Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Der arme gute Fürst.

»Sie haben mir sagen lassen, daß Sie mir etwas mitteilen wollen?« fragte Fürst Theobald, als er an dem Tag, an welchem Eveline mit ihrem Mann sprach, auf eine schriftliche Einladung der schönen Frau bei ihr erschien.

»Ich will von Wien fortziehen.«

»Ah! das ist wahrhaft überraschend. Und wohin?«

»Hinaus in die Welt. Mein Mann zieht nach Paris, und ich gehe wahrscheinlich mit ihm.«

Der Fürst blickte der Dame forschend ins Gesicht.

»Sind Sie des Lebens an meiner Seite überdrüssig geworden?«

»Ich würde es vergebens leugnen. Ich bin hier eine Sklavin. Ich lebe in einem bunten Gefängnis. Und ich weiß noch nicht einmal, was Leben heißt.«

»Reuet Sie das Wort, welches Sie mir gegeben? Ich entbinde Sie davon. Bleiben Sie hier.«

»Dazu bin ich wieder zu stolz, gegen jemanden undankbar zu sein, dessen Wohltaten ich genieße. Mir genügt es zu wissen, daß Sie in diesem Palais der Herr sind, damit ich mich als Ihre Sklavin fühle. Ich will nicht mehr, daß mir jemand Wohltaten erweise.«

»Sie wollen Künstlerin werden?«

»Das ›auch‹.«

Eveline betonte absichtlich das Wort »auch«.

»Aus Ehrgeiz?«

»Nein. Dann wäre ich fleißiger im Lernen. Ich will das freie Leben genießen. Ich will mich einmal ohne Fesseln in der Welt bewegen.«

»Das ist für schöne Damen ein schlüpfriger Weg.«

»Man fällt nicht so sehr, daß man nicht wieder aufgehoben wird.«

»Wer hat Ihnen das gesagt?«

»Ich sehe es.«

»Sie wollen also nur von mir loskommen?«

»Ja, ja, ja!« wiederholte Eveline dreimal ungeduldig.

»Dann tue ich am besten, wenn ich Sie so schnell als möglich von meiner unangenehmen Gesellschaft befreie,« sprach der Fürst, seinen Hut nehmend und fügte mit seiner Ironie hinzu, »vergeben Sie mir, Madame, die langweiligen Stunden, die ich Ihnen ein und das andre Mal verursacht habe.«

Eveline wandte trotzig dem sich Entfernenden den Rücken zu und stampfte ungeduldig mit dem Fuß.

Der Fürst bemerkte im Vorzimmer, daß er seinen Spazierstock nicht draußen gelassen, sondern mit hineingenommen und drin vergessen habe. Auch diesen hatte er einmal von Eveline zum Weihnachtsgeschenk bekommen, und er wollte ihn nicht bei ihr lassen.

Er ging zurück, um ihn zu holen.

Als er in die Tür des Zimmers getreten war, in welchem er Eveline zurückgelassen hatte, blieb er überrascht stehen.

Die Dame hatte der Tür den Rücken zugewendet.

Und den Stock, welchen der Fürst suchte, mit beiden Händen haltend, drückte sie denselben zwei-, dreimal an ihre Lippen und schluchzte.

Der Fürst zog sich zurück, unbemerkt, wie er gekommen war.

Er verstand alles.

Die Dame überwarf sich mit ihm, um ihm die Trennung leichter zu machen und heuchelte niedrige Gesinnungen, um leichter vergessen zu werden.

Aber warum tat sie das?

Am andern Tag erfuhr der Fürst auch dieses.

Der Kammerdiener überbrachte die Schlüssel von Evelinens Appartements. Die Dame war mit dem Frühzug abgereist.

Der Fürst eilte in Evelinens Wohnung und dort erfuhr er, warum diese Frau ihn verlassen habe.

Alles, was sie je vom Fürsten als Geschenk erhalten, hatte sie zurückgelassen, ihre Juwelen, ihr Silber, ihre Spitzen.

Sie hatte nichts mitgenommen.

Der Fürst verstand nun, warum sie ihn verlassen habe.

Selbst seinen Spazierstock fand er auf dem Tisch, und erst später bemerkte er, daß dort, wo der elfenbeinerne Griff den goldenen Ring berührte, ein dünnes Haar herumgewunden war, eins von jenen langen Seidenhaaren, die ihr vom Scheitel bis zur Ferse hinabreichten.

Welche Stärke besaß dieses Haar!

Eveline kam früher in Paris an als Kaulman.

Sie waren übereingekommen, daß Eveline, bis Kaulman ihr ihre Wohnung eingerichtet hätte, im Hotel wohnen solle.

Einige Wochen später kam Felix zu ihr und sagte: »Ihre Wohnung ist bereit, wenn es Ihnen gefällig ist, so führe ich Sie hin.«

Eveline setzte sich mit Felix in einen Wagen und ließ sich in ihre neue Wohnung führen.

Diese befand sich in einem der schönsten Teile der Weltstadt, auf dem Boulevard Sebastopol, im ersten Stock.

Als Eveline in ihre Wohnung trat, pochte ihr das Herz.

Dasselbe kirschrot tapezierte Zimmer, dann das mit taubengrauer Seide dekorierte, mit dem Kamin aus schwarzem Marmor und zuletzt das Kabinett mit den Rokokoschnitzereien, mit den runden Porzellangemälden und mit einem runden Fenster, das in den Garten ging – alles so wie in Wien. Dieselben Bilder, dieselben Silbergeräte, die Garderobe, die Schmuckkästchen, bis zum letzten Handschuh, den sie in Wien auf dem Tisch hatte liegen lassen.

Armer, guter Fürst! seufzte die Dame für sich, die gefalteten Hände in den Schoß legend und mit tränenfeuchten Augen.

Und Herr Felix besaß Phlegma genug, sie in diesem Augenblick zu fragen: »Nun, habe ich deine Wohnung gut eingerichtet?«

... Armer guter Fürst!

Und das hat Eveline gewiß noch oft geseufzt. Denn von dem Umstand angefangen, daß sie beim hervorragendsten Operntheater in Paris engagiert wurde, bis zu dem Kranz, der ihr geworfen wurde, hatten alles die großväterlichen Hände des Fürsten Theobald gefügt und gelenkt, die er auch, als er sie »Tochter« genannt, niemals von ihr abgezogen hatte.


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