Hartmann von der Aue
Iwein mit dem Löwen
Hartmann von der Aue

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    Wir zwei blieben alleine:
Da verstand mich wohl die Reine,
Daß ich gerne bei ihr saß.
Auf das allerschönste Gras

335   Das einen Garten mochte zieren,
Thät sie an ihrer Hand mich führen,
Ein wenig von den Leuten fern.
Weiß Gott, ich folgte da ihr gern.
Hier fand ich Weisheit bei der Jugend,
340   Große Schöne und ganze Tugend;Tugend ist im 13. Jahrhundert so ziemlich gleichbedeutend mit »guten Manieren.«
Ich sah so lieblich Kind noch nie.
Was ich sprach, das hörte sie
Und antwortete mit Güte.
Es bezwang mein Gemüthe,
345   Und machte mir das Herze schwer
Kein Weib noch Jungfräulein so sehr,
Und wirds auch keine Andre je.
O weh mir immer, o weh,
Wie bald mir alle Freude nahm,
350   Ein Bote der vom Burgherrn kam,
Der uns zum Imbiß hieß bescheiden:
Da mußt' ich Red' und Freude meiden.

    Als ich mit ihr zu Tische ging,
Der Wirth mich abermahls empfing.Wirth heißt immer der Herr des Hauses, des Landes, im Gegensatze gegen den Gast, den Fremden.

355   Es entbot ein Wirth nie mehre
Seinem Gast so große Ehre.
Er wünschte den Pfaden und Wegen
Manchen gütlichen Segen
Auf denen ich gezogen war:
360   Und damit übergoldet' er's gar,
Daß er mich nicht von ihr getrennt,
Und mir so liebreich das gegönnt
Mit der Jungfraue zu essen.
Es ward allda auch nichts vergessen:
365   Wir hatten von Allem Füll' und Kraft
Was nur gehört zur Wirthschaft;
Wir fanden Speise die war gut,
Dazu willigen freundlichen Muth.
Nachdem wir mit Freuden gegessen,
370   Und noch zusammen gesessen,
Und ich ihm sagte meine Sitte,
Daß ich nach Abentheuern ritte;Aventiure ist ein denkwürdiges Ereigniß, – eine übernatürliche von Zauberei herrührende Noth, – ein schweres Unternehmen, – in noch engerm Sinne Kampf zweier Ritter; daher bedeutet: ze rechter Aventiure zit früh Morgens, ehe man zu Tische ging. Dann wird zweitens darunter verstanden die Erzählung eines Ereignisses, gleichbedeutend mit Märe; in diesem Sinn kommt sie häufig als persönliches Wesen vor.
Wundert es ihn sehr,
Und meint' er, es sey noch nimmermehr
375   Kein Gast zu ihm gekommen,
Von dem er hätte vernommen,
Er suche sich Kampf und Ungemach.
Recht dringend bat er mich danach,
Wenn mich der Weg vorüberführe,
380   Sollt' ich anklopfen an seiner Thüre;
Dagegen hatt' ich keinen Streit,
Ich versprach's, und hielt es seit der Zeit.

    Als es nun Zeit zu schlafen ward,Kalogreant beurlaubt sich Abends, weil er den andern Morgen früh weiter reiten will.
Da gedacht' ich an meine Fahrt,

385   Und weil ich weder wollte
Noch bleiben durft' und sollte,
Ward der tugendlichen Magd
Von mir viel Dank gesagt,
Ihrer guten freundlichen Art.
390   Die Süße, meine Jungfrau zart,
Die lächelte und neigte sich mir:
Seht, so mußt' ich scheiden von ihr.
Das Gesinde befahl ich Gott;
Zu meines lieben Wirths Gebot
395   Gelobt' ich mich viel manches mahl,
Nahm Abschied früh, und ritt zu Thal
Zum Walde vom Gefilde.
Ich wandte mich zur Wilde,
Und fand nach mitten Morgen
400   In dem Walde verborgen
Ein weites Feldgereute
Einsam, und ohne Ackersleute.Das ausgerödete bebaute Feld ließ Leute in der Nähe vermuthen. Michaeler übersetzt die Worte: »ane die liute« an der abhängigen Seite der Hügel im Walde. (Leite!)
Da ersah ich mir zum Leide
Eine schwere Augenweide:
405   Gethier' allerhande,
Die man mir jemals nannte,
Wider einander springen
In erschrecklichem Kämpfen und Ringen.
Da stritten in ihrem Grimme
410   Mit greulicher Stimme
Wisent' und Urstiere.
Ich entsetzte mich schiere,
Und reute michs, daß ich gekommen:
Und hätten sie mein wahr genommen,
415   So mein' ich blieb kein andrer Rath,
Als daß ich Gott um Hülfe bat.
Viel gerne wollt' ich aus dem Wald:
Da sah ich eines Mann's Gestalt,
Der mitten aus ihnen ragt' hervor.
420   Das kam mir Anfangs tröstlich vor;
Doch als ich näher kommen war,
Und schaut' ihn recht genau und klar,
Da fürchtet ich ihn also sehr,
Als die Thiere, oder noch mehr.
425   Sein menschliches Gebilde
War sonst grausam und wilde:
Wie ein Mohr sah er aus,
Riesenhoch und graus,
Daß es Niemand wohl glaubt.
430   Ich sag' es, sein Haupt
War größer denn eines Ures Kopf
Der Unhold trug einen Schopf
Von wüstem, rußfarb'nem Haar
Verwachsen ganz und gar;
435   Ein Wald ihm Haupt und Bart umstarrt,
Struppige Borsten, verfilzt und hart.
Sein Antlitz war wohl Ellen breit,
Bedeckt mit Runzeln tief und weit.
Auch waren ihm die Ohren
440   Dem ungeschlachten wilden Thoren
Vermoos't, das sag' ich fürwahr,
Mit spannenlangem Haar,
Und breit wie eine Wanne.
Dem ungefügen Waldmanne
445   Waren Wimper und Brau'
Lang, graulich und rauh;
Die Nase wie eines Ochsen groß,
Kurz, weit, von Borsten nirgend bloß:
Das Antlitz weit, mager und flach;
450   Mit Grauen sah ich dem Scheusal nach.
Roth funkelte sein Augenpaar:
Sein weiter Rachen mochte gar
Von einem Ohr zum andern langen,
Er fletscht' ihn über beide Wangen.
455   Er trug starkes Gezahn
Wie ein Eber, nicht wie ein Mann:
Außerhalb des Mundes Thür
Ragten die Hauer herfür,
Lang, scharf, spitz wie Stangen.
460   Das Haupt ließ er niederhangen,
Daß ihm sein rauhes wüstes Kinn
Fast an die Brust gewachsen schien.
Sein Rücken war hinaufgezogen,
Zu einem Buckel ausgebogen.
465   Ein seltsam Kleid der Unhold trug;
Zwei Häute dünkten ihm genug;
Die hatt' er vor wenig Stunden
Zwei Gethieren abgeschunden.
Eine mächtge Kolbe war sein Stecken,
470   Die mochte mich beinah erschrecken.
Und als ich d'rauf ihm näher kam,
Daß er mein rechte Kunde nahm,
Alsbalde sah ich ihn aufstehn,
Und nahe mir entgegengehn.
475   Ob nun wider mich sein Muth
Feindlich sei, oder ob gut,
Das wußt' ich in der That noch nicht;
Doch war ich auf meine Wehr gericht't.
Weder der Waldmann sprach, noch ich.
480   Als er schwieg, da versah' ich mich
Ob ich einen Stummen vor mir sähe,
Und bat ihn daß er Rede stehe.
Ich sprach: »bist du feindlich oder gut?«
Er sprach: »wer mir nichts Leides thut,
485   Der soll auch über mich nicht klagen.«
»Wohlan, so laß mich weiter fragen,
Welcherlei Creatur Du bist?«
»Ein Mann, wie Dir wohl sichtbar ist.«
»Welch Amt und Geschäft magst Du hier treiben?«
490   »Hier bei den Thieren muß ich bleiben.«
»Und thun sie Dir Nichts? das sag' mir Du.«
»Frag lieber, ob ich sie laß' in Ruh?« –
»In Treuen, sag mir, fürchten sie Dich?« –
»Ich pflege sie, und sie fürchten mich
495   Als ihren Meister und Herrn allhie.«
»Nun sage mir, was fördert sie
Deine Meisterschaft und Hut?
Sie laufen nach ihrem freien Muth
Zu Walde und zu Gefilde;
500   Ich weiß doch sicher, sie sind wilde,
Sie erkennen weder Menschen noch ihr Gebot,
Und mein' ich nicht, daß außer Gott
Jemand so viel möchte vollbringen
Mit Gewalt die Thiere zu zwingen
505   Ohne Käfig und Eisenband.«
Er sprach: »meine Zung' und meine Hand,
Mein Schmeicheln und meine Keule schwer
Zähmten sie mir so sehr,
Daß sie vor mir stehen und beben,
510   Und thun nach meinem Willen eben.
Wer aber sonst als ich allein
Bei den Ungethümen sollte sein,
Der wäre verlohren alsobald.«
»Herr, hast Du über sie Gewalt,
515   So gebeut ihnen Friede gegen mich.«
Er sprach: »Mit nichten fürchte Dich;
Sie thun Dir Nichts wenn sie mich sehn.
Nun mußt' ich Dir viel Rede stehn
Nach allem was Du gewünscht zu fragen;
520   So sollst Du mirs auch nicht versagen,
Und melden, weshalb Du kamst hieher,
Und was noch weiter Dein Begehr;
Ich bin zu Deinem Dienst bereit.«
Ich sprach: »so wisse denn, ich reit'
525   Ins Land auf Abentheuer.«
Da sprach das Ungeheuer:
»Abentheuer? was ist das?«
Deß will ich Dich bescheiden baß.
Nun sieh' wie ich gewappnet bin;
530   Ich heiß' ein Ritter, und hab im Sinn
Daß ich aufzusuchen reite
Einen Mann der mit mir streite,
Der gewappnet sei wie ich.
Das preiset ihn, erschlägt er mich;
535   Wenn ichs ihm aber angethan,
So hält man mich für einen Mann,
Und steig' ich dadurch an Werth.
Drum wenn Du irgendwas gehört
Von solchem Wagniß hier im Walde,
540   Das melde Du mir also balde,
Und führe mich zur Stelle hin,
Denn nichts andres hab' ich im Sinn.

    Also sprach er drauf zu mir:
»Steht es so beschaffen mit Dir,

545   Daß Du nach Ungemache strebest,Ungemach ist das Gegentheil von Ruhe, also Thätigkeit, Anstrengung, Unmuth.
Und nicht gern in Frieden lebest, –
(Ich hörte noch in meinen Tagen
Von solchem Dinge nimmer sagen,
Was Abentheuer wäre) –
550   So künd' ich Dir die Märe:
Willst Du den Leib dran wagen,
Brauchst Du nicht lang zu fragen.
Hier ist ein Bronnen nahe bei,
Etwa kurzer Meilen drei;
555   Getraust Du Dirs den zu erspähn
Und lässest ihm sein Recht geschehn,
Und findst hernach die Wiederkehr
Ohne große Schmach und Unehr,
So bist Du in Treu'n ein tapfrer Mann,so bistu wol ein vrum man: vrum , wie schon gesagt, synonym mit tüchtig, brauchbar, tapfer.
560   Und zweifeln will ich nicht daran.
Was hilft Dir's, wollt ich mehr Dir sagen?
Ich weiß, Du pflegst nicht zu verzagen:
So siehst Du denn in kurzer Frist
Selber, wovon die Rede ist.
565   Noch höre, was sein Recht denn sei:
Eine Capelle steht nahe bei,Auch Chrétien erwähnt der Kapelle und beschreibt die Quelle abwechselnd kalt und dann wogend und wallend wie kochendes Wasser:

de la fontaine poez croire
qu'ele boloit com eue chaude.

Im Mabinogion ist der ganze Hergang genau wie in Hartmanns Iwein erzählt.

Die celtische Ueberlieferung (sagt Grimm in der deutschen Mythologie) läßt den in großer Dürre ersehnten Regen durch Wasserausgießen hervorrufen. Die Jäger gehn zum Brunnen Bérendon im Wald Bresiliande, schöpfen daraus Wasser mit ihren Hörnern und gießen es auf die Brunnensteine, alsbald steigt Regen empor und erquickt das Land. So erzählt Wace im roman de rou, und erwähnt auch der wilden Stiere und Hirsche, so wie der Feen, die sich dort zeigen sollen: »ich habe den Wald und die Quelle gesehn,« fügt er hinzu, »die Wunder suchte ich, fand aber keins.«

Jener Gebrauch, unter Hinzutritt kirchlicher Feierlichkeiten, dauert noch heut fort. Angeführt von Geistlichen unter Gesang und Glockenläuten ziehen die Einwohner in Procession zur Quelle, fünf große Fahnen werden voraus getragen, und der Vorsteher der Gemeine taucht seinen Fuß kreuzweise in das Wasser des Brunnens von Bérendon; nun ist man des Regens sicher, ehe der Zug wieder heim gelangt. Graf Théodore de la Villemarqué erzählt ( Revue de Paris, 1837) wie er jene Quelle und das Grab des Merlin in der Ebne von Broch-allean (Wald der Einsiedlerin) unfern Ploërmel im Departement du Morbihan auf einem beschwerlichen Wege durch Hohlwege, Gehölz und Heiden ohne Ende aufgesucht; er fand sie bezeichnet durch zwei moosbedeckte Steine und ein altes hölzernes Kreuz. Die Kinder pflegen Stecknadeln in den Brunnen zu werfen und dabei auszurufen: ris donc fontaine de Bérendon, et je te donnerai une épingle!

Aehnliche Wunderquellen kommen noch in Irland und Catalonien vor.


Die ist schön und zierlich, aber klein.
Kalt und viel rein
Ist derselbe Bronne;
570   Ihn treffen nicht Regen noch Sonne,
Noch trüben ihn die Winde:
Deß schirmt ihn die schönste Linde.
Ihre grünen Zweige, breit und flach,
Sind sein Schatten und sein Dach:
575   Sie ist mächtig hoch, und also dick,
Daß nicht Regen noch Sonnenblick
Nimmer je hindurch sich drängt;
Ihr schadet der Winter nicht, noch kränkt
An ihrer Schönheit er ein Haar,
580   Sie grünt und blüht das ganze Jahr.
Ueber dem Bronnen steht ein
Wunderzierlicher Stein,
Unterstellt mit vieren
Marmelgehauenen Thieren,
585   Durchlöchert hin und wieder.
Von einem Ast hernieder
Hängt ein Becken von lauterm Gold;
Ich traue daß Niemand haben sollt
Gold so fein geprägt.
590   Die Kette so die Schaale trägt,
Die ist aus Silber geschlagen.
Willst Du nun nicht verzagen,
So thu dem Becken nicht mehr als dies:
Auf den Stein, der da stehet, gieß
595   Von des Bronnens Wasser ein Theil;
Und wahrhaftig, Du hast Glück und Heil,
Ziehst Du mit Ehren von der Stelle.
Da wies mir der riesige Waldgeselle
Einen Steig zur linken Hand:
600   Ich zog des Weges und fand
Seine Rede genau und klar.
Was er mir sagte, verhielt sich wahr,
Und große Pracht erblickt' ich dort.
Man hört wohl nimmer an keinem Ort,
605   Die Welt steh' kurz oder lang,
So wonniglichen Vogelgesang,
Als ich aus jener Linde vernahm,
Da ich herangeritten kam.

    Und wär' ein Mann bis in den Tod

610   Betrübt gewesen durch Gram und Noth,
Deß Herze hätte sich erfreut.
Mit Vöglein war der Baum bestreut,
Daß ich die Aeste kaum noch sah,
Und selbst das Laub verschwand beinah.
615   Da waren nicht zwei einander gleich.
Ihr Chorgesang vertheilte sich reich,
Die Melodie bald hoch, bald nieder;
Anmuthig klangen die süßen Lieder,
Und wiedertönend aus dem Wald
620   Das Echo zu den Stimmen schallt.
Den Bronnen fand ich auch sofort,
Wie mir der Riese beschrieb den Ort:
Der Stein darauf war ein Rubin,
Und aus jeglicher Ecke schien
625   Ein also leuchtender Smaragd,
Daß selbst des Morgensternes Pracht
Nicht schöner glänzt, wenn er aufsteigt,
Und die trübe Nacht vor ihm entweicht.

    Als ich das Becken hangen sah,

630   In meinem Sinn gedacht ich da,
Wollt' ich als Ritter Ruhm erreiten,
So müß' ich mirs als Feigheit deuten,
Wenn ich des Wagestücks entbehre,
Und nicht versuche, was da wäre.
635   So rieth mirs mein unweiser Muth,
Der mir so häufig Schaden thut,
Daß ich Wasser goß auf den Rubin.
Da erlosch die Sonne die eben schien,
Rings verstummte der Vögel Gesang,
640   Ein schwarzes Gewitter zog entlang.
Sturmeswolken flogen
An den Himmels Bogen
Von vier Enden finster und schwer,
Es schien der lichte Tag nicht mehr,
645   So daß ich die Linde kaum ersah:
Große Trübsal mir da geschah.
Es zückten nun viel balde
Rings um mich her im Walde
Viel tausend Blitze zumahl;
650   Und neben mir zu Thal
Fiel so heftig ein Donnerschlag,
Daß ich entsetzt am Boden lag.
Es erhob sich Sturm, Hagel und Regen,
Und hätte nicht Gottes Segen
655   Mich geschirmt vor des Wetters Noth,
Lag ich derweile zehnmal todt.
Der Sturm ward also ungemach,
Daß der Wald zusammenbrach.
Jeglicher Baum wie breit und groß,
660   Stand nun verwüstet, kahl und bloß,
Und alles Schmuckes leer,
Als ob er versenget wär.

    Was da lebte im Walde,
Es entrinne denn balde,

665   Das lag zur Stunde todt.
Ich hatte durch des Wetters Noth
Des Leibes mich begeben,
Ich dachte nicht zu leben,
Und harrte auf gewissen Tod:
670   Als der Hagel und die Noth
Nach kurzer Weile ließen nach,
Und licht ward wieder und hell der Tag. –

    Als das Grauen geendet,
Und der Sturm sich zum Frieden gewendet,

675   Ich schwöre, wär' ich noch zehen Jahr
Bei dem Brunnen geblieben, fürwahr,
Ich begösse ihn nimmer mehr,
Und hätt' es lieber gelassen vorher.
Die Vöglein kamen wieder,
680   Es ward von ihrem Gefieder
Die Linde, wie vorhin, bedacht.
Sie erhuben aufs Neu der Stimme Pracht,
Und sangen lieblicher als je.
Und was ich zuvor erlitt an Weh,
685   Das war nun gänzlich vergessen;
Mir war, als hätt' ich besessen
Das zweite Paradeis,
Und dieser Freude geb' ich den Preis
Vor allen die mich je entzückt.
690   Schon wähnt' ich, ich sei auf immer beglückt,
Und frei von Angst und Ungemach,
Da seht, es kam die Enttäuschung nach,
Und Leid und Schande folgten bitter.
Denn merkt nur auf! Es zog ein Ritter
695   Zu Roß mit so grimmer Gewalt,
Und solchem Getöse durch den Wald,
Daß ich schon wähnt' es sei ein Heer:
Doch hielt ich mich bereit zur Wehr.
Er selbst war groß und stark sein Roß,
700   Nur wenig Freud' ich davon genoß.
Seine Stimme erschallte wie ein Horn,
Ich spürt' es bald, es sei in Zorn.
Doch als ich merkt' es nahe nur Einer,
Ward meine Furcht und Zagheit kleiner:
705   Ich fühlte Muth zu dem harten Strauß,
Und dachte mir, noch sei's nicht aus:
So schnallt' ich mir die Gurten baß.
Als ich im Sattel wieder saß,
Da hatt' er mich sofort erschaut,
710   Und rief ergrimmt und überlaut
Schon aus der Ferne so mich an:
»Ritter, Ihr seid ein falscher Mann!
Ohne Ansag' und Fehdespruch
Habt Ihr Schand' und Schaden genug
715   In Eurer Bosheit mir gerüstet.
Wie seh' ich meinen Wald verwüstet!
Den habt Ihr mir verdorben.
All mein Wild ist erstorben,
Mein Gefieder verjagt.
702   Euch sei von mir das jetzt gesagt,
Ihr sollt die Strafe tragen,
Oder dem Leben entsagen.
Das Kind wenn man's geschlagen,
Das mag wohl weinen und klagen;
725   So klag' ich Euer Verschulden.
Ich hatte nimmer an Euern Hulden
Mit meinem Wissen mich vergangen;
Nun muß ich zu der Schmach gelangen!
Ich will von Frieden nichts mehr wissen,
730   Kämpft, wollt Ihr nicht das Leben missen.«

    Da erklärt' ich meine Unschuld,
Und suchte seine Huld,
Weil er fürstlicher war denn ich.
Er aber sprach nichts wider mich,

735   Als daß ich mich wehren sollte.
Und ob ichs ungern wollte,
Und suchte mich zu schützen,
Doch mochte nichts mir nützen.
Ich tjostirte wider ihn,
740   Dafür nahm er mein Roß mir hin.
Das beste Glück das mir geschach,
War daß ich noch die Lanze brach:
Er setzte mich mit starker Hand
Hinter das Roß recht in den Sand,
745   Daß ich sofort durchaus vergessen,
Ob ich jemahls im Sattel gesessen.
Mich ließ er liegen, mein Roß nahm er mit,
All' meines Glückes war ich quitt.

    Nichts verdroß mich da so schwere,

750   Als daß er mir nicht gönnte die Ehre,
Mich nur einmahl noch anzusehn.
Da ihm so voller Sieg geschehn,
Da war sein Wesen und Gebahr,
Als ob ihm jeden Tag im Jahr
755   Zehnmal solch Glück verheißen wäre;
Mein war die Schmach, und sein die Ehre.
Was ich auch dort an Schande gewann,
Halb war ich doch unschuldig dran.
Mir war der Wille gewißlich gut,
760   Die Stärke fehlte, nicht der Muth,
Das Werk an ihm zu vollbringen:
So mußte mir's mißlingen.

    Auf meinen Gaul mußt' ich verzichten,
Doch mocht' ich liegen bleiben mit nichten;

765   Drum geruht ich und ging sodann
Zu Fuß als ein siegloser Mann,
Und setzte mich an den Bronnen hin.
Mir kam's bei Gott nicht in den Sinn,
Wie neugierig ich sonst wohl sei,
770   Und säß' ich all' mein Leben dabei,
Begießen thät ich den Stein nicht mehr;
Ich entgalt es allzuschwer.

    Da ich nun lang' genug dort saß,
Und bei mir überlegte was

775   Mir ferner zu beginnen wär',
Ward mir der Harnisch allzuschwer,Man denke sich den Harnisch ja nicht aus Küraß und Platten bestehend: bis zum Jahr 1300 kommen durchaus nur Maschenröcke von Stahlringen vor, über welchen dann wohl noch ein Waffenrock getragen ward. Harnasch oder Isengewand heißt der gesammte schützende Anzug eines Ritters mit Ausschluß des Helms. Wir können uns die Paladine des dreizehnten Jahrhunderts genau in der malerischen Tracht der heutigen Tscherkessen vorstellen. Deshalb ist hier wie im Wigalois die technische Bezeichnung für das Abstreifen des Harnisches »ich schuttez abe,« ich schüttete den Eisenrock ab.

Sehr anschaulich sind die Halsbergen in den Gemälden der Aebtissin Herrad dargestellt. Das eiserne Ringgeflecht mit Aermeln reicht bis auf die Knie, und ist vorn und hinten etwas aufgeschlitzt, um beim Reiten nicht hinderlich zu sein. Im Nacken hat es eine Capuze: eben so geflochtne Handschuhe und Strumpfhosen schützen Hände und Beine. Auf der geflochtnen Eisenkappe und über dem Hersenier wird dann noch der Helm getragen, der durch eine vorn herablaufende feste Schiene die Nase schirmt. Durchgängig sind die Schilde ein großes Dreieck (von Holz, oft mit Leder oder Fell überzogen), das den Körper vom Halse bis zur Mitte der Schienbeine deckt. Das breite große Schwert hängt in einer über das Panzerhemd gegürteten Koppel. Auch im Manessischen Codex ist noch keine andere Rüstung zu sehn als der Ringelpanzer: nur tragen die Helme schon die abentheuerlichsten Cimiere (Helmzierden). –

Ob Hartmann und Gottfried sich ihre Paladine mit Bärten gedacht, wie unsere jetzigen Cavaliere? Ich glaube kaum. Die schönen gleichzeitigen Statuen edler Fürsten und Herrn im Naumburger Dom sind sämmtlich mit Ausnahme einer einzigen (des Grafen Sizzo oder Sichart v. Kefersberg) bartlos. Wenn einzelne Fürsten ausnahmsweise Bärte trugen, wie z. B. Ludwig mit dem Bart, Stammvater der thüringischen Landgrafen, so erhielten sie eben davon den Beinamen. Wir finden im Gegentheil, daß den Bürgermeistern der Stadt Zwickau, als Belohnung ihrer Treue die Prärogative ertheilt wird, mit abgeschornen Bärten gehn zu dürfen.


Ich konnt ihn nicht im Gehn ertragen.
Was soll ich Euch noch weiter sagen?
Abstreift' ich ihn, und ging hindann.
780   Ich gnadenloser Mann
Gedachte wohin ich kehrte,
Bis mich mein Herz belehrte,
Und mir zu meinem Burgherrn rieth,
Von dem ich am selben Morgen schied.
785   Als ich zu Fuß hinaufgegangen,
Ward ich nicht schlechter empfangen,
Als gestern da ich kam geritten:
Das thaten seine höf'schen Sitten.
Ich fand mich liebreich aufgenommen,
790   Als wär' ich siegreich heimgekommen,
Und alles wohlgethan und gut.
Beide trösteten meinen Muth;
Er und die Jungfrau pflegten mein,
Gott laß es dem Kinde stets gedeihn!
795   Nun aber bin ich ein Thor zu achten,
Euch Mären die mir Schande brachten
In Ewigkeit nicht zu verhehlen!
Ich wollt' auch nie davon erzählen.
Hätt' ichs mit besserm Erfolg gewagt,
800   Ich hätt es eben so frei gesagt:
Und wer von Euch mehr Glück erfahren,
Mag wenn er will es offenbahren.

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