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Befehl der Kaiserin, das Abendmahl zu nehmen. – Die Kompagnie des Großfürsten in Oranienbaum. – Langweiliges Leben in Oranienbaum. – Ich tröste mich mit meinen Büchern. – Amüsanter Winter in Petersburg. – Reise nach Tischwin. – Der kaiserliche Favorit Razumowski. – Tschoglokoff. – Tod der Fürstin Gagarin. – Im Sommerpalast. – Verschiedene Verabschiedungen. – Reise nach Gostilitza. – Tod meines Vaters. – Man verbietet mir, ihn länger als acht Tage zu beweinen. – Intrige Bestuscheffs. – Die Meute des Großfürsten. – Er spielt mit Puppen und anderem Spielzeug. – Man verbietet uns, mit unserer Umgebung halblaut zu sprechen. – Der Hundestall neben unserm Schlafzimmer. – Maskenbälle in meinen Gemächern. – Ungnade Repnins. – Die Kaiserin macht mir Vorwürfe. – Ich bekomme die Masern.
Zu Anfang August ließ die Kaiserin dem Großfürsten und mir sagen, daß wir zum Abendmahl gehen sollten. Wir entsprachen beide ihren Wünschen und begannen sogleich die Frühmette und Vesper bei uns singen zu lassen, sowie täglich in die Messe zu gehen. Am Freitag, als es sich darum handelte, die Beichte abzulegen, klärte sich denn auch die Ursache zu diesem Befehl auf. Simon Theodorski, der Bischof von Pleskow, fragte uns nämlich beide, natürlich jeden besonders, was zwischen den Czernitscheffs und uns vorgegangen sei. Aber da absolut nichts vorgefallen war und er sah, daß wir ihm offen und unschuldig erklärten, auch nicht ein Schatten von dem, was man gewagt habe, anzunehmen, sei begründet, ward er ein wenig verlegen. Und es entschlüpften ihm gegen mich die Worte: »Aber woher kommt es, daß die Kaiserin vom Gegenteil überzeugt ist?« worauf ich ihm antwortete, ich wisse es nicht. Ich glaube sicher, daß unser Beichtvater unsere Geständnisse dem Beichtvater der Kaiserin mitteilte und dieser sie Ihrer Majestät übermittelte, was nicht zu unserem Nachteile geschah. Wir nahmen das Abendmahl am Sonnabend und gingen am Sonntag auf acht Tage nach Oranienbaum, während Elisabeth einen Ausflug nach Zarskoje Selo machte.
Sobald wir in Oranienbaum angekommen waren, bildete der Großfürst aus seinem ganzen Gefolge eine Kompagnie. Die Kammerherren, Kammerkavaliere, Hofchargen, die Adjutanten des Fürsten Repnin, ja sogar dessen Sohn, die Hofbedienten, Jäger, Gärtner, alle, alle mußten sie das Gewehr über die Schulter nehmen. Seine kaiserliche Hoheit exerzierte sie täglich und ließ sie auf die Wache ziehen; der Korridor des Hauses diente ihnen als Wachtstube, wo sie den Tag verbrachten. Zu den Mahlzeiten gingen die Kavaliere hinauf, und abends kamen sie in den Saal, um so, wie sie waren, in Gamaschen, gestiefelt und gespornt, zu tanzen. Von Damen waren nur ich, Madame Tschoglokoff, die Fürstin Repnin, meine drei Ehrendamen und meine Kammerfrauen da; folglich waren diese Bälle stets sehr spärlich und schlecht arrangiert, zumal da die Männer von dem fortwährenden Exerzieren, einer Beschäftigung, die dem Geschmack der Hofleute durchaus nicht zusagte, ermüdet und schlechter Laune waren. Nach dem Ball durften sie dann in ihrem Zimmer zu Bett gehen. Im allgemeinen waren ich sowie alle andern des langweiligen Lebens in Oranienbaum, wo wir fünf oder sechs Frauen von früh bis abends allein waren, während die Männer ihrerseits wider Willen exerzierten, herzlich satt. Ich nahm deshalb meine Zuflucht zu den Büchern, die ich mir mitgebracht hatte. Seit meiner Heirat beschäftigte ich mich fast ausschließlich mit Lektüre. Das erste Buch, welches ich nach meiner Vermählung las, war ein Roman, betitelt »Tiran le Blanc«, und ein ganzes Jahr lang las ich nichts als Romane. Diese begannen mich aber bald zu langweilen. Zufällig kamen mir die Briefe von Madame de Sévigné in die Hände, eine Lektüre, die mich sehr amüsierte. Nachdem ich sie förmlich verschlungen hatte, las ich die Werke Voltaires, doch nach diesen suchte ich meine Bücher mit größerer Wahl aus.
Wir kehrten nach Peterhof zurück, und nach zwei oder drei Hin- und Rückreisen zwischen Peterhof und Oranienbaum, wobei es stets bei denselben Zerstreuungen blieb, bezogen wir den Sommerpalast in Petersburg.
Ende des Herbstes siedelte die Kaiserin in den Winterpalast über. Sie bewohnte dort die Gemächer, welche wir den Winter vorher benutzt hatten, während wir in die vor unserer Verheiratung vom Großfürsten bewohnten einquartiert wurden. Diese Gemächer gefielen uns sehr gut und waren in der Tat außerordentlich bequem; sie waren einst von der Kaiserin Anna benutzt worden. Jeden Abend versammelte sich hier unser ganzer Hof, man spielte allerhand unterhaltende Gesellschaftsspiele, oder es fanden Konzerte statt. Zweimal wöchentlich war im großen Theater, das damals der Kasaner Kirche gegenüberstand, Vorstellung. Mit einem Wort, dieser Winter war einer der heitersten und angenehmsten, die ich je verlebt habe. Wir taten wirklich den ganzen Tag nichts als lachen und fröhlich sein.
Ungefähr gegen Mitte des Winters befahl uns die Kaiserin, ihr nach Tischwin, wohin sie sich begab, zu folgen. Diese Reise hatte einen religiösen Zweck, doch gerade, als wir in den Schlitten steigen wollten, erfuhren wir, daß sie aufgeschoben sei. Man flüsterte uns zu, der Oberjägermeister Graf Razumowski sei von der Gicht befallen, und Ihre Majestät wolle nicht ohne ihn reisen. Erst zwei oder drei Wochen später gingen wir nach Tischwin. Die Reise dauerte einschließlich unserer Rückkehr nur fünf Tage. Als wir durch Ribatschia Slobodk kamen und an dem Hause vorbeifuhren, wo sich die Czernitscheffs befanden, suchte ich sie hinter den Fenstern zu erspähen, sah aber nichts. Von Fürst Repnin, der an dieser Reise nicht teilnahm, wurde gesagt, er leide an Blasenstein. Sein Amt vertrat der Gemahl der Tschoglokoff, was allen nicht gerade sehr angenehm war. Er war ein anmaßender, brutaler, dummer Mensch, vor dem alle die größte Furcht hatten, selbst seine eigene Frau. Beide waren aber auch wirklich böswillige Menschen. Dennoch gab es, wie wir später sehen werden, Mittel, nicht allein jene Argusse einzuschläfern, sondern sie sogar zu gewinnen. Damals indes bemühte man sich noch, diese Mittel zu entdecken. Eins der sichersten war, Pharo mit ihnen zu spielen, denn beide waren sehr interessierte Spieler. Diese Schwäche wurden wir zuerst an ihnen gewahr, während wir die andern leider erst viel später entdeckten.
Im Laufe des Winters starb die Ehrendame Fürstin Gagarin an einem hitzigen Fieber, eben als sie im Begriff war, sich mit dem Kammerherrn Fürsten Galitzin, welcher später ihre jüngere Schwester heiratete, zu vermählen. Ich bedauerte ihren Verlust sehr und besuchte sie oft während ihrer Krankheit, trotz der Einwände Madame Tschoglokoffs. Die Kaiserin ließ an ihrer Stelle ihre ältere Schwester aus Moskau kommen, die sich später mit dem Grafen Matjuschkin vermählte.
Im Frühjahr siedelten wir in den Sommerpalast über, und von dort ging es aufs Land. Fürst Repnin erhielt angeblich wegen zerrütteter Gesundheit die Erlaubnis, sich auf seine Besitzung zurückzuziehen, und Tschoglokoff führte ad interim die Geschäfte des Fürsten Repnin bei uns. Das erste, was er tat, war die Verabschiedung unseres Kammerherrn Grafen Devierre, der als Brigadier, und des Kammerkavaliers Villebois, der als Oberst in die Armee versetzt wurde. Beides geschah auf Veranlassung Tschoglokoffs, der sie mit Mißfallen betrachtete, weil der Großfürst und ich ihnen Wohlwollen bewiesen. Eine ähnliche Verabschiedung hatte schon im Jahre 1745 auf die Bitte meiner Mutter den Grafen Zacharias Czernitscheff betroffen, und stets sah man solche Verabschiedungen als Zeichen der Ungnade bei Hofe an, so daß sie für die betreffenden Personen sehr empfindlich waren. Die eben erwähnte war dem Großfürsten und mir besonders unangenehm. Ein anderer Kunstgriff der Tschoglokoffs, die den Großfürsten und mich vollkommen isolieren wollten, war, daß dem Prinzen August, nachdem er alles erhalten, was er wünschte, von der Kaiserin der Befehl erteilt wurde, sich zu entfernen. Sie folgten darin den Weisungen des Grafen Bestuscheff, dem alle ohne Ausnahme verdächtig waren.
Da ich während dieses Sommers nichts Besseres zu tun hatte und die Langeweile bei uns groß wurde, war meine Hauptleidenschaft das Reiten. Den Rest meiner Zeit benutzte ich, alles zu lesen, was mir in die Hände fiel. Was den Großfürsten betraf, so wählte er sich, da man ihm die Leute, die er am meisten liebte, genommen, unter den Hofbedienten neue Günstlinge aus.
In dieser Zeit benachrichtigte mich mein Kammerdiener Nevreinoff eines Morgens, als er mich frisierte, er habe durch einen eigentümlichen Zufall entdeckt, daß Andreas Czernitscheff und seine Brüder in Ribatschia in einem Lusthause der Kaiserin, welches sie von ihrer Mutter geerbt, gefangen säßen. Er hätte es auf folgende Weise erfahren. Während des Karnevals hatte er mit seiner Frau, seiner Schwägerin und seinen beiden Schwägern eine Schlittenfahrt gemacht. Der Gatte der Schwägerin war Magistratssekretär in Petersburg und hatte eine Schwester, welche an einen Untersekretär der geheimen Kanzlei verheiratet war. Sie machten einen Ausflug nach Ribatschia und kehrten bei dem Verwalter dieses Gutes der Kaiserin ein. Da sie sich über den Tag, auf welchen das Osterfest fallen würde, stritten, sagte der Hauswirt, er könne diesen Streit schnell schlichten, denn er brauche nur die Gefangenen um ein Buch zu bitten, welches Swiatzy hieße, und in dem alle Feste und der Kalender für mehrere Jahre aufgeführt seien. Nach einigen Augenblicken brachte man das Buch. Der Schwager Nevreinoffs ergriff es, schlug es auf und das erste, was er darin fand, war der Name Andreas Czernitscheffs und das Datum des Tages, an welchem der Großfürst ihm das Buch geschenkt hatte. Hierauf suchte er nach dem Osterfeste. Der Streit war beendet, das Buch wurde wieder abgegeben und sie kehrten nach Petersburg zurück, wo der Schwager Nevreinoffs ihm einige Tage später diese Entdeckung anvertraute. Er bat mich inständig, nicht mit dem Großfürsten davon zu sprechen, weil man auf seine Verschwiegenheit durchaus nicht bauen könne; ich versprach es und hielt Wort.
Um die Mitte der Fastenzeit begaben wir uns mit der Kaiserin nach Gostilitza zur Feier des Namensfestes des Oberjägermeisters Razumowski. Man tanzte, war sehr vergnügt und kehrte dann in die Stadt zurück.
Einige Tage nachher meldete man mir das Hinscheiden meines Vaters, eine Nachricht, die mich aufs tiefste betrübte. Acht Tage lang ließ man mich meinen Schmerz ausweinen, doch am Ende dieser acht Tage erklärte mir Madame Tschoglokoff, es sei nun des Weinens genug. Die Kaiserin befehle mir, aufzuhören, da mein Vater kein König gewesen sei. Ich erwiderte, ein König sei er freilich nicht gewesen, worauf sie antwortete, es schicke sich nicht für eine Großfürstin, länger um einen Vater zu weinen, der kein regierender König gewesen sei. Endlich befahl man mir, am nächsten Sonntag auszugehen und nur sechs Wochen Trauer zu tragen.
Als ich zum ersten Male wieder mein Zimmer verließ, fand ich den Grafen Santi, den Oberzeremonienmeister der Kaiserin, im Vorzimmer Ihrer Majestät. Ich richtete einige gleichgültige Worte an ihn und ging weiter. Ein paar Tage später erschien Madame Tschoglokoff, um mir zu sagen, Ihre Majestät habe vom Grafen Bestuscheff, dem Santi es schriftlich gegeben, erfahren, daß ich zu Santi gesagt habe, ich fände es sehr sonderbar, daß mir die Gesandten beim Tode meines Vaters keine Beileidsbesuche abgestattet hätten. Eine solche Bemerkung gegen Santi finde Ihre Majestät sehr unangebracht; ich sei ungemein stolz, müsse mich doch erinnern, daß mein Vater kein König gewesen sei, und daß ich aus diesem Grunde Beileidsbezeigungen seitens der fremden Gesandten weder verlangen könne noch dürfe. Ich fiel wie aus den Wolken, als ich Madame Tschoglokoff so sprechen hörte, und erwiderte, wenn Graf Santi gesagt oder geschrieben, daß ich ein einziges dem erwähnten auch nur ähnliches Wort über diesen Gegenstand mit ihm gesprochen, so sei er ein absichtlicher Lügner. Nichts von alledem sei mir jemals in den Sinn gekommen, folglich könne ich auch weder an ihn, noch an sonst jemand solche Worte gerichtet haben. Dies war die vollkommenste Wahrheit, denn ich hatte es mir zur strengsten Pflicht gemacht, in keinem Falle irgend welche Ansprüche zu erheben, mich in allen Dingen dem Willen Ihrer kaiserlichen Majestät unterzuordnen und zu tun, was man mir befahl. Augenscheinlich war Madame Tschoglokoff durch die Offenheit, mit welcher ich antwortete, von der Wahrheit überzeugt, denn sie erwiderte, sie werde nicht verfehlen, der Kaiserin zu berichten, daß ich Graf Santi Lügen strafe. In der Tat begab sie sich sofort zu Ihrer Majestät und kam zurück, um mir zu sagen, daß die Kaiserin sehr böse auf Santi sei, weil er sich einer solchen Lüge schuldig gemacht, und sie habe befohlen, ihm einen Verweis zu geben. Einige Tage später schickte Graf Santi verschiedene Personen zu mir, unter andern auch den Kammerherrn Grafen Nikita Panin und den Vizekanzler Woronzow, um mir zu sagen, daß Bestuscheff ihn zu dieser Lüge gezwungen und es ihm sehr schmerzlich sei, deshalb in Ungnade bei mir gefallen zu sein. Ich antwortete ihnen, ein Lügner sei ein Lügner, was er auch für Gründe haben möge, zu lügen; aber aus Besorgnis, er könne mich wieder einmal in seine Lügen verwickeln, werde ich nicht mehr mit ihm sprechen. Meine Ansicht indes war folgende. Santi war ein Italiener; er intrigierte gern und war erfüllt von seinem Amt als Oberzeremonienmeister. Ich hatte mich mit ihm stets so unterhalten, wie ich es mit jedem andern auch tat. Vielleicht aber hatte er gedacht, daß Beileidsbezeigungen für den Tod meines Vaters seitens des diplomatischen Korps zulässig seien, und bei seiner Art zu denken scheint es, daß er mir dadurch einen Gefallen zu erweisen glaubte. Er ging also zum Großkanzler Grafen Bestuscheff, seinem Vorgesetzten, und berichtete ihm, ich sei zum ersten Male ausgegangen, und wie es ihm schiene, wäre ich sehr betrübt gewesen; vielleicht hätte die Unterlassung von Beileidsbezeigungen dazu beigetragen, meine traurige Stimmung zu erhöhen. Bestuscheff, der immer zänkisch und geneigt war, mich zu demütigen, ließ sofort aufschreiben, was Santi ihm in bezug auf mich gesagt oder angedeutet hatte und ließ ihn das Protokoll unterzeichnen. Santi, der seinen Vorgesetzten wie das Feuer, vor allem aber den Verlust seiner Stellung fürchtete, zögerte nicht, lieber diese Lüge zu unterschreiben, als seine Existenz zu opfern. Der Großkanzler schickte nun den Bericht an die Kaiserin, die über meine Anmaßung sehr erzürnt war und Madame Tschoglokoff zu mir schickte, wie ich soeben erzählt habe. Nachdem sie aber meine auf strikte Wahrheit beruhende Antwort gehört, hatte die ganze Intrige weiter keine Folge als einen Nasenstüber für den Herrn Oberzeremonienmeister.
Der Großfürst schaffte sich auf dem Lande eine Meute an und begann die Hunde selbst zu dressieren. War er müde, sie zu quälen, dann fing er an, auf der Geige herum zu kratzen. Er kannte nicht eine einzige Note, besaß indes gutes Gehör und glaubte, die Schönheit der Musik bestände in der Stärke und Heftigkeit, mit welcher er die Töne aus seinem Instrument hervorlockte. Seine Zuhörer würden sich manchmal gern die Ohren verstopft haben, wenn sie es gewagt hätten, denn er quälte sie fürchterlich.
Nach unserer Rückkehr in den Sommerpalast bewies Madame Kruse, die nie aufgehört hatte, ihre Argusrolle zu spielen, sich insofern freundlicher gegen uns, als sie sich sehr oft dazu hergab, die Tschoglokoffs zu hintergehen, welche allen sehr zuwider waren. Ja, sie tat mehr, sie verschaffte dem Großfürsten sogar Spielzeug, Puppen und andere Kindereien, die er bis zur Narrheit liebte. Tagsüber verbarg man dieselben in oder unter meinem Bett. Nach dem Abendessen legte sich der Großfürst gewöhnlich zuerst nieder, und wenn wir beide im Bett waren, verschloß Madame Kruse die Tür, und der Großfürst spielte bis ein oder zwei Uhr nachts. Wohl oder übel mußte auch ich an diesen herrlichen Vergnügungen teilnehmen, ebenso Madame Kruse. Manchmal lachte ich darüber, aber oft war es mir unangenehm und zuwider. Bisweilen war das ganze Bett von Puppen und Spielsachen, die ziemlich schwer waren, bedeckt und angefüllt. Ich weiß nicht, ob Madame Tschoglokoff diesen nächtlichen Vergnügungen auf die Spur gekommen war, aber eines Abends gegen Mitternacht klopfte sie plötzlich an die Tür unseres Schlafzimmers. Man öffnete nicht sogleich, weil der Großfürst, Madame Kruse und ich nichts Eiligeres zu tun hatten, als das Bett von den Spielsachen zu säubern und sie zu verbergen, wobei uns die Bettdecke, unter die wir alles stopften, gute Dienste leistete. Dann erst öffnete man. Sie beklagte sich bitter, wie lange wir sie hätten warten lassen und erklärte, die Kaiserin würde sehr unwillig sein, wenn sie erführe, daß wir zu so später Stunde noch nicht schliefen. Darauf zog sie sich brummend zurück, ohne eine weitere Entdeckung gemacht zu haben. Nachdem sie sich entfernt, setzte der Großfürst seine Spielerei fort, bis ihm die Lust zum Schlafe kam.
Bei Eintritt des Herbstes bezogen wir wieder die Gemächer, die wir zuerst nach unserer Verheiratung im Winterpalast bewohnt hatten. Hier ließ Ihre Majestät durch Herrn Tschoglokoff aufs strengste verbieten, daß jemand des Großfürsten und meine Zimmer ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Herrn und der Madame Tschoglokoff betrete. Gleichzeitig erging ein Befehl an die Damen und Herren unseres Hofes, sich im Vorzimmer aufzuhalten und die Schwelle unserer Gemächer nicht zu überschreiten; ferner nur laut mit uns und den Domestiken zu sprechen, andernfalls sie verabschiedet würden. Auf diese Weise auf das Alleinsein mit einander beschränkt, murrten wir beide und teilten uns gegenseitig unsere Gedanken über diese Art von Gefangenschaft mit, die keiner von uns verdient hatte. Um sich aber während des Winters ein wenig Unterhaltung zu schaffen, ließ sich der Großfürst acht oder zehn Jagdhunde vom Lande kommen, die er hinter einem Holzverschlag verbarg, welcher den Alkoven meines Schlafzimmers von einer großen hinter unsern Gemächern liegenden Vorhalle trennte. Da nun der Alkoven nur eine dünne Bretterwand hatte, drang der Geruch des Hundestalles herein, und in diesem Gestank schliefen wir. Beklagte ich mich darüber, so erwiderte er, es sei unmöglich, etwas daran zu ändern, und da der Hundestall so geheim wie möglich gehalten werden mußte, ertrug ich geduldig diese Unannehmlichkeit und bewahrte das Geheimnis Seiner kaiserlichen Hoheit.
Weil es während des Karnevals diesmal absolut keine Festlichkeiten bei Hofe gab, fiel es dem Großfürsten ein, in meinem Zimmer Maskenbälle zu veranstalten. Seine Diener sowie die meinigen und meine Frauen mußten Maskenkostüme anziehen und in meinem Schlafzimmer tanzen, was meist bis tief in die Nacht hinein währte. Was mich betraf, so legte ich mich meist unter dem Vorwande von Kopfweh oder Müdigkeit auf ein Sofa, jedoch immer im Maskenkostüm, und langweilte mich zum Sterben über die Einfältigkeit dieser Maskeraden, die ihm unendliches Vergnügen bereiteten. Uebrigens entfernte man bei Beginn der Fastenzeit noch weitere vier Personen von ihm, unter diesen auch drei Pagen, die er allen übrigen vorzog. Jene häufigen Verabschiedungen waren ihm äußerst unangenehm; trotzdem aber tat er nichts, sie zu verhindern, oder vielmehr, er beschwerte sich auf so linkische Weise, daß er das Uebel nur vermehrte.
Während dieses Winters erfuhren wir, daß Fürst Repnin, krank wie er war, das Truppenkorps kommandieren sollte, das man zur Unterstützung der Kaiserin Maria Theresia nach Böhmen zu schicken beabsichtigte. Dies war ein Zeichen völliger Ungnade für den Fürsten. Er ging und kehrte nicht wieder zurück, sondern starb aus Kummer in Böhmen. Die Fürstin Gagarin, meine Ehrendame, war die erste, die mir, trotz aller Verbote, uns auch nur das geringste von dem, was in der Stadt oder am Hofe vorging, zu melden, diese Nachricht überbrachte. Daraus kann man ersehen, was es mit ähnlichen Verboten auf sich hat: sie werden nie in ihrer ganzen Strenge ausgeführt, weil zu viele Leute ein Interesse haben, sie zu übertreten. Uebrigens bemühte sich unsere ganze Umgebung, selbst die nächsten Verwandten der Tschoglokoffs, die Strenge des politischen Gefängnisses zu mildern, worin man sie und uns einsperren wollte. Sogar der Bruder Madame Tschoglokoffs, Graf Hendrikoff, ließ mir oft die nützlichsten und notwendigsten Ratschläge zugehen, oder andere bedienten sich seiner, sie mir zu übermitteln, wozu er stets mit der Offenheit eines tüchtigen, ehrenhaften Mannes bereit war. Auch moquierte er sich über die Dummheit und Roheit seiner Schwester und seines Schwagers. Alle fühlten sich daher in seiner Gesellschaft wohl, ohne ihm im geringsten zu mißtrauen, weil er nie jemand bloßstellte, noch gegen jemand fehlte. Er war ein rechtschaffener, wenn auch etwas beschränkter Mensch, schlecht erzogen, sehr unwissend, aber fest und ohne Böswilligkeit.
Während dieser Fasten begab ich mich eines Mittags in das Zimmer, wo die Kavaliere und Damen sich aufhielten – die Tschoglokoffs waren noch nicht anwesend. Und während ich bald mit diesem, bald mit jenem sprach, kam ich auch zu der Tür, wo der Kammerherr Ouzin stand. Dieser äußerte sich halblaut über das langweilige Leben, das wir führten, und bemerkte, daß man uns noch obendrein bei der Kaiserin in ein schlechtes Licht setze. Wenige Tage vorher habe nämlich Ihre Majestät bei Tafel gesagt, daß ich mich mit Schulden überlade, und alles, was ich tue, habe einen Anstrich von Dummheit. Dennoch bilde ich mir ein, ich besäße viel Geist, allein außer mir selbst denke niemand so vorteilhaft von mir, und niemand ließe sich von mir täuschen. Meine unzweifelhafte Dummheit sei allen bekannt, weshalb man weniger auf das achten müsse, was der Großfürst tue, als auf mich. Und traurig fügte er hinzu, er habe Befehl von der Kaiserin, mir das alles wiederzusagen, bat mich jedoch, nicht zu tun, als ob ich das wisse. Ich antwortete ihm, was meine Dummheit angehe, so könne mir die Schuld nicht zugeschrieben werden, da jeder sei, wie ihn Gott geschaffen. Daß ich aber Schulden habe, sei durchaus nicht zu verwundern, weil meine Mutter mir bei einer Einnahme von 30 000 Rubel noch 6000 Rubel Schulden, die ich für sie bezahlen mußte, hinterlassen hatte. Außerdem habe mich die Gräfin Rumianzoff zu tausenderlei Ausgaben genötigt, welche sie als unvermeidlich angesehen, und Madame Tschoglokoff allein habe mich in diesem Jahre 17 000 Rubel gekostet; denn er kenne ja selbst das Teufelsspiel, welches wir täglich gezwungen waren, mit ihnen zu spielen. Diese Antwort könne er getrost denen geben, die ihn beauftragt; übrigens sei ich sehr böse, zu hören, daß man mich bei Ihrer Majestät in ein schlechtes Licht setze, da ich es doch nie an Respekt, an Gehorsam und Untertänigkeit gegen sie habe fehlen lassen, wovon man sich um so mehr überzeugen könne, je mehr man mich beobachte. Ich versprach ihm, sein Geheimnis, wie er mich gebeten, zu bewahren, und tat es. Ob er meine Aufträge ausgerichtet, weiß ich nicht, aber ich glaube es, obgleich ich nie wieder etwas davon hörte und mich hütete, ein so wenig angenehmes Gespräch zu erneuern.
In der letzten Woche der Fasten bekam ich die Masern. Ich konnte zu Ostern nicht öffentlich erscheinen und nahm daher auch das Abendmahl am Sonnabend in meinem Zimmer. Während dieser Krankheit verließ mich Madame Tschoglokoff, obgleich sie hochschwanger war, kaum einen Augenblick und tat was sie konnte, um mich zu unterhalten. Außer ihr war noch eine kleine kalmückische Dienerin bei mir, die mir sehr angenehm war.