im Volksrat, der zusammen berufen wurde, um diese Konvention zu genehmigen, erlebte man lange und heftige Diskussionen. Krüger hatte in einer 5 Monate vorher stattgehabten außerordentlichen Sitzung Englands Großmut gerühmt, sein volles Vertrauen zu der Kommission ausgesprochen und die Versöhnung mit England als die Grundlage eines glücklichen Staatswesens bezeichnet, um so die Bürger zu beschwichtigen. Aber auch er sah sich jetzt zu einem Proteste gegen einige Artikel der Kommission genötigt und beschwerte sich telegraphisch, aber vergeblich, bei Gladstone darüber, daß mehrere Bestimmungen des Vertrages das Gegenteil von dem enthielten, was mündlich feierlich gesagt worden war. Der Vertrag wurde schließlich nur angenommen mit der Erklärung, daß man sich nur der Gewalt füge; daß man bei dieser gezwungenen Annahme darauf vertraue, daß die englische Regierung sich bereit finden lassen werde, die Konvention zu verändern und die Punkte, die ihn für den Volksrat unannehmbar machten, vor allem die Auslegung der Suzeränität und ungerechten Gebietsverkürzungen, zu beseitigen. Dieser Protest ist der Ausgangspunkt der Reise nach London im Jahre 1883 und der Verhandlungen wegen Aushebung der Suzeränität 1884. D. H.
Einer dieser Punkte, der die Bürger kränkte, war der, daß die Republik an Stelle des Namens »Südafrikanische Republik« den eines »Transvaalstaates« erhielt. Den Namen »Südafrikanische Republik« hat unser Staat erst wieder durch die Londoner Convention von 1884 zurückbekommen. Aber auch in der Zwischenzeit hatte Krüger die Gewohnheit, in seinem amtlichen Verkehr mit dem Britischen Residenten immer von der »Südafrikanischen Republik« zu sprechen. Eines Tages kam dieser deshalb zu Krüger, um sich darüber zu beschweren, indem er sagte, der Name sei »Transvaalstaat« und nicht »Südafrikanische Republik«. »Und womit wollen Sie das beweisen?« fragte Krüger. »Womit?« antwortete Hudson, »nun mit der Konvention, darin steht deutlich: ›Transvaalstaat‹.« Darauf Krüger: »Nun gut, wenn ich Ihnen eine Farm verkaufe, und ich schreibe in den Kaufbrief: ›Ich, Paul Krüger, hiernach genannt der Verkäufer, verkauft an u. s. w., würde ich dann in der Folge nicht mehr Paul Krüger, sondern Verkäufer heißen? So auch hier. In der Konvention, also bei Abschließung eines bestimmten Aktes, wird die Republik ›Transvaalstaat‹ genannt, aber darum ist das doch nicht ihr wirklicher Name, sondern nur ihre Bezeichnung. Ihr wirklicher Name ist und bleibt ›Südafrikanische Republik‹.« Nun lachte Sir Hudson und sagte: »Gut, dann sagen Sie halt so, wenn Sie so wollen, aber nehmen Sie es mir auch nicht übel, wenn ich mich an den Namen ›Transvaalstaat‹ halte.«
Bereits am 8. August, noch ehe der Volksrat zusammen getreten war, war das Land in aller Form zurückgegeben und feierlich die teure »Vierkleur« (vierfarbiges Banner) von Transvaal wieder gehißt worden.