|
|
Da fragte mich Frau Minne
Worauf ich aus eignem Sinne
Ihr nicht Rede stehen kann.
Sie sprach: »Sag' an, Hartmann, |
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2975 |
Meldst Du, daß König Artus kam,
Mit sich zu Haus den Ritter nahm,
Und ließ die Frau zurücke fahren?«
Ich konnte mich besser nicht bewahren,
Als daß ich sagte, Wahrheit sei's; |
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2980 |
Denn also hätt' ich's gehört mit Fleiß.
Sie sprach und sah mich seitwärts an:
»Diesmal hast Du nicht Recht, Hartmann.«
»Frau, das hab' ich.« Sie sprach »Nein;«
Der Streit war lang unter uns zwein, |
|
2985 |
Bis sie mich bracht' auf die rechte Fährte,
Und mich zuletzt bekehrte.
Der König führte die Frau und den Mann,
Doch folgt' ihm keiner von beiden dann,
Wie ich Euch jetzt bescheide; |
|
2990 |
Sie wechselten alle beide
Die Herzen unter ihnen zwein,
Die Fraue und Herr Iwein. –
Ihm folgt' ihr Herz und sein Leib:
Heim blieb sein Herz und das Weib. |
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2995 |
Da sprach ich aber: »Frau Minne,
Nun bedünkt es meine Sinne,
Um meinen Herrn Iwein sei's geschehn,
Der könne nicht bei dem Tausch bestehn;
Sein Herz ja gab ihm Stärk' und Kraft, |
|
3000 |
Was taugt er nun zur Ritterschaft?
Er muß ja zagen als ein Weib,
Seit Weibesherz empfing sein Leib,
Und sie das Sein' erworben hat.
Nun übt sie Manneswerk und That, |
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3005 |
Und sollte wohl turniren fahren,
Und er daheim das Haus bewahren?
Mir ist in Wahrheit mächtig leid,
Daß sich ihr beider Gewohnheit
So gar verkehrt und gewandelt hat, |
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3010 |
Denn beiden fehlt nun Hülf' und Rath.«
Da schalt mich Frau Minne,
Und zieh mich schwacher Sinne.
Sie sprach: »Deinen Mund verschließe nur,
Du bist gar weit von der rechten Spur. |
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3015 |
Nie fühlt'st Du meine Meisterschaft:
Ich bin es, Minne, ich gebe die Kraft
Daß viel oft an Weib und Mann
Wenn ein Andrer ihr Herz gewann,
Die Kraft erstarkt' und wuchs mit Macht.« |
|
3020 |
Da ward ich zum Schweigen gebracht.
Wie's möglich sei, daß Weib und Mann
Ohne Herz gedeihen kann,
Das Wunder sah ich noch nie;
Doch geschah nach ihren Worten hie. |
|
3025 |
Ich habe dem Tausch nicht nachgefragt,
Doch wie die Aventüre sagt,
So ward Herr Iwein ohne Streit
Ein bess'rer Held noch seit der Zeit.
Herr Gawein sein treuer Genoß |
|
3030 |
Schuf ihm Unsegen und Leiden groß.
Wie das sich begab muß ich berichten;
Denn die Welt begreift es mit nichten,
Wer tapfren Freund sich mocht' erringen,
Wie ihm das sollte Schaden bringen. |
|
3035 |
Wahr ists, vorher geschahs noch nie:
Doch Iwein erfuhrs und ich sag' Euch wie.
Herr Gawein war der höfischste Mann,
Der Ritters Namen je gewann.
Litt er Schaden durch ihn, so wars ihm leid, |
|
3040 |
Denn alle Müh' und Tapferkeit
Wandt' er an seinen Dienst mit Fleiß,
Daß er ihm mehre Ruhm und Preis.
Wo ein Turniren war bestellt,
Nimmer versäumten die Zween das Feld; |
|
3045 |
Da mußten solche Thaten geschehn,
Wie Gott mit Ehren möchte sehn.
So fördert der Freund ihn allerweis,
Und also eifrig, daß der Preis
Herrn Iwein selten fehlte, |
|
3050 |
Und er die Tage nicht mehr zählte;
Ihm ging die Zeit in Freuden hin.
Man sagt, daß mein Herr Gawein ihn
Mit gutem Empfang und Genossenschaft
Gefesselt und sich selber entrafft, |
|
3055 |
Daß er des Jahrestags vergaß,
Und das Gelübde versaß,
Bis daß ein zweites Jahr anfing,
Und weit schon in den Sommer ging.
So waren die Degen beide |
|
3060 |
Mit Freuden sonder Leide
Von einem Turnei gekommen,
Und hatte Herr Iwein genommen
Den Preis vor allen Gästen.
Nun hielt just Hof mit herrlichen Festen |
|
3065 |
Ihr Herr der König Artus wohl,
In seinem Schloß zu Caridoel:
Da schlugen sie auf ihr Gezelt,
Vor der Burg an dem Feld,
Und lagen in gutem Gemach allda |
|
3070 |
Bis der König sie dort ersah,
Und seine besten Genossen alle,
Mit Freudenruf und fröhlichem Schalle:
Denn ihm war kommen Märe
Wie viel sie errungen Preis und Ehre; |
|
3075 |
Und er sagt ihnen Gruß und Dank,
Daß alles beiden so wohl gelang.
Wer gerne tapfre Werke thut,
Dem Dank zu sagen, das ist gut;
Ihm frommt die Arbeit desto baß; |
|
3080 |
Wo man mitsammen sprach und saß,
War die Rede von ihnen zwein. –
Und nun geschah, daß mein Herr Iwein
In schmerzlich Sinnen tief versank:
Er meint das Säumen währe zu lang |
|
3085 |
Das er von seinem Weibe that;
Was sie befahl und was sie ihn bat,
Das alles hatt' er übergangen.
Sein Herz war schwer befangen
Von sehnlicher Treue; |
|
3090 |
Ihn ergriff so schmerzliche Reue,
Daß er ganz sein selber vergaß,
Und allzeit schweigend sann und saß.
Er überhört' und übersah
Was man that und redete da, |
|
3095 |
Als ob er verwirrt im Geiste wäre;
Auch nah't ihm böse Märe:
Ihm weissagte sein Muth,
Wie er mir selbst oftmahls thut:
Ich seufze, wenn ich fröhlich bin |
|
3100 |
Um meinen künftigen Ungewinn.
Also naht ihm sein Leid.
Nun seht, wie dort durch's Gefilde reit't
Frau Lunete, die kluge Magd,
Seines Weibes Botin unverzagt, |
|
3105 |
Auf deren erste Bitt' und Rath
Sie damals ihn genommen hat.
Sie spornt' und jagte übers Feld;
Und stieg vom Roß vor seinem Zelt;
Und als sie erblickt den König dort |
|
3110 |
Trat sie heran und sprach dies Wort:
»König Artus, mich hat gesandt
Meine Fraue in Euer Land;
Und das gebot sie mir,
Daß ich Euch grüße von ihr, |
|
3115 |
Und Eure Genossen zumahl,
Außer Einem, der ist außer Zahl;
Den sollt als einen Verräther
Ihr mißachten: hier steht er
Den ich meine, der Herr Iwein. |
|
3120 |
Der hatte nicht von fern den Schein,
Als ich ihn sah' in frührer Zeit,
Als könn' er mit Verrath und Leid,
Mit Trug und bittrer Reue
Vergelten Lieb' und Treue. |
|
3125 |
Seine Worte die sind gut,
Ganz anders aber sein Herz und Muth.
Man sieht es wohl, das wisse Christ,
Daß meine Frau ein Weib nur ist,
Die an Rache nicht denken mag! – |
|
3130 |
Hätt' er gefürchtet den Wiederschlag,
So mocht' er's lieber ihr ersparen,
Daß sie die Kränkung mußt' erfahren.
Es däucht ihm Schaden nicht genug
Daß er den Mann ihr schlug; |
|
3135 |
Er mußt ihr noch daneben
Ehre rauben und Leben.
Herr Iwein, wenn sie ihre Jugend,
Schönheit, Reichthum und Tugend
Mit Euch nimmer genießen kann, – |
|
3140 |
Was dachtet Ihr auch nie daran,
Was ich Euch da für Beistand lieh,
Und wie ich Alles that für sie?
In welcher Lag' ich Euch da fand,
Als ich Euch dem Tod entwand? |
|
3145 |
Es war um Euch geschehn,
Wollt' ich nicht die Gefahr bestehn. –
Daß ich Euch Hülfe da sandte,
Und Euer Verderben wandte,
Deß will ich ewig reuig sein; |
|
3150 |
Denn alle Schuld ist einzig mein,
Ob ichs aus Treu auch nur gethan.
Mein Rath und Bitten schuf ihr den Wahn,
Und fügt' ihr Kummer und Leiden,
Die sie mochte vermeiden. |
|
3155 |
Ich hatt' ihr Lobes zu viel gesagt
Von Eurer Kühnheit unverzagt,
Bis sie zuletzt von freier Hand
Sich selber Euch hingab und ihr Land,
Auf daß Ihrs solltet bewahren. |
|
3160 |
Nun seid Ihr so mit ihr verfahren,
Daß sich Weib vor Mann
Nimmer hinfort behüten kann.
Wir waren zu schnell, Euch zu vertraun,
Das konntet Ihr besser lohnen, traun, |
|
3165 |
Als wir jetzt deß werden froh;
Auch verhießt Ihr's nicht also.
Meiner Fraue wird wohl Rath,
Was sie auch Leids erfahren hat,
Und Unbill, keiner andern gleich; |
|
3170 |
Sie ist zu edel und zu reich,
Sich Eure Kebse zu nennen,
Wenn Ihr wolltet erkennen,
Was echte Rittertreue sei.
Nun ists mit Eurer Treue vorbei: |
|
3175 |
Doch sollt Ihr den Guten allen
Desto schlechter gefallen,
Die Treu' und Ehre minnen,
Und wohl sich deß besinnen,
Daß kein vollkommner Mann auf Erden |
|
3180 |
Ohne Treue mag gefunden werden.
Nun thu' ichs diesen Herren kund,
Daß sie Euch halten von dieser Stund'
Für den falschesten Mann im Reich.
Da Ihrs wurdet, ward auch ich zugleich |
|
3185 |
Schuldig des Treubruchs, beides,
Und des gebrochnen Eides;
Und müßte der König vor Scham entbrennen
Wollt' er den Ritternamen Euch gönnen,
So lieb ihm Treu und Ehre ist. |
|
3190 |
Auch hat an Euch von dieser Frist
Meine Fraue nicht mehr Theil;
Sie find't auch ohne Euch wohl Heil. –
Schickt nun zurück das Ringelein:
Denn es soll nicht länger sein |
|
3195 |
An einer ungetreuen Hand:
Sie hat mich hierher danach gesandt.«
Von großem Leid geschah ihm da,
Daß er's erduldet' und ruhig sah
Wie sie's ihm ab von der Hand gewann: |
|
3200 |
Sie neigte dem König und ritt hindann.
Die Härte, mit der Lunete
Den guten Ritter schmähte,
Ihr rasches Zurückekehren,
Der jähe Sturz all' seiner Ehren, |
|
3205 |
Dann daß sie also von ihm schied,
Und weder ihn tröstet' noch ihm rieth;
Die grimme Kränkung und Schmach,
Als sie ihm die Treu' absprach, –
Die verspätete Reue, |
|
3210 |
Und die große Treue
Seines festen Muthes;
Der Verlust des Gutes,
Die Sehnsucht nach dem Weibe,
Die nahmen seinem Leibe |
|
3215 |
Beides, die Freude und den Sinn.
Nach dem Einen treibt und drängt's ihn hin,
Er möchte von aller Welt getrennt
Hinausziehn wo ihn keiner kennt,
Und niemand hörte Märe |
|
3220 |
Wohin er kommen wäre.
Da ward er sich selber verhaßt,
Denn seines Vergehens Last
Mochte kein Andrer für ihn tragen;
Sein eignes Schwert hatt' ihn erschlagen. |
|
3225 |
Von allem Aeußern abgelenkt
Brütet' er ganz in sich versenkt,
Und als ihn Niemand ersah,
Schweigend stahl er sich da
Bis fern vom Lager und Gezelt |
|
3230 |
Er hatt' erreicht das freie Feld. –
Da wurden die Schmerzen ihm so groß
Das in das Hirn ihm schoß
Ein Rasen und tobende Sucht;
Da brach er alle Sitt' und Zucht, |
|
3235 |
Abzerrt' er sein Gewand,
Daß er bloß ward wie eine Hand.
So lief er übers Gefilde
Nackt hinaus und suchte die Wilde.
Als die Jungfrau sich heimgewandt, |
|
3240 |
Viel Kummer der König da empfand
Ueber Herr Iweins Schwere.
Er fragte wo er wäre;
Denn er wollt' ihm mit Trost beistehn,
Und befahl nach ihm zu gehn. |
|
3245 |
Und als ihn Niemand sah,
Viel sehr vergeblich blieb es da,
Wie man ihn sucht' und nach ihm rief,
Während er in den Wald entlief.
Er war ein Degen kühn bewährt, |
|
3250 |
In seiner Fassung nie gestört,
Und wie mannhaft er immer war,
Und wie unwandelbar
In seinem Leben und Sinne,
Doch bewältigt' ihn Frau Minne, |
|
3255 |
Daß ihm ein schwaches Weib
Seele verkehrt' und Leib.
Er, den man sonst recht als Demant
Aller Rittertugend erfand,
Lief nun umher gar balde |
|
3260 |
Als ein Verrückter im Walde.
Nun wollte Gott der Gute,
Der ihn aus seiner Huthe
Nicht völlig entließ, für ihn das thun,
Daß er ihm zuschickt einen Garzun |
|
3265 |
Der einen guten Bogen trug;
Den nahm er ihm ab, und Pfeile genug.
Als der Hunger ihn nicht ließ ruhn,
Da that er wie die Tollen thun;
Kein andres Wissen ist ihnen kund |
|
3270 |
Als allein um ihren Mund.
Er traf ausbündig scharf und wohl;
Auch war die Waldung Wildes voll,
Und wo ihm das erschien als Ziel,
Da schoß er aus der Maßen viel. |
|
3275 |
Auch mußt' er selbst es fangen,
Und ohne Bracken erlangen:
Dann hatt' er auch Kessel nicht noch Schmalz,
Weder Pfeffer noch Salz;
Seine Brühe war die Hungersnoth, |
|
3280 |
Die alles ihm briet und sott,
Und süße Speise bereiten lehrt;
Also hat er dem Hunger gewehrt.
Solches Lebens er lange pflag.
Da lief er an einem mitten Tag |
|
3285 |
Zu einem neuen Gereute.
Da fand er nicht mehr Leute
Als einen einzigen Mann;
Derselbe sah ihm das wohl an,
Er sei der Sinne nicht mächtig: |
|
3290 |
Drum flüchtet' er sich bedächtig
Nah bei in seine Klause hinein.
Auch da nicht glaubt' er sicher zu sein,
Und verriegelte schnell die Thür:
Da stellt der Tolle sich dafür. |
|
3295 |
Der däucht dem Siedler allzugroß:
Er dachte: Thut er einen Stoß,
So wird er die Thür ausheben,
Und vergreift sich an meinem Leben.
Ich Armer, wie errett' ich mich? |
|
3300 |
Zu allerletzt besann er sich:
»Ich will ihm meines Brodes geben,
So läßt er vielleicht mich am Leben.«
Ein Fenster hatt' er in der Wand,
Dadurch streckt' er die Hand |
|
3305 |
Und legt auf ein Brett ihm ein Brod,
Das stillt ihm des Hungers Noth;
Während ihm sonst, das mag Gott wissen,
Nicht hätte genügt so schmaler Bissen.
Was wollt' ihr, daß ein Toller thu? – |
|
3310 |
Er aß das Brod und trank dazu
Eines Wassers das er fand
In einem Eimer an der Wand,
Und leert' ihn aus auf einen Zug.
Der Einsiedel große Angst da trug, |
|
3315 |
Er flehte zu Gott viel sehr,
Daß er in Zukunft ihn nicht mehr
Heimsuche mit solchem Gast;
Denn er hatte noch nicht gefaßt,
Wie's mit dem Ritter sei bewandt. |
|
3320 |
Nun zeigt ihm der Tolle zu Hand,
Daß ein Verrückter und ein Kind
Gar lenksam zu gewöhnen sind.
Er war noch just so weise,
Daß er wegen der Speise |
|
3325 |
Wieder hinkam nach zween Tagen,
Und bracht' ein Reh getragen,
Das warf er hin vor die Thür.
Das machte, daß ihm der Siedler hinfür
Desto williglicher bot |
|
3330 |
Sein Wasser und sein Brot;
Er fürchtet' ihn schon nicht so sehr,
Sorgt besser für ihn als vorher;
Und hielt's ihm ferner so bereit.
Auch vergalt ihm jener die Müh' allzeit |
|
3335 |
Mit seinem Wilde das er fing.
Das ward so gut es eben ging
Gebraten bei dem Feuer:
Nur war der Pfeffer da theuer,
Das Salz und auch der Essig. |
|
3340 |
Später war er nicht lässig,
Daß er zum Markt die Häute trug,
Und kauft' ihnen beiden genug,
Was ihnen zum Leben war noth,
Salz und besseres Brot. |
|
3345 |
So weilte der Unweise
Im Wald mit solcher Speise,
Bis endlich der edle Thor
Gebräunt ward wie ein Mohr
An seinem ganzen Leibe. – |
|
3350 |
Wenn ihm von theuerm Weibe
Viel Liebes sonst geschach;
Wenn er an hundert Speere brach,
Und Feuer aus den Helmen schlug,
Mit Mannheit aus dem Kampfe trug |
|
3355 |
Viel oft sich Dank und Preise, –
Wenn er einst höfisch war und weise,
Edlen Gemüths und reich,
Dem ist er nun viel wenig gleich.
Jetzt lief er ledig beider, |
|
3360 |
Der Sinne wie der Kleider,
Bis einst zu seiner Stunden
Schlafend ihn hatten gefunden
Drei Frauen wo er lag.
Es war um einen mitten Tag, |
|
3365 |
Nah in guter Maaße
Im Felde von der Straße
Auf der sie geritten waren.
Kaum mocht' ihn da gewahren
Die eine Fraue von den Drein, |
|
3370 |
Da hielt sie gleich den Zelter ein,
Stieg ab und sah ihn emsig an.
Nun wußte die Kunde Jedermann
Wie er verlohren wäre;
Das war eine gänge Märe |
|
3375 |
Von seinen Leiden und Thaten;
Drum hatte sie gleich auf ihn gerathen.
Doch war's ihr noch nicht völlig klar:
Da nahm sie endlich an ihm wahr
Eine Narbe breit, |
|
3380 |
Die seit langer Zeit
An dem Ritter war bekannt,
Und nannt' ihn mit Namen zuhand.
Sie sprach alsbald zu den Zwein:
»Frauen, lebt Herr Iwein, |
|
3385 |
So liegt er ohne Zweifel hie,
Oder ich sah ihn noch nie.«
Ihr höfischer Sinn und ihre Güte
Betrübten ihr Gemüthe,
Daß sie vor großen Schmerzen |
|
3390 |
Und aus viel treuem Herzen
Viel sehr zu weinen begann,
Daß einem also werthen Mann
Solch' Elend sollte geschehn,
Und er so schmachvoll ward gesehn. |
|
3395 |
Es war die Eine dieser Drei
Gebieterin über die andern Zwei.
Nun sprach die Magd zu ihrer Frauen:
»Herrin, Ihr mögt wohl schauen
Daß er den Sinn verlohren. |
|
3400 |
Von edlerem Blut gebohren
Mag nimmer ein Ritter sein,
Als mein Herr Iwein,
Den wir hier sehn so elend leben.
Ihm ward ein Zaubertrank gegeben, |
|
3405 |
Oder es ist durch Minne gekommen,
Daß ihm der Sinn benommen.
Und weiß ich so sicher als meinen Tod,
Daß Ihr alle Eure Noth
Die Euch straflos und ungescheut |
|
3410 |
Der Graf Aliers so lange dräut,
Und noch zu bringen sich rüstet,
Alsbalde hättet gefristet,
Wenn dieser Ritter würde gesund.
Mir ist seine Mannheit völlig kund. – |
|
3415 |
Wüßt' ich ihn wieder hergestellt,
Er hätt' Euch gleich den Feind gefällt,
Und sollt Ihr jemahls Rettung finden,
Er kann allein sichs unterwinden.«
Die Fraue war des Trostes froh. |
|
3420 |
Sie sprach: »Und ist die Krankheit so
Daß sie den Sitz im Hirne hat,
So weiß ich für ihn viel guten Rath
Denn eine Salbe hab' ich stehn,
Die von Morganen, der weisen Feen |
|
3425 |
Bereitet ward mit eigner Hand.
Um die nun ist es so bewandt,
Daß wo an Hirnsucht einer litt,
Wurd' er bestrichen damit,
So ward er gleich zur Stund' |
|
3430 |
Hergestellt und gesund.
So hielten sie Rath zur Stelle,
Und ritten sofort und schnelle,
Nach der Salbe alle Drei:
Denn ihr Haus lag nahe dabei, |
|
3435 |
Kaum weiter als einer Meilen;
Dann ward ohne Verweilen
Die Jungfrau wieder zurück gesandt,
Die ihn schlafend allda noch fand.
Die Frau befahl ihr bei ihrem Leben |
|
3440 |
Als sie ihr mitgegeben
Die Büchse mit der Salben,
Daß sie ihn allenthalben
Nicht solle bestreichen damit;
Nur wo er die Entzündung litt, |
|
3445 |
Da hieß sie den Balsam streichen,
So werde die Sucht entweichen,
Und der Ritter des Wahnsinns quitt und frei.
Nicht mehr als eben genügend sei
Solle sie verwenden allhie: |
|
3450 |
Und ausdrücklich verlangte sie,
Daß sie den Rest ihr trage zurück,
Der sei vielleicht noch Vielen zum Glück.
Auch sandte sie mit ihr hindann
Frische Kleider, Sayett in Gran, |
|
3455 |
Und feine Leingewande zwei,
Schuh und Hosen von wollnem Sey.
Nun ritt sie also balde,
Daß sie ihn in dem Walde
Annoch schlafend da fand, |
|
3460 |
Und zog ein Pferd an der Hand,
Das viel sanft und eben trug:
(Auch war der Zaum ihm reich genug
Sattel und Zeug von reinem Golde),
Daß er hinreiten sollte, |
|
3465 |
Wenn Gott ihr das gewährte
Und ihr Gebet erhörte.
Als sie ihn liegen sah wie zuvor,
Keinen Augenblick sie da verlohr;
Sie heftet' an einem der Aeste |
|
3470 |
Der Rosse Zügel feste,
Und schlich zu ihm heran so sacht,
Daß er mit nichten erwacht.
– – – –
– – – – |
|
3475 |
Mit der viel edlen Salben
Bestrich sie ihn allenthalben
Ueber das Haupt und die Füße.
Ihr Wille war ihm viel hold und süße,
Daß sie also lange rieb |
|
3480 |
Bis Nichts mehr in der Büchsen blieb.
Da hatt' es keine Noth
Daß man ihr's so strenge verbot;
Denn wie sie's für ihn im Willen trug,
Däucht' ihr alles noch nicht genug, |
|
3485 |
Und wär' es sechsmal mehr gewesen;
So gerne sah sie ihn genesen.
Als sie die Salbe verstrichen,
Viel schnelle war sie drauf entwichen,
Weil sie das wohl erkannte, |
|
3490 |
Wie sehr Erröthen und Schande
Einem edlen Manne wehe thut.
Drum barg sie sich in höfischem Muth,
Daß sie ihn sah und er sie nicht.
Sie gedachte, wenn das geschicht, |
|
3495 |
Daß er erwacht und kommt zu Sinnen,
Und wird hiernach deß innen,
Daß ich ihn also nackt gesehn,
So ist viel übel mir geschehn,
Denn das beschämt ihn so sehr |
|
3500 |
Daß er mich nimmermehr
Mit Willen hernach ansicht. –
Also zeigte sie sich nicht
Bis ihn die Salbe ganz durchdrungen,
Und seinen irren Sinn bezwungen. |
|
3505 |
Aufrichtet' er sich alsbald,
Und als er schaut seine eigne Gestalt,
Und sich so schwarz und schrecklich sah,
Zu sich selber sprach er da:
»Bist Du's Iwein? oder Wer? |
|
3510 |
Hab' ich geschlafen bisher?
Weh, o weh' mir, und ach!
Wär' ich lieber noch nicht wach!
Denn im Traum ward mir gegeben
Ein viel reiches Heldenleben. |
|
3515 |
Hei, was ich hoher Ehren pflag,
Während ich schlafend lag!
Mir träumte gewalt'ge Rittertugend,
Ich hatte edle Geburt und Jugend,
Ich war schön von Gestalt und reich, |
|
3520 |
Und diesem Leibe viel ungleich;
Ich war höfisch und weise,
Und hatte viel manche harte Preise
Durch meinen Ritterdienst erjagt,
Wenn mir der Traum nicht Lügen sagt. |
|
3525 |
Ich erkämpfte, was ich begehrte,
Mit Speer mir und mit Schwerte;
Ich allein gewann mit meiner Hand
Eine schöne Fraue, ein reiches Land;
Und leider, wenn mir recht geträumt |
|
3530 |
Hab' ich gar bald sie dann versäumt,
Als der König Artus war gekommen,
Und hatte mich von ihr genommen.
Herr Gawein war mein Gefährt' und Freund,
Wie mir's in meinem Traume scheint: |
|
3535 |
Sie gab mir Urlaub auf ein Jahr, –
Ich weiß wohl, das alles ist nicht wahr! –
Da blieb ich länger ohne Noth,
Bis sie mir ihren Zorn entbot,
Und träumte da gar schwer und wilde: |
|
3540 |
Aus all' dem wirren Wahngebilde
Bin ich jetzt eben erwacht.
Mich hatte mein Schlaf gemacht
Zu einem reichen Herrn;
Alle Noth ja lag mir fern; |
|
3545 |
Wär' ich in solchen Ehren begraben! –
Es wollte mich nur zum Narren haben;
Wer da glaubt an Träume,
Dem werden sie eitel Schäume.
Traum, wie so wunderlich du bist! |
|
3550 |
Reichthum schaffst du in kurzer Frist
Einem der also ärmlich lebt,
Der nie nach hohen Ehren gestrebt.
Wenn er dann erwacht,
So hast Du ihn gemacht |
|
3555 |
Zu einem Thoren wie mich.
Und dennoch mein' ich festiglich,
Wie rauh ich sei und bauernhaft, –
Faßt' ich nur eines Speeres Schaft,
Und wäre gewappnet und beritten, |
|
3560 |
Ich könne nach ritterlichen Sitten
Eben so wohl gebahren
Als Alle die jemahls Ritter waren.«
So fremd geworden war er sich,
Daß sein Gedächtniß ihm ganz entwich; |
|
3565 |
Und was er als Ritter errungen,
All' seine Züg' und Wanderungen,
Dies Alles sagt' er sich nunmehr,
Sei von ihm nur geträumt vorher.
Er sprach: »Mich hat gelehret |
|
3570 |
Mein Traum, ich wäre geehret,
Könnt' ich zu Waffen kommen.
Er hat mir meinen Stand genommen;
Denn ob ich ein armer Bauer bin,
Kämpft und turnirt mein ganzer Sinn. |
|
3575 |
Mein Herz ist meinem Leib ungleich,
Mein Leib ist arm, mein Herze reich.
War denn ein Traum mein ganzes Leben?
Oder wer hat mir gegeben
Solche Häßlichkeit und Ungestalt? |
|
3580 |
Ich ahnde die volle Kraft und Gewalt
Ritterlichen Muthes;
Zwar an Schönheit und Fülle des Gutes
Fehlt es durchaus mir leider!«
Als er die frischen Kleider |
|
3585 |
Zur einen Seite ihm liegen sach,
Wundert' ihn das und er sprach:
»Dies sind Kleider wie ich genug
Sie oft in meinem Traume trug;
Ich sehe hier Keinen, weß mögen sie sein? |
|
3590 |
Ich bedarf ihrer sehr; gut, die sind mein.
Ob ich sie wohl auch tragen kann?
Denn vormahls stand mir herrlich an
In meinem Traume reich Gewand.«
Also kleidet er sich zuhand, |
|
3595 |
Und als er bedeckt die schwarzen Glieder,
Da glich er einem Ritter wieder.
Nun ersah die Jungfrau das,
Wie er ehrbar und ohne Tadel saß.
Sie steigt zu Pferd mit klugem Sinn |
|
3600 |
Und reitet ihres Weges hin,
Als sei sie eben vorausgesandt,
Und führt einen Zelter an der Hand.
Weder sprach sie, noch sah sie auf ihn.
Als er gradaus sie sah ziehn, |
|
3605 |
Da wär' er aufgesprungen,
Dafern ihn nicht bezwungen
Jene selbige Schwachheit,
Also daß er so schnell bereit
Nicht vom Boden sich rafft, |
|
3610 |
Als fühlt' er noch die alte Kraft,
Und rief ihr nach eine gute Weil.
Sie aber that, als habe sie Eil',
Und acht' auf den Wandrer nicht,
Bis daß er nochmals zu ihr spricht; |
|
3615 |
Da machte sie Halt,
Und gab ihm Antwort alsobald.
Sie sprach: »Wer ruft mir? wer?«
Er sprach: »Frau, kehrt zurück hieher.«
Sie sprach: »Herre, ich will.« |
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3620 |
So wendet sie, und hält still,
Und spricht: »Gebietet über mich,
Was Ihr wünschet, das thue ich;«
Und fraget ihn die Märe,
Wie er dahin kommen wäre? |
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3625 |
Da sprach Herr Iwein,
(Wie er deß wohl trug den Schein:)
Ich fand erkrankt und matt
Hier im Wald' eine Ruhestatt.
Noch kann ich Euch nicht berichten, |
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3630 |
Durch was für Wundergeschichten
Ich ward hieher getragen;
Doch mag ich das wohl sagen,
Daß ich ungern hier bin:
Fraue, führt mich mit Euch hin, |
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3635 |
So behandelt Ihr mich gar liebevoll,
Und dien' ich dafür Euch, wie ich soll.«
»Ritter, das sei Euch zugesagt;
Und meine Fahrt für Euch vertagt.
Mich hatte meine Frau gesandt, |
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3640 |
Die ist auch Herrin über dies Land;
Zu der führ' ich Euch mit mir.
Ich verhelf' Euch wohl daß Ihr
Ausruht nach Euerm Ungemach.«
So stieg er zu Pferd und ritt ihr nach. |
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3645 |
Nun führte sie ihn hindann
Zu ihrer Frau, der nie ein Mann
Also willkommen war.
Man schuf ihm gute Pfleg' alldar
An Kleidern, Speisen und Baden, |
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3650 |
Bis daß all' sein Schaden
Kaum noch an ihm erschien.
Hier hatt' Herr Iwein alle Müh'n
Und Drangsal überwunden,
Und gute Wirthin funden. |
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3655 |
Die Fraue nun deß nicht vergaß
Und wollte sogleich erkunden das,
Wo ihr Balsam wäre.
Mit einer Lügenmäre
Half sich da die kluge Magd. |
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3660 |
Sie sprach: »Fraue, Euch sei's geklagt,
Wie mit der Büchse mir geschehn.
Der Ritter hatt' es wohl gesehn,
Wie mir's mit Müh' und Noth gelang
Daß ich im Flusse nicht ertrank. |
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3665 |
Ich kam in arge Gefahr.
Als ich über dem Wasser war
Auf der hohen Brücken nahe bei,
Daß ewig das Roß verwünschet sei!
Es strauchelte heftig, ich hielt mich kaum, |
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3670 |
Also daß ich verlohr den Zaum,
Und nur mit Müh' im Sattel saß
Und Eurer Büchse vergaß,
So daß sie ins Wasser fiel zuthal.
Wisset, daß mich nimmer ein Fall |
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3675 |
So sehr erschreckt und mir raubte den Muth.
Was hilft auch alle Hut?
Was man nicht behalten soll,
Wird man sicher verliehren wohl.«
Wie geschickt und gefüge |
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3680 |
Sie auch ersann die Lüge,
Doch zürnt' ihr die Frau ein gutes Theil.
Sie sprach zu ihr: »Heil und Unheil
Sind uns heut' geschehn,
Das muß ich leider eingestehn: |
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3685 |
Den Schaden müssen wir klagen,
Für's Gute Dank dem Himmel sagen.
Ich habe binnen kurzer Frist
Meine edle Salbe eingebüßt
Und einen Ritter funden: |
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3690 |
Eines sei durch's andre überwunden.
Habe doch Niemand betrübten Muth
Um ein verlohrnes Gut,
Das sich nicht wieder läßt erlangen.«
Hiermit war ihr der Zorn vergangen. |
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3695 |
So fand Herr Iwein Pfleg' und Rast,
Bis ihm die wilde Farbe erblaßt,
Und ward, wie vor, ein schöner Mann.
Viel balde man ihm da gewann
Den besten Harnisch den man fand, |
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3700 |
Und das schönste Roß im ganzen Land.
Er hatte Waffen und Wehr,
Und war gerüstet wie vorher. |