Heinrich von Kleist
Prinz Friedrich von Homburg
Heinrich von Kleist

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Szene: Gefängnis des Prinzen.

Dritter Auftritt

Der Prinz von Homburg hängt seinen Hut an die Wand, und läßt sich nachlässig auf ein, auf der Erde ausgebreitetes Kissen nieder.

Der Prinz von Homburg.
Das Leben nennt der Derwisch eine Reise,
Und eine kurze. Freilich! Von zwei Spannen
Diesseits der Erde nach zwei Spannen drunter.
Ich will auf halbem Weg mich niederlassen!
Wer heut sein Haupt noch auf der Schulter trägt,
Hängt es schon morgen zitternd auf den Leib,
Und übermorgen liegts bei seiner Ferse.
Zwar, eine Sonne, sagt man, scheint dort auch,
Und über buntre Felder noch, als hier:
Ich glaubs; nur schade, daß das Auge modert,
Das diese Herrlichkeit erblicken soll.

Vierter Auftritt

Prinzessin Natalie tritt auf, geführt von dem Rittmeister, Graf Reuß. Hofdamen folgen. Ihnen voran tritt ein Läufer mit einer Fackel. – Der Prinz von Homburg.

Läufer.
Durchlaucht, Prinzessin von Oranien!

Der Prinz von Homburg (steht auf).
Natalie!

Läufer.         Hier ist sie selber schon.

Natalie (verbeugt sich gegen den Grafen).
Laßt uns auf einen Augenblick allein!

(Graf Reuß und der Läufer ab.)

Der Prinz von Homburg.
Mein teures Fräulein!

Natalie.                               Lieber, guter Vetter!

Der Prinz von Homburg (führt sie vor).
Nun sagt, was bringt Ihr? Sprecht! Wie stehts mit mir?

Natalie.
Gut. Alles gut. Wie ich vorher Euch sagte,
Begnadigt seid Ihr, frei; hier ist ein Brief,
Von seiner Hand, der es bekräftiget.

Der Prinz von Homburg.
Es ist nicht möglich! Nein! Es ist ein Traum!

Natalie.
Lest, lest den Brief! So werdet Ihrs erfahren.

Der Prinz von Homburg (liest).
»Mein Prinz von Homburg, als ich Euch gefangen setzte,
Um Eures Angriffs, allzufrüh vollbracht, –
Da glaubt ich nichts, als meine Pflicht zu tun;
Auf Euren eignen Beifall rechnet ich.
Meint Ihr, ein Unrecht sei Euch widerfahren,
So bitt ich, sagts mir mit zwei Worten –
Und gleich den Degen schick ich Euch zurück.«

(Natalie erblaßt. Pause. Der Prinz sieht sie fragend an.)

Natalie (mit dem Ausdruck plötzlicher Freude).
Nun denn, da stehts! Zwei Worte nur bedarfs –!
O lieber süßer Freund! (Sie drückt seine Hand.)

Der Prinz von Homburg.
                                      Mein teures Fräulein!

Natalie.
O sel'ge Stunde, die mir aufgegangen!
Hier, nehmt, hier ist die Feder; nehmt, und schreibt!

Der Prinz von Homburg.
Und hier die Unterschrift?

Natalie.                                     Das F; sein Zeichen!
O Bork! O freut euch doch! – O seine Milde
Ist uferlos, ich wußt es, wie die See. –
Schafft einen Stuhl nur her, er soll gleich schreiben.

Der Prinz von Homburg.
Er sagt, wenn ich der Meinung wäre –?

Natalie (unterbricht ihn).                               Freilich!
Geschwind! Setzt Euch! Ich will es Euch diktieren.
(Sie setzt ihm einen Stuhl hin.)

Der Prinz von Homburg.
– Ich will den Brief noch einmal überlesen.

Natalie (reißt ihm den Brief aus der Hand).
Wozu? – Saht Ihr die Gruft nicht schon im Münster,
Mit offnem Rachen, Euch entgegengähn'n? –
Der Augenblick ist dringend. Sitzt und schreibt!

Der Prinz von Homburg (lächelnd).
Wahrhaftig, tut Ihr doch, als würde sie
Mir, wie ein Panther, übern Nacken kommen.
(Er setzt sich, und nimmt eine Feder.)

Natalie (wendet sich und weint).
Schreibt, wenn Ihr mich nicht böse machen wollt!

(Der Prinz klingelt einem Bedienten; der Bediente tritt auf.)

Der Prinz von Homburg.
Papier und Feder, Wachs und Petschaft mir!

(Der Bediente nachdem er diese Sachen zusammengesucht, geht wieder ab. Der Prinz schreibt. – Pause.)

Der Prinz von Homburg (indem er den Brief, den er angefangen hat, zerreißt und unter den Tisch wirft).
Ein dummer Anfang. (Er nimmt ein anderes Blatt.)

Natalie (hebt den Brief auf).
                                  Wie? Was sagtet Ihr?
Mein Gott, das ist ja gut; das ist vortrefflich!

Der Prinz von Homburg (in den Bart).
Pah! – Eines Schuftes Fassung, keines Prinzen. –
Ich denk mir eine andre Wendung aus.
(Pause. – Er greift nach des Kurfürsten Brief, den die Prinzessin in der Hand hält.)
Was sagt er eigentlich im Briefe denn?

Natalie (ihn verweigernd).
Nichts, gar nichts!

Der Prinz von Homburg.
                              Gebt!

Natalie.                                   Ihr last ihn ja!

Der Prinz von Homburg (erhascht ihn).       Wenn gleich!
Ich will nur sehn, wie ich mich fassen soll.
(Er entfaltet und überliest ihn.)

Natalie (für sich).
O Gott der Welt! Jetzt ists um ihn geschehn!

Der Prinz von Homburg (betroffen).
Sieh da! Höchst wunderbar, so wahr ich lebe!
– Du übersahst die Stelle wohl?

Natalie.                                               Nein! – Welche?

Der Prinz von Homburg.
Mich selber ruft er zur Entscheidung auf!

Natalie.
Nun, ja!

Der Prinz von Homburg.
              Recht wacker, in der Tat, recht würdig!
Recht, wie ein großes Herz sich fassen muß!

Natalie.
O seine Großmut, Freund, ist ohne Grenzen!
– Doch nun tu auch das Deine du, und schreib,
Wie ers begehrt; du siehst, es ist der Vorwand,
Die äußre Form nur, deren es bedarf:
Sobald er die zwei Wort in Händen hat,
Flugs ist der ganze Streit vorbei!

Der Prinz von Homburg (legt den Brief weg).
                                                      Nein, Liebe!
Ich will die Sach bis morgen überlegen.

Natalie.
Du Unbegreiflicher! Welch eine Wendung?
Warum? Weshalb?

Der Prinz von Homburg (erhebt sich leidenschaftlich vom Stuhl).
                              Ich bitte, frag mich nicht!
Du hast des Briefes Inhalt nicht erwogen!
Daß er mir unrecht tat, wies mir bedingt wird,
Das kann ich ihm nicht schreiben; zwingst du mich,
Antwort, in dieser Stimmung, ihm zu geben,
Bei Gott! so setz ich hin, du tust mir recht!
(Er läßt sich mit verschränkten Armen wieder an den Tisch nieder und sieht in den Brief.)

Natalie (bleich).
Du Rasender! Was für ein Wort sprachst du?
(Sie beugt sich gerührt über ihn.)

Der Prinz von Homburg (drückt ihr die Hand).
Laß, einen Augenblick! Mir scheint –
(Er sinnt.)

Natalie.                                                         Was sagst du?

Der Prinz von Homburg.
Gleich werd ich wissen, wie ich schreiben soll.

Natalie (schmerzvoll).
Homburg!

Der Prinz von Homburg (nimmt die Feder).
                Ich hör! Was gibts?

Natalie.                                           Mein süßer Freund!
Die Regung lob ich, die dein Herz ergriff.
Das aber schwör ich dir: das Regiment
Ist kommandiert, das dir Versenktem morgen,
Aus Karabinern, überm Grabeshügel,
Versöhnt die Totenfeier halten soll.
Kannst du dem Rechtsspruch, edel wie du bist,
Nicht widerstreben, nicht ihn aufzuheben,
Tun, wie ers hier in diesem Brief verlangt:
Nun so versichr' ich dich, er faßt sich dir
Erhaben, wie die Sache steht, und läßt
Den Spruch mitleidsvoll morgen dir vollstrecken!

Der Prinz von Homburg (schreibend).
Gleichviel!

Natalie.               Gleichviel?

Der Prinz von Homburg.       Er handle, wie er darf;
Mir ziemts hier zu verfahren, wie ich soll!

Natalie (tritt erschrocken näher).
Du Ungeheuerster, ich glaub, du schriebst?

Der Prinz von Homburg (schließt).
»Homburg; gegeben, Fehrbellin, am zwölften –«;
Ich bin schon fertig. – Franz!
(Er kuvertiert und siegelt den Brief.)

Natalie.                                           O Gott im Himmel!

Der Prinz von Homburg (steht auf).
Bring diesen Brief aufs Schloß, zu meinem Herrn!

(Der Bediente ab.)

Ich will ihm, der so würdig vor mir steht,
Nicht, ein Unwürdger, gegenüber stehn!
Schuld ruht, bedeutende, mir auf der Brust,
Wie ich es wohl erkenne; kann er mir
Vergeben nur, wenn ich mit ihm drum streite,
So mag ich nichts von seiner Gnade wissen.

Natalie (küßt ihn).
Nimm diesen Kuß! – Und bohrten gleich zwölf Kugeln
Dich jetzt in Staub, nicht halten könnt ich mich,
Und jauchzt und weint und spräche: du gefällst mir!
– Inzwischen, wenn du deinem Herzen folgst,
Ists mir erlaubt, dem meinigen zu folgen.
– Graf Reuß!

(Der Läufer öffnet die Tür; der Graf tritt auf.)

Graf Reuß.           Hier!

Natalie.                           Auf, mit Eurem Brief,
Nach Arnstein hin, zum Obersten von Kottwitz!
Das Regiment bricht auf, der Herr befiehlts;
Hier, noch vor Mitternacht, erwart ich es!

(Alle ab.)


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