|
|
So weilt' er da nicht länger mehr,
(Sein Löwe folgt' ihm wie vorher),
Und ritt bis er ein Haus ersah; |
|
4360 |
Gute Ritterpflege fand er da.
Die Burg lag sicher und feste,
Und bewehrt aufs allerbeste
Vor Stürmen und Wurfgeschossen.
Den Berg hielt steil umschlossen |
|
4365 |
Eine mächtige Ringmauer.
Doch leid'ger Anblick und Trauer
Dem Burgherrn täglich vor Augen stand.
Ihm waren die Außengebäude verbrannt
Bis an die Mauer schier. |
|
4370 |
Nun suchte Herr Iwein hier Quartier,
Wie es der Weg ihn lehrte.
Als er zur Burg sich kehrte,
Ließ man die Brücke herab zuhand,
Und es traten in schönem Gewand |
|
4375 |
Sechs Knappen zu ihm heran,
Wie kein Fürst sich bess're je gewann,
An Haltung, zücht'gem Wesen
Und Schönheit auserlesen.
Von denen ward er wohl empfangen. |
|
4380 |
Viel bald kam auch gegangen
Der Burgherr, ein weltkundger Mann;
Der grüßt' ihn und führt' ihn dann
Ins Haus an seiner Hand,
Allwo er Ritter und Frauen fand |
|
4385 |
Eine stattliche, feine Schaar.
Da nahm er fleißig wahr
Ihrer Gebährden und ihres Muthes,
Und fand nur Liebes und Gutes.
Wer selbst je Kummer erlitt, |
|
4390 |
Fühlt fremdes Leid viel tiefer mit
Als ein glücklicher Mann,
Der noch nie einen Schmerz gewann.
Der Wirth hatte selber viel gestritten,
War auf Tod und Leben oft geritten; |
|
4395 |
Er saß und sprach zu seinem Gast
Zu dem er sich bald ein Herz gefaßt,
Bis daß er ihn entwaffnet sah.
Guten Willen sparte keiner da,
Weder die Fraue noch der Mann. |
|
4400 |
Alles wandten sie daran
Ihm gute Pflege zu gewähren,
Und über Vermögen ihn zu ehren.
Ihm zu Liebe stellten sie bald
Trotz ihres Kummers Gewalt |
|
4405 |
Wider ihren Willen sich froh,
Denn ihre Seele meint' es nicht so.
Sie hatten, von stetem Gram vernichtet
Auf alle Freude längst verzichtet;
Das wußten in der Veste |
|
4410 |
Weder er noch die andern Gäste.
Deshalb mocht ihnen schlecht gelingen
Lachen und Scherzen zu erzwingen.
Geheuchelte Freude ist ein Nichts;
Es wird ein Blendwerk des Gesichts, |
|
4415 |
Wenn zu lachendem Munde
Blutet des Herzens Wunde,
In schmerzlicher Angst und Sorgen.
Auch bleibt das Keinem verborgen:
Erzwungne Freude täuscht Niemand, |
|
4420 |
Der auch nur von fern erkannt
Was ächte Herzensfreude ist.
Drum half nicht lange die List.
Die innren Qualen und Sorgen
Die auf des nächsten Tages Morgen |
|
4425 |
Drohten der Frau und dem Mann,
Die kämpften wider die Freude an.
Das Trauern siegt' in dem Streit,
Und wandt' in kürz'rer Zeit
Als jemand könnte sagen, |
|
4430 |
In ein Weinen und ein Klagen
Alle Lust, die vorher ward laut.
Als das Herr Iwein erschaut,
Fragt er den Wirth um die Märe
Was ihm geschehen wäre. |
|
4435 |
Er sprach: »Vertraut mir, Herre werth,
Um Gott was Euch beschwert,
Und was dieser Wechsel deute,
Daß Ihr und Eure Leute
So kurz zuvor noch waret froh; |
|
4440 |
Wie hat sich das verkehrt also?« –
Da sprach der Burgherr zu dem Degen:
»Was Arges uns steht entgegen,
Die Mär möcht' ich Euch gern ersparen.
Doch wollt Ihr's durchaus erfahren, |
|
4445 |
Und ich sag' Euch was mir dräut,
So gehts Euch nah, das wäre mir leid.
Laßt mich's lieber verschweigen!
Ihr gehört dem Glücke zu eigen,
Ich bin des Unglücks Kind: |
|
4450 |
Mit denen die traurig sind
Muß ich leider verzagen,
Und was mir bestimmt ist, tragen.«
Da bat der Gast und ließ nicht ab,
Bis ihm der Wirth die Kunde gab |
|
4455 |
Von seinen Leiden allen.
Er sprach: »Mir ist entfallen
Hoffnung und Lebenslust viel sehre.
Alt werd' ich ohne Ehre,
Und besser wäre mir der Tod. |
|
4460 |
Ich leide Schmach und Noth
Von einem so gewalt'gen Mann,
Daß ich an Rache nicht denken kann.
Mir hat ein Riese schnöde
Mein Feld verwandelt in eine Oede, |
|
4465 |
Und hat mir in Asche gelegt
Alles was ich gepflegt,
Bis auf diese Burg allein:
Und nun sag' ich Euch doch wie klein
Meine Schulden an ihm sind. |
|
4470 |
Ich hab' eine Tochter, ein junges Kind,
Eine gar holdsel'ge Magd;
Weil ich ihm die versagt,
Verwüstet er mich in seiner Wuth.
Aber wahrlich mein ganzes Gut |
|
4475 |
Verliehr' ich und dazu den Leib,
Ehe sie jemals werde sein Weib.
Dazu hatt' ich sechs Söhne,
Ritter, junge und schöne,
Die hat er alle gefangen, |
|
4480 |
Und hat ihrer zween erhangen,
Daß ich's mußt' ansehn.
Wem möchte leider geschehn?
Nun hält er ihrer noch viere,
Die ich wie jene verliehre: |
|
4485 |
Denn dieselben führt er mir
Morgen vor diese Burg allhier;
Die will er auch umbringen,
Und mich damit zwingen,
Daß ich die Schwester ihm gebe. |
|
4490 |
Gott wolle, daß ichs nicht erlebe,
Und sende mir heut Nacht den Tod.
Er schwört: (Das ist mir die größte Noth)
Wenn er mich erst zu Fall gebracht,
Will er in seiner Uebermacht |
|
4495 |
Sie nicht nehmen zum Weibe mehr,
Und dem schlecht'sten Garzun in seinem Heer,
Dem woll' er dann sie geben.
Könnt' ich nur, wie dem Leben,
Der Schande mich entziehn! |
|
4500 |
Der Riese heißt Harpin.
Hab' ich so schmählichen Spott
Jemals verdient, um Gott,
So lad' er mich vor sein Gericht
Und verhänge die Rache nicht |
|
4505 |
Ueber meine armen Kind,
Die schuldlos und biderbe sind.«
Da nun der Gast solch Leid allda
Beides hörte und sah,
Nahm er sehr sich das zu Herzen. |
|
4510 |
Er sprach: »Wie suchtet Ihr Euren Schmerzen
Hülfe nicht gleich und Rath,
Wo keiner noch vergebens bat,
In des Königs Artus Lande?
Ihr habt den Schaden und die Schande |
|
4515 |
Ohne Noth so lange gelitten!
Wärt Ihr doch längst schon hingeritten,
Dort mochtet Ihr, Euern Feind verderben
Einen der jungen Gesellen werben,
Der hätt' Euch bald von ihm befreit.« |
|
4520 |
Er sprach: »Der mir zu helfen bereit
Und willig vor Allen wäre,
Und käme, wüßt' er die Märe,
Und hätt' ich ihn dort gefunden, –
Der ist bis auf diese Stunden |
|
4525 |
Nicht zugegen im Lande.
Der König trägt auch dort Schande,
Der er viel gerne ledig wäre;
Und wollt Ihr die seltsame Märe
Vernehmen, so will ich sie Euch sagen. |
|
4530 |
Es kam in diesen selben Tagen
Ein Ritter zum Hof alldar,
Und nahm deß viel klüglich wahr,
Daß er zur selben Stunde
Die von der Tafelrunde |
|
4535 |
Um den König sitzen sah
Er stieg vom Pferd und sprach allda:
»Um eine Gnade bin ich gekommen.
Großer König, ich habe vernommen
Von Eurer Mild' und frommen Sitte, |
|
4540 |
Drum trau' ich, Ihr werdet meine Bitte
Um eine Wohlthat ehren,
Und mir die Gabe sofort gewähren.«
Da sprach der König Artus: »Was Ihr
In diesem Haufe heischt von mir, |
|
4545 |
Das sei Euch Alles gewährt,
Wenn Ihr Geziemendes begehrt.«
Er sprach: »Das sei gewagt! –
Wie man mir stets gesagt
Ziemt es nur dem Geringen |
|
4550 |
Vorzubehalten und zu dingen.
Darum sagt mir in Ruh
Was ich Euch bitten möge zu,
Und laßt mich für mein Gesuch einstehn,
Sonst muß ich nach andrer Hülfe gehn.« |
|
4555 |
Dazu verstand sich der König nicht.
Der Ritter aber in Zorn aufbricht,
Und ging mit Schelten hindann:
Er sprach: »Es ist schon mancher Mann
In diesem König betrogen! |
|
4560 |
Die Welt hat viel von ihm gelogen.
Man nennt ihn edel und unverzagt,
Und rühmt, er habe noch nie versagt
Was ein Ritter von ihm begehrt.
Der sei nicht länger geehrt |
|
4565 |
Dem solch' ein Fürst gefalle!« –
Dies Zanken hörten alle
Die von der Tafelrunde.
Sie sprachen mit einem Munde:
»Herr, das ist nicht wohl geschehn, |
|
4570 |
Daß Ihr den Ritter ließet gehn.
Ihr versagt ja Eure Hülfe nie;
Vertraut auf seine Courtoisie;
Er sieht wohl aus wie ein Mann
Der Geziemendes bitten kann. |
|
4575 |
Scheidet er so von hinnen,
Ohne Beistand zu gewinnen,
Wird er Euer in Zorn gedenken
Und Eure Ehre kränken.«
Der König sich bedachte, |
|
4580 |
Und schuf, daß man ihn brachte,
Und gelobt ihm fest und stäte
Zu erfüllen was er ihn bäte.
Auch war deß volle Sicherheit,
Denn sein Wort galt wie ein Eid. |
|
4585 |
Da fordert der freche Mann,
Er wolle führen hindann
Sein Weib die Königin.
Das hätt' ihm Verstand und Sinn
Viel schiere da verstört. |
|
4590 |
Er sprach: »Wie ward ich bethört!
Die jenen Vorschlag thaten,
Die haben schmählich mich verrathen!« –
Als der Ritter ihn zürnen sach,
Da tröstet' er ihn und sprach: |
|
4595 |
»Herr, laßt ab mit Bangen.
Ich mochte ja die Frau verlangen
Einzig mit dem Bedinge,
Ob ich hindann sie bringe.
Ihr habt der besten ein Heer; |
|
4600 |
Nun versuch' es jeder mit Schild und Speer,
Und folge mir ohne Weilen.
Ich werde mich drum nicht eilen,
Mehr als mein Brauch ist alle Tage;
Und wisse das, wer mir nachjage, |
|
4605 |
Ich sei gefaßt auf Streiten,
Und wolle mit ihr nicht reiten
Schneller als sonst nur um ein Haar.«
Nun mußte der König lassen wahr
Was er gelobte vorhin: |
|
4610 |
Da entführte der Ritter die Königin.
Und als sie schied hindann,
Da sah sie kläglich an
Alle die da waren,
Und hub an zu gebaren |
|
4615 |
Als ein Weib dem seine Ehre
Viel sehr gefährdet wäre;
Und mahnte alle die Ritter dort,
Wie sie vermochte mit Blick und Wort,
Sie zu erlösen zu rechter Zeit. |
|
4620 |
Der König war nimmer zuvor von Leid
Und Sorge so schwer befangen;
Doch blieb noch ohne Bangen
Wer sie hinführen sah.
Viel Eilen und Treiben da geschah, |
|
4625 |
Es rief dieser und der:
»Roß und Harnisch her!«
Und wer die Wehr sich angethan,
Jagt' alsbald hinaus auf den Plan.
Sie sprachen: »Wir hoffen noch viel |
|
4630 |
»Seit er also getheilt das Spiel;
»Wir führen sie heim in kurzer Frist,
»Es wäre denn daß Christ
»Mit ihm, und uns entgegen sei.«
Da sprach der Truchseß, Herr Key: |
|
4635 |
»Der Teufel selber nicht noch Christ
Schirmt ihn, dem so schändliche List
An der Königin mochte gelingen;
Wir müssen um alle Ehr' ihn bringen.
Ich bin Truchseß allhier, |
|
4640 |
Und es hat an mir
König Artus das verschuldet wohl,
Das ich vor Allen erlösen soll
Meine Fraue, sein Weib.
Fürwahr es geht ihm an den Leib: |
|
4645 |
Er führt sie ohne meinen Dank
Nimmer eines Ackers lang.
Weiß Gott, wüßt' er mich hie,
Wir hätten am Hofe nie
So freche Rede vernommen; |
|
4650 |
Der Frevel soll ihm schlecht bekommen.
Ihr solltet das verschmähen,
Daß Jeder ihn will bestehen.
Was nützt der große Lärm und Schall,
Daß uns'rer Ritter ganzer Schwall |
|
4655 |
Um einen Mann will reiten?
Ich getraue mir's wohl mit ihm zu streiten,
Ich Einer bin ihm ein Heer.
Er setzt sich nimmer zur Wehr
Wenn er sieht, daß ich es bin; |
|
4660 |
Und was brächt' es ihm auch Gewinn?
Ihr mögt nur alle hier bleiben,
Seit ich die Sache will betreiben;
Ich übernehme die Müh' für Euch.«
Hiermit saß er auf zugleich, |
|
4665 |
Und war der erste beim Gefecht;
Doch gerieth ihm der erste Strauß gar schlecht,
Denn Schaden bracht' ihm und Unehren,
Als er dem Gast befahl zu kehren.
Dies geschah in einem Walde. |
|
4670 |
Auch kehrte der Ritter alsobalde;
Aus dem Sattel empor mit großer Kraft
Hob ihn der Lanze starker Schaft,
Daß ihm ein Ast den Helm auffing.
An der Gurgel war er gefaßt und hing, |
|
4675 |
Und wenn ihm sein Gefährte
Der üble Teufel nicht wehrte,
So war er auf der Stelle todt;
Doch litt er viel und harte Noth.
Er ward leider zuletzt befreit, |
|
4680 |
Doch hing er eine gute Zeit,
Und ward in der argen Fallen
Verspottet und verhöhnt von Allen.
Der nächste war Kalogreant,
Der ihn da hangend fand |
|
4685 |
Nicht anders als einen Schelm und Dieb;
Der erlöst ihn nicht, es war ihm lieb.
Er sprengte auch dem Ritter nach;
Und gar wenig daran gebrach,
Daß ihm geschah nach gleichem Brauch, |
|
4690 |
Denn aus dem Sattel stach er ihn auch.
Die seitdem ihn sahen hängen,
Denen wehrte das rasche Sprengen,
Ihr Haß und des Mannes Tück' und Neid,
Daß jeder an ihm vorüber reit't. |
|
4695 |
Nach jagt' ihm auf dem Gefilde
Dodines der wilde,
Und zerbrach auf ihm den Speer:
Alsbalde ward auch er
So fest er sonst im Sattel saß, |
|
4700 |
Niedergestreckt ins Gras.
Hernach kam Segremors heran,
Der maß wie jene den Plan:
Henete folgte den beiden,
Und mußte das gleiche leiden. |
|
4705 |
Pliopleherin und Millemargot,
Die wurden beid' einander zum Spott;
Auch säumt' er nicht zu fällen
Iders, ihren Freund und Gesellen.
Daß ich sie all' Euch nenne |
|
4710 |
Die ich von ihnen kenne,
Das brächt' Euch zuviel Namen:
Denn alle die noch kamen,
Die warf er nach einander,
Und Keinen von Allen fand er, |
|
4715 |
Den er nicht bügellos gemacht.
Ihr hätte Trost und Rettung gebracht
Mein Herr Gawein, der beste Mann
Der Ritters Nahmen je gewann;
Der aber war leider nicht dort. |
|
4720 |
Nun ist er zwar sofort
Zurückgekehrt am andern Tage,
Und auf des Königs Klage
Spornstreichs ihm nachgejagt,
Und will dem König unverzagt |
|
4725 |
Wieder gewinnen sein Weib,
Oder verliehren den Leib.
Den sucht' ich in denselben Tagen,
Und muß es Gott nun klagen,
Daß ich ihn da nicht fand. |
|
4730 |
Nun ist es so um ihn bewandt:
Sein Beistand stände mir fest,
Wenn Alles mich sonst verläßt;
Mein Weib ist eine seiner Schwestern.
Ich aber kam erst gestern, |
|
4735 |
Und seit ich kehrte ohne ihn,
Ist auch mein letzter Trost dahin.
Muß ich da nicht wohl sorgen?
Denn nun verliehr' ich morgen
Alle meine Ehre.« – |
|
4740 |
Mit Kummer vernahm die Märe
Der Ritter der des Löwen pflag.
Er sprach: »Ich soll um mitten Tag
Morgen mein Schwert erproben,
Das mußt' ich einer Frau geloben, |
|
4745 |
Die mich befreit aus großer Noth;
Der bringt es sichern Tod
Komm' ich nicht hin zu rechter Zeit.
Wenn Ihr gewiß nun seid,
Er komm' in aller Fruh', |
|
4750 |
Daß ich sein Recht ihm thu',
Wenn Gott mir hilft zum Siege,
Und ich dem Unhold nicht erliege,
Daß ich vor mitten Tag
Dahin noch kommen mag, |
|
4755 |
Wo ich erscheinen soll,
So unterwind' ich deß mich wohl
Für Euch und Euer edles Weib:
Denn mir sind Leben und Leib
Nicht lieber als ihr Bruder ist.« |
|
4760 |
Nun kam gegangen in selber Frist
Des Wirths Gemahl und Tochter:
Und nie erschauen mocht' er,
(War sie von Thränen nicht entstellt),
Ein schönres Mägdlein auf der Welt. |
|
4765 |
Die beiden empfingen ihn gar wohl,
Wie man lieben Gast begrüßen soll.
Da sprach der Wirth: »Mich dünkt es gut
Daß Ihr viel freundlichen Muth
Unserm Gaste tragt. |
|
4770 |
Er hat so stark und unverzagt
Sich unser angenommen,
Daß wir durch ihn vielleicht entkommen,
Nächst Gott unserm Herrn und Meister.
Für uns zu fechten verheißt er, |
|
4775 |
– – – –
– – – –
Und will im Kampfe erliegen,
Oder den Riesen besiegen,
Von dem ich so viel tragen muß. |
|
4780 |
Nun fallt ihm dankend zu Fuß,
Dies ist mein Will' und mein Gebot.«
Herr Iwein sprach: »Verhüte Gott,
Daß die Unsitte mir geschähe,
Und ich zu meinen Füßen sähe |
|
4785 |
Die meines Herrn Gawein Schwester ist:
Ja solches wäre, das wisse Christ,
Dem König Artus zu viel!
Ich werde gewiß und will
Ihr dienen immer mehre, |
|
4790 |
Damit sie solcher Ehre
Mich armen Mann erlasse!
Mir genügt an rechter Maaße.
Nun sag' ich Euch, wie ichs hab' im Sinn.
Wie ichs Euch schon gelobt vorhin, – |
|
4795 |
Kommt er bei guter Zeit,
Daß wenn sich endet der Streit
Ich noch um mitten Tag
Ihr zu Hülfe kommen mag,
Der ich früher mein Wort gegeben, – |
|
4800 |
So wag' ich gern mein Leben
Für Euch, für meiner Frauen Huld,
Euer gutes Recht und des Riesen Schuld.«
Viel Trost gab ihnen dies Wort:
Auch sannen sie für ihn sofort |
|
4805 |
Auf Kurzweil und Vergnügen,
Und mocht' ihnen nichts genügen
Was irgend an Dank und Ehren
Der Wirth ihm konnte gewähren;
All' ihre Lieb' und Huld |
|
4810 |
Nannten sie Pflicht und Schuld:
Sie priesen und lobten seinen Muth,
Biderbe dünkt' er sie und gut,
Und in aller Weis' ein höfischer Mann.
Das prüften sie daran, |
|
4815 |
Daß der Löwe bei ihm lag,
Und nicht andrer Sitten pflag
Als ein geduld'ges zahmes Schaf.
Gute Speis' und sanfter Schlaf
Stärkten ihn da zu Nacht. |
|
4820 |
Mit Tagsanbruch der Ritter erwacht,
Und als die Messe gethan,
Legt er die Rüstung an,
Weil er bekämpfen wollte
Den der da kommen sollte. |
|
4825 |
Als er nun Niemand kommen sah,
Das war ihm leid und ging ihm nah.
Er sprach: »Herr, jetzt wär' ich bereit,
Mein Lehen für Euch zu wagen im Streit:
Wo ist, der da kommen soll? |
|
4830 |
Mein Harren frommt mir nicht wohl;
Ich versäume mich viel sehre.
Ich wag' all' meine Ehre
Wenn ich noch länger weile;
Mich rettet nur die höchste Eile.« |
|
4835 |
Solch Drohen schmerzte sie sehr,
Und wurden traurig wie vorher.
Sie begannen ängstlich zu sinnen,
Wie sie ihn möchten gewinnen;
Wie sie zunächst ihn ehrten, |
|
4840 |
Und ihm den Muth bekehrten.
Der Wirth bot endlich ihm all' sein Gut.
Da sprach er: »So steht nicht mein Muth,
Daß ich je Lohn und Gold
Für mein Lehen nähm' als Sold;« |
|
4845 |
Und weigert' ganz und gar ihm das.
Da wurden leichenblaß
Der Wirth und das Gesinde,
Die Fraue und ihre Kinde.
Es ward viel oft von den Zwein |
|
4850 |
Sein bester Freund ihm, Herr Gawein,
Mit Thränen genannt und Flehn,
Und er gemahnt an Den;
Sie beschworen ihn als ihren Hort,
Und baten zu Gott, ihm hier und dort |
|
4855 |
Der so barmherzig wäre,
Heil zu schenken und Ehre:
Ließ er sie nicht verderben,
Das müß' ihm Gottes Lohn erwerben.
Das beweget ihm den Muth, |
|
4860 |
Denn biderbe war er und gut.
Man sagt, ihn habe bezwungen,
Und sei ihm ans Herz gedrungen,
Als er ihr Elend recht erkannt,
Und sie ihm so oft genannt |
|
4865 |
Gott und den Herrn Gawein.
Denn welchem von diesen Zwein
Er mindergroße Lieb' auch trug,
Dem dient' er immer noch gern genug.
Doch war's ihm zweifelhaft. |
|
4870 |
Er sprach: »Jetzt braucht es Meisterschaft,
Soll ich was rathsam mir ersehn.
Ich muß zu spielen gehn
Ein allzurasch getheiltes Spiel: –
Es gilt hier wenig nicht noch viel, |
|
4875 |
Nein, alle meine Ehre.
Hier braucht es guter Lehre!
Was ich auch wähle von beiden,
Einer wird immer leiden.
Könnt' ich für beide mich schlagen, |
|
4880 |
Oder beiden entsagen,
Oder Einen bestehn von den Zwein,
So wäre meine Sorge klein;
Jetzt bin ich rathlos ganz und gar,
Denn wie's nun steht, ist mir das klar, |
|
4885 |
Daß Schande mich begleite,
Ich bleibe nun, oder reite.
Ich kann nicht beides vereinen,
Und verlassen darf ich Keinen.
Nun gebe Gott mir guten Rath |
|
4890 |
Der mich bisher geleitet hat,
Daß er hier wie dort mich führe,
Und ich das Rechte erküre.
Ich kann unmöglich die aufgeben,
Der ich zuerst mein Wort gegeben, |
|
4895 |
Und die was ich an ihr verschuldet
In Angst und Leiden duldet.
Setz' ich die hintan,
Wie ziemte das einem guten Mann?
Dennoch hätt' ich verschmerzt die eine Magd, |
|
4900 |
Und von ihr mich losgesagt,
Um den Schaden der hier geschicht,
Ging es mir an die Treue nicht.
Nicht minder wär's der Burgherr werth,
Der gleichfalls meiner Hiilfe begehrt, |
|
4905 |
Und Herrn Gaweins Schwester Kind,
Die mir so nah am Herzen sind,
Um ihrer selbst und des Freundes willen,
Dem ich das mind'stens sollt' erfüllen,
Von graden Weg nicht abzugehn, |
|
4910 |
Wenn ich ihm kann zu Diensten stehn.
Bleib' ich aber nicht allhier,
Wer weiß, so wähnen sie gar von mir,
Ich geize mit meinen Tagen.«
Da endigte Zweifel ihm und Klagen; |
|
4915 |
Denn mit den Söhnen erschien
Der große Recke Harpin,
Und führte sie gefangen.
An denen hatt' er begangen
Unsitt' und freche Schande. |
|
4920 |
Allem Kleid' und Gewande
Mußten sie sich entfremden,
Bis auf die gröbsten Hemden
Die je ein Küchenjunge trug:
Es trieb sie ein Zwerg der sie schlug |
|
4925 |
Mit seiner Geißelruthen,
Daß überall sie bluten.
Die Jungherrn ritten mit nacktem Fuß;
Ihr Hemd' ein Sacktuch, schwarz von Ruß,
Von grobem Lein und ganz zerfetzt. |
|
4930 |
Sie hatten sich aufgesetzt
Mit bloßen Beinen und Armen.
Herr Iwein sah mit Erbarmen
Die Schmach die sie erlitten.
Die Pferd', auf denen sie ritten, |
|
4935 |
Waren todtmager, schwach und faul,
Es hinkt' und strauchelte jeder Gaul.
Ihre Füße, von Seilen geschunden,
Waren unten zusammen gebunden,
Und mit bast'nen Stricken |
|
4940 |
Die Hände geknebelt auf dem Rücken;
Die Mären mußten gehn
Ihre Schweife je zween und zween
Fest zusammen geflochten,
Daß sie nirgend mochten |
|
4945 |
Entweichen auf die Seiten.
Als sie so elend reiten
Ihr edler Vater mußte schaun,
Daß ihm da nicht vor Jammer und Graun
Das Herz zerbrach, das wundert mich sehr, |
|
4950 |
Denn es war wohl kläglich und schwer.
So führt sie der Riese bis ans Thor;
Da hörten sie ihn rufen empor
Er hänge sie alle vier,
Wenn man sie nicht allhier |
|
4955 |
Mit der Schwester löse sofort.
Da sprach ihr Trost und Hort,
Der Ritter der des Löwen pflag:
»Nun wahrlich Herr, wenn ichs vermag,
So lös' ich unsre Gesellen: |
|
4960 |
Gott wird den Unhold fällen;
Er ist ein schlecht gezogner Mann!
Mich ermuthigt sehr daran
Euer gutes Recht, sein Uebermuth
Und daß er so gar Unwürd'ges thut. |
|
4965 |
Er schämt sich keines Tadels,
Daß er ihres Namens und Adels
Sie nicht genießen lassen kann,
Was sie auch je an ihm gethan.
Ich mag keinen Ritter schelten, |
|
4970 |
Doch hoff' ich, soll er entgelten
Seinen Unverstand und bösen Neid;
Wenn Gott mir hilft, so wird's ihm leid.«
Er hatte den Helm gefaßt,
Den schnallt' er fest in Hast, |
|
4975 |
Und war viel schnell bewehrt;
Seine Gewohnheit ihn das lehrt.
Er eilt die Zügel zu fassen,
Und heißt die Brücke nieder lassen.
Er sprach: »Nun wird sich's entscheiden |
|
4980 |
Unser Einem oder Beiden
Zu Schaden und Ungewinn.
Ich vertrau' in meinem Sinn
Daß ich den Trotz ihm breche.
Bei Gott, es soll der Freche |
|
4985 |
Die Söhne gesund Euch wieder geben,
Oder er nimmt mir auch das Leben:
Und welches der beiden soll geschehn,
Das wird man bald ersehn.«
So spornt' er hin zu dem Riesen jach; |
|
4990 |
Sein Löwe folgt' ihm, vor wie nach.
Da der Riese ihn kommen sach,
Da spottet er sein und sprach:
»Weh Euch! Ihr viel dummer Mann,
Sagt mir, was ficht Euch an, |
|
4995 |
Daß Ihr so ungern lebt,
Und selbst nach Eurem Tode strebt?
Das war kein weiser Rath,
Und wer Euch den gerathen hat,
Dem ist Euer Leben leid; |
|
5000 |
Der will bei meinem Eid
Sich Rache nehmen daran
Was Ihr ihm Leides habt gethan.
Auch wird er vollauf sich rächen,
Denn das will ich versprechen, |
|
5005 |
Daß Ihr nie wieder an ihm thut
Uebel so wenig als gut.«
Da rief Herr Iwein auf solchen Hohn:
»Ritter, was taugt dies Drohn?
Laßt leere Reden und thut Eu'r Werk; |
|
5010 |
Oder ich fürchte einen Zwerg
Mehr denn Euern großen Leib.
Laßt schelten ein zänkisch Weib,
Das nichts versteht vom Fechten!
Will aber nach guten Rechten |
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5015 |
Gott unsre Schalen wägen,
So seid Ihr bald mir unterlegen.«
Nun verließ sich der Ries' auf seine Kraft,
Und seines Armes Meisterschaft;
Er getraute sich seiner Haut zu wehren, |
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5020 |
Und mochte der Rüstung entbehren.
Ihn däucht' er hätte Waffen genug
An einer Stange die er trug.
Sehr freute das Herrn Iwein da,
Als er ihn ungepanzert sah. |
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5025 |
Fest eingelegt mit aller Kraft
Hält er im Arm des Speeres Schaft,
Und treibt das Roß mit dem Sporn.
Er zielt' auf die Brust ihm vorn,
Und traf ihn mit so scharfem Stich, |
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5030 |
Daß die Lanzenspitze sich
Löste von der Stangen,
Und blieb in der Brust ihm hangen.
Drauf schlug ihm der Riese einen Schlag,
Daß ich wohl Euch sagen mag, |
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5035 |
Hätt' ihn das Roß nicht für getragen,
Und jener hätt' ihm geschlagen
Einen zweiten Schlag wie er jenen schlug,
So wars zu seinem Tode genug;
Da trug ihn aber sein Roß hindann, |
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5040 |
Bis er das Schwert gewann.
Drauf kehrt' er wieder zu ihm hin,
Und half ihm sein kluger Sinn,
Seine Kühnheit und sein gutes Schwerdt,
Daß wie er an ihm vorüber fährt, |
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5045 |
Er eine zweite Wund' ihm schlägt.
Als sein Roß ihn fürder trägt,
Hieb ihm der Riese einen Schlag,
Daß er vornüber sank, und lag
Auf des Rosses Hals wie todt. |
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5050 |
Da sah der Löwe seine Noth,
Und lief den ungefügen Mann
Viel wild und grimmig an,
Und reißt mit einem Streiche
Vom Nacken bis zur Weiche |
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5055 |
Kleider ihm ab und Fell,
So daß der große Gesell
Wie ein Ochs erbrüllte grauenhaft.
Da schwankt' ihm der schwere Schaft
Den er als Waffe trug: |
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5060 |
Und als er nach dem Löwen schlug,
Entwich das gute Thier hindann,
Und er traf nicht Löwen noch Mann.
Er hatte den Hieb geführt so jach,
Daß er sich neigte danach, |
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5065 |
Und fast am Boden danieder lag:
Doch eh er sich rafft zum neuen Schlag,
Hatte sich Herr Iwein
Mit gewalt'gen Wunden zwein
An ihm viel wohl gerochen, |
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5070 |
Und das Schwert durch ihn gestochen
Recht mitten wo das Herze liegt.
Da war er im Kampf besiegt,
Und wie ein Baum von der Axt gefällt
Fiel er schwer hin und deckte das Feld. |
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5075 |
Ob des Riesen Falle
Freuten da sich alle,
Denen dadurch ein Glück geschehn.
Sie hatten zu ihrem Heil gesehn
Den Ritter der des Löwen pflag: |
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5080 |
Denn nun erst war ihnen der Tag
Ohne Angst und ohne Noth,
Seit der Riese lag besiegt und todt.
Deß dankten sie ihm genug,
Herrn Iwein, der ihn erschlug: |
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5085 |
Nun aber bat er sofort
Um Urlaub, weil er dort
Nicht durfte säumen mehre,
Wenn er Treue noch und Ehre
An der behalten wollte, |
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5090 |
Der er da eilen sollte
Zu Hülfe um den mitten Tag,
Die dort durch ihn gefangen lag.
Der Wirth bestürmte ihn mit Flehn,
(Das mochte besser nicht geschehn) |
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5095 |
Bei ihm erst auszuruhn:
Das konnt' er nicht noch wollt' ers thun.
Da boten sie frohgemuth
Er und sein Weib ihm Leib und Gut
Ganz und gar in seine Gewalt. |
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5100 |
Das Danken war viel mannigfalt,
Das er da hörte von den Zwein.
Da sprach mein Herr Iwein:
»Wollt Ihr Freude mir gönnen,
Und meinen Dienst erkennen, |
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5105 |
Sei mir die Eine Bitt' erhört,
Dann habt Ihr vollen Lohn gewährt.
Herrn Gawein den liebe ich,
Und ich weiß, also thut er mich.
Ist unsre Freundschaft ohne Kraft, |
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5110 |
So gab's nie gute Genossenschaft;
Deß will ich die Proben ihm erneu'n
Noch oft und viel, das hoff' ich in Treu'n.
Herre, zu dem nun reitet Ihr,
Und grüßet ihn von mir: |
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5115 |
Und führt mit Euch die Knaben vier,
Die heut' frei geworden allhier;
Laßt auch die Schwester reiten,
Und den Zwerg Euch begleiten,
Deß Herr hier liegt erschlagen; |
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5120 |
Und sollt den Dank Ihm sagen
Für alle Dinge die hier geschahn,
Denn ihm zu Lieb' sind sie gethan.
Fragt er Euch nach dem Reiter
Mögt Ihr als meinen Begleiter |
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5125 |
Den treuen Löwen ihm nennen,
Daran soll er mich erkennen.«
Das gelobt' ihm der Wirth sofort,
Und bat ihn um sein Wort,
Wenn er gesiegt im Streiten, |
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5130 |
Mög' er zur Burg heim reiten,
Da schüf er ihm gut Gemach.
Mein Herr Iwein da sprach:
»Das ist unsicher, und liegt noch fern.
Gestatten sie mir's, so komm' ich gern, |
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5135 |
Die ich alldort bekämpfen soll;
Doch getrau' ich ihnen das wohl,
Können sie mir's verwehren,
Mag ich vielleicht nie wieder kehren.«
Da beteten beide, Mann und Weib, |
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5140 |
Daß Gott ihm Ehr' und Leib
Und Leben wohl behüte;
Mit Gut und Blut und Gemüthe
Stünden sie ganz ihm zu Gebot:
Also befahl er da sie Gott. |