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III.

Stanko Dazkovic war gut für sein Wort. Er war in seiner Art so etwas wie ein Gentleman, denn er war ein Sohn der alten Militärgrenze, die ihre Tradition hat und in der noch anständige Menschen wachsen, gleichviel, ob sie als Serben oder Kroaten oder Ungarn oder Deutsche oder Juden auf die Welt kommen. Die alten Militärgrenzer haben ihre Ehre und sind stolz darauf, der Soldat gerad so wie der Vieh- und der Holzhändler oder der Branntweinjud. Man legt einander beim Handel hinein, haut sich gegenseitig übers Ohr – das gehört mit zur Tradition; wenn sich einer hineinlegen und übers Ohr hauen läßt, dann ist er eben nicht würdig, ein Sohn der Grenze zu sein. Aber – – man hält sein Wort. Und wenn man dabei zugrunde geht, wenn einen der Teufel holt – man hält sein Wort. Als es noch einen Kaiser von Oesterreich gab, hat er sich immer auf das Wort der Grenzer verlassen können. Die Regimenter der Militärgrenze haben auch damals, als es zu Ende ging, ausgehalten bis zuletzt – bis zuallerletzt – –.

So sah eben Stanko Dazkovic aus, wie er aussah, und war doch gut für sein Wort. Er sorgte dafür, daß die »Geschäftsverbindung« tadellos funktionierte. Daß er und Elisabeth einander nicht mißverstanden – mehr noch, daß sie einander gut verstanden. Es war nicht immer leicht mit ihr, bei Gott nicht. Sie war eigensinnig, mißtrauisch – besonders im Anfang, wo sie ihren Kompagnon noch nicht recht kannte. Launenhaft war sie und glaubte immer, gegen den Zwang ankämpfen zu müssen, den Dazkovic irgendwie gegen sie auszuüben gewillt wäre. Sie würde kämpfen müssen um ihre Freiheit, hatte sie sich gesagt, als sie in dem Zuge saß, der sie aus dem Elend ihrer Ehe nach Paris führte. All die Bitternis, die sich in ihr angehäuft hatte, nahm sie damals mit, und zu tief hatte sie sich in ihr eingefressen, als daß sie sich mit dem Klimawechsel davon befreien konnte. Ueberreizt war sie, gedemütigt durch die Feigheit ihres Mannes, der einfach davonging und sie zurückließ – – –

So dauerte es geraume Zeit, bis sie Vertrauen zu Dazkovic faßte. Bis sie sogar anfing, ihm zu glauben. Bis sie merkte, daß »man wirklich so aussehen und doch ein anständiger Kerl sein kann«. Sie flammte zwar auch später immer wieder auf, wenn er nicht einer Meinung mit ihr war. Oder ihr ein »Geschäft« einreden wollte, das ihr nicht behagte. Ein wildes, unbändiges Temperament hatte sie, einen Stolz dazu, der anmaßend, überhebend wurde, je mehr ihr Ruhm sich verbreitete.

Denn sie wurde eine internationale Berühmtheit. Der schlaue Grenzer hatte ganz genau gewußt, was er tat, als er der verlassenen, verzweifelten Frau, die als einzige Rettung vor dem Zuchthaus den Revolver sah, den Vorschlag machte, seine Geschäftsteilhaberin zu werden. Ein Risiko war es gewesen, ein ganz verteufeltes Risiko, das eine ganze Menge Geld kosten konnte – – –

»Sehen Sie, gnädige Frau,« hatte er zu ihr gesagt, als sie zu ihm kam, um ihm mitzuteilen, daß ihr Mann entflohen war, »ich habe von Ihrem Gemahl einen Wechsel über achttausend Dollar, auf den er durch Sie die Unterschrift seines Bruders hat setzen lassen. Was habe ich davon, wenn ich Sie vor Gericht schleppe und ins Unglück stürze? Ihr Mann ist ein Lump – und er hat Sie zum Narren gehalten! Was hat er gesagt? Er muß sich erschießen, wenn er die 8000 Dollar nicht bekommt? Spielschulden? Ja – ja, ich weiß. Das Gericht wird es auch wissen und wird Sie trotzdem einsperren. Falsche Unterschrift ist falsche Unterschrift, und wenn sie hundertmal von einer jungen, dummen, leichtsinnigen Frau gemacht worden ist, um ihren Mann zu retten! Ist so, meine liebe gnädige Frau! Frage ich Sie, was hätte ich davon? Bekomm ich mein Geld zurück? Nicht einen lucketen Kreuzer. Ich bin Geschäftsmann, nicht wahr? Soll ich Ihre Jugend, Ihren Geist, Ihre Schönheit – – – bitte, lassen Sie mich doch ausreden! – im Zuchthaus – ja, im Zuchthaus, ich mach Ihnen nichts vor – verwelken und verkommen lassen, wo ich das größte Geschäft dadrinnen seh? Gott soll mir beistehen, ich spreche als Geschäftsmann, als nichts anderes – – aber, liebe gnädige Frau, ausreden lassen! – nicht davonrennen! Anhören!

Was will ich? Passen Sie auf! Sehen Sie, ich bin Serb', kann Ungarisch und a bissel Deutsch, so ein Krowotendeutsch halt! Sonst nichts! Aber Geld hab' ich, und die Gelegenheit seh' ich, jetzt noch mehr Geld zu machen. In Wien oder in Berlin ist nix. Die haben den Krieg verloren. Aber Paris – sehen Sie, Paris! Stellen Sie sich vor – ich und Paris! Ich muß selber lachen. Sie passen nach Paris hinein. Sie ja! Eine Frau wie Sie muß Paris in die Tasche stecken! Sie sind so schön, daß Sie alle Männer um den kleinen Finger wickeln werden, und Sie haben Geist genug, auch mit den Frauen fertig zu werden. Bah – ich bin alt genug, um Ihnen das sagen zu können, und hab' ich außerdem Tochter, die keine drei, vier Jahre jünger ist als Sie, meine liebe, gute, gnädige Frau! Also – – wir werden Geschäfte miteinander machen, Sie und ich – – –«

»Was für Geschäfte?« hatte sie gefragt.

»Wozu sich festlegen? Was wir eben finden. Heute werden wir einem verkrachten französischen Aristokraten sein Schloß abkaufen, morgen einer russischen Fürstin, die vor den Bolschewiki durchgegangen ist, ihre Brillanten oder ihre Perlen – – was sie gerad' noch hat. Wir werden Geld ausleihen, gegen gute Sicherheiten und ebenso gute Zinsen natürlich – – –«

»Schiebergeschäfte also!«

Entrüstet hatte Stanko Dazkovic die kleinen Aeuglein gen Himmel gerollt und in abwehrender Beschwörung die dicken, bis an die Nägel behaarten Hände erhoben.

»Was heißt Schiebergeschäfte? Ich bin ein solider Geschäftsmann und hab' von meinem Vater selig gelernt, daß ich ein Schwein nur verkaufen kann, wenn ich's hab', und nur kaufen darf, wenn ich's seh'! Ich hab' im Krieg der Armee Schweine geliefert – – ich weiß heut nicht mehr, wieviel hunderttausend, aber das weiß ich, daß nicht eins weniger war, als ich zu liefern gehabt hab' – so soll Gott mir beistehen! Muß heutzutag' jeder, der Geld verdient, ein Schieber sein? Das ist nur so ein Gerede von den Leuten, die entweder neidig sind oder nichts verstehen. Und wenn ich auch sonst nicht viel versteh – aber die heutige Zeit versteh ich. Heut dreht sich so manches um. Was sag' ich – manches! Alles dreht sich um! Ich weiß nicht, ob die Welt wieder einmal auf den Füßen stehen wird, aber daß sie heut auf dem Kopf steht, das seh' ich. Und daß ihr dabei alles mögliche aus den Taschen fällt, seh' ich auch. Warum soll ich es nicht aufheben? Frage ich Sie, warum soll ich es nicht aufheben?«

»Und wie soll ich Ihnen dabei helfen?«

»Sie werden die Geschäfte bringen. Ich kann mich nicht in ein vornehmes Hotel oder in einen Salon hineintrauen. Da sehe ich aus wie die Fliegen in der Buttermilch. Aber Sie – Sie! Wer wird in Ihnen eine Geschäftsfrau sehen! Und deshalb wird jeder mit Ihnen Geschäfte machen – die Männer wie die Weiber. Und ich meine – Sie haben an Ihren Erfahrungen genug – und werden immer Geschäftsfrau bleiben: Verlieben? Wenn Sie absolut wollen – na ja, aber nicht den Kopf darüber verlieren – – –!«

»Verlieben – ich?«

Sie hatte gelächelt – ein bitteres, haßerfülltes Lächeln.

»Um so besser! Dann gehen Sie auf die Männer los und ziehen Sie ihnen die Haut über die Ohren! Ich sage Ihnen, ich, der alte Stanko Dazkovic – sie werden Ihnen noch die Hände küssen dafür – – –«

»Und was verdiene ich dabei?«

»Hm – kitzlige Frage – –«

»Keine Verlegenheitspausen, Herr Dazkovic! Bis jetzt haben Sie eine überraschend flüssige Rhetorik entwickelt. Wenn Sie jetzt auf einmal zu stottern beginnen wollten – –«

»Stottere ich? Ich denke nach.«

»Sollten Sie über diesen wichtigen Punkt nicht schon früher nachgedacht haben?«

»Hab' ich, hab' ich! Bin aber doch der Meinung, wie ich Sie da so vor mir anseh', daß fünfundzwanzig Prozent, wie ich zuerst gedacht hab', zu wenig ist. Sagen wir also dreißig.«

»Wenn Sie von neuem darüber nachdenken, Herr Dazkovic, werden Sie finden, daß auch das zu wenig ist. Sagen wir also fünfzig!«

»Unmöglich! Wo ich doch alle Kosten tragen muß! Ich muß Sie ausstatten – eine Wohnung müssen Sie haben, ein Auto – – Sie müssen nach was aussehen – und das hat seit Adams Zeiten schon immer viel Geld gekostet! Vierzig Prozent – seien Sie vernünftig, gnädige Frau!«

»Eben haben Sie mir Vernunft gepredigt, nichts als Vernunft! Und nun verlangen Sie, ich soll vernünftig sein – auf meine Kosten. Wenn ich das täte, wäre ich des Vertrauens nicht wert, das sie in meine Fähigkeiten zu setzen scheinen. Also fünfzig zu fünfzig – das ist nicht nur vernünftig, sondern auch anständig.«

»Ich seh' an mir selber, wie recht ich hab', wenn ich sag', Sie drehen die Männer alle um den kleinen Finger. Bei mir fangen Sie an – gut, fünfzig zu fünfzig.«

»Wann wird abgerechnet?«

»Von Fall zu Fall!«

»Das heißt, nach Abschluß eines jeden Geschäftes, ja? Einverstanden! Ich verwalte das aus diesen Geschäften mir zufließende Geld selbst?«

»Natürlich. Was denken Sie von mir, gnädige Frau?«

»Ich denke von Ihnen, was ich von den anderen Männern denke, Herr Dazkovic. Wäre es Ihnen recht, wenn wir unsere Abmachungen schriftlich niederlegen würden?«

»Wenn Sie wollen – aber Handschlag genügt unter Freunden –«

»Ich wüßte nicht, daß wir Freunde wären. Wir sind Kompagnons, und ein Handschlag kann nicht vor Gericht deponiert werden. Ich möchte eben für alle Zukunft klare Verhältnisse haben.«

»Schön – setzen wir Papier auf,« sagte Stanko Dazkovic und wischte sich den Schweiß ab, den ihm diese »junge, dumme, leichtsinnige Frau« auf die Stirne trieb.

Sie machten einen regelrechten Vertrag miteinander. Elisabeth schrieb zwei Exemplare heraus, von denen eines sie, das andere Dazkovic unterzeichnete. Von dem Wechsel setzte sie natürlich kein Wort hinein.

Aber sie sagte:

»Und wann bekomme ich den Wechsel zurück?«

»Bis wir beide genug verdient haben.«

»Das ist ein etwas vager Begriff. Was verstehen Sie unter ›genug‹?«

Stanko Dazkovic antwortete mit einer Gegenfrage:

»Kann man je genug verdienen?«


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