Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XII.

Als wir eines Morgens früh ins Speisezimmer kommen, ist an die Tür ein großes Plakat befestigt: Das Erscheinen einer Zeitung wird angekündigt. Sie soll »Die Wespe« heißen, erscheint jeden Sonnabend, und mit glühenden Worten wird zum Abonnement geladen. Eine große Sparbüchse mit einem Siegel dran hängt neben dem Plakat. Alles im Hause abonniert.

Georg und Samuel, die beiden Redakteure, verschwinden um bestimmte Stunden im »Bruderloch«, so wird ihr Zimmer genannt. Sie brechen dann dazwischen wie wilde Leuen aus ihrem Lokal, um sich Anregung oder Beiträge für ihre Zeitung zu verschaffen.

Endlich ist der Sonnabend da, die Zeitung wird am Kaffeetisch erwartet. Der Tisch ist festlich gedeckt, der Kaffee duftet in der blanken Kaffeekanne, die frischen Kümmelkuchen füllen die Brotkörbe.

Die Redakteure erscheinen in würdiger Haltung, Samuel liest vor. Welch eine Fülle von Unsinn ist auf diesen Bogen vereinigt, wieviel Witz und Laune, wieviel harmlose Bosheit. Dazwischen ein ernstes Gedicht, voll Poesie und Sehnsucht, ein wilder Aufsatz voll dunkler Fragen und Rätsel, voll Schwärmerei und Schwung. Ach, und alles so jung, so jung!

Wehe aber, wenn einer oder der andere in der Woche sich etwas zuschulden kommen ließ, sich irgend eine Blöße gab, erbarmungslos wird er dafür in der »Wespe« gegeißelt.

Regelmäßig erscheint am Sonnabend das Blatt, Stürme von Heiterkeit entfesselnd.

Plötzlich werden die Redakteure lahm, sie arbeiten nicht mehr, sie machen dunkle Andeutungen, als fiele ihnen nichts mehr ein, als wäre »jeder Sonnabend« zu häufig für das Erscheinen eines solchen Blattes. Wir drohen, unser Abonnement zurückzuziehen, von hüben und drüben fallen spitze Bemerkungen, wir freuen uns ganz besonders auf den Sonnabend, denn eine Niederlage, eine Armutserklärung dieser beiden Unbesiegbaren wäre eine unbeschreibliche Freude, welch eine Perspektive für Neckereien aller Art. Wir sitzen erwartungsvoll um den Kaffeetisch, was werden sie sich ausgedacht haben?

Da erscheinen die beiden Redakteure, ernst und düster blickend, das Blatt legen sie vor Onkel hin, es ist von Anfang bis zu Ende geschwärzt:

»Von der Zensur verboten.«


 << zurück weiter >>