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Nun hieß der König beiden |
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7770 |
Eine Kemenate bescheiden,
Wo Ruhe, Pfleg' und gutes Gemach
Ihren Wunden geschach.
Aerzte hieß Herr Gawein bestellen
Für ihn und seinen Gesellen, |
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7775 |
Zu heilen ihre Wunden;
Auch pflegte sie zu allen Stunden
Der König und die Königin.
So gingen bald die Tage hin
Die sie im Siechhause verweilt, |
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7780 |
Und wurden völlig geheilt.
Als Herrn Iwein wieder gegeben
Kraft und gesundes Leben,
Waren ihm noch die Sinne
Von seiner Frauen Minne |
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7785 |
Im tiefsten Mark und Herzen wund:
Ihm däuchte wenn ihr Mund
Ihn nicht alsbald erlöste,
Und sie ihn selbst nicht tröste,
Sei er schier verfallen dem Tod. |
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7790 |
Es war die minnende Noth
Die ihn also gar bezwang.
»Ich treib' es kurz oder lang,
So weiß ich ihre Minnen
Nimmer zu gewinnen, |
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7795 |
Als daß ich zum Brunnen fahre nieder,
Und begieß' ihn immer und wieder.
Ich weiß, da werd' ich nicht verschont;
Doch Leiden bin ich gewohnt.
Und dulde lieber kurze Tage, |
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7800 |
Als daß ich ew'gen Kummer trage.
Zwar fürcht' ich, hilft auch das nicht eh'
Bis ihr selber wird so weh
Daß ich ihre Minnen
Mit Gewalt noch mag gewinnen.« |
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7805 |
Mit dem Leun begann er die Fahrt
Heimlich, daß Niemand gewahrt
Nicht am Hof, noch sonst den Ritter,
Und erhub ein schweres Gewitter.
Das ward so ungeheuer, |
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7810 |
Daß weder Dach noch Gemäuer
Keinen schirmt der Schutz gesucht.
»Sei doch in Ewigkeit verflucht,«
Sprach da Weib und Mann,
»Der zuerst begann |
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7815 |
Hier zu bau'n im Lande:
Dies Leid und diese Schande
Thut uns Jeder, so oft er will.
Schlimmer Stätten giebt es viel,
Doch ist dies das schlimmste Feld |
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7820 |
Das je ein Bauer bestellt.«
So groß ward nun des Walds Zerstörung,
Und das Gekrach und die Empörung
Wuchs mit solchem Schallen,
Daß die Leute zu allen |
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7825 |
Heiligen flehten im Gebete.
Da sprach Frau Lunete:
»Fraue, jetzt ohne Verweilen
Müßt Ihr zu forschen eilen
Wo Ihr den Degen findet, |
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7830 |
Mit dem Ihr überwindet
Diesen Schaden und dies Leid.
Zwar ist Hülfe uns weit,
Und suchen müßt Ihr fern im Lande.
Ihr möchtet ärgre Schande |
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7835 |
Nimmermehr gewinnen,
Als wenn der schiede von hinnen
Aller Strafe frei,
Der dies Wetter rief herbei.
Dies erneut er vielleicht Euch morgen; |
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7840 |
Und wollt Ihr jetzt nicht sorgen
Und rathen in der Sache,
Läßt man Euch mit Gemache
Keine Stunde mehr leben.«
»Kannst Du mir Rath hier geben?« |
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7845 |
Sprach die Fraue zu der Magd,
So sei Dir meine Noth geklagt,
Weil Du von Allen zumeist
Auskunft und Hülfe weißt.«
Sie sprach: »Folgt immerhin |
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7850 |
Euerm eignen Rath und Sinn.
Ich bin ein Weib; maaßt' ich mir's an
Zu rathen wie ein weiser Mann,
So wär' ich dummer als ein Kind.
Ich leide, und Alle die hier sind, |
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7855 |
Was auch mag geschehn,
Bis wir's erleben und sehn,
Wer Euch Hülfe finde
Von Euerm Ingesinde,
Der fähig sei die Last zu tragen, |
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7860 |
Und sein Leben für Euch zu wagen.
Unmöglich halt' ich's nicht,
Doch hab' ich wenig Zuversicht.«
Sie sprach: »Damit ist nichts gethan.
Ich habe Hoffnung nicht noch Wahn |
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7865 |
Daß ich ihn jemahls finde
Unter meinem Gesinde;
Rathe, was sonst das Beste sei.«
Sie sprach: »Schafft' uns wer herbei
Den Ritter, der den Riesen schlug, |
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7870 |
Der mir seinen Schutz antrug,
Und nach dreifält'gem Streit
Vom Scheiterhaufen mich befreit, –
Fänd' Euch Einer den Degen,
Und wüßt' ihn zu bewegen, |
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7875 |
So wär' es trefflich drum bewandt.
Nun ist mir eins gar wohl erkannt:
Keiner erreicht mit List
So lange die Fraue ihm abhold ist,
Daß er zöge für ihn |
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7880 |
Weder her oder hin,
Er stell' ihm denn erst Sicherheit,
Daß er nach Kampfes Müh' und Streit
Ihm in allen Dingen
Wolle helfen erringen, |
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7885 |
Daß er thu' und ersinne
Was ihm wieder gewinne
Seiner Frauen Minne.«
Die Fraue sprach: »Die Sinne
Die unser Herr mir gann, |
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7890 |
Die wend' ich alle daran,
Und beide, Leben und Gut,
Daß ich ihren zornigen Muth
Vertreibe, wenn ich's irgend mag:
Deß geb' ich meinen Handschlag.« |
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7895 |
Da entgegnet' ihr Frau Lunete:
»Holdselige, süße, stete,
Wann hätt' ein Weib so harte Sitten,
Wenn Ihr mit Fleiß sie wolltet bitten,
Und weigerte gute Kunde |
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7900 |
Einem also süßen Munde?
Wenn's Euch ohne Falsch und List
Ernst wird oder ist,
Läßt sie ihr zorniges Gebaren.
Ich kanns Euch nicht ersparen, |
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7905 |
Ihr müßt's geloben mit Euerm Eide,
Eh' ich von Euch hier scheide.«
Dazu war sie viel gern bereit.
Frau Lunete gab den Eid,
Und treu bedacht auf Alles nahm, |
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7910 |
Daß er dem wohl zu Statten kam
Zu dem sie sollte fahren.
Sie sprach: »Fraue, ich muß bewahren
Also genau den Eid,
Daß Keiner eines Haares breit |
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7915 |
Zweifel und Falschheit finde dran.
Er ist ein fester getreuer Mann,
Nach dem ich reiten soll,
Und bedarf ich steter Rede wohl.
Wollt Ihr nach ihm mich senden, |
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7920 |
Müßt Ihr das Wort mit Werken enden,
Wie sie ein Schwur erheischt. Mir nach
Sprecht jetzt, Fraue, was ich sprach,
Und auf den Schrein die Finger legt:
Ich habe die Worte wohl erwägt.« |
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7925 |
»Wenn der Ritter kommt auf mein Gebot,
Und rettet mich aus meiner Noth,
Mit dem der Löwe fahrend ist:
Schwör' ich ohne Falsch und List,
Daß ich mit ganzem Willen und Sinn |
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7930 |
Ihm verpflichtet bin,
Seiner Frauen Minnen
Ihm wieder zu gewinnen.
Ich bitte Gott, er helfe mir so
Daß ich ewig werde froh, |
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7935 |
Und diese lieben Heiligen hier.«
Also verschweigt sie nichts vor ihr,
Was dem frommen sollte
Den sie bringen wollte:
Dann rüstet sich die Magd |
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7940 |
Zur Fahrt die sie mit Freuden wagt.
Urlaub nahm die Gute
Mit fröhlichem Muthe;
Sie hatte da zur Stunde
Wenig davon noch Kunde |
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7945 |
Als sie die Fahrt begann,
Wo sie fände den Mann,
Und ward gar bald ihr kund
Ihr viel seliger Fund,
Als sie ihn bei dem Bronnen fand. |
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7950 |
Er ward ihr an dem Leu'n erkannt:
Und auch die Magd von ihrem Herrn
Ward erkannt von fern.
Mit gutem Willen grüßt' er sie.
Sie sprach: »Daß ich sobald Euch hie |
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7955 |
Funden habe, deß lob' ich Gott.«
»Jungfrau, das ist Euer Spott:
Oder suchtet Ihr mich im Feld?«
»Ja lieber Herr, wenn's Euch gefällt!«
»Was führt Euch hieher zu mir?« |
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7960 |
»Nun seht, Ihr tilgtet schier
Einen Theil von Eu'rer Schuld,
Und seid nicht fern mehr ihrer Huld,
Die Euch befahl dies Land,
Und heut mich ausgesandt |
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7965 |
Zu langer Unmüssigkeit:
Bricht sie nicht geschwornen Eid,
Die mich zu Euch gesendet,
So hab' ich auch vollendet
Die Rede also fern, |
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7970 |
Daß ich Euch als meinen Herrn
Begrüßen werd' in kurzer Frist;
Gleich wie sie meine Fraue ist.«
Da ward große Freude den Zwein,
Und meinem Herrn Iwein |
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7975 |
Nimmer vorher so wohl geschah.
Vor großen Freuden küßt' er da
Seiner Jungfrau Hände zumal,
Mund und Augen tausendmahl.
Er sprach; »Ihr habt bescheinet |
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7980 |
Viel wohl, wie gut Ihrs meinet.
Ich fürcht' und das ist meine Klage,
Daß Glück mir, oder des Lebens Tage,
Oder beides zerrinne,
Eh' ich die große Minne |
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7985 |
Euch lohnen mag nach Recht und Pflicht,
Wie es dem Dienst entspricht
Den Ihr mir heut gethan.«
Sie sprach: »Die Furcht ist nur ein Wahn.
Gewinnt Ihr Tage noch und Gut, |
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7990 |
Hätt' ich verdient so freundlichen Muth,
Daß Ihr Gnade mir zeigt,
Und Euch dankend mir neigt?
Ich habe wenig für Euch gethan;
Ihr wollt es nur als viel empfahn, |
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7995 |
Daß wer des andern Gut entnahm
Wenn die Zeit zu gelten kam
Daß er zur Zahlung ist bereit.
Ihr nahmt mir ab viel Noth und Leid;
Denn ich wäre verbrannt, |
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8000 |
Hättet Ihr mir's nicht erwandt.
Für meinen Leib war Euer Leben
Auf die Wage gegeben:
Da dankt' ich diesen Leib Euch hie.
Tausend Weiber vergölten nie |
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8005 |
Die Gnade die Ihr mir gethan.«
Er sprach: »Ich nehme den Dank nicht an:
Ihr habt mich überreich bezahlt;
Mir ist vergolten tausendfalt
Was ich auch je noch für Euch thäte. |
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8010 |
Nun sagt mir, liebe Frau Lunete,
Weiß sie denn, daß ich es bin?«
Sie sprach: »Dann wär' Euch alles dahin!
Sie weiß von Euch, glaubet mir's
In der Welt nichts, als daß Ihrs, |
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8015 |
Der Ritter mit dem Löwen seid:
Sie erfährt es schon zu rechter Zeit.«
So ritten sie nach Hause dann,
Und ihnen begegnet nicht Weib noch Mann.
Es fügt sich wundersam, |
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8020 |
Daß Niemand ihres Weges kam,
Und sah den beiden nach,
Bis sie erreichten ihr Gemach.
Da ging Frau Lunete
Wo sie an ihrem Gebete |
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8025 |
Die Fraue allein und einsam fand,
Und sagt' ihr da zuhand.
Daß er kommen wäre.
Da hätte sie keine Märe
Also freudig vernommen. |
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8030 |
Sie sprach: »Nun, sei er willkommen!
Ich will ihn gar zu gerne sehn,
Wie es mit Fuge mag geschehn.
Geh' hin und frage ihn,
Will er her, oder soll ich hin? |
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8035 |
Mit Freuden! denn ich bedarf sein;
Er käme zu mir, bedürft' er mein.«
Viel eilend rief Lunet' ihn her.
Noch trug er volle Wehr,
Und hatte den Helm geschlossen: |
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8040 |
Als Gast empfing sie den Ehgenossen.
Er aber beim ersten Gruße
Fiel der Fraue zu Fuße,
Und zögerte noch, eh er sie bäte.
Da sprach Frau Lunete: |
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8045 |
»Fraue, heißt ihn sich erheben,
Und wie ich ihm mein Wort gegeben,
Sollt Ihr lösen den Eid.
Ich sag' Euch in aller Wahrheit
Daß nur in Euch, der Einen |
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8050 |
Hülfe und Rath für ihn sich einen.«
Sie sprach: »Nun unterweise mich;
Nach seinem Willen gewähr' ich
Was ich mag und soll.«
Sie sprach; »Fraue, ihr redet wohl. |
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8055 |
Ihr helft am leichtsten Euerm Gast.
Seine Fraue ist's, die Ihn haßt:
Wie Ihr nun wollt, läßt sie den Zorn,
Und wie Ihr's wollt, ist er verlorn;
Und möcht' Euch das wohl werden leid. |
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8060 |
Ihr habt in aller Wahrheit
Keinen bessern Freund als Er ist.
Es fügt' es unser Herre Christ,
Und lehrte mich die Fahrt,
Daß er so schnell gefunden ward, |
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8065 |
Damit die lange sich mieden
Nicht länger seien geschieden.
Nun mög' Euch denn nicht andre Noth
Wieder trennen als nur der Tod.
Fraue, jetzt gebt uns Sicherheit, |
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8070 |
Und löset Euern Eid,
Vergebt ihm seine Missethat,
Weil er keine andre Fraue hat,
Und nicht gewinnt, noch je gewann:
Dies ist Herr Iwein, Euer Mann.« |
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8075 |
Die Rede däucht sie wunderlich.
Viel schnell entfärbt sie sich,
Und sprach: »Wenn das Wahrheit ist,
Dann hat mich Deine List
Wundersam dahin gegeben. |
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8080 |
Soll ich für den fürder leben,
Der mich so gar verachtet hat?
Wahrlich, deß hätt' ich gerne Rath.
Das Wetter träfe mich nie so schwer,
Ich hätt' es lieber gelitten ehr |
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8085 |
Als daß ich auf Lebenszeit
Wäre zum Bund bereit
Mit einem so gemuthen Mann,
Der nie ein Herz für mich gewann:
Und sag' ich Dir's in Wahrheit, |
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8090 |
Zwänge mich nicht der Eid
So wär's nicht so ergangen.
Der Eid hat mich gefangen;
Sei denn der Zorn meinthalb dahin.
Ich seh', ich muß noch dienen um ihn, |
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8095 |
Daß er mich lieber wolle ha'n,
Als er bisher noch hat gethan.«
Herr Iwein fröhlich da sprach,
Als er hörte und sach,
Daß Alles wohl ausschlug, |
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8100 |
Und der Kummer den er trug,
Daß der ein Ende sollte ha'n:
»Fraue, ich habe mißgethan,
Und Gott weiß, das schmerzt mich sehr
Nun aber ist Sitte von jeher |
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8105 |
Daß man dem schuldigen Mann,
Wie schwere Schuld er auch gewann,
Wenn er bereut, vergebe,
Und er in der Buße lebe,
Nicht mehr zu sündigen fortan. |
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8110 |
Nun sei es abgethan,
Und find' ich wieder Eure Huld,
Wird sie durch meine Schuld
Nie und nimmer verlohren.«
Sie sprach: »Ich hab' es geschworen, |
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8115 |
Und sei mir's lieb oder leid,
Einmahl gesprochnen Eid
Muß ich halten mit Herz und Munde.«
Er sprach: »Dies ist die Stunde
Die ich wohl immer nennen mag |
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8120 |
Meiner Freuden Ostertag!«
Da sprach die Königin: »Herr Iwein,
Liebster Herre mein,
Nun erzeigt auch Gnade mir.
Von meinen Schulden habet Ihr |
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8125 |
Großen Kummer erlitten;
Nun will ich um Gott Euch bitten
Ihr wollet mir vergeben,
Weil er mein ganzes Leben
Immer und stets mich reuen muß.« |
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8130 |
Da warf sie sich zu seinem Fuß,
Und weinte lang' und bitter.
»Steht auf, sprach der Ritter,
Ihr seid frei von aller Schuld,
Weil ich Eure Huld |
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8135 |
Allein durch meinen Muth verlorn.«
Also ward gesühnt der Zorn.
Nun schaute Frau Lunete
Erhört all' ihre Gebete.
Wo beide, Mann und Weib |
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8140 |
Haben Gut und gesunden Leib,
Schönheit, Verstand und Jugend
Ohne Fehl und Untugend; –
Wenn die Gesellen werden,
Können und wollen sie auf Erden |
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8145 |
Einander gern behalten;
Und lässet Gott sie alten,
Gewinnen sie manche süße Zeit;
Die wähn' ich war auch diesen bereit.
Nun blieb mit ihnen die stete |
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8150 |
Dienstgetreue Lunete;
Die hatte mit klugem Sinne
Ihrer Frauen Minne
Geführt zu gutem Ziel,
Wie sie gar oft und viel |
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8155 |
In sehnendem Muth begehrt.
Ihr Dienst war wohl des Lohnes werth,
Und wähn' ich daß sie's also genoß,
Daß sie der Kummer nicht verdroß.
So mein' ich war Glück und Freude hie; |
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8160 |
Doch erfuhr ich nicht, was oder wie
Mit beiden seit dem ergangen.
Ich konnte Kunde nicht erlangen
Von dem ich diese Rede weiß;
Drum kann ich Euch mit allem Fleiß |
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8165 |
Nichts weiter sagen mehre,
Als Gott geb' uns Heil und Ehre. |