Heinrich von Kleist
Prinz Friedrich von Homburg
Heinrich von Kleist

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Zweiter Akt

Szene: Schlachtfeld bei Fehrbellin.

Erster Auftritt

Obrist Kottwitz, Graf Hohenzollern, Rittmeister von der Golz, und andere Offiziere, an der Spitze der Reuterei, treten auf.

Obrist Kottwitz (außerhalb der Szene).
Halt hier die Reuterei, und abgesessen!

Hohenzollern und Golz (treten auf).
Halt! – Halt!

Obrist Kottwitz.   Wer hilft vom Pferde mir, ihr Freunde?

Hohenzollern und Golz.
Hier, Alter, hier! (Sie treten wieder zurück..)

Obrist Kottwitz (außerhalb).
                              Habt Dank! – Ouf! Daß die Pest mich!
– Ein edler Sohn, für euren Dienst, jedwedem,
Der euch, wenn ihr zerfallt, ein Gleiches tut!

(Er tritt auf; Hohenzollern, Golz und andere, hinter ihm.)

Ja, auf dem Roß fühl ich voll Tugend mich;
Doch sitz ich ab, da hebt ein Strauß sich an,
Als ob sich Leib und Seele kämpfend trennten!
(Er sieht sich um.)
Wo ist des Prinzen, unsers Führers, Durchlaucht?

Hohenzollern.
Der Prinz kehrt gleich zu dir zurück!

Obrist Kottwitz.                                         Wo ist er?

Hohenzollern.
Er ritt ins Dorf, das dir, versteckt in Büschen,
Zur Seite blieb. Er wird gleich wiederkommen.

Ein Offizier.
Zur Nachtzeit, hör ich, fiel er mit dem Pferd?

Hohenzollern.
Ich glaube, ja.

Obrist Kottwitz.     Er fiel?

Hohenzollern (wendet sich). Nichts von Bedeutung!
Sein Rappe scheute an der Mühle sich,
Jedoch, leichthin zur Seite niedergleitend,
Tat er auch nicht den mindsten Schaden sich.
Es ist den Odem keiner Sorge wert.

Obrist Kottwitz (auf einen Hügel tretend).
Ein schöner Tag, so wahr ich Leben atme!
Ein Tag von Gott, dem hohen Herrn der Welt,
Gemacht zu süßerm Ding als sich zu schlagen!
Die Sonne schimmert rötlich durch die Wolken,
Und die Gefühle flattern, mit der Lerche,
Zum heitern Duft des Himmels jubelnd auf! –

Golz.
Hast du den Marschall Dörfling aufgefunden?

Obrist Kottwitz (kommt vorwärts).
Zum Henker, nein! Was denkt die Exzellenz?
Bin ich ein Pfeil, ein Vogel, ein Gedanke,
Daß er mich durch das ganze Schlachtfeld sprengt?
Ich war beim Vortrab, auf den Hackelhöhn,
Und in dem Hackelgrund, beim Hintertrab:
Doch wen ich nicht gefunden, war der Marschall!
Drauf meine Reuter sucht ich wieder auf.

Golz.
Das wird sehr leid ihm tun. Es schien, er hatte
Dir von Belang noch etwas zu vertraun.

Der Offizier.
Da kommt des Prinzen, unsers Führers, Durchlaucht!

Zweiter Auftritt

Der Prinz von Homburg, mit einem schwarzen Band um die linke Hand. Die Vorigen.

Obrist Kottwitz.
Sei mir gegrüßt, mein junger edler Prinz!
Schau her, wie, während du im Dörfchen warst,
Die Reuter ich im Talweg aufgestellt:
Ich denk du wirst mit mir zufrieden sein!

Der Prinz von Homburg.
Guten Morgen, Kottwitz! – Guten Morgen, Freunde!
– Du weißt, ich lobe alles, was du tust.

Hohenzollern.
Was machtest, Arthur, in dem Dörfchen du?
– Du scheinst so ernst!

Der Prinz von Homburg.     Ich – war in der Kapelle,
Die aus des Dörfchens stillen Büschen blinkte.
Man läutete, da wir vorüberzogen,
Zur Andacht eben ein, da trieb michs an,
Am Altar auch mich betend hinzuwerfen.

Obrist Kottwitz.
Ein frommer junger Herr, das muß ich sagen!
Das Werk, glaubt mir, das mit Gebet beginnt,
Das wird mit Heil und Ruhm und Sieg sich krönen!

Der Prinz von Homburg.
Was ich dir sagen wollte, Heinrich –
(Er führt den Grafen ein wenig vor.)
Was wars schon, was der Dörfling, mich betreffend,
Bei der Parol' hat gestern vorgebracht?

Hohenzollern.
– Du warst zerstreut. Ich hab es wohl gesehn.

Der Prinz von Homburg.
Zerstreut – geteilt; ich weiß nicht, was mir fehlte,
Diktieren in die Feder macht mich irr. –

Hohenzollern.
– Zum Glück nicht diesmal eben viel für dich.
Der Truchß und Hennings, die das Fußvolk führen,
Die sind zum Angriff auf den Feind bestimmt,
Und dir ist aufgegeben, hier zu halten
Im Tal, schlagfertig mit der Reuterei,
Bis man zum Angriff den Befehl dir schickt.

Der Prinz von Homburg (nach einer Pause, in der er vor sich niedergeträumt).
– Ein wunderlicher Vorfall!

Hohenzollern.                               Welcher, Lieber?

(Er sieht ihn an. – Ein Kanonenschuß fällt.)

Obrist Kottwitz.
Holla, ihr Herrn, holla! Sitzt auf, sitzt auf!
Das ist der Hennings und die Schlacht beginnt!

(Sie besteigen sämtlich einen Hügel.)

Der Prinz von Homburg.
Wer ist es? Was?

Hohenzollern.             Der Obrist Hennings, Arthur,
Der sich in Wrangels Rücken hat geschlichen!
Komm nur, dort kannst du alles überschaun.

Golz (auf dem Hügel).
Seht, wie er furchtbar sich am Rhyn entfaltet!

Der Prinz von Homburg (hält sich die Hand vors Auge).
– Der Hennings dort auf unserm rechten Flügel?

Erster Offizier.
Ja, mein erlauchter Prinz.

Der Prinz von Homburg.         Was auch, zum Henker!
Der stand ja gestern auf des Heeres Linken.

(Kanonenschüsse in der Ferne.)

Obrist Kottwitz.
Blitzelement! Seht, aus zwölf Feuerschlünden
Wirkt jetzt der Wrangel auf den Hennings los!

Erster Offizier.
Das nenn ich Schanzen das, die schwedischen!

Zweiter Offizier.
Bei Gott, getürmt bis an die Kirchsturmspitze,
Des Dorfs, das hinter ihrem Rücken liege!

(Schüsse in der Nähe.)

Golz.
Das ist der Truchß!

Der Prinz von Homburg. Der Truchß?

Obrist Kottwitz.                                   Der Truchß, er, ja;
Der Hennings jetzt von vorn zu Hülfe kommt.

Der Prinz von Homburg.
Wie kommt der Truchß heut in die Mitte?

(Heftige Kanonade.)

Golz.
O Himmel, schaut, mich dünkt das Dorf fing Feuer!

Dritter Offizier.
Es brennt, so wahr ich leb!

Erster Offizier .                         Es brennt! Es brennt!
Die Flamme zuckt schon an dem Turm empor!

Golz.
Hui! Wie die Schwedenboten fliegen rechts und links!

Zweiter Offizier.
Sie brechen auf!

Obrist Kottwitz.       Wo?

Erster Offizier.                 Auf dem rechten Flügel! –

Dritter Offizier.
Freilich! In Zügen! Mit drei Regimentern!
Es scheint, den linken wollen sie verstärken.

Zweiter Offizier.
Bei meiner Treu! Und Reuterei rückt vor,
Den Marsch des rechten Flügels zu bedecken!

Hohenzollern (lacht).
Ha! Wie das Feld die wieder räumen wird,
Wenn sie versteckt uns hier im Tal erblickt!

(Musketenfeuer.)

Kottwitz.
Schaut! Brüder, schaut!

Zweiter Offizier.                 Horcht!

Erster Offizier.                                 Feuer der Musketen!

Dritter Offizier.
Jetzt sind sie bei den Schanzen aneinander! –

Golz.
Bei Gott! Solch einen Donner des Geschützes
Hab ich zeit meines Lebens nicht gehört!

Hohenzollern.
Schießt! Schießt! Und macht den Schoß der Erde bersten!
Der Riß soll eurer Leichen Grabmal sein.

(Pause. – Ein Siegsgeschrei in der Ferne.)

Erster Offizier.
Herr, du, dort oben, der den Sieg verleiht:
Der Wrangel kehrt den Rücken schon!

Hohenzollern.                                             Nein, sprich!

Golz.
Beim Himmel, Freunde! Auf dem linken Flügel!
Er räumt mit seinem Feldgeschütz die Schanzen.

Alle.
Triumph! Triumph! Triumph! Der Sieg ist unser!

Der Prinz von Homburg (steigt vom Hügel herab).
Auf, Kottwitz, folg mir!

Obrist Kottwitz.                   Ruhig, ruhig, Kinder!

Der Prinz von Homburg.
Auf! Laß Fanfare blasen! Folge mir!

Obrist Kottwitz.
Ich sage, ruhig.

Der Prinz von Homburg (wild).
                          Himmel, Erd und Hölle!

Obrist Kottwitz.
Des Herrn Durchlaucht, bei der Parole gestern,
Befahl, daß wir auf Order warten sollen.
Golz, lies dem Herren die Parole vor.

Der Prinz von Homburg.
Auf Ord'r! Ei, Kottwitz! Reitest du so langsam?
Hast du sie noch vom Herzen nicht empfangen?

Obrist Kottwitz.
Order?

Hohenzollern.
              Ich bitte dich!

Obrist Kottwitz.                   Von meinem Herzen?

Hohenzollern.
Laß dir bedeuten, Arthur!

Golz.                                         Hör mein Obrist!

Obrist Kottwitz (beleidigt).
Oho! Kömmst du mir so, mein junger Herr? –
Den Gaul, den du dahersprengst, schlepp ich noch
Im Notfall an dem Schwanz des meinen fort!
Marsch, marsch, ihr Herrn! Trompeter, die Fanfare!
Zum Kampf! Zum Kampf! Der Kottwitz ist dabei!

Golz (zu Kottwitz).
Nein nimmermehr, mein Obrist! Nimmermehr!

Zweiter Offizier.
Der Hennings hat den Rhyn noch nicht erreicht!

Erster Offizier.
Nimm ihm den Degen ab!

Der Prinz von Homburg.         Den Degen mir?
(Er stößt ihn zurück.)
Ei, du vorwitzger Knabe, der du noch
Nicht die Zehn märkischen Gebote kennst!
Hier ist der deinige, zusamt der Scheide!
(Er reißt ihm das Schwert samt dem Gürtel ab.)

Erster Offizier (taumelnd).
Mein Prinz, die Tat, bei Gott –!

Der Prinz von Homburg (auf ihn einschreitend).
                                                    Den Mund noch öffnest –?

Hohenzollern (zu dem Offizier).
Schweig! Bist du rasend?

Der Prinz von Homburg (indem er den Degen abgibt).
                                        Ordonnanzen! –
Führt ihn gefangen ab, ins Hauptquartier.
(Zu Kottwitz und den übrigen Offizieren..
Und jetzt ist die Parol', ihr Herrn: ein Schurke,
Wer seinem General zur Schlacht nicht folgt!
– Wer von euch bleibt?

Obrist Kottwitz.                   Du hörst. Was eiferst du?

Hohenzollern (beilegend).
Es war ein Rat nur, den man dir erteilt.

Obrist Kottwitz.
Auf deine Kappe nimms. Ich folge dir.

Der Prinz von Homburg (beruhigt).
Ich nehms auf meine Kappe. Folgt mir, Brüder!

(Alle ab.)

 
Szene: Zimmer in einem Dorf.

Dritter Auftritt

Ein Hofkavalier, in Stiefeln und Sporen, tritt auf. – Ein Bauer und seine Frau sitzen an einem Tisch und arbeiten.

Hofkavalier.
Glück auf, ihr wackern Leute! Habt ihr Platz,
In eurem Hause Gäste aufzunehmen?

Der Bauer.
O ja! Von Herzen.

Die Frau.                       Darf man wissen, wen?

Hofkavalier.
Die hohe Landesmutter! Keinen Schlechtern!
Am Dorftor brach die Achse ihres Wagens,
Und weil wir hören, daß der Sieg erfochten,
So braucht es weiter diese Reise nicht.

Beide (stehen auf).
Der Sieg erfochten? – Himmel!

Hofkavalier.                                       Das wißt ihr nicht?
Das Heer der Schweden ist aufs Haupt geschlagen,
Wenn nicht für immer, doch auf Jahresfrist,
Die Mark vor ihrem Schwert und Feuer sicher!
– Doch seht! da kömmt die Landesfürstin schon.

Vierter Auftritt

Die Kurfürstin, bleich und verstört. Prinzessin Natalie und mehrere Hofdamen folgen. – Die Vorigen.

Kurfürstin (unter der Tür).
Bork! Winterfeld! Kommt: gebt mir euren Arm!

Natalie (zu ihr eilend).
O meine Mutter!

Die Hofdamen.           Gott! Sie bleicht! Sie fällt!
(Sie unterstützen sie.)
Kurfürstin.

Führt mich auf einen Stuhl, ich will mich setzen.
– Tot, sagt er; tot?

Natalie.                         O meine teure Mutter!

Kurfürstin.
Ich will den Unglücksboten selber sprechen.

Fünfter Auftritt

Rittmeister von Mörner tritt verwundet auf, von zwei Reutern geführt. – Die Vorigen.

Kurfürstin .
Was bringst du, Herold des Entsetzens, mir?

Mörner.
Was diese Augen, leider, teure Frau,
Zu meinem ewgen Jammer, selbst gesehn.

Kurfürstin.
Wohlan! Erzähl!

Mörner.                     Der Kurfürst ist nicht mehr!

Natalie.                                                                   O Himmel!
Soll ein so ungeheurer Schlag uns treffen?
(Sie bedeckt sich das Gesicht.)

Kurfürstin.
Erstatte mir Bericht, wie er gesunken!
– Und wie der Blitzstrahl, der den Wandrer trifft,
Die Welt noch einmal purpurn ihm erleuchtet,
So laß dein Wort sein; Nacht, wenn du gesprochen,
Mög über meinem Haupt zusammenschlagen.

Mörner (tritt, geführt von den beiden Reutern, vor ihr).
Der Prinz von Homburg war, sobald der Feind,
Gedrängt von Truchß, in seiner Stellung wankte,
Auf Wrangel in die Ebne vorgerückt;
Zwei Linien hatt er, mit der Reuterei,
Durchbrochen schon, und auf der Flucht vernichtet,
Als er auf eine Feldredoute stieß.
Hier schlug so mörderischer Eisenregen
Entgegen ihm, daß seine Reuterschar,
Wie eine Saat, sich knickend niederlegte:
Halt mußt er machen zwischen Busch und Hügeln,
Um sein zerstreutes Reuterkorps zu sammeln.

Natalie (zur Kurfürstin).
Geliebte! Fasse dich!

Kurfürstin.                         Laß, laß mich, Liebe!

Mörner.
In diesem Augenblick, dem Staub entrückt,
Bemerken wir den Herrn, der, bei den Fahnen
Des Truchßschen Korps, dem Feind entgegenreitet;
Auf einem Schimmel herrlich saß er da,
Im Sonnenstrahl, die Bahn des Siegs erleuchtend.
Wir alle sammeln uns, bei diesem Anblick,
Auf eines Hügels Abhang, schwer besorgt,
Inmitten ihn des Feuers zu erblicken:
Als plötzlich jetzt der Kurfürst, Roß und Reuter,
In Staub vor unsern Augen niedersinkt;
Zwei Fahnenträger fielen über ihn,
Und deckten ihn mit ihren Fahnen zu.

Natalie.
O meine Mutter!

Erste Hofdame.         Himmel!

Kurfürstin.                                 Weiter! Weiter!

Mörner.
Drauf faßt, bei diesem schreckenvollen Anblick,
Schmerz, unermeßlicher, des Prinzen Herz;
Dem Bären gleich, von Wut gespornt und Rache,
Bricht er mit uns auf die Verschanzung los:
Der Graben wird, der Erdwall, der sie deckt,
Im Anlauf überflogen, die Besatzung
Geworfen, auf das Feld zerstreut, vernichtet,
Kanonen, Fahnen, Pauken und Standarten,
Der Schweden ganzes Kriegsgepäck, erbeutet:
Und hätte nicht der Brückenkopf am Rhyn
Im Würgen uns gehemmt, so wäre keiner,
Der an dem Herd der Väter, sagen könnte:
Bei Fehrbellin sah ich den Helden fallen!

Kurfürstin.
Ein Sieg, zu teu'r erkauft! Ich mag ihn nicht.
Gebt mir den Preis, den er gekostet, wieder.
(Sie sinkt in Ohnmacht.)

Erste Hofdame.
Hilf, Gott im Himmel! Ihre Sinne schwinden.

(Natalie weint.)


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