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1.

Der Regulator schlug gerade sechs, als Heinz Marquardt erwachte. Es war noch stockfinster, aber er war, wie stets, wenn er die Augen aufschlug, sofort vollständig munter und sprang auch gleich aus dem Bett.

»Trude,« sagte er, »es ist sechs.«

Sie antwortete nicht und drehte sich im Halbschlaf auf die andere Seite.

Nun zündete er das Licht an und ging an die Waschtoilette, wo er sofort unter vielem Prusten und Plantschen seine Toilette begann. Das alles ging schnell und mit der raschen Beweglichkeit eines Menschen von statten, dem seine Nerven keine Schwierigkeiten bereiten und der zu jeder Zeit seine Gedanken und Kräfte beieinander hat.

Als er sich gewaschen hatte, ging er wieder an das Bett seiner Frau und fing, auf der Bettkante sitzend, an, schmeichelnd in sie hineinzureden.

Der gelbe Schein des Lichtes tanzte flackernd und tiefe Schatten werfend über die Kissen, und in der spärlichen Beleuchtung war eigentlich nur das reiche hellblonde Haar, ein kleines rosiges Ohr und ein Stück des weißen Halses von der jungen Frau zu erkennen.

»Willst Du denn gar nicht aufstehen, Trude?« Er versuchte, ihr ins Gesicht zu blasen, das sie im Bett vergrub.

»Nicht doch! ich bin ja noch so müde ... laß mich ...«

Aber er gab nicht nach.

»Also, ich muß mir allein meinen Kaffee kochen?«

Dabei kitzelte er sie leise.

»Steh doch auf, Trude ... Ich muß Dir auch noch was erzählen!«

Jetzt war sie auf einmal munter.

»Was denn?« fragte sie neugierig und hob ihren hübschen Kopf.

Er legte seinen Arm um ihren Hals und küßte sie:

»Dummchen! ... Gar nichts ... ich wollte bloß mal sehen, ob Du wirklich noch schläfst.«

»Du! ...« Sie faßt das eine Ende seines langen schwarzen Schnurrbarts und zog ihn ein bißchen:

»Nu schlaf' ich gerade noch!« und rasch drehte sie sich nach der Seite, wo das Licht stand, und zog das Deckbett bis übers Kinn hinauf. Aber nun störte sie die zuckende Flamme des Lichtes, sie blinzelte, und wie er das sah, meinte er etwas ernster:

»Es ist wirklich nicht hübsch von Dir, wenn Du mich allein Kaffee trinken läßt!«

Da wandte sie den Kopf, schlang ihre schönen weißen Arme, von denen die Aermel des Nachthemdes herabglitten, um seinen Nacken und flüsterte leise, zärtliche Worte in sein Ohr.

Er faßte mit seinen beiden Händen über die Schultern, machte sich sanft los und sagte:

»Du weißt doch, Herzblatt, daß ich heute sehr viel zu tun habe, da will ich möglichst schon um halb acht Uhr im Bureau sei ... die andern ärgern sich zwar darüber, aber wenn einer sich was abwimmeln kann, dann tut er's ... und ich bin nicht so, ich arbeite eben, wenn Arbeit da ist ...« Und schon stand er wieder vorm Spiegel, knöpfte seinen Kragen um und band sorgfältig die kleine schwarze Schleife. Während er dann sein Haar mit großer Akkuratesse scheitelte und bürstete und dabei den neuesten Walzer pfiff, war seine Frau leise aufgestanden und hatte, ohne daß er darauf aufmerksam wurde, ihren Schlafrock übergeworfen.

Nun bemerkte er sie und lachte. Sie aber ging schnell in ihrer leichten huschenden Weise in die Küche hinaus und als er ihr wenige Minuten später nachkam, hatte sie schon den Gaskocher, auf dem das Wasser stand, angezündet und war gerade dabei, den Kaffee zu mahlen.

»Siehst Du,« lachte er, »es geht alles, wenn man nur will!«

Wirklich stand, als er fertig angezogen war, der Kaffee auf dem Tisch. Die junge Frau schenkte ihrem Manne ein, strich eine Buttersemmel und quälte ihn, da Heinz wie gewöhnlich nichts essen wollte, doch wenigstens ein halbes Brötchen zu nehmen.

Er aß schließlich, aber sie hatten während des Frühstücks soviel miteinander zu plaudern und zu lachen, daß er plötzlich auf die Uhr sehend, rasch aufstand und sagte:

»Ich muß fort, Kind ... Wenn ich nur die Bahn um 45 noch kriege ...«

Sie holte ihm geschwind seinen Spazierstock, denn er wußte nie, wo er ihn am Abend hingestellt hatte, und begleitete ihn mit der Lampe bis zur Entreetür.

»Aber Du hast ja das Halstuch nicht um, Heinz! Es ist doch draußen so kalt, Du mußt Dich ja erkälten.«

»Ich habe wirklich keine Zeit mehr, Trude!«

»Damit Du mir nachher krank wirst! ...«

Und es blieb ihm nichts übrig, er mußte warten, bis sie das weißseidene Cachenez herbeigeholt und um den Hals gelegt hatte.

Dabei sah er, wie ihre großen dunkelgrauen Augen in Liebe auf ihn gerichtet waren. Ihre Lippen, deren feuchtes Rot scharf gegen den weißen Teint absetzte, waren nie fest geschlossen, und der Reiz dieser weichen, nachgiebigen Züge bestand zum großen Teil in einer gewissen Lässigkeit, die sich auch in ihrer ganzen schlanken Gestalt ausdrückte. Sie sah noch gar nicht wie eine Frau aus, und trotzdem er es eilig hatte und sein Kopf sich bereits mit der Arbeit beschäftigte, die seiner im Bureau harrte, erinnerte er sich jetzt doch plötzlich und wie im Fluge an jene Zeit, da er und Trude noch nicht verlobt miteinander waren und er selbst eigentlich nie daran gedacht hatte, die Trude Kaiser zu seiner Frau zu machen.

Mit einem langen, langen Kuß nahmen sie Abschied voneinander und sie stand, die Lampe über das Treppengeländer haltend, so lange an ihrem Platz, bis sie unten das Haustor gehen hörte.

Dann kam es auf dem dunklen Treppenflur plötzlich wie Furcht und Erschrecken über sie und sie eilte so schnell hinein, daß sie sich ein wenig an der Tür die Schulter stieß ...


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