Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der große Marschhof, der den Namen ›Kanzlei‹ führte, war immer ein frommes Haus gewesen. Über der Haustür sah man an breiter Zementplatte in Flachrelief Zimmeraxt, Maurerkelle und Hobel ein Stilleben führen und darunter den Spruch:
»Der Mann, der dieses Haus gebaut,
Hat Gott geliebt und Gott vertraut.
Auch du trag ihn im Herzensschrein,
Sobald du gehst zur Tür hinein.
Und wenn du gehst zur Tür heraus
Begleite er dich aus dem Haus.
O möchte nie in diesen Wänden
Ein ruchlos Wort den Herrgott schänden!«
Die Kanzlei liegt im Lande der freien königlichen Bauern, an der Mündung des nördlichsten von den großen deutschen Strömen, dort, wo das Meer den ihm zugeführten Tribut in reicher fetter Marscherde zurückzahlt. Woher er den an Schreiberkram erinnernden Namen hat, ist nicht unzweifelhaft nachgewiesen. Am meisten hat wohl die Ansicht für sich, daß bei der ersten Eindeichung die Behörde hier die Bretterbuden ihrer Schreibstuben aufgerichtet gehabt hat, was um so mehr einleuchtet, als die Hofgebäude auf einer natürlichen sandigen Anhöhe ruhen, einer Bodenerhebung, die einstmals als Insel aus seichtem, grüngrauem Wattenmeer hervorgeragt haben mag.
Etwa eine Stunde Wegs vom Hof beginnt das alte Festland, zunächst die wilde Dünenlandschaft der sogenannten Lieth, die von einem jetzt verschollenen oder doch weit zurückgedrängten Meer vor ungezählten Jahrhunderten oder Jahrtausenden aufgewühlt worden ist. Die Gebäude selbst spiegeln sich, unter Bäumen vergraben, mit sinnenden Giebeln und Dächern in einem blänkernden Teich. Es ist die durch Entnahme der Deicherde entstandene Vertiefung, als man (lange vor Aufführung des Winterdeichs) die Sommerdeiche anlegte, deren Linie man noch jetzt überall verfolgt. Ein großer Kanal (sogenannt ›Wettern‹) führt hindurch und hält das Gewässer in lebendiger Bewegung.
*
Ein schöner Frühlingsmorgen. Neben dem Teich ein mäßig großes Stück Gartenland, wo die Kanzlei die ersten Kartoffeln des Jahres zu ziehen pflegt. Die Kartoffeln zu legen, waren zwei Arbeiter beschäftigt.
Es sind Jahrzehnte verflossen, eine Zeit war es, die die jungen Leute von jetzt als alte anzusehen geneigt sind, die den Erwachsenen ihrer Tage aber als neue erschien, als eine mit neuen Zielen beschwerte oder befruchtete, je nachdem das Herz der alten Zeit angehörte oder dem jungen werdenden Morgen entgegenjauchzte. Anbruch eines neuen Tages, hüben und drüben freudig und sorgenvoll begrüßt, dort Trauer und Zorn und Ärger, hier Mut und Hoffnung und Glücksgefühl weckend.
Freilich, bei der Kanzlei floß der Strom der Zeit verhältnismäßig sachte und langsam und leise. Langsam auch beim Kartoffellegen am Teich, vorbei an dem frommen Spruch über der Tür. Und doch war auch hierher das Brausen des fernen Stromes gedrungen.
Klaus Lahann hatte eine Reihe Löcher gemacht, nun warf er in jede Grube die zur Saat bestimmte Kartoffel. »Es ist doch wunderlich«, sagte er, »wunderlich, Johann daß die Kartoffel wächst, wenn wir Erde darauf tun, und dann andere danach kommen.«
»Das ist die Natur«, antwortete Johann Hell.
»Die Natur?« entgegnete Klaus. »Du meinst: der liebe Gott.«
»Nein, ich meine die Natur; einen Gott gibt es nicht«, erwiderte Johann Hell.
»Gibt es nicht?«
»Nein, gibt es nicht. Das sagt Doktor Rank auch.«
»Gibt es nicht?« wiederholte Klaus. »Und Pastor Rau und unser Wirt?«
»Man muß nicht alles glauben, was der Priester sagt, und Hans Horsten weiß da gar nichts von.« Hans Horsten hieß der Eigentümer der Kanzlei.
Eine Stimme hinter ihnen schnitt das Gespräch ab, Hans Horstens Stimme. Und hinter Johann und Klaus stand seine breite Gestalt, die Stirn in Falten, die Stimme ruhig.
»Johann«, sagte er, »wenn ihr hier fertig seid (ich denke, in einer halben Stunde läßt sichs schaffen), dann kannst du zu mir in die Stube kommen, ich habe mit dir zu reden.«
Und ohne Antwort abzuwarten, machte er Kehrt und ging nach dem Hof zurück. Auch von der Rückenseite her blieb die feste, breitschulterige Gestalt nicht ohne Eindruck. Wie grade und unbeirrt er seine Schritte führte und beim Gehen die schlenkernde Hand rasch und heftig nachzog!
Klaus und Johann standen mit ihren Spaten und sahen ihm nach, bis er zwischen den Bäumen und Dächern verschwunden war. Dann sagte Klaus: »Junge, ja, da wirst aber eine Lage kriegen!«
»Laß sie man kommen«, prahlte Johann. »Ich bin nicht bange, laß mir nichts sagen.«
Er war bis vor kurzem Knecht und Kutscher bei dem allbeliebten Arzt Doktor Rank gewesen, der vom nahen Städtchen aus seine Praxis betrieb. Es war allbekannt, daß Rank den Philosophen ins Handwerk pfuschte und sich über Fragen den Kopf zergrübelte, die ihn, so meinte man, nichts angingen. Er hatte seine Eigenheiten, und dazu gehörte auch die vertrauliche Art, seine Leute zu behandeln, ohne indessen den Standesabstand ganz zu verwischen. Johann war unter ihnen ein bevorzugter Mann. Den Dienst auf der Kanzlei hatte er angenommen, weil der Doktor sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Jahr lang zu radeln, seine Gesundheit zu fördern. Unsere Erzählung spielt in der Zeit der ersten Begeisterung für das Rad, das damals noch auf gut deutsch ›Beizykkel‹ hieß. Daß Johann nach Abflauen dieser Stimmung bei dem Doktor wieder in Stellung gehen werde, war gerade nicht abgemacht, wurde aber von den beiden Beteiligten vorausgesetzt.
*
Hans Horsten saß, als Johann befohlenermaßen eintrat, in seiner nach dem Hühnerhof belegenen Arbeitsstube vor seiner Schatulle und rechnete auf dem Ausziehbrett.
Er stammte nicht aus der Marsch; er war auf einer einsamen Hallig des nordfriesischen Wattenmeeres zu Hause – ein Friese nach Herkunft, nach Gestalt und nach Aussehen. Nicht übermäßig groß, aber breit und trotzig. Etwas wie starre Gottesfurcht lag in den großen Zügen. Der Spruch über der Haustür rührte nicht von ihm, sondern von dem Begründer der Kanzlei, einem Altvordern seiner verstorbenen Frau her, er war ihm aber aus der Seele gesprochen, denn althergebrachte Gottesfurcht und Frömmigkeit wohnten in seinem Herzen. Eine Frömmigkeit und Gottesfurcht, die nicht mit sich handeln ließ, das sagten die starken, strengen Brauen seiner Augen.
War es ein Wunder? Von Eltern und Voreltern hatte er es ererbt, die Werke des Vaters von Himmel und Erde konnte auf seiner Heimatinsel niemand ohne Staunen und Andacht sehen, sie drängten sich überall auf. Freilich, Luft und Sonne und Mond und Sterne waren überall, aber wie ganz anders redeten sie in der Inseleinsamkeit von der Größe und Erhabenheit des Ewigen! Wie viel eindringlicher im Wellenspiel der weiten See! Wie viel glänzender der Hochklang ihrer Hymnen zum Ruhme dessen, der sie erschuf! Wind und Welle sein Odem, und für und für die Stimme des Einen im Ohr.
Und deshalb blickte die vom Vater und Mutter ererbte altväterische Frömmigkeit starr und trotzig aus seinen grauen Augen. Einmal hatte er sogar versucht, die Verehrung Gottes so, wie er sie verstand, im Bilde festzuhalten; es hing über seiner Schatulle an der Wand.
Der Bauer saß, als Johann eintrat, vor seiner Schatulle, einen Zettel vor sich. Er hatte gerechnet.
»Für hundert Taler«, fing er an, »habe ich dich gemietet. Der verdiente Winterlohn beträgt nicht ganz hundert Mark. Wir wollens voll machen. Der Sommerlohn für ein Vierteljahr gleichfalls hundert, und hundert für die Kost eines Vierteljahrs – macht zusammen dreihundert.«
Er deutete auf eine Reihe abgezählter Stapel Silbergeld. »Da ist es, zähl nach! Und dann kannst du hingehen und deine Lade packen. Und wenn wir Mittag gegessen haben, kannst du überhaupt gehen, die Lade werde ich morgen hinfahren lassen.«
Er legte sich im Lehnstuhl zurück, sah mit leichtumflorten Augen vor sich hin und machte die Daumenmühle. »Da wären wir also quitt«, sagte er. »Es ist schade, daß es so kommen mußte. Du warst ein guter Knecht.«
Der abgelohnte Johann stand da – mit offenem Mund. An die Abrechnung dachte er kaum, da war auch sicher nichts einzuwenden. Das aber, daß er fortgejagt wurde, das kam doch gegen seine Erwartung und Befürchtung, das war stark. Schelte ... Ermahnungen ... und so weiter, ja ... aber fortgejagt!
Er war ein junger, kräftiger, schlanker Mensch und hatte ein offenes, freundliches Gesicht – rot und sonnverbrannt, die Röte von dem seinen Aderspiel der Jugend und der Gesundheit durchtränkt. Respektvoll und doch nicht ohne Selbstvertrauen, die ihn vor einer zu demütigen Beugung bewahrte, war er vor seinen Herrn hingetreten. Nun aber, da dieser ihn wegschickte, verlor er für einen Augenblick die Haltung, stand da mit offenem Mund und kratzte sich hinter dem Ohr. Den Kopf zu krauen, war seine Gewohnheit, seine Bewegung, wenn er mit einer inneren Unfreiheit zu kämpfen hatte.
In der ersten Überraschung fand er auch keine Worte. Dann brachte er heraus: »Ich soll aus dem Dienst?«
»Kann nicht anders sein, Johann«, entgegnete Hans Horsten. »In der Kanzlei gibt es keinen Platz für Leute, die nicht an Gott glauben.«
»Aber das war ja nur son Schnack«. entschuldigte sich Johann.
»Ich kann auch nicht mit Leuten zusammen sein, die son Schnack machen. Lies den Spruch! Was steht über der Haustür? Wie es auch von dir gemeint gewesen ist, schließlich führts doch auf den breiten Weg und in die Hölle.«
Der Knecht sah ein, daß nichts zu machen war, da sammelte er den vor Klaus ausgespielten Trotz und Mut und dachte, dann kannst du ja auch deine Meinung sagen. »Es gibt gar keine Hölle«, erwiderte er.
»Selbstverständlich gibts die nicht. Hab mirs gar nicht anders gedacht, mein Junge. Für Leute, für die es keinen Gott gibt, kann es auch keine Hölle geben.«
»Zähl nach und nimm«, setzte der Bauer hinzu. Er wollte der Sache ein Ende machen.
»Nachzählen, das tut nicht nötig«, entgegnete der Knecht und füllte das schwere Silbergeld mit vollen Händen in die starken Taschen seiner weiten Beinkleider. Und dann nahm er seine Mütze, die er auf einen Stuhl gelegt hatte, und ging. Den Türgriff hatte er schon in der Hand, als Hans Horsten ihn zurückrief.
Die freche Treuherzigkeit, das Gedenken an die Dienste, die der ihm geleistet hatte, den er davonjagte ... es war schade, vielleicht brachte ihn ein gutes Wort doch noch auf den rechten Weg. »Johann«, sagte er, »du bist ein tüchtiger und getreuer Knecht gewesen, das will ich dir danken. Und hoffen will ich, daß der liebe Gott, wenn du auch nicht an ihn glaubst, dich in seine Wege leiten wird.«
Der Knecht war langsam wieder zu Hans Horsten herangetreten, dieser stand auf und reichte ihm die Hand.
Johann Hell drückte sie fest. »Dank«, sagte er, »habe ich nicht verdient; ich tat meine Pflicht und nicht mehr. Und das, was man zu tun schuldig ist, tut ein rechter Kerl, auch wenn er nicht alles glaubt, was der Priester sagt.«
»Auch dann, wenn er nicht an Gott glaubt?«
Johann wich der Frage aus. »Was ich zu Klaus sprach, war so dahergeredet«, wiederholte er.
Einen Augenblick sann er nach, und dann entschloß er sich, auf die ihm vorgelegte Frage frei seine Meinung zu sagen. »Wirt«, erwiderte er, »Sie wissen, ich war Kutscher bei Doktor Rank.«
»Ich weiß.«
»Und Doktor Rank macht keinen Unterschied zwischen hoch und niedrig.«
»Ich kenne ihn von ungefähr, soll ein tüchtiger Arzt sein, die Kirche aber nicht besuchen. Was ist mit dem Doktor?« »Doktor Rank sagt, ob es einen Gott gibt, hat noch kein Mensch herausstudiert, es wird auch niemals herausstudiert werden. Er für seine Person glaube nicht, daß einer sei. Ja, Wirt, wenn die Studierten es nicht wissen und glauben, wie kann mans von einem Bauernknecht verlangen? – Und wo sind die Beweise?« setzte er hinzu.
Hans Horsten schwieg. Beweise? Ja, wo waren die Beweise? Bibel und Katechismus? Wer nicht an Gott glaubt, glaubt auch nicht an Bibel und Katechismus. Da steht ein scheinbar guter Mensch, Johann steht da mit seinem guten Gesicht, treu und bewährt in Erfüllung seiner Pflicht. Irgendwo in seinem Herzen muß Gott doch noch eine Stätte haben, wenn er es auch selbst nicht weiß. Und mit dem Doktor Rank wird es wohl ebenso sein. Der gönnt sich, wie man hört, Nacht und Tag keine Ruhe, Kranken und Leidenden beizustehen. Arme bekommen nicht einmal Rechnung. Wie sollte einer dazu kommen, der nicht an Gott und an Himmel und an Hölle glaubt?
»Sag mal, Johann, wie denkt ihr beide denn, daß die Welt entstanden ist und erhalten wird?« fragte er.
Es war die Zeit, wo Darwin noch in unvermindertem Ansehen stand, wo man in seinen Lehren und Sätzen von der Entstehung der Arten den Schlüssel zu dem Zauberschloß der Schöpfung gefunden zu haben glaubte. Rank war ihr Anhänger, ein kleiner Sprühregen war auch auf Johann gekommen. Sein Bemühen, dem Bauern der Kanzlei mit Aufwendung von Kopfkratzen und Stirnrunzeln deutlich zu machen, was er selbst nicht verstand, war rührend, hatte aber keinen Erfolg.
Hans Horsten verfolgte inzwischen den alten Gedanken: im Grunde könnte Johann so wenig wie sein Doktor vom Glauben an Gott verlassen sein. »Besinn dich, Johann«, sagte er und beendigte dadurch Johanns Rede früher, als eigentlich in dessen Absicht gelegen hatte, »besinn dich! Es kann nicht deine Meinung sein, denn ohne Glauben an Gott ist niemand gut!«
Der Knecht lächelte, es war ein beinahe feines Lächeln. »Ohne Glauben niemand gut? Nichts übelnehmen, Wirt, aber ich bin der Meinung, gut sein und glauben hat wenig miteinander zu tun. Zu den ganz Ungläubigen will ich mich nicht rechnen, aber ich kann mir gut denken, daß einer, der gar nichts glaubt, doch den graden Weg geht. Es kommt nur darauf an, daß er Ballast im Schiffsraum hat; ich muß da immer an die kleinen Spielschiffe denken, die die Jungs auf dem Teich schwimmen lassen. Da kann ein Wind kommen und sie auf die Seite legen oder doch schräge, und sie kommen immer wieder auf. Das macht, sie haben es in sich, sie haben Stahl im Kiel. Und so ist es auch mit den Menschen. Hat jemand es in sich, hat er Stahl im Kiel oder Ballast geladen, dann kann der Wind nicht viel machen.«
»Ganz recht, Johann. Wenn er Gewissen hat. Von wem hat er aber das Gewissen?«
»Das weiß ich nicht«, war die Antwort.
»Aber ich weiß es: das ist von Gott. Ist es nicht so?« fragte Hans Horsten.
Johann lächelte nicht mehr. »Von Gott? – Ich weiß es nicht«, wiederholte er.
Der Bauer verfiel in Nachdenken. Auf den Glauben kommt alles an, gute Werke sind nur seine Früchte. Schade um Johann, schade auch darum (ein zeitlicher Gedanke unter all den ewigen), daß die Kanzlei jetzt, wo es ›hilde‹ wird, die Kraft dieses Getreuen entbehren muß. ›Aber es geht nicht anders, und wäre es mein eigener Sohn. Es muß sein, aber es soll in Güte und Milde geschehen.‹
Das war um so eher möglich, als Johann sein Knecht und nicht sein Sohn war, sein Gemüt also doch nicht in solche Bewegung brachte, wie ein ihm durch Blutsverwandtschaft Verbundener getan hätte. Und er schätzte sich glücklich, daß ihm niemals ein Sohn so gegenüberstehen werde, gegenüberstehen könne, wie der Knecht tat. Einem Sohn gegenüber, das fühlte er, würde er schwerlich gut und milde verfahren können.
»Das, was du mir gesagt hast, Johann«, sprach er, »sind Irrgänge. Wir wollens gut sein lassen. Aber ich hoffe, dich noch mal anderen Sinnes zu finden. Gott befohlen!« Und er reichte ihm die Hand.
Johann blieb nicht ohne Rührung. »Ich danke auch schön, uns Wirt. Aber, was ich noch sagen wollte ... es ist mir eben in den Sinn gekommen: Sie haben mir zu viel Geld hingezählt. Ich habs im Ramsch eingesteckt, aber nun ist es mir eingefallen. Es ist um mehr als die Hälfte zu viel.« Und wie er das sagte, fing er an, in die Taschen zu greifen und Hände voll Taler auf den Tisch zu legen, was Hans Horsten erstaunt ansah.
»Wie meinst du das?« fragte er. »Was soll das, was heißt das?«
»Der verdiente Lohn«, antwortete Johann, »hundert, der kommt mir, wenn auch nicht ganz, zu. Nehm ich, gut. Und Kost und Lohn, bis ich einen andern Dienst habe, ich rechne drei Tage, bekomme ich auch, darauf will ich täglich einen Taler also weitere drei rechnen, das macht im ganzen einhundertundneun Mark. Das andere aber nehm ich nicht.«
»Nimm es ruhig hin, Johann, unsere Gesindeordnung spricht es dir zu.«
»Das weiß ich wohl, aber ich will mit meinem Unglauben keinen Gewinn machen. In drei Tagen finde ich leicht etwas anderes. Und wenn ich nichts finde, gehe ich in den Koog zum Deichen.«
Hans Horsten war überrascht, soviel Unglauben und soviel Uneigennützigkeit!? »Es ist brav, Johann«, sagte er, »aber es geht nicht. Ich habs gegeben, ich nehm es nicht wieder, mir gehört es nicht.«
Johann kratzte sich wieder hinter dem Ohr. »Was machen wir denn?« fragte er.
»Wenn dus nicht haben willst, Johann, schenks einem armen Mann!«
Des Knechtes Miene klärte sich hell und freudig auf. »Das ist wahr, das ist das Rechte«, sagte er. »Und kommt grade recht, ich weiß eine Stelle, wo es not tut. Ich meine den Schneider Schenk in Aspern. Er ist abgebrannt, hat nichts versichert, hat viele Kinder, die Frau ist krank, es geht ihm schlecht. Wirt, wenn Sie das für mich besorgen wollten, er braucht ja nicht zu wissen, von wem es kommt. Und im Grunde ists ja auch keiner von uns beiden, der es gibt.«
Der Hofbauer hatte nicht oft eine solche Freude, wie bei dieser Rede des jungen Knechts. Hatte er ihm vorher die Hand gereicht, so schüttelte er sie ihm jetzt in einem Anfall lieber Kameradschaftlichkeit. »So ist es recht«, sagte er, »die Linke darf nicht wissen, was die Rechte tut.«