Jean Paul
Palingenesien
Jean Paul

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P. P.

Wie ich höre, sind Sie ohne Prinzipal und kommen auch schwerlich unter: es ist alles greulich mit Skribenten übersetzt, absonderlich die Gerichtshaltereien, welches ich bloß dem Minister Seckendorf zuschreibe, der allen Federfechtern Ämter gab. Nun bin ich, wie etwan bekannt, in den Stand der heiligen Ehe zum zweitenmal getreten und könnte allerdings einen gewandten Skribenten brauchen, der eine schöne Hand und Mores hätte und sonst etwas taugte. Ich begehre von einem solchen Menschen nichts, als daß er den ganzen Tag sitzt und die unzähligen Gevatterbriefe an alle die Paten, die ich zum künftigen Kinde zusammenbitte, ungemein nett und sauber abschreibt, damit die Briefe schon fertig liegen, eh das Kind da ist. Dazu sind dreihundertundfünfundsechzig Gevatterbriefe vonnöten; der Vater des Kindes ist allemal der Schaltgevatter. Und so kann ich einem armen Schelm jahraus, jahrein zu essen und zu schreiben geben: denn wenn er mit dem einen Kinde fertig ist, so kann er sich schon wieder über die Gevatterbriefe des andern hermachen, das ich erst nach Gelegenheit zeuge, welches ihn nichts angeht. Denn ich leide keinen Faulenzer unter meinem Dach und bin ohne Ruhm ein guter Haushälter, obwohl, sorg' ich, nur immer zu gütig. Wieder auf die Paten zu kommen, so wills mir einer und der andere Herr Nachbar gewaltig verdenken, daß ich mich nicht wie er mit achtzig oder neunzig Gevattern behelfen, sondern einen beständigen Briefschreiber oder, wie man sagt, Secrétaire perpetuel de l'académie in Nahrung setzen will. Tun Sie mirs und bringen die Leute herum, und zeigen Sie den Narren meinen Brief und sagen ihnen, ich wüßte, was ich täte. Man muß sich merken, daß jeder Taufzeuge es sonst bezeugen sollte, daß einer ein Christ geworden; und das tut ja bei meiner Ehre jeder noble und wohlgezogne Taufzeuge noch bis auf diesen Tag. Unsere Zeiten sind aber so unchristlich und doch so grob dabei (wie denn kein Mensch mehr mit den Interessen einhält, aber haben will alles), daß ich, wenn ich nicht Taufzeugen und Wunder sehe, von keinem Menschen glaube, daß er ein Christ ist, er mag immer ein Edelmann sein. Kann man da zu viele Zeugen erbitten, und tuts ein Schock oder so? Ich hab' es oft gehört, daß kein Teufel glauben will, ein Kardinal habe gehurt, bevor es zweiundsiebzig Zeugen beschwören: wenn nun dieses bei so wahrscheinlichen Dingen geschieht, was will man bei unwahrscheinlichen mit den Zeugen kargen? Kommt noch dazu ein solcher einziger Pate ums Leben, oder das Kirchenbuch in Brand, so ist ein Täufling erbärmlich daran und kann sein Christentum mit nichts mehr beweisen; das kann aber einer leicht, der viele Paten hat. Ein Lehnsvetter von mir wurde unter der Linie noch einmal getauft, und Voltaire (Gutsbesitzer und Lehnsherr von Ferney) bekam zwei Taufen hintereinander, die Not- und die Nachtaufe – und doch sind beide die gottlosesten Fliegen geblieben: so verflucht schlimm sind jetzt die Zeiten. Ganz dumme leblose Glocken, denen es gar nichts half, wurden sonst von dreihundert Gevattern auf einmal, die alle ein langes Seil anfasseten, aus der Taufe gehoben – wie, und einen jungen lebendigen Edelmann, dems zuschlagen kann, speiset man mit einer Zaspel Paten ab? – Wo Teufel seh' ich da Recht und Billigkeit? – Ich tue es zwar nicht bloß des Christentums wegen, sondern ich wähle die dreihundertfünfundsechzig Taufzeugen zugleich so, daß allemal ihre Namen im Kalender stehen, damit das Kind in seinen alten Tagen ein ganzes Jahr von Namenstagen feiern kann – aber Religion ist doch die Hauptsache. Erwarte baldige Antwort.

Hans von Hansmann«


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