Heinrich von Kleist
Prinz Friedrich von Homburg
Heinrich von Kleist

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Szene: Ebendaselbst. Saal im Schloß. Man hört in der Ferne schießen.

Fünfter Auftritt

Die Kurfürstin und die Prinzessin Natalie in Reisekleidern, geführt von einem Hofkavalier, treten auf und lassen sich zur Seite nieder. Hofdamen. Hierauf der Kurfürst, Feldmarschall Dörfling, der Prinz von Homburg, den Handschuh im Kollett, der Graf von Hohenzollern, Graf Truchß, Obrist Hennings, Rittmeister von der Golz und mehrere andere Generale, Obersten und Offiziere.

Der Kurfürst.
Was ist dies für ein Schießen? – Ist das Götz?

Feldmarschall Dörfling.
Das ist der Oberst Götz, mein Fürst und Herr,
Der mit dem Vortrab gestern vorgegangen.
Er hat schon einen Offizier gesandt,
Der im voraus darüber dich beruhge.
Ein schwedscher Posten ist, von tausend Mann,
Bis auf die Hackelberge vorgerückt;
Doch haftet Götz für diese Berge dir,
Und sagt mir an, du möchtest nur verfahren,
Als hätte sie sein Vortrab schon besetzt.

Der Kurfürst (zu den Offizieren).
Ihr Herrn, der Marschall kennt den Schlachtentwurf;
Nehmt euren Stift, bitt ich, und schreibt ihn auf.

(Die Offiziere versammeln sich auf der andern Seite um den Feldmarschall und nehmen ihre Schreibtafeln heraus.)

Der Kurfürst (wendet sich zu dem Hofkavalier).
Ramin ist mit dem Wagen vorgefahren?

Der Hofkavalier.
Im Augenblick, mein Fürst. – Man spannt schon an.

Der Kurfürst (läßt sich auf einen Stuhl hinter der Kurfürstin und Prinzessin nieder).
Ramin wird meine teur' Elisa führen,
Und dreißig rüstge Reuter folgen ihm.
Ihr geht auf Kalkhuhns, meines Kanzlers, Schloß
Bei Havelberg, jenseits des Havelstroms,
Wo sich kein Schwede mehr erblicken läßt. –

Die Kurfürstin.
Hat man die Fähre wieder hergestellt?

Der Kurfürst.
Bei Havelberg? – Die Anstalt ist getroffen.
Zudem ists Tag, bevor ihr sie erreicht.

(Pause.)

Natalie ist so still, mein süßes Mädchen?
– Was fehlt dem Kind?

Prinzessin Natalie.               Mich schauert, lieber Onkel.

Der Kurfürst.
Und gleichwohl ist mein Töchterchen so sicher,
In ihrer Mutter Schoß war sies nicht mehr.

(Pause.)

Die Kurfürstin.
Wann, denkst du, werden wir uns wiedersehen?

Der Kurfürst.
Wenn Gott den Sieg mir schenkt, wie ich nicht zweifle,
Vielleicht im Laufe dieser Tage schon.

(Pagen kommen und servieren den Damen ein Frühstück. Feldmarschall Dörfling diktiert. – Der Prinz von Homburg, Stift und Tafel in der Hand, fixiert die Damen.)

Feldmarschall.
Der Plan der Schlacht, ihr Herren Obersten,
Den die Durchlaucht des Herrn ersann, bezweckt,
Der Schweden flüchtges Heer, zu gänzlicher
Zersplittrung, von dem Brückenkopf zu trennen,
Der an dem Rhynfluß ihren Rücken deckt.
Der Oberst Hennings –!

Oberst Hennings.                   Hier! (Er schreibt.)

Feldmarschall.                                 Der nach des Herren Willen heut
Des Heeres rechten Flügel kommandiert,
Soll, durch den Grund der Hackelbüsche, still
Des Feindes linken zu umgehen suchen,
Sich mutig zwischen ihn und die drei Brücken werfen,
Und mit dem Grafen Truchß vereint –
Graf Truchß!

Graf Truchß.       Hier! (Er schreibt.)

Feldmarschall.                 Und mit dem Grafen Truchß vereint (Er hält inne.)
Der auf den Höhn indes, dem Wrangel gegenüber,
Mit den Kanonen Posten hat gefaßt –

Graf Truchß (schreibt).
Kanonen Posten hat gefaßt –

Feldmarschall.                               Habt Ihr?
(Er fährt fort.)
Die Schweden in den Sumpf zu jagen suchen,
Der hinter ihrem rechten Flügel liegt.

Ein Heiduck (tritt auf).
Der Wagen, gnädge Frau, ist vorgefahren.

(Die Damen stehen auf.)

Feldmarschall.
Der Prinz von Homburg –

Der Kurfürst (erhebt sich gleichfalls).
                                        – Ist Ramin bereit?

Der Heiduck.
Er harrt zu Pferd schon unten am Portal.

(Die Herrschaften nehmen Abschied von einander.)

Graf Truchß (schreibt).
Der hinter ihrem rechten Flügel liegt.

Feldmarschall.                                           Der Prinz von Homburg –
Wo ist der Prinz von Homburg?

Graf von Hohenzollern (heimlich). Arthur!

Der Prinz von Homburg (fährt zusammen). Hier!

Hohenzollern.
Bist du bei Sinnen?

Der Prinz von Homburg. Was befiehlt mein Marschall?
(Er errötet, stellt sich mit Stift und Pergament und schreibt.)

Feldmarschall.
Dem die Durchlaucht des Fürsten wiederum
Die Führung ruhmvoll, wie bei Rathenow,
Der ganzen märkschen Reuterei vertraut – (Er hält inne.)
Dem Obrist Kottwitz gleichwohl unbeschadet,
Der ihm mit seinem Rat zur Hand wird gehn –
(Halblaut zum Rittmeister Golz.)
Ist Kottwitz hier?

Rittmeister von der Golz. Nein, mein General, du siehst,
Mich hat er abgeschickt, an seiner Statt,
Aus deinem Mund den Kriegsbefehl zu hören.

(Der Prinz sieht wieder nach den Damen herüber.)

Feldmarschall (fährt fort).
Stellt auf der Ebne sich, beim Dorfe Hackelwitz,
Des Feindes rechtem Flügel gegenüber,
Fern außer dem Kanonenschusse auf.

Rittmeister von der Golz (schreibt).
Fern außer dem Kanonenschusse auf.

(Die Kurfürstin bindet der Prinzessin ein Tuch um den Hals. Die Prinzessin, indem sie sich die Handschuh anziehen will, sieht sich um, als ob sie etwas suchte.)

Der Kurfürst (tritt zu ihr).
Mein Töchterchen, was fehlt dir –?

Die Kurfürstin.                                         Suchst du etwas?

Prinzessin Natalie.
Ich weiß nicht, liebe Tante, meinen Handschuh –

(Sie sehen sich alle um.)

Der Kurfürst (zu den Hofdamen).
Ihr Schönen! Wollt ihr gütig euch bemühn?

Die Kurfürstin (zur Prinzessin).
Du hältst ihn, Kind.

Natalie.                           Den rechten; doch den linken?

Der Kurfürst.
Vielleicht daß er im Schlafgemach geblieben?

Natalie.
O liebe Bork!

Der Kurfürst (zu diesem Fräulein).
                        Rasch, rasch!

Natalie.                                         Auf dem Kamin!

(Die Hofdame ab.)

Der Prinz von Homburg (für sich).
Herr meines Lebens! hab ich recht gehört?
(Er nimmt den Handschuh aus dem Kollett.)

Feldmarschall (sieht in ein Papier, das er in der Hand hält).
Fern außer dem Kanonenschusse auf. –
(Er fährt fort.)
Des Prinzen Durchlaucht wird –

Der Prinz von Homburg.                   Den Handschuh sucht sie –
(Er sieht bald den Handschuh, bald die Prinzessin an.)

Feldmarschall.
Nach unsers Herrn ausdrücklichem Befehl –

Rittmeister von der Golz (schreibt).
Nach unsers Herrn ausdrücklichem Befehl –

Feldmarschall.
Wie immer auch die Schlacht sich wenden mag,
Vom Platz nicht, der ihm angewiesen, weichen –

Der Prinz von Homburg.
– Rasch, daß ich jetzt erprüfe, ob ers ist!
(Er läßt, zugleich mit seinem Schnupftuch, den Handschuh fallen; das Schnupftuch hebt er wieder auf, den Handschuh läßt er so, daß ihn jedermann sehen kann, liegen.)

Feldmarschall (befremdet).
Was macht des Prinzen Durchlaucht?

Graf von Hohenzollern (heimlich).           Arthur!

Der Prinz von Homburg.                                         Hier!

Hohenzollern.                                                                   Ich glaub,
Du bist des Teufels?!

Der Prinz von Homburg.   Was befiehlt mein Marschall?

(Er nimmt wieder Stift und Tafel zur Hand. Der Feldmarschall sieht ihn einen Augenblick fragend an. – Pause.)

Rittmeister von der Golz (nachdem er geschrieben).
Vom Platz nicht, der ihm angewiesen, weichen –

Feldmarschall (fährt fort).
Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß –

Der Prinz von Homburg (zum Rittmeister Golz, heimlich, indem er in seine Schreibtafel sieht).
Wer? lieber Golz! Was? Ich?

Rittmeister von der Golz.             Ihr, ja! Wer sonst?

Der Prinz von Homburg.
Vom Platz nicht soll ich –?

Rittmeister von der Golz.         Freilich!

Feldmarschall.                                           Nun? habt Ihr?

Der Prinz von Homburg (laut).
Vom Platz nicht, der mir angewiesen, weichen (Er schreibt.)

Feldmarschall.
Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß –
(Er hält inne.)
Des Feindes linker Flügel, aufgelöst,
Auf seinen rechten stürzt, und alle seine
Schlachthaufen wankend nach der Trift sich drängen,
In deren Sümpfen, oft durchkreuzt von Gräben,
Der Kriegsplan eben ist, ihn aufzureiben.

Der Kurfürst.
Ihr Pagen, leuchtet! – Euren Arm, ihr Lieben!
(Er bricht mit der Kurfürstin und der Prinzessin auf.)

Feldmarschall.
Dann wird er die Fanfare blasen lassen.

Die Kurfürstin (da einige Offiziere sie komplimentieren).
Auf Wiedersehn, ihr Herrn! Laßt uns nicht stören.

(Der Feldmarschall komplimentiert sie auch.)

Der Kurfürst (steht plötzlich still).
Sieh da! Des Fräuleins Handschuh! Rasch! Dort liegt er!

Ein Hofkavalier.
Wo?

Der Kurfürst.
        Zu des Prinzen, unsers Vetters, Füßen!

Der Prinz von Homburg (ritterlich).
Zu meinen –? Was! Ist das der Eurige?
(Er hebt ihn auf und bringt ihn der Prinzessin.)

Natalie.
Ich dank Euch, edler Prinz.

Der Prinz von Homburg (verwirrt). Ist das der Eure?

Natalie.
Der meinige; der, welchen ich vermißt.
(Sie empfängt ihn und zieht ihn an.)

Die Kurfürstin (zu dem Prinzen im Abgehen).
Lebt wohl! Lebt wohl! Viel Glück und Heil und Segen!
Macht, daß wir bald und froh uns wieder sehn!

(Der Kurfürst mit den Frauen ab. Hofdamen, Kavaliere und Pagen folgen.)

Der Prinz von Homburg (steht einen Augenblick, wie vom Blitz getroffen da; dann wendet er sich mit triumphierenden Schritten wieder in den Kreis der Offiziere zurück).
Dann wird er die Fanfare blasen lassen!
(Er tut, als ob er schriebe.)

Feldmarschall (sieht in sein Papier).
Dann wird er die Fanfare blasen lassen. –
Doch wird des Fürsten Durchlaucht ihm, damit,
Durch Mißverstand, der Schlag zu früh nicht falle –
(Er hält inne.)

Rittmeister von der Golz (schreibt).
Durch Mißverstand, der Schlag zu früh nicht falle

Der Prinz von Homburg (zum Graf Hohenzollern, heimlich, in großer Bewegung).
O Heinrich!

Hohenzollern (unwillig). Nun! Was gibts? Was hast du vor?

Der Prinz von Homburg.
Was! Sahst du nichts?

Hohenzollern.                     Nein, nichts! Sei still, zum Henker!

Feldmarschall (fährt fort).
Ihm einen Offizier, aus seiner Suite, senden,
Der den Befehl, das merkt, ausdrücklich noch
Zum Angriff auf den Feind ihm überbringe.
Eh wird er nicht Fanfare blasen lassen.

(Der Prinz steht und träumt vor sich nieder.)

– Habt Ihr?

Rittmeister von der Golz (schreibt).
                  Eh wird er nicht Fanfare blasen lassen.

Feldmarschall (mit erhöhter Stimme.).
Des Prinzen Durchlaucht, habt Ihr?

Der Prinz von Homburg.                       Mein Feldmarschall?

Feldmarschall.
Ob Ihr geschrieben habt?

Der Prinz von Homburg.         – Von der Fanfare?

Hohenzollern (heimlich, unwillig, nachdrücklich).
Fanfare! Sei verwünscht! Nicht eh, als bis der –

Rittmeister von der Golz (ebenso).
Als bis er selbst –

Der Prinz von Homburg (unterbricht sie).
                                Ja, allerdings! Eh nicht –
Doch dann wird er Fanfare blasen lassen.
(Er schreibt. – Pause.)

Feldmarschall.
Den Obrist Kottwitz, merkt das, Baron Golz,
Wünsch ich, wenn er es möglich machen kann,
Noch vor Beginn des Treffens selbst zu sprechen.

Rittmeister von der Golz (mit Bedeutung).
Bestellen werd ich es. Verlaß dich drauf.

(Pause.)

Der Kurfürst (kommt zurück).
Nun, meine General' und Obersten,
Der Morgenstrahl ergraut! – Habt ihr geschrieben?

Feldmarschall.
Es ist vollbracht, mein Fürst; dein Kriegsplan ist
An deine Feldherrn pünktlich ausgeteilt!

Der Kurfürst (indem er Hut und Handschuh nimmt).
Herr Prinz von Homburg, dir empfehl ich Ruhe!
Du hast am Ufer, weißt du, mir des Rheins
Zwei Siege jüngst verscherzt; regier dich wohl,
Und laß mich heut den dritten nicht entbehren,
Der mindres nicht, als Thron und Reich, mir gilt!
(Zu den Offizieren.)
Folgt mir! – He, Franz!

Ein Reitknecht (tritt auf).     Hier!

Der Kurfürst.                                   Rasch! Den Schimmel vor!
– Noch vor der Sonn im Schlachtfeld will ich sein!

(Ab; die Generale, Obersten und Offiziere folgen ihm.)

Sechster Auftritt

Der Prinz von Homburg (in den Vordergrund tretend).
Nun denn, auf deiner Kugel, Ungeheures,
Du, der der Windeshauch den Schleier heut,
Gleich einem Segel lüftet, roll heran!
Du hast mir, Glück, die Locken schon gestreift:
Ein Pfand schon warfst du, im Vorüberschweben,
Aus deinem Füllhorn lächelnd mir herab:
Heut, Kind der Götter, such ich, flüchtiges,
Ich hasche dich im Feld der Schlacht und stürze
Ganz deinen Segen mir zu Füßen um:
Wärst du auch siebenfach, mit Eisenketten,
Am schwedschen Siegeswagen festgebunden! (Ab.)


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