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Da bedachte der Herr Iwein
Die Verwandtschaft unter ihnen zwei'n. |
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805 |
Er sprach: »Neffe Kalogreant,
Es rächt, das glaub' mir, meine Hand
Die Unbill so an Dir geschehn.
Ich will sofort den Bronnen sehn,
Und was da Wunderbares sei.« |
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810 |
Da sprach aber Key
Ein Wort das mocht' ihm behagen;
Denn nimmer konnt' er's ertragen,
Ward Einer gerühmt um Tapferkeit;
Das war ihm in der Seele leid. |
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815 |
»Man spürt, Christ mög' es walten,
Die Rede ward nach Tisch gehalten.
Ihr fastetet nicht, das hört man wohl!
Ein Becher süßen Weines voll,
Der macht, das sei Euch gesagt, |
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820 |
Herzhaft und unverzagt
Weit mehr als Vierzig und dazu Bier
Mit Wasser oder mit Bier.
Wenn die Katze gefressen viel,
Gleich hebt sie an ihr lustig Spiel, |
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825 |
Herr Iwein und so thut auch Ihr.
Rath' ich Euch gut, so folget mir!
Ihr seid mit Eurer Rede zu jach,
Schlaft ein wenig danach,
Und wenn Euch Träume plagen schwer, |
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830 |
So achtet's nicht als ein Ungefähr,
Nehmt sie als Vorbedeutung an.
Oder drängt's Euch, nun so macht Euch daran
Mit bestem Glück und Heil:
Dann aber hab' ich keinen Theil |
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835 |
An allem was sich mag zutragen
Und mich verschont nachher mit Klagen.«
»Herr Keye«, die Königin da sprach,
»Eurer Zunge folge Schmach,
Die alles Gute stets verhehlt, |
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840 |
Und nur das Schlimmste stets aufzählt,
Was Euer Herz ersinnen kann.
Doch wähn' ich, daß ich wohl daran
Der Zunge großes Unrecht thu:
Euer Herz zwingt sie dazu. |
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845 |
Es dünkt der Bosheit nie zu viel,
Sie muß aussprechen was sie will:
Ich kann die zwei nicht unterscheiden,
Und schlimm ergeh' es beiden.
Ich will Euch das in Wahrheit sagen: |
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850 |
Wem Ihr den Vater hättet erschlagen,
Der trachtete nie so sehre
Wie er Euch aller Ehre
Beraubt', als jedes der beiden thut:
Soviel für Euch; bekomm's Euch gut.« |
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855 |
Der Herre Iwein lacht' und sprach:
»Fraue, mir schafft kein Ungemach
Was Herr Key an mir gerügt.
Ich weiß es, er ist mißvergnügt
Mit meiner Unbesonnenheit; |
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860 |
Mein hastig Wesen ist ihm leid,
Das nur wollt' er mir zeigen;
Was sollt' er's auch verschweigen?
Er schalt schon manchen mit gleichem Fug,
Wir all' erlebten's oft genug. |
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865 |
Mein Herr Keye ist so gar weise,
Und steht so hoch an Ehr und Preise,
Daß man ihn dankbar hören soll;
Und ists mein Ernst, das wisset wohl,
Mich aller Hoffahrt zu entschlagen, |
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870 |
Sein Tadeln ruhig zu tragen.
Auch fängt ja der den Streit nicht an,
Der den ersten Schlag gethan:
Wenn der Andre ihn schweigend erträgt,
Ist aller Hader beigelegt. |
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875 |
Ich will mit meinem Munde
Nicht gleichen einem Hunde,
Der erst wieder knurren kann,
Wenn ihn der Andre knurrte an.«
So sprach man da und scherzte noch viel. |
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880 |
Auch Artus hatte des Schlafs ein Ziel
Gefunden, und war wach und munter:
So trat er in den Saal hinunter,
Weil er nicht länger mochte ruhn.
In ihrer Mitte stand er nun, |
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885 |
Sie sprangen auf: das war ihm leid.
Er zürnt' aus milder Geselligkeit,
Denn, weiß es Gott! er stellte sich gern
Als ihren Gesellen und nicht als Herrn.
Er setzte sich zu ihnen nieder, |
|
890 |
Und die Königin erzählt' ihm wieder
Kalogreantens Schwere,
Und all' die vorige Märe.
Nun war des Königs Gewohnheit stät,
Daß er nimmer einen Eidschwur thät |
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895 |
Den er bei seinem Vater schwor,
Er nannt' ihn denn mit Nahmen zuvor:
Uter Pandragon ward er genannt.
Bei ihm nun schwor er, und rings im Land
Hieß er überall ansagen, |
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900 |
Er woll' in vierzehn Tagen
Recht in der Sanct Johannisnacht
Mit aller seiner Heeresmacht
Zu jenem Bronnen kommen.
Als sie das hatten vernommen, |
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905 |
Das däuchte sie erwünscht und gut;
Denn darauf stand ihr' aller Muth.
Nur Einen Ritter weiß ich da
Dem nichts liebes damit geschah:
Das war der tapfre Herr Iwein, |
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910 |
Der wollt' es auf sich nehmen allein.
Er dacht': ich kann mich deß nicht wahren,
Will König Artus selbst hinfahren,
Wird meine Ritterschaft vertagt.
Dann wird die Fehde zugesagt |
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915 |
Des Königs Neffen Herrn Gawein;
Dessen mag ich versichert sein;
So sehr wie der nach Streit begehrt,
Wird ihm statt meiner der Kampf gewährt.
Bei Gott, so darf es nimmer geschehn; |
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920 |
Denn schwerlich kann ich dem entgehn,
Wenn vierzehn Tage gefristet sind,
Daß er vor mir den Strauß beginnt.
Drum will ich binnen drei Tagen
Des Weges ziehn, und es Niemand sagen, |
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925 |
Zum Wald gen Bresilian hinab,
Und suchen bis ich erforschet hab'
Den Steig, den Kalogreant
Also rauh und beschwerlich fand.
Hernach so will ich schauen |
|
930 |
Die schöne Jungfrauen,
Des ehrbaren Wirthes Kind,
Die beide also höfisch sind:
Drauf seh' ich, wenn ich scheide hindann,
Den viel ungefügen Mann, |
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935 |
Der da hütet die Thier' im Walde;
Darnach entdeck' ich viel balde
Den Bronnen und den Edelstein,
Und gönnen sollen sie mir's allein,
Mit dem Becken ihn zu begießen, |
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940 |
Mög' ichs entgelten oder genießen.
Noch ist er Keinem zugedacht,
Bis ich selber es habe vollbracht.
Ists dann geschehn, und mein die That,
Dann findet sich hernach wohl Rath. |
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945 |
Also stahl er sich hinweg,
Recht wie ein Mann der kühn und keck
Sich Ehre wußte zu fristen
Durch verschlagene Listen.
Hinschlich er wo er die Knappen fand. |
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950 |
Den besten nahm er gleich zur Hand,
Dem verschwieg er's mit nichten.
Ganz still befahl er ihm zu richten
Und daß er sein Gewaffen
Auf ein Handpferd sollt' schaffen: |
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955 |
Er wollte reiten vor den Garten,
Und sein im Felde warten,
Bis er den Harnisch ihm gebracht.
Dann sprach er: »Sei mir recht bedacht
Daß Du mirs wohl verschweigen magst; |
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960 |
Denn wie Du's irgend Einem sagst,
Ist unter uns beiden hienieden
Die Freundschaft auf ewig geschieden.«
So ließ er ihn, und weiter ritt' er.
Viel bald nun brachte jener dem Ritter |
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965 |
Sein Streitroß und eisernes Gewand,
Und wappnet' ihn mir fert'ger Hand.
Herr Iwein saß auf und dacht' im Geist
Der Arbeit die sein Weg verheißt;
Er strich durch weite Gefilde, |
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970 |
Durch Wälder öd' und wilde,
Bis er den engen Fußpfad fand,
Auf dem sein Neffe Kalogreant
Mit so viel Mühe die Bahn sich brach.
Auch er litt großes Ungemach, |
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975 |
Bis daß er auf die Ebne kam.
Die gute Herberg' er drauf nahm,
Und dünkt ihn, er habe keine Nacht
So gemach und behaglich zugebracht.
Am Morgen schied auch Er von dann, |
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980 |
Und fand den großen freislichen Mann
Auf jenem Waldgefilde,
Hütend bei seinem Wilde.
Als er den Riesen ersah,
Viel Wunders nahm den Ritter da, |
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985 |
Wie unter Gottes Creatur
Solch wüstes Ungeheuer nur
Erschaffen sei; doch sah er klar,
Was er gesucht sei offenbar.
Viel richtig fand nun auch Iwein |
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990 |
Den Baum, den Bronn, den Edelstein,
Und hörte den lieblichen Vogelgesang.
Da war des Säumens nicht mehr lang:
Das Becken faßt' er und goß es aus.
Siehe, da folgt' ein Getös' und Braus, |
|
995 |
Solch ein Orcan und Sturmsgekrach,
Daß ihn fast däucht' er habe zu jach
Betreten die Zauberstätte,
Und zweifelt' ob er sich rette.
Als nun das Getös' ein Ende genommen, |
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1000 |
Da hört auch Er den Ritter kommen,
Des verzauberten Waldes Herrn.
Der ruft zum Kampf ihn schon von fern,
Wie Feind den Feind, in Eifer und Hast:
Auch war Herr Iwein ganz gefaßt |
|
1005 |
Daß er sich wehren solle,
Wenn er nicht dulden wolle
Beides, Schande und Leid.
Jeder von beiden dräut
Seinem Gegner mit Schaden: |
|
1010 |
Beide sind überschwer beladen
Mit Grimm und heftigem Zorn.
Die Rosse stachelt der Sporn,
Weil jeden treibt ein gleich Begehr:
Und jeder traf mit seinem Speer |
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1015 |
Des Andern Schild den er durchstach,
Daß beiden die Stange brach,
Und flog in hundert Stücken
Da mußten beide zücken
Die Schwerter von der Seiten, |
|
1020 |
Und es begann ein Streiten,
Das Gott mit Ehren mochte sehn,
Sollt' je vor ihm eine Tjost geschehn.
Nun hielt den grimmen Schlägen
Jeder den Schild entgegen, |
|
1025 |
So lange die noch währten:
Sie wurden aber mit den Schwerten
Also zerhauen ganz und gar,
Daß Jeder ward des seinen baar.
Nun könnt' ich Wunders viel berichten |
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1030 |
Von ihrem Kampf, doch ich wills mit nichten:
Deß sollt ihr den Grund erfahren.
Die beiden Ritter da waren
Allein, und Keiner in ihrer Nähe,
Der über die Zween mir Rede stehe. |
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1035 |
Erzählt' ich nun, was Niemand schaut,
Wie dieser stach und jener haut', –
Wenn einer von ihnen ward erschlagen,
Der mochte Nichts davon mir sagen;
Wer aber zuletzt den Sieg gewann, |
|
1040 |
Der wär ein so adelicher Mann,
Daß er gewiß kein Rühmens machte
Von Allem was sein Arm vollbrachte:
Wo hätt' ich denn ein Maaß zu wägen
Solch' Unmaaß von Hieben und Schlägen? |
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1045 |
Drum ists genug wenn ich Euch sage,
Wie Keiner von beiden war ein Zage
(Denn Wechselstreiche fielen genug),
Und wie der Gast dem Wirthe schlug
Durch den Helm einen schweren Schlag |
|
1050 |
Ins Hirn, wo das Leben lag.
Als ihn Herr Iweins Degen stark
Verwundet bis ins tiefste Mark,
Da zwang ihn Schmerz und tödtlich Leid
Weit mehr als seine Zagheit. |
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1055 |
Daß er kehrt' und nahm die Flucht,
Herr Iwein ihm zu folgen sucht,
Und spornt ihn nach durch Forst und Tann.
Noch hatte der halbtodte Mann
Zum Fliehen Reiterkraft und Muth; |
|
1060 |
Auch war sein Roß so stark und gut,
Daß seine Burg schon nah' erschien.
Da dachte Herr Iwein, hab' er ihn
Nicht gar gefangen und bezwungen
Sei ihm das Werk nur halb gelungen, |
|
1065 |
Wie ihm Herr Key vorausgesagt,
Der jeden böslich neckt und plagt: –
Seine Arbeit sei noch nicht zu Ende;
Wenn sich kein Zeuge fände,
Zu beweisen was hier geschehn, |
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1070 |
(Und Niemand war weit und breit zu sehn)
So ließ er ihm weder Ruhm noch Ehr'.
Da trieb er sein Roß noch mehr,
Huf neben Huf, und Schlag auf Schlag,
Bis daß die Burg vor ihnen lag. |
|
1075 |
Nun hatte zum Thor die Straße
Zwei Männern nicht die rechte Maaße.
So fuhren sie in der Enge
Beide durch Gedränge
Bis an die Halle: da war davor |
|
1080 |
Gehängt ein Eisenthor
Da mußte man hindurch fahren,
Und sich viel wohl bewahren
Vor jenem selbigen fallenden Thor,
Daß man das Leben da nicht verlohr. |
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1085 |
Wenn Roß und Reiter nicht unverwandt
Des Weges rechte Mitte fand, –
So wie ein Tritt den Knauf berührte
Der all' die schwere Wucht regierte,
Und das gewaltige Eisenthor |
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1090 |
Vom Boden aufwärts hob empor,
So nahm es plötzlich seinen Fall,
Und schlug so jach zu Thal,
Daß ihm Niemand entrann:
So war geblieben mancher Mann. |
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1095 |
Der Wirth ritt vorn, der kannte den Bau
Und sein Getriebe ganz genau.
Weil's von ihm selbst geordnet war,
Mocht' er entgehn der schlimmen Gefahr.
Das Eisen war schwer und scharf also, |
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1100 |
Daß es im Niederfall wie Stroh
Unfehlbar durchschnitt Stahl und Bein
Nun konnte sich Herr Iwein
Nicht behüten davor,
Und fällte das Thor: |
|
1105 |
Da schoß hernieder das Gitter;
Er aber traf zugleich den Ritter,
Und kam davon, wie ichs Euch sage.
Er hatte nach seinem Schlage
Sich vorwärts über das Roß gebogen |
|
1110 |
So ward er noch dem Tod' entzogen
Daß wie das Thor herniederschoß,
Er selber genaß, doch nicht das Roß.
Den armen Hengst, erzählt die Mär,
Trafs hinterm Sattel den Rücken queer, |
|
1115 |
Und schnitt des Schwertes Scheide
Und die Sporen beide
Hinter den Fersen ab wie Zunder
Daß er davon kam wie ein Wunder.
Da ihm das Roß todt lag, |
|
1120 |
Da mocht' er wie er pflag,
Nicht fürbaß weiter jagen.
Der Gaul des Wirths, den er erschlagen,
Flog noch ein Ende weiter vor,
Durch ein zweites fallendes Thor, |
|
1125 |
Und ließ es hinter ihm nieder:
Da konnte der Gast nicht für noch wieder.
So war mein Herr Iwein
Zwischen den Pforten Zwei'n
Verriegelt und eingeschlossen. |
|
1130 |
Wie sehr ihn da verdrossen
Daß er gefangen mußte sein,
Doch schafft' ihm das die meiste Pein,
Daß ihm vorher der fremde Mann
Also lebendig noch entrann. |
|
1135 |
Ich will Euch von dem Hause sagen,
Wohin er war verschlagen.
Er mußte hernachmals eingestehn,
Daß er kein schönres je gesehn,
Weder vorher noch nach der Zeit. |
|
1140 |
Es war hoch, fest und weit,
Geziert mit goldner Farben Glast,
Und wer drin mochte weilen als Gast
Ohne Furcht vor Gefahr und Leid,
Erfreute sich all' der Herrlichkeit. |
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1145 |
Nun sucht' er nochmals wieder und für,
Doch fand er Fenster nicht noch Thür,
Daraus er mocht' entkommen.
Da sann er was ihm sollte frommen,
Und als er noch mit Sorgen rang, |
|
1150 |
Da ward bei ihm nicht überlang
Ein Seitenpförtlein aufgethan:
Aus selbem trat zu ihm heran
Weinend und mit Gestöhn
Eine Jungfrau, adlich und schön. |
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1155 |
Anfangs sie da nichts weiter sprach,
Als: »Weh, Herr Ritter! Weh und Ach,
Daß Ihr hieher gekommen seid;
Das wird Eures Lebens jüngste Zeit.
Ihr habt meinen Herrn erschlagen! |
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1160 |
Man mag so jammervolles Klagen
An meiner lieben Frauen,
Und an dem Gesinde schauen,
Sie sind von Zorn so grimm erfüllt,
Daß Euer Tod allein ihn stillt; |
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1165 |
Und wenn sie Euch nicht schon erschlagen,
Deß fristet Euch einzig nur ihr Klagen
Ueber meines Herrn Geschick:
Sie sah'n Euch im nächsten Augenblick.«
Er sprach: »So werd' ich doch das Leben |
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1170 |
Nicht wie ein Weib für Nichts hingeben;
Noch halt' ich meinen guten Degen.«
Sie sprach: – »So schenke Gott Euch Segen!
Schirmt der Euch nicht, so seid Ihr todt.
Doch faßte sich in höchster Noth |
|
1175 |
Kein Held je tapfrer als Ihr thut;
Ihr zeigt Euch wahrlich hochgemuth,
Das Lob muß man Euch eingestehn.
Welch Leid mir auch durch Euch geschehn,
Ich will Euch keine Feindschaft tragen, |
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1180 |
Und wie das kommt laßt mich Euch sagen.
Meine Fraue hatte mich gesandt
Gen Bretagne in das Land;
An den König hatt' ich den Auftrag von ihr.
Nun lieber Herr, das glaubet mir, |
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1185 |
Also schied ich dort von dannen,
Daß unter des Königs Mannen
Nicht Einer ein Wort zu mir da sprach.
Ich weiß wohl daß mir's noch gebrach
An höfischer Zucht und Zier: |
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1190 |
Das war der Grund weshalb ich hier
Ihres Grußes nicht galt so werth,
Als man's an ihrem Hofe begehrt;
Ich weiß, dafür hab' ich gebüßt.
Ihr aber habt mich da gegrüßt, |
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1195 |
Viel lieber Herr, und Keiner mehr:
Ihr gönntet mir allein die Ehr',
Und lohnen will ich's wie ich soll.
Wie Ihr heißt, ich weiß es wohl:
Euer Vater war, das ist mir bekannt, |
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1200 |
Der König Urién genannt.
Ihr sollt vor Schaden sicher sein
Herr Iwein; nehmt dies Ringelein.
Es ist um den Stein also bewandt:
Wer ihn trägt in der Hand, |
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1205 |
Den mag Niemand in der Welt,
So lange die bloße Hand ihn hält,
Ersehen noch ausfinden.
Wie das Holz unter der Rinden
Also seid Ihr verborgen; |
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1210 |
Ihr dürft nicht weiter sorgen.«
Somit gab sie's ihm in die Hand.
Nun stand ein Bette an der Wand,
Das war bereitet also wohl
Wie ein Bett aufs Beste soll, |
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1215 |
Daß kein König beß'res je gewann,
Darauf wies sie ihn zu sitzen an.
Und als er niedergesessen,
Sprach sie: »Wünscht Ihr zu essen?«
Er sprach: »Mir wär es just nicht leid.« |
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1220 |
Sie ging und war in kurzer Zeit
Wiedergekommen und trug
Schnellfertiger guter Speise genug;
Deß sagte er ihr Gnad' und Dank.
Nachdem er also aß und trank, |
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1225 |
Erhub das Gesinde großen Schall,
Vor beiden Pforten überall,
Als wollten sie nimmer das vertragen,
Daß er ihren Herrn erschlagen.
Sie sprach: »Herr Iwein, höret Ihr? |
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1230 |
Sie suchen Euch. Nun folget mir,
Und verlaßt mir nicht dies Bette:
Es steht hier auf der Wette
Nichts mindres als Euer Leben.
Den Stein den ich Euch jetzt gegeben, |
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1235 |
Den verschließt in Eurer Hand;
Dann setz' ich alles Euch zum Pfand,
Daß Euch nichts zu Leide geschieht,
Weil Euch Niemand ersieht.
Sagt selber an, was hülf' Euch baß, |
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1240 |
Als wenn sie all' Euch tragen Haß,
Und Ihr seht sie Euch nah' umstehn,
Und dräuend hin und wieder gehn,
Daß sie Euch nimmer finden,
Als müßten sie erblinden, |
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1245 |
Während all' Euch stets umringen? –
Auch werden sie ihn getragen bringen
Die Jungherren und Knaben,
Wenn sie ihn wollen begraben,
Meinen Herrn, auf seiner Todtenbahr'. |
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1250 |
Hernach beginnen sie zwar
Nach Euch zu spähn und emsig zu trachten;
Ihr aber dürft darauf nicht achten.
Thut, wie ich sprach, es wird Euch erlösen.
Man darf nicht sehn daß ich hier gewesen: |
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1255 |
Denn fänden sie mich hier innen,
Möchten wir großes Leid gewinnen.« |