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Hörtest du nicht das Wolfsheulen?« fragte Iwan Korneiitsch, der Kosak.
»Bin nicht taub«, antwortete der andere unwirsch. Dieser, ein stämmiger, untersetzter Mann, hielt sein Pferd an.
»Dreckiges Pack!« sagte er, die Pfeife aus dem Munde nehmend und kräftig ausspuckend. »Vor ein paar Tagen haben sie mir einen Hammel weggeholt. Seit langer Zeit war nicht so viel von dem Zeug da wie heuer.«
»Kommt davon, daß so viel Menschengesindel hergezogen«, meinte der Jüngere, ein hübscher, schlanker Mensch von etwa dreißig Jahren. »An das Menschenpack schließt sich das Wolfspack an.«
Der Alte trieb sein Pferd an und zwirbelte den langen, grauen Schnurrbart. »Magst recht haben, Korneiitsch. Die ganze Gegend ist mir schon verleidet. Nun – vielleicht gibt's wieder Krieg, und wir können hinaus. Das ganze Land ist mir zuwider. Fremdes Volk ist hergezogen, lebt in den Bergen herum, lärmt, stiehlt …«
»Du hast gut reden, Onkel Kusma – du bist Witwer und hast keinen Anhang. Aber was soll ich sagen? Habe Weib und Kind im Dorf und meine zweihundert Rinder und tausend Schafe, mein Haus und meinen Grund und Boden.«
»Laß den Kram den Alten – geh mit mir. Ich will nach Osten, nach dem Kitai, – dort die Zopfträger klopfen und ihnen ihre Taels abjagen, wie schon mal mit dem wüsten Rennenkampff und mit Mischtschenko, als es gegen die gelben Makaken ging … Oder – gleichviel …«
»So ein Krieg in China muß lustig sein«, sagte der Jüngere.
Die beiden ritten in langsamem Trabe weiter. Sie überquerten eine tiefe, breite Schlucht, ritten in schnellerem Tempo über die Steppenhügel und gelangten nach einer halben Stunde ins Dorf.
»Wo kommt ihr denn noch zu so später Stunde her?« fragte der alte Kosak, als die Reiter vor dem Stall abstiegen.
»Von der alten Staniza«, antwortete Kusma. »Sag' mal, Schwager, hast du einen vernünftigen Branntwein im Hause – oder nur das Teufelsgesöff, den Samogon? So – richtigen Schnaps hast du? Dann bleib' ich bei euch. Also – ich sage dir – man hat's nicht leicht. Zuerst haben sie in der Staniza auf dem Pferdemarkt gehandelt, daß Juden und Armenier vor Schreck blaß wurden. Der Teufel soll sich heut noch auskennen bei den jungen Kosaken! Dann aber haben sie mit uns gesoffen – drei Tage und drei Nächte –, daß es Gott erbarm! Schließlich haben sie den Popen – der war am tollsten von allen – auf dem Tisch Kasatschok tanzen lassen, bis er umgefallen ist. Mir ist die Gurgel wie ausgedörrt, Bruder – von all dem … Also: heran mit deinem Branntwein und einer soliden Sakuska!«
Die Männer versorgten die Pferde und begaben sich in das saubere, im Licht des eben aufgegangenen Mondes schneeweiß glänzende Haus.
Bald stand der Samowar auf dem Tisch, daneben eine Flasche Branntwein und eine Bratpfanne, auf der Fleischstückchen und Schweinespeck lustig bratzelten.
»Macht's euch bequem und eßt tüchtig«, sagte der Hausherr freundlich.
»Also, ich sage euch,« meinte Kusma kauend, »ich sage euch: es ist eine Schande, eine Affenschande, wie es heute aussieht in der Welt. Überall dies verdammte Diebspack, das sich in den Bergen herumtreibt, in den Gruben, in den Fabriken. Weiß der Teufel, wo das ganze Kazapenpack hergekommen ist. Was die großen Städte nicht brauchen konnten, schickten sie uns hierher. Und es ist geradeso, als ob Väterchen Zar in Petersburg schliefe oder schwach geworden sei.«
»Gott bessere es«, meinte der alte Fedor Iljitsch. »Und Wölfe gibt es – daß sich die Heiligen erbarmen mögen. Denkt euch – heute, abends, es war noch nicht einmal ganz dunkel – kommt so eine Bande an die Koppel vor dem Dorfe und nimmt uns einen unserer größten Gänseriche fort – vor den Augen der Leute!«
»Wir hörten auch welche – in der Steppe«, sagte Iwan Korneiitsch. »Sie haben Junge jetzt, und da sind sie so frech wie im Winter. Täglich hört man, daß Hammel gerissen und fortgeschleppt werden.«
»Hammel – hm, ja. Da gibt es Liebhaber genug«, meinte Kusma. »Zweibeinige und vierbeinige. Von den zweibeinigen erwischten wir einen – in der vorigen Woche. Der war irgendwo von den Minen gekommen und hatte sich den besten von Iwan Wassiljewitschs Böcken ausgesucht. Nun – wir haben ihm den Schaschlyk verdorben und ihn erst ein wenig mürbe geklopft und dann seine Südseite gegen das Feuer gehalten, damit er in Zukunft weiß, wie es tut, wenn man Schaschlyk röstet. Uh! Hat der gesungen!«
Die Kosaken lachten und tranken. Maria Fedorowna stellte den Samowar auf. Der alte Kusma drehte seinen Schnurrbart auf und musterte die Gestalt des hübschen, jungen Mädchens mit Wohlgefallen.
»Eh – Mojá golúba – bist du aber hübsch geworden,« lobte der alte Reiter, »bei Gott, hübsch zum Verlieben. Schade, daß ich schon grau und runzlig bin – ich wüßte schon, in wen ich mich verliebte.«
Das Mädchen lachte, daß man seine weißen, regelmäßigen Zähne sah: »Onkel Kusma – du machst Unsinn, wie immer. Verliebe dich doch – das schadet ja nichts, wenigstens mir tut es nichts.«
»Teufel auch,« knurrte der Kosak, »ich will nicht zwanzig Jahre Wachtmeister gewesen sein, wenn das nicht eine süße Kröte ist! Komm her, mein Täubchen, und gib dem Onkel Kusma Jegoritsch einen Kuß!«
Da half kein Sträuben; Onkel Kusma ließ nicht mit sich spaßen. Und unter dem Gelächter der Männer und dem Gekreisch der Weiber rannte der alte Soldat dem Mädchen nach in die Küche, packte es um die Hüften und um den Hals und nahm sich, was er gefordert, in ausgiebiger Weise.
Dann strich er sich befriedigt den langen, grauen Schnauzbart und kehrte schmunzelnd zum Tisch zurück.
Draußen sangen die Mädchen und Burschen schwermütige Steppenlieder. Warm ist die Sommernacht in der Steppe, warm sind die Herzen der Steppenmenschen. Weich wie die Gemüter sind die Stimmen der jungen Menschen, die paarweis, eng umschlungen, an der staubigen Dorfstraße aus den Bänken sitzen und Lieder zur Balalaika singen, Lieder, deren Worte von Liebe reden und von Trauer um verlorenes Glück und von anderen süßen und schmerzlichen Dingen …
» Tschórnie ótschi i bjélaja grudj …«
Da lacht der alte Soldat im Zimmer laut heraus und haut die braune Faust auf den Tisch und brüllt ein altes Soldatenlied in die milde Sommernacht, daß draußen die Stimmen schweigen und nur ein leises Lachen und Gekicher zu hören ist, denn das Liedlein ist nicht fein, nein; 's ist ein arges Schandlied, wie's die Krieger singen, wenn sie auf dem Marsche sind:
» Popówna, popówna, popówna mojá …«
Und dann trinken die drei Kosaken Schnaps, bis der Hahn im Stalle kräht und die fahle Dämmerung über der Steppe aufsteigt.
Dann aber liegen sie auf den Heusäcken und schnarchen bis tief in den Tag hinein, daß man vermeinen möchte, ein großes Sägewerk habe sich in der Steppe aufgetan, obwohl ringsum gar kein Holz zu zersägen und die Gegend kahl und leer und bar jedes Baumes ist.
Erst am Nachmittage reiten die beiden Kosaken heim – vier gute Meilen sind's bis zu ihrem Dorfe.