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4

Bevor sich der Weg zu dem freien Platz vor dem Haupthause der Kanzlei weitet, führt er an einer Gartenhecke vorüber. An dem großen Tag war sie von wilden Rosen übersät, und die Luft des Blumenduftes voll.

Vor dem Hause stattliche Bäume, eine alte Ulme, prächtige Buchen, eine sich breit und rund nach allen Seiten reckende Doppelbuche darunter, die für viel Vogelvolk und seine Liebesabenteuer Platz zu haben behauptete, am Kellerflügel junge, frech und froh über die Hausfirst lugende Linden, ihnen gegenüber eine alte, ausgehöhlte, die es heuer nur noch zu wenigen Trieben gebracht hatte: Abendleuchten, ergebenes Lächeln einer auf immer vom Licht Abschied nehmen Wollenden.

Ein schöner Frühlingstag. Das Laub hatte noch den weichen, flaumigen Glanz, durch die weichen Poren stäubte die Sonne ihr Gold, daß es wie schimmernde Märchen bei flimmernden Schatten am Boden lag. Und die Vogelwelt noch weniger von Nahrungs- und Familiensorgen als von Liebesnot beschwert, richtiger: von Liebeslust gehoben, wie die Bäume und der durch ihr Gehäuse rauschende vielstimmige Gesang behaupteten.

Aber wer achtete viel auf das, was in den Zweigen geschah, als er wirklich angebrochen war, der große Tag, der Tag der Ankunft des Sohnes vom Hause, des Kandidaten Harro Horsten? Er kam vom Bahnhof des Städtchens, von Bartel Boie-Horsten, dem angenommenen Erben der Kanzlei, im Staatswagen des Hofes empfangen. Die Buchen und Linden sahen ihn gleich, als das Gefährt aus dem Sandtal der hohen Lieth hervorgekrochen kam.

Der Alte stand in seiner Stube am Fenster und sah zu dem Laubdach hinauf, er begriff und teilte den jubilierenden Mut. Und dankte dem Himmel, der, wie ihm deuchte, noch niemals so hoch und so blau gewesen war. Dem Himmel und dem Herrn des Himmels dankte er, daß er würdig befunden war, einen Tag zu erleben wie diesen. Nicht oft hatte er ungetrübte Stunden des Glücks, das konnte er auch nicht verlangen, die Erde war, nach Gottes Ratschluß, ein Jammertal. Um so freudiger durfte er die kargen Augenblicke der Wonne entgegennehmen.

Als man ihm meldete, daß der Wagen herankomme, ging er, was er sonst nie tat, auch nicht bei Besuch hoher Regierungsbeamten, seinem Sohn bis vor die Tür entgegen.

Denn es nahte jemand, der bald ein Gesalbter des Herrn sein wird. Es war nicht Hans Horstens Rasiertag, und doch hatte er sich so glatt gemacht wie möglich, er hatte Sonntagszeug angelegt und frische Wäsche. Und von allen seinen Pfeifen hatte er die von seinem Vater ererbte genommen, die mit dem langen Rohr und mit den auf dem Kopf abgebildeten Zeichen der Landwirtschaft: Pflug und Garbe und Sense.

Gemächlich rauchend trat er vor die Tür, freilich nicht weiter als unter das Vordach des Hauses. Die Tür war nach innen gerückt und dadurch ein Raum unter der Balkenlage des Hauses entstanden, eine Art Laube, zu der ein großer, flacher Findling den Fußboden hergab.

Auf dem Findling blieb Hans Horsten stehen, rauchend, Sonnenglanz im ernsten Gesicht, ein richtiger königlicher, ein unabhängiger Bauer der Marsch. Seine Stirn war hoch und breit, schien aber enger und faltiger als sie war, weil er öfters die Brauen über den Augen zusammenzog.

Nun bog der Wagen in die Hofpforte, Bartel im ersten Jünglingsflaum auf dem Bock, die Zügel in der Hand. In dem aufgeschlagenen Gefährt saß aber nicht einer, da saßen zwei Männer. Der eine winkte lebhaft mit seinem grauen Hut, das war er, das war Harro, der andere tat es gesetzter mit dunkler Kopfbedeckung. Der andere? Wer war der andere?

Und als der Wagen unter der Ulme hielt, sprang der junge, städtische Herr mit dem grauen Hut rasch heraus, er, der geprüfte Kandidat. Er sah gut aus, das Haar nicht mehr so gewellt wie vor Jahren, unter den Frisierkünsten der Großstädter ein wenig gelichtet und gebändigt, aber doch noch immer von bräunlichem Glanz. Sein Auge hell und strahlend und doch nicht ohne Ernst, ein buschiger, entschlossener, willig zwirbelnder Schnurrbart.

So umarmte er seinen Vater.

Des Vaters erster Gedanke war: grauer Hut? ›Ein dunkler hätte sich mehr geschickt.‹ Sein zweiter: Schnurrbart? ›Vor der Priesterweihe muß er fallen.‹

Der Alte fand nicht viel Worte; und wenn er schmunzelnd hervorstieß: »Junge, du mußt viel Geld haben, so lange Depeschen«, dann ergab schon der Ton, daß das Verlegenheitsware sei, dahergeredet, um etwas zu sagen.

Auf der Kanzlei fand man überhaupt nicht viel Worte. Auch die kleine, runde Frau Dahm, die sich jetzt an den Sohn des Hauses herandrängte, fand sie nicht. Sie ergriff ihn an beiden Händen und erhielt einen Schmatz auf die Backe. Über diese gegen alle Ortssitte verstoßende Begrüßung war sie so erschrocken, daß sie rief: »Aber Harro!« und über und über rot wurde. Rasch setzte sie hinzu: »Siehst aber braun und gesund aus!«

Der zweite Wagengast hatte sich beiseite gehalten, nun wurde er vorgestellt: »Herr Rank – ein Sohn von Doktor Rank. Den kennst du ja, Papa.«

Hans Horsten überkam ein eigentümliches Gefühl. Ein Sohn des Gottesleugners? Und unwillkürlich dachte er an das, was über seinem Haupt am Türbogen der Kanzlei geschrieben stand: »O, möchte nie in diesen Wänden ein ruchlos Wort den Herrgott schänden!« Da setzte Harro, als wenn er seines Vaters Gedanken errate, hinzu: »Mein Freund ist ein geprüfter, auch schon ordinierter Theologe und wird in den nächsten Wochen ein Pfarramt in Thüringen übernehmen.«

Das für einen Augenblick verdunkelt gewesene Angesicht des Wirts erhellte sich. ›Ein gutes Reis aus wilderndem Stamm‹, dachte er und hieß den jungen Theologen willkommen. Der sah ihn vertrauensvoll an, jeden nicht auf Friede und Freundschaft beruhenden Gedanken rückhaltlos ausschließend – ein prächtiges Jünglingsgesicht, mit einer von Gutmütigkeit strahlenden Stirn, treuherzige, stahlblaue Augen.

Er bitte, ein paar Stunden verweilen zu dürfen, gegen Abend mache er den kurzen Weg zur Stadt nach seinem Alten. – »Zu Fuß?« Das wollte Hans Horsten nicht zugeben, wozu hielt er seine Wagen? Das lehnte wieder der junge Theologe ab, und es entstand ein einstweilen unentschieden bleibender Widerstreit der guten Absichten.

Frau Dahm war nach der Küche gerufen worden, die Männer standen noch eine Zeitlang unter den Bäumen im Weg. Knechte waren gekommen, hatten sich des Gespannes angenommen, ein Mädchen den Koffer des Haussohnes weggetragen – nun gingen der Alte und der Junge und der Besuch und der Pflegesohn Bartel Boie-Horsten zusammen ins Haus.

Ein schöner Tag. Die Überröcke, die man über dem Arm getragen hatte, wurden abgelegt und der Reisestaub abgeschüttelt. Der junge Rank erhielt eine Stube zu ebener Erde, Harro lief die Bodentreppe hinauf, er kannte seinen Unterschlupf. Dann machten alle mit dem so lange verlaufen gewesenen Jungen der Kanzlei einen Rundgang durch die Stuben.

Die Wohnzimmer hatten immer mit Holz getäfelte Wände gehabt; das war geblieben. Als Harro weggegangen, waren sie lilafarben, jetzt aber dunkelrotbraun gestrichen. Das stimmte besser und weicher zu dem Baumschatten, der überall ins Fenster nickte. Die Holzdecke hatte einer feuersicheren Lehmdecke Platz gemacht. Die Räume waren dadurch zwar niedriger, aber gerade deshalb trauter und heimischer geworden.

Aber jammerschade war es, daß der von dem alten Maler Gehlsen (er war zwar nur Anstreicher gewesen, hatte aber künstlerische Anwandlungen und Anlagen gehabt), schade, daß der von Gehlsen rund um Decken und Balken geführte Blätter- und Blumenfries überpinselt worden war. Was Gehlsen da geleistet hatte, war weit über das Handwerksmäßige hinausgegangen; die Finken, die Stieglitze und Bachstelzen, auf die Zweiglein gesetzt, hatten viel Leben gezeigt, das schlummerte nun alles unter dem rotbraunen Pinsel.

Aber der Beilegeofen in der großen Wohnstube war noch da, er gab dem Heimatsgefühl den rechten Ton. Harro erinnerte sich der Zeit, wo er seine Größe an dem biederen Wärmespender gemessen und mit der Spitze seines Langfingers gut bis zur Platte hatte reichen können – der Ofen war beinahe vier Fuß hoch. Die blauen biblischen Fliesen waren auch noch die alten.

Harro sprach eine kleine Abhandlung über die Vortrefflichkeit der Beilegeöfen. Kein Rauch, keine Kohle, kein Ofenstaub verunreinigt die Luft. Das heiligt den Raum und erzeugt die Stimmung, die wir die poetische nennen.

Und, weil er einmal im Zuge war, redete er weiter über die betrübende Erscheinung, daß die Bauern sich mit dem Talmigold eines außer Kurs gekommenen städtischen Geschmacks behängen, während die Städter in der Wiedererweckung der alten, ländlichen Umgebung ihr Genüge zu finden hoffen. Und hier wie dort die letzte treibende Kraft Hunger nach Poesie, nach Erlösung aus der Tretmühle des Alltags, und sei es auch nur für ein paar Augenblicke der Sammlung.

Und dann ging es zur ›Achterstub‹. Diese Hinterstube war für Harro je und je Schlupfwinkel und Zuflucht gewesen, wenn ihn der Lärm der Wirtschaft zu sehr bedrängt hatte. Er war auch wie kein anderer zur Ruhe, zum, wie der Bauer sich ausdrückt, zum ›Besehen des Inwendigen‹ geschaffen, verstärkt durch den Genuß einer Zigarre oder Pfeife.

Hier hatte der Alte einen Fliesenofen gesetzt, hatte nicht Kosten und Mühe gescheut, einen besonderen Heizungsraum dem Flügel anzubauen, nur um den Beileger zu ermöglichen und die Stube selbst über den Unrat des Heizungsgeschäfts emporzuheben. Das machte dem Sohn die Heimat doppelt lieb und wert. »Wer die behalten könnte!« seufzte er.

Nach diesem Ausruf warf der Alte lächelnd hin: »Ich glaube, lange dauerts nicht mehr, und Pastor Rau ist des Amtes müde. Und wenn doch ein Neuer kommen muß, sehe ich nicht ein, weshalb er nicht Harro Horsten heißen soll.« Harro antwortete nicht darauf, ein Schatten flog über sein Gesicht. Er ging nach der Vorderstube zurück und studierte die blauen Fliesen beim Ofen.

»Sind ja lauter biblische Geschichten«, sagte er. »Was ich mir aber dabei gedacht hatte, bevor ich bibelkundig war, ist geradezu komisch. Hier die Himmelfahrt: da hielt ich die verklärte, die Erde unter den Füßen verlierende Erlösergestalt für den Knecht Ferdinand Bock, der im Hochspringen den Dorfpreis gewann. Und hier Lots Weib, das als Salzsäule erstarrt, auf dem Hintergrund der brennenden Städte: Frau Lot hielt ich für einen Wegweiserpfahl, dem die Arme fehlten; die Flammen waren nach meinem Dafürhalten wehende Weiden. Und hier Christus mit der Samariterin am Brunnen: das war der ›Stutenträger‹ Denker, von dem die Hausfrau Brot kauft; die Brunneneinfassung war Denkers Weidenkiepe.«

Und dann ging es nach den sogenannten besten Stuben, und überall lächelten Erinnerungen und Heimweh den Wiedergekommenen an. Meistens waren die Räume unbenutzt und abgeschlossen, verschlafen verdämmerten sie mit ihren weißen Gardinen, mit den blanken Mahogonimöbeln Morgen und Abend und Tag und Nacht. Um so glänzender, im Gedächtnis sich tief eingrabend, waren, als Harro noch jung war, die Tage der Feste und Besuche, wo ein Lüften und Ausstäuben vorherging, daß die Bilder an den Wänden sich anschauten und zunickten und einander fragten, was nun wohl komme. Und jetzt sahen sie Harro dreist mit ihren Mienen an: ›Weißt du noch?‹ Und er wußte noch manches, aber so wie die Alltagsräume und die Alltagsbilder waren sie doch nicht mit ihm bekannt.

Bis zum Essen war noch eine kleine Stunde, Zeit genug, auch die Wirtschaftsgebäude zu besuchen.

Wie prächtig hatten ehemals die Strohdächer des alten Kuhhauses und der darangebaute Stallflügel zu der lang und wundervoll mitnehmend hingestreckten Reihe der Wohn- und Kellerräume gestimmt! Wie hatten ihre Giebel klug ins Weite geschaut, wie tief und breit die Dächer herabgesenkt ... alles beieinander, behaglich, gesammelt, hinter Bäumen gelagert. Und nun? Das alte Kuhhaus und der Stall waren verschwunden. Daß sie entfernt, war nicht zu verwundern, denn sie waren zu alt gewesen, ganz unzweckmäßig und bei Brandfällen hoffnungslos. Aber was stand an ihrer Stelle!?

Kuhhaus und Heustall hatten weißgelbe Ziegelsteinwände gehabt, der Neubau war dagegen aus roten Steinen aufgeführt. Das wollte nicht zur Farbe der anderen Wände stimmen und trat anspruchsvoller auf. Praktisch freilich war das neue Haus, das war außer Frage. Es hatte hohe Mauern, feuerfeste Decken, war luftig, geräumig, breit, der Bodenraum nahm eine Menge Futterstoff auf. Und doch war es für Harro ein Schmerz, zu sehen, wie es sich breit und prosaisch mit Kniestock und Pappdach in den Zusammenklang der sonst so stimmungsvollen Gruppe der Dächer und Wände hineinschob.

Es kostete viel Mühe, dem Alten dafür die Augen zu öffnen, zuletzt aber gelang es. »Die roten Wände müssen mit Efeu oder wildem Wein oder Jelängerjelieber umsponnen werden«, sagte Harro, »und das Pappdach muß, um den Schattenriß des Hofes aus der Weite gesehen gegen den Horizont edler zu gestalten, noch mehr durch Bäume verdeckt werden. In der Nahe wirkt es ja ohnehin nicht so empörend, weil man bei der Bauart nicht zu viel davon sieht; da ist die Bekleidung der Wände mit Grün die Hauptsache. Glücklicherweise verdeckt die hohe, zwischen den Wohnflügeln und Stall aufgeführte Mauer das ärgste Unglück.«

Das alles paßte dem Alten nicht recht, er ließ aber den Standpunkt des Sohnes gelten. Um so mehr wollte er die Vortrefflichkeit der inneren Einrichtung seines Neubaus anerkannt wissen. Man kehrte noch einmal dahin zurück.

Was man sah, war wirklich zu loben. Die Futtereinrichtungen, die automatisch wirkenden Selbsttränker, die weiten Abteile für die Kühe, bei denen freie Bewegung angebracht war, die Bullenverschläge, ebenfalls mit Höfen verbunden, worin die Tiere sich frei bewegen konnten, die Einrichtungen zum Melken – und so weiter.

Der Stall war leer, die Kühe blieben, der Landeskultur gemäß, im Sommer Tag und Nacht auf der Weide, nur ein junges Kälbchen (nicht über zwei Monate alt) blökte kläglich in einem Verschlag. »Es ist hungrig«, erläuterte Bartel, »soll noch heute geschlachtet werden. Da bekommen die Tiere kein Futter.«

Der Alte wurde verdrießlich. »Ist es noch nicht geschehen? Hab doch Andrees« (Andrees hieß der Kuhknecht), »schon heute früh gesagt, er sollte es tun.«

Harro fühlte sich unangenehm berührt. Alles Gewaltsame, Töten, Morden, Vernichten zumal, ging ihm wider die Natur. Und war es auch nur ein Kalb, nicht das höchste Gebilde der Natur, es war doch ein lebendiger Organismus. Und nun gar dies hübsche Ding – in seinem rotbraunen Pelz, in seiner Art ein schönes Geschöpf, eines, bei dem der Natur nichts fehlgegangen war, als sie es schuf. Was sie hatte darstellen wollen, war Erscheinung geworden: ein Meisterwerk, wie es die Meisterin mühelos Tag für Tag aus den Händen gibt. »Kann das Tierchen nicht leben, Vater?«

Der Alte lächelte. Es war kindisch, aber es gefiel ihm. »Recht von dir, Milde und Mitgefühl, auch für Tiere, gehört zu deinem Amt. Aber es geht doch wohl nicht. Ob wir das Kalb schlachten oder der Fleischer, das kommt auf dasselbe hinaus. Es ist nun mal dazu da, geschlachtet zu werden. Ohne Fleisch gehts nicht, das ist nun mal so, und dazu hat Gott die Tiere gemacht.«

Dazu hat Gott die Tiere gemacht ... ›Wir Egoisten‹, dachte Harro. ›Als wenn nicht jedes Geschöpf Selbstzweck wäre, als ob die Natur ...‹ Er dachte den Satz nicht zu Ende, ihm fiel das Goethesche Wort ein von den Leuten, nach deren Meinung der Korkenbaum wächst, damit wir unsere Flaschen pfropfen können.

»Und das Fleisch kommt billiger«, setzte der Alte hinzu, »wenn wir die Kälber selbst fett machen und schlachten. Es muß doch wohl sein, mein Junge.«

»Aber Vater, am Tag meiner Ankunft? Das ist ja wie beim verlorenen Sohn!«

»Das hat was für sich«, entgegnete der Alte. Er lachte sein gütigstes Lachen. »Also mag sein. Auf deine Fürsprache wollen wir dem Kerlchen noch ein paar Tage schenken. Bartel, nicht wahr, du sorgst, daß Andrees Bescheid kriegt. Und daß das Ding Futter bekommt.«

Und war es auch nur für ein paar Tage, Harro trug aus dem Kuhstall das Gefühl, ein gutes Werk getan zu haben hinaus.

Es ging nach der großen und nach der daran als Nebenflügel gebauten kleinen Scheune.

Der Freund war kein ganz stummer, aber doch ein schweigsamer Begleiter gewesen. »Das hast du gut gemacht«, sagte er zu Harro, als man wieder ins Freie trat.

Von der Scheune ein Gang nach dem Garten und nach dem dahinter belegenen Teich. Man stieß auf Arbeiter und Gesinde, die meisten von ihnen mit dem jungen Harro noch persönlich bekannt, alle von ihm mit Wort und Handschlag begrüßt. Mit einigen hatte er noch zusammen gearbeitet, des Tages Last und Hitze mit ihnen getragen.

Auf dem Hofplatz rollte man große Leinenlaken auseinander. Der junge Rank erkundigte sich, was das sei, und erfuhr, das seien Rapsaatlaken. Sie würden beim Dreschen oder vielmehr beim Ausreiten der Rapsaat als Unterlage verwendet. Nun würden sie an die Sonne gebracht und dann geklopft.

Bei dem Rundgang war in der Hauptsache Harro der Fragende, der Alte und Bartel die Auskunfterteilenden gewesen, bei Tisch wechselten die Rollen, da mußten die Studenten von der Universität und dem Universitätsleben erzählen. Und sie gaben ohne ängstliche Auswahl zum besten, was sie wußten, hauptsächlich sogenannte Studentenstreiche.

Von Harros Studien war, wie auf Verabredung, nicht mehr die Rede, nachdem er einer andeutenden Frage seines Vaters aus dem Wege gegangen war.

Der Alte dachte: ›Das kommt nachher, wenn wir allein sind. Wir gehen nach der Hinterstube, Harro telegraphierte von einem Aber, damit muß er nun heraus. Harro hat sein eigenes Geld, sollte er aber in augenblicklicher Verlegenheit sein, das soll nichts zu sagen haben, muß freilich besprochen werden. Ja, ja, Herr Kandidat!‹ So drückte Hans Horsten sich wörtlich in seinen Gedanken aus. Der Titel ›Kandidat der Theologie‹ klang seinem Ohr wie Musik. Der konnte und sollte manches, was es auch sein mochte, wettmachen.

Nach dem Essen nahm Bartel den Gast in Beschlag. Sie hatten sich als Geistesverwandte bei allerlei Liebhabereien erkannt. Bartel hatte Vogelhecken, die waren bereits flüchtig besucht worden, Rank hatte Äußerungen getan, die verrieten, daß er Kenner sei. Bartel lud ihn zur eingehenderen Besichtigung ein, und Rank gab dem um so lieber Folge, als er ohnehin die Notwendigkeit empfand, Vater und Sohn auf ein paar Stunden allein zu lassen.


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