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Der Adjunktus klatschte einmal in die Hände und fuhr pfiffig fort:
»Des Notars Mädchen, die Liesbeth, kam die Burgstraße herunter, mit einem großen Korb unter dem Arme. Darin war Bier fürs Kränzchen. Der Notar ließ sie zu seiner Stubentür herein, pflanzte die Bouteillen auf, neun an der Zahl, und einen großen Becher, und steckte die Lichter an, obgleich's kaum dämmerig war. Es war ganz frischer Sand gestreut. Der Notar hat die Stube besonders eingerichtet zum Kränzchen. In der Mitte steht ein runder Tisch und neun Stühle. Über der Stubentür ist eine Hausnummer angenagelt, d. h. der Einnehmer hat sich blamiert, wie er meinte, es wäre eine Hausnummer. Aber die Nummer 39 bedeutet den § 39 aus der Konstitution, wonach jeder reden kann, was er Lust hat. Den hatte sich der Notar da angenagelt, wegen der Unterhaltung im Kränzchen. Vor dem Sessel stand eine Glocke auf dem Tische für den Präsidenten. Das ist allemal der, bei welchem das Kränzchen ist. Auf einmal ist die Tür aufgegangen und der Postmeister hat darin gestanden mit einem gedankenschweren Gesicht. Wie ihn der Notar gesehen hat, da hat er ein Schnippchen geschlagen und hat gesungen: Sadong, sadong, sadong, sadong u. s. w. Treten Sie näher, liebster Postmeister! – Der Paps hat sich kaum gesetzt, da klopft's wieder an. Es war der Einnehmer. Der sagte, wie er herein kam, zum Notar: »Weil Sie so befohlen haben.« Das sagte der Einnehmer überhaupt gern, und der Gütig hat auch einmal deswegen zum Einnehmer gesagt, wie ihn der fragte: »Was befehlen Sie?« »Einnehmer, wir sind jetzt nicht im Dienste, und da habe ich nichts zu befehlen, da sind wir alle gleich.« – Und hernach sind die andern auch gekommen, auch der Heinrich Lambert. Ich weiß auch, warum der gerne kam. Und wie sie alle längst zusammen waren, da hatte der Vierling noch immer kein Wort gesprochen, sondern saß da, mit dem Gesichte auf der Faust, und dachte seinen Teil. »Was hast du vor, Vierling?« fragte der Postmeister. Aber da hat der Vierling gebrummt. »Ist Ihnen vielleicht nicht recht wohl, lieber Herr Vierling?« hat darauf der Einnehmer gefragt. Da hat der Vierling wieder gebrummt. »Vielleicht Zahnweh? tut mir außerordentlich leid.« – Auf einmal ist der Vierling aufgesprungen und hat sie alle nach einander angesehen, so daß dem Einnehmer ganz angst geworden ist, und hat gesagt: »Ihr wißt alle noch von nichts! Ja! ich habe Zahnweh!« – Aber sie merkten's alle, daß dem Vierling was vor den Kopf gelaufen war. Da es aber niemand erfahren hat, so weiß ich's auch nicht. Der Vierling dachte sein Teil. Darauf hat aber der Paps geklingelt und hat gesagt: er wollte eine Motion machen. »Verehrteste Freunde! (hat darauf der Postmeister gesagt und rings umher geschaut) was schreiben wir heute für einen Datum?«
Der Einnehmer holte seine Uhr heraus und sagte: »Den 21. hujus.«
Und da sagten sie alle: »Jawohl!«
»Warum schreiben wir heute den 21.?« schrie der Paps.
Keine Antwort.
»Thurn und Taxis! warum schreiben wir heute den 21. hujus?« schrie der Postmeister wiederholt. »Die Antwort ist: weil wir alle Narren sind, verehrte Brüder! Bekanntlich hat der Julius Cäsar, als er gerade nicht wußte, was er tun sollte, einen Kalender gemacht. Er hat sich aber dabei verrechnet. Da hat der Papst Gregor den Kalender verbessert, und der Kaiser Rudolph hat ihn bestätigt. Weil aber dieser Kalender von einem Ketzer war, so hat der Professor Weigel wieder einen anderen gemacht, den hat das Corpus Evangelicorum bestätigt, und endlich ist der päpstliche Kalender auch von den Protestanten zur Befolgung angenommen worden. Aber ihr Mitbürger! ich frage nun, was geht uns der Julius Cäsar, der Papst Gregor, der Kaiser Rudolph, der Professor Weigel und das ganze Corpus Evangelicorum an? Was haben sie uns zu befehlen, uns freien Schinkenburgern? Ich erkenne keine von diesen Behörden als meine verfassungsmäßig vorgesetzte Behörde an. Wollen wir uns wie Sklaven binden? Wollen wir, wie die Papageien, alles nachsprechen, was andere uns vorsprechen? Geliebte Mitbürger! Ich meine, es könnte jeder schreiben, was er wollte und brauchte heute gar nicht den 2l. zu datieren. Wer will uns zwingen? Ich frage: wer?«
Hier schlug der Postmeister auf den Tisch und guckte wild um sich her.
»Thurn und Taxis, wer will uns zwingen?« rief er von neuem.
Der Einnehmer sagte: der Paps möchte doch nicht so fluchen.
»Wer mit mir denkt,« schrie der Postmeister, »der stehe von seinem Sitze auf!«
Und da sind sie alle aufgestanden, aber dem Einnehmer hat's, wie er aufstand, vor den Augen wie Schneegewimmel im Sturme geflirrt, und es kam ihm so was vom Finanzcollegium in den Sinn, aber er war sich's nicht recht klar.
Darauf sprach der Postmeister wieder: »Daran erkenn' ich euch! Es fragt sich nun weiter: wollen wir früher datieren als die Aristokraten oder später, d. h. vorwärts?«
»Vorwärts!« schrie das Kränzchen, weil's nämlich lauter Liberale waren. »Ich schreibe den 1. März,« flüsterte der Zwieback. »Ich den 15. März,« flötete der Gütig. »Und ich den 1. April,« lachte der Notar; denn einer überbot den andern. Und dem Einnehmer haben sie zugerufen und sind stark in ihn gedrungen: er möchte den 1. Dezember schreiben, und der Salbader hat's ihm auch so plausibel gemacht, daß er's annehmen mußte!
Aber wie nun der Postmeister das mit dem Datum aufgebracht hatte, da ist die Minchen hereingekommen und hat frisch eingeschenkt, und der Einnehmer hat ihr gesagt: das Bier schmeckte noch einmal so gut, weil sie's nämlich einschenkte. Und wie die Minchen noch in der Stube war, da hat der Notar gefragt, ob noch einer von den Herren eine Motion zu machen hätte? Da aber ist auf einmal der Heinrich aufgesprungen und hat die Minchen an der Hand gefaßt, daß sie ganz rot geworden ist und hat gesagt: »Versammelte Mitbürger! ich habe noch eine wichtige Motion zu machen. Da nämlich mein künftiger Herr Schwiegerpapa, der Herr Notar, heute bereits den 1. April schreibt, und es schon lange richtig gemacht, daß am 1. April meine Verlobung mit der Minchen sein sollte, so wollt' ich drauf antragen, daß der Pfarrer geholt würde.«
Da haben sie alle gelacht, und der lustige Notar hat richtig den Abend noch den Pfarrer kommen lassen, und der Rektor ist kopuliert worden, und das ganze Kränzchen war zu Gaste, und da haben sie jubiliert bis spät in die Nacht.
Den Einnehmer aber hat der 1. Dezember sehr gewurmt, und seine Frau hat's ihm gleich angesehen, wie er nach Hause kam. Aber er hat nichts gesagt, sondern bloß die Nachtmütze in die Ecke geworfen und mit weicher Stimme gesagt: »Ach, ich hatte mich auf unsere silberne Hochzeit so gefreut, Suschen. Nun ist sie schon vor vier Wochen gewesen. Ja! man erlebt jetzt viel!«
»Vor acht Tagen, verehrtester Herr Doktor (fuhr der Adjunktus fort), hat die Minchen einen kleinen Rektor geboren und morgen ist Kindtaufe. In der Schachtel, die ich hier unterm Arm habe, ist ein Bisquitkuchen, und da soll Ihr Gedicht darauf gelegt werden. Der kleine Lambert wird heißen nach mir, seinem Paten, Lorenz. –«
Ich dankte dem Adjunktus des Mädchenschullehrers aus Schinkenburg für seine Beschreibung und bat ihn, sämtliche Schinkenburger zu grüßen und mich bestens zu rekommandieren«. – »Danke, danke! (rief er unter Bücklingen und lief rückwärts zur Tür hinaus). Aber der Herr Doktor werden doch nichts wieder sagen? Ich habe da so manches geplaudert und ich könnte in des Teufels Küche kommen.«
Behüte! rief ich. – Der Adjunktus verschwand. –
Nu hab' ich dem Leser freilich dennoch die ganzen Geschichtchen wiedererzählt. Indessen will ich ihn mit Rücksicht auf des Adjunkti Ruhe und Zufriedenheit inständigst gebeten haben, nichts weiter zu erzählen.