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Wetterleuchten

In der Isba des alten Fedor Ilitsch Balaschow, des Witwers, war festliche Beleuchtung. Sogar der Pope, der würdige Vater Iwan Michailitsch Tschornomosgow, war dagewesen nach der Trauung der einzigen Tochter Fedors mit Foma Korneiitsch Kulischow, dem Bruder Iwan Kulischows. Es waren viele Gäste im Hause: Kusma Merkulow, Iwan Kulischow mit seiner Frau Galina, Pimon und Alexei Samochin, der alte Fedor Samochin mit seiner Frau Akulina, der russische Ansiedler Belobrjuchow mit seiner Frau, der Pferdezüchter Charitonenko, der Großbauer Korolenko, beides Kleinrussen, und der Urädnik Maxim Besborodow. Daß die beiden Brüder der Braut, Andrei und Alexei Balaschow, nicht fehlten, versteht sich von selbst.

Man war sehr lustig und saß an einer langen Tafel im Hauptzimmer. Man trank Wodka und aß dazu Cholodnik mit Senf und Essig, Gurken und Arbusen, Hammelbraten und Pirogi, Schweinefleisch und Fisch – alles nacheinander oder auch durcheinander, wie's gerade kam. Man trank auch roten Donwein und kaukasischen Kachetiner, turkestanischen Portwein und kleinrussischen Kwas. Man trank viel, sehr viel, man lachte – und die Witze wurden mitunter etwas gewagt.

Es waren viele hübsche, junge Mädchen da, die ernste und heitere Weisen sangen, Kosakenmädchen mit schwarzem Haar und Augen, wie dunkle Tollkirschen, mit kleinen Händen und Füßen und sinnlichen Lippen. Ihre weißen Zähne blitzten, wenn sie lachten, und ihre Mieder hoben sich unter den raschen Atemzügen, wenn sie getanzt hatten. Das waren Nachbarstöchter, Freundinnen und Gefährtinnen der Braut.

Auch die Tataren waren gekommen und hatten ihre nachbarlichen Glückwünsche gebracht: Abdullah Keremejew, Kalemulah Dshabeiew, Nasar Kurmakajew und Abram Ischkin. Ihre Weiber hatten sie nicht mitgebracht. Sie saßen auch nur kurze Zeit bei den Hochzeitsgästen, tranken auch keinen Wein, aßen auch nichts, außer von den Arbusen.

Plötzlich war das Brautpaar verschwunden. Man lächelte und blickte sich vielsagend an.

Man lächelte, lachte, machte kleine Bemerkungen. Die Balalaikaspieler stimmten ein Liebeslied an, ein hübsches Mädchen näherte sich Alexei Balaschow. Es brachte ihm ein Gläschen Schnaps und bot es ihm dar: »Trinke, Alexei Fedorowitsch!«

»Gorko …« meinte dieser lächelnd, das Glas zurückweisend. Ein zweites Mädchen, die Njura Kondratenko, versuchte dasselbe: »Gorko!« rief Alexei. Jetzt kam die dritte, eine Blondine, die hübsche Tochter Andrei Samochins: »Trinke, Alexei Fedorowitsch!«

»Gorko …« sagte dieser gedehnt, wies aber das Gläschen nicht zurück. Da hob sich das Mädel auf die Fußspitzen und bot ihm den frischen Mund: »Sladko!« rief Balaschow und küßte die Kleine.

Brausender Jubel ertönte. Alle stießen an und tranken: »Nächstes Jahr um diese Zeit gibt's Hochzeit bei Samochins!«

Dann gingen die Jungen zum Tanz und wirbelten nach den Klängen der Fiedeln und Balalaiki im Nebenraume herum, die Alten aber setzten sich hinter den feurigen Roten und tranken, bis ihnen die Nebel um die kahlen Schädel wogten.

Man hatte sich um Onkel Kusma gruppiert, der wüste Soldatengeschichten aus seinen Feldzügen erzählte; vom Boxerkriege, den er im tiefen Kitai mitgemacht, vom Japanerkriege, von General Rennenkampff und von Mischtschenko, dem Kosakenataman.

Kusma zog an seiner kurzen Pfeife und hüllte sich in dichte, blaue Rauchwolken. Die Jungen, die sich mehr und mehr einfanden, horchten gespannt auf die Schreckensgeschichten des alten, von allen verehrten und – gefürchteten Wachtmeisters, soweit sie es nicht vorzogen, zu tanzen. Im Nebenraume stampften die Füße den wilden Kasatschok und andere Tänze, Kreischen und Lachen ertönte.

»Da ließ Rennenkampff,« erzählte Onkel Kusma, »die ganze Chinesenbande in den Amur treiben. Wir standen am Ufer und schossen, wenn die Zopfträger, die Brunnenvergifter, umkehrten und wieder ans Ufer wollten … Nur, wer hinüberschwamm, blieb am Leben – so hatte es Väterchen Rennenkampff bestimmt –, alles andere mußte ersaufen. Der ganze Strom war voller Toter am nächsten Tage – es waren Hunderte. Nur ein paar von den Kerlen erreichten das andere Ufer. So waren denn die vergifteten Kosaken gerächt.«

Schon oft hatte man diese wilden Geschichten gehört, doch man hörte sie immer wieder gern; Geschichten, wie die Kosaken die Boxer schlugen, wie sie gegen die Chunghuzen kämpften, wie sie die Fansas der Chinesen plünderten und Dörfer verbrannten.

Alles hörte jetzt gespannt hin; denn Onkel Kusma erzählte eine besonders grausige Geschichte:

»Das war im Japanerkriege – ich hatte gerade mein drittes Georgskreuz bekommen – Mischtschenko hat es mir selbst gegeben – da hatten wir eine Chunghuzenbande festgekriegt und hielten Gericht. Die Kerle waren von den Makaki gekauft und hatten ein paar von unseren Leuten hinterrücks erschossen. Nun – wir übergaben sie dem Mandarinen zur Aburteilung; Mischtschenko war immer korrekt und machte so was nicht gern selbst ab … Da war Papa Rennenkampff fixer bei der Hand! Nach dem Frühstück mit allen Offizieren heraus, die Schaschki blank gezogen und – die Köpfe ab, daß es nur so pfiff! Und dann die bezopften Köpfe mit den gelben Fratzen auf die Zaunstaketen – fein, sage ich euch!«

Dann nahm der Wachtmeister einen tiefen Schluck, strich sich den gewaltigen Schnurrbart, zog an der Pfeife und sagte: »Ja – als wir noch jünger waren …«

»Wie viele Georgskreuze hast du denn, Onkel Kusma?« fragte ein junger Kosak.

»Vier, mein Junge – und drei Medaillen und auch das Dienstkreuz.«

»Erzähle weiter von den Chunghuzen, Onkel Kusma«, bat Andrei.

»Also – ich hätt's bald vergessen – also – wir hatten die Kerle dem Mandarinen übergeben. Der saß auf seinem Thronsessel in seiner gelben Jacke und spielte mit seinen langen Fingernägeln, als die Räuber hingerichtet wurden. Glaubt ihr, der Kerl hätte eine Miene verzogen, als die Räuber ihn beschimpften? Ihr müßt wissen: es ist das Recht eines jeden Verurteilten in China, den Mandarinen zu schimpfen. Nun – und wie schimpft er? Batuschki! Das sind Worte, wie sie selbst ein Pope nicht zu sagen versteht, hahaha! Dreietagig, vieretagig – nein – sieben Stockwerke sind diese Worte hoch! ›Ei, du Sohn einer stinkenden Sau und eines räudigen, tollen Hundes!‹ so ungefähr fangen diese Beschimpfungen an und gehen dann in die Höhe – ei – da wurden selbst unsere ältesten Kosaken blaß! Was so 'n Kerl dem Mandarinen alles für unzüchtige und unehrliche Dinge vorwirft! Huh! – Mag aber manchmal gar nicht unrecht haben … Nun – die Kerle schimpften und unser gelber Himmelssohn hörte ruhig zu. Dann aber, nachdem sie ausgeschimpft hatten, knieten sie alle in einer Reihe hin. Der Henker hatte ein breites, schweres Schwert in der Hand und fing nun an, nacheinander die Köpfe abzuhauen. Wenn nun ein Kopf in den Sand purzelte, so schrien die Zuschauer: › Ai – schipko, schango!‹ Aber nicht nur das Publikum sah zu und spendete bei jedem eleganten Hiebe Beifall – ich sehe es noch heute vor mir –, auch die Verurteilten sahen gespannt zu und riefen bei jedem glatten Hiebe: › Ai! Schipko, schango!‹ Wenn aber der Kopf nicht glatt abflog, so ärgerten sich Publikum und Verurteilte und schimpften heftig auf den ungeschickten Henker.«

»Man sagt, es wird wieder Krieg geben«, sagte Foma.

»Geb's Gott!« rief Kusma. »Mir ist's einerlei, ob im Kitai oder gegen den Türken!«

»Man spricht davon, daß es gegen den Deutschen gehen soll«, sprach Fedor.

»Das ist so 'ne Sache«, meinte Kusma. »Die Deutschen kenne ich vom Kitai her – das sind Soldaten, sage ich euch! Die fürchten sich vor dem Satan in eigener Person nicht! Na – wir waren lange mit ihnen zusammen damals. Sie sind tapfer und – sehr schlau, sage ich euch. Und gut bewaffnet sind sie auch! Man sagt, ihr Kaiser soll so mächtig sein wie unser Zar.«

»Die Popen sagen, die Deutschen seien ungetaufte Heiden und hätten Hundeköpfe, wenn sie zu Hause sind. Nur hier zeigen sie sich anders.«

»Das ist Blödsinn«, meinte Kusma. »Die Deutschen haben zwar dieselbe Sprache wie die Juden fast; aber sie sind ganz richtige Menschen. Sie haben auch keine Hundeköpfe, sondern ganz richtige Menschengesichter. Getauft sind sie auch – nur anders als wir, und sie glauben auch an Gott; aber etwas anders. Eine Mutter Gottes haben sie nicht; denn sie sagen: Gott kann nicht vom Weibe geboren sein, oder so ähnlich.«

»Dann sind sie aber doch keine richtigen Christen«, sagte Fedor.

»Richtige schon nicht«, meinte Kusma. »Sie sind so 'n Mittelding von Tartarisch-Gläubigen und Christen – ich weiß nicht genau. Aber tapfere Soldaten sind sie und gute Kameraden waren sie auch. Uns gaben sie Schnaps und Zigarren.«

Das Stampfen und Kreischen, Jubeln und Lachen im Nebenraume war auf seinem Höhepunkt; denn das Brautpaar war wieder in der Mitte der Gäste. Kusma trank dem jungen Ehemann zu. »Viele Nachkommen und vielen Segen!« sagte er der errötenden Braut. Dann küßte er Kulischow und Maria.

Die Fiedeln kreischten, die Balalaiki klimperten. Onkel Kusma tanzte mit der Braut.

»Unsere Steppe ist groß und schön, groß und schön, wie unser Mütterchen Rußland«, sagte er nach dem Tanz, indem er sein Glas erhob. »In unserer Steppe ist alles groß: das Land, die Seelen der Leute, die Herden. Die Winde sind groß und die Hitze, die Kälte und die Gewitter – alles ist groß. Auch das Glück ist groß und auch das Unglück … Möge stets das große Glück bei euch sein, Foma und Maria – möge euch nie das Unglück heimsuchen …«

Er trank sein Glas bis zur Neige aus und warf es klirrend an die Wand.

Im Vorhause tönten erregte Stimmen. Die Tür ging auf, und ein über und über mit Staub bedeckter Kosak trat ein: »Ist hier der Sotnik?«

»Hier!« rief Fedor Balaschow.

Der Bote überreichte dem Alten ein Kuvert: »Mobilisation aller Kosaken und des ganzen Heeres!«

Die Musik brach ab, die Gäste strömten herzu. Die Gesichter waren bleich und erregt.

Fedor Balaschow las: »Auf Befehl Seiner Kaiserlichen Majestät ist die gesamte Armee und Marine, einschließlich der kaukasischen Kontingente und der Streitkräfte des Donkosakenheeres, des Kubankosakenheeres, der Uralkosaken, Transbaikal- und Ussurikosaken auf Kriegsfuß zu bringen. Die Abmarschbefehle werden durch die Bezirksämter gegeben. Seine Majestät der Zar hat den Krieg gegen Deutschland und Österreich befohlen.«

Fedor Balaschow legte das Papier auf den Tisch und seufzte. Alles schwieg. Dann aber rief Kusma Jegoritsch: »Das Leben für den Zaren! Urrah!«

Die Hochzeitsgesellschaft verlief sich bald – man war in gedrückter Stimmung. Nur Kusma und einige jüngere Krieger blieben noch beim Wein.

Maria lehnte ihr Köpfchen an die Brust ihres Mannes und weinte. »Nun mußt du auch fort, Foma! Verlaß mich nicht, verlaß mich nicht! Diese Deutschen sollen furchtbar sein im Kriege!«

Foma küßte und tröstete sein junges Weib. »Es trifft nicht jede Kugel«, sagte er.

»Weißt du, was Onkel Kusma vorhin sagte, Foma? Er sagte – in unserer Steppe sei alles groß, auch – das Unglück …«

Das junge Weib schluchzte. Aus dem Vorderzimmer aber tönte Kusmas Stimme: »Ja, Kinder – ich sage euch – wir werden's nicht leicht haben! Gegen den Deutschen ist was anderes noch wie gegen den Japs! Da ist kein Vergleich mit Chinesen und Türken – bei Gott! Und – schade ist's auch; denn die Deutschen sind brave Leute! Aber – Krieg ist Krieg – und es gibt nichts Schöneres als das Brüllen der Kanonen, das Knattern der Gewehre und das Rasseln der Schwadronen, wenn die Dörfer brennen und die Sturmglocken läuten! Es lebe der Krieg!«


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