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»Als ich von Indien zurückkehrte, hatte ich all mein Geld ausgegeben, und in England war ich als Anwalt nicht bekannt.« Maddick sprach, als ob er einen Vortrag hielte. »Einige Zeit hatte ich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, dann bekam ich den Auftrag, Phillips zu verteidigen, der in der Midland-Bank in Lomney eingebrochen war und viertausend Pfund geraubt hatte. Während unserer Besprechungen erzählte er mir, wo er das Geld versteckt hatte. Er wurde zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, und während er die Strafe absaß, nahm ich das Geld. So fing es an.
Sie können sich denken, daß ich mit Sorgen und Unbehagen an den Zeitpunkt seiner Entlassung dachte. Monatelang überlegte ich, was ich tun sollte, falls er erführe, daß ich sein Geld genommen hatte. Schließlich entschied ich mich dafür, aufs Ganze zu gehen. Ein Dieb war ich ja schon, also kam es auch nicht mehr darauf an, einen Mord zu begehen. Ich traf ihn, als er aus Dartmoor entlassen wurde, und sagte ihm, daß ich ihn in meinem Wagen zu dem Versteck des Geldes bringen würde. Aber er kam niemals dort an. Unterwegs erschoß ich ihn und versenkte ihn dann im Hampshire Avon, nachdem ich ihm ein paar Bleigewichte an die Füße gebunden hatte. Bis heute habe ich nichts davon gehört, daß man ihn gefunden hat.«
Addison gestand diesen Mord mit einer erstaunlichen Gleichgültigkeit ein. Er schien sich darüber nicht die geringsten Gewissensbisse zu machen.
»Meine Praxis ging immer noch schlecht«, fuhr er fort, »und ich überlegte, wie ich mir auf andere Weise Geld verschaffen könnte. Nach meinen ersten Erfahrungen im Verbrechen erschien mir das nicht schwer. So saß ich denn Wochen und Monate in meinem Büro und grübelte über Mittel und Wege nach. Ich hatte nicht die Absicht, selbst Verbrechen zu begehen, sondern es war mein Ehrgeiz, eine großzügige Organisation aufzubauen.
Zuerst mußte ich natürlich die Leute dazu haben. Das war leicht, besonders da ich öfter die Verteidigung von Verbrechern hatte. Wenn ich einen ungewöhnlich klugen und tüchtigen Mann kennen lernte, setzte ich mich indirekt mit ihm in Verbindung und warb ihn an. Ich hatte ein kleines Kapital und benützte es dazu, die Leute zu unterhalten, bis ich einen Plan genau ausgearbeitet hatte. Ich hatte erkannt, daß der große Erfolg darin lag, die Ausführung unter eine Anzahl von Leuten zu verteilen und jeden einzelnen nur den kleinen Teil wissen zu lassen, den er selbst zu erledigen hatte, so daß er von dem Gesamtplan nichts verstand.
Natürlich mußte ich auch dafür sorgen, die Beute zu verwerten. Das ist mir ausgezeichnet gelungen. Die gestohlenen Juwelen wurden von der alten Firma Taylor & Co. in Covent Garden übernommen. Diese kaufte ich durch einen Mittelsmann, und die Polizei hat von dem Besitzwechsel nie etwas erfahren. Dann gründete ich die Firma Meredith Ltd. in der Leadenhall Street, die das Geld verwaltete. Die Inhaber waren und sind anerkannte Börsenmakler. Auf die Art fiel es mir leicht, alle Werte abzustoßen, die ich in die Hand bekam. Wichtig war vor allem, daß die einzelnen Mitglieder meiner Organisation nicht ahnten, wer der oberste Leiter war. Als Anwalt wußte ich natürlich mit allen Vorschriften über Bevollmächtigte Bescheid, und diese Kenntnis benützte ich.«
Addison machte eine Pause, um sich eine Zigarette anzustecken.
»Dann mußte ich wieder eine Einrichtung schaffen, die als Barriere zwischen mir und den für mich arbeitenden Leuten diente. Es hat mich viel Zeit gekostet, bis ich diesen Punkt zur Zufriedenheit regeln konnte. Schließlich gründete ich noch die Regent-Einkommensteuer-Agentur. Alle möglichen Leute kommen zu einer solchen Firma, um sich Rat zu holen. Das war ein gutes Aushängeschild. Gefährlich wäre es gewesen, wenn die Gesellschaft nur auf Betrug gegründet gewesen wäre. Sie arbeitete aber wirklich und hatte einen großen Umsatz. Ich hatte einen vorzüglichen Steuerfachmann, der die Kunden ausgezeichnet beriet. Rechtsanwalt Newall war häufig für diese Firma tätig. Clason war nur ein Strohmann, aber der einzige in der ganzen Organisation, der mich kannte. Ihm durfte ich auch trauen, denn er ist mein Bruder! Langweile ich Sie auch nicht?«
»Nein, nicht im mindesten. Es ist eine höchst interessante Geschichte. Erzählen Sie doch bitte weiter!«
»Wenn etwas unternommen werden sollte, brauchte ich nur Clason zu benachrichtigen, der meine Anweisungen dann durch die Regent-Einkommensteuer-Agentur ausführte. Wenn umgekehrt er etwas von mir wissen wollte, brauchte er ja nur mich anzurufen und zu tun, als ob er meinen Rat in juristischen Dingen verlangte. Auf diese Weise konnte ich die ganze Organisation leiten, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen. Selbst wenn man die Telephongespräche kontrolliert hätte, wäre nichts herausgekommen, denn ich habe niemals über andere Dinge als über Rechtsangelegenheiten von meinem Hause und meinem Büro aus gesprochen.
Mit der Zeit brauchte ich mich nicht mehr nach neuen Mitarbeitern umzusehen; die Leute, die bereits für mich tätig waren, bemühten sich ängstlich, auch ihre Freunde anzubringen. Persönlich hielt ich nur immer nach den Tüchtigsten Ausschau, die sich irgendwie besonders auszeichneten, und so wählte ich auch Sie aus. Ich schickte Ihnen einen Anwalt, der Sie verteidigen sollte. Aber ich hätte vorsichtig werden sollen, als Sie aus dem Gefängnis in Brixton herauskamen. Im ersten Augenblick ließ ich mich jedoch blenden und hielt das für einen neuen Beweis Ihrer Geschicklichkeit.
Natürlich brauchte ich mit der Zeit immer mehr Geld, um die Leute zu bezahlen, die für mich arbeiteten. Vielleicht glauben Sie es nicht, daß ich im letzten Jahre mehr als dreihunderttausend Pfund für diese Zwecke ausgegeben habe, aber es ist eine Tatsache. Ich kaufte Häuser in West End und in den Vorstädten, damit die Leute, die ich brauchte, dort wohnen konnten und ich immer wußte, wo sie waren, wenn ich sie brauchte. Dadurch erhöhten sich die Unkosten, und aus diesem Grunde mußte ich sie auch noch in anderer Weise nutzbar machen.«
»Ich sehe auch nicht ein, warum ein Dieb und Mörder in der Beziehung Bedenken haben sollte.«
»Vielleicht haben Sie dieses Empfinden. Aber ich bin immer davon ausgegangen, daß ein Mörder doch eine moralische Überzeugung haben kann. Jedenfalls trifft das für mich zu. Nun habe ich Ihnen in großen Umrissen meine Tätigkeit geschildert. Von Zeit zu Zeit gab es Schwierigkeiten mit der Polizei, aber sie hat niemals genug herausbekommen, als daß ich mir deshalb hätte Sorgen machen müssen. Wenn Spitzel verwendet wurden, fanden wir das bald heraus und beseitigten sie.«
»Aber warum haben Sie denn Caudry nicht ermorden lassen?«
»Die Nachrichten, die wir über Scotland Yard erhielten, waren veraltet, da Collier schon ein Jahr lang pensioniert ist, und wir glaubten, daß Caudry uns vielleicht Wertvolles mitteilen könnte. Aber er blieb hartnäckig und unzugänglich. Wir haben nichts aus ihm herausgebracht. Deshalb habe ich mich heute abend entschlossen, ihn aus dem Weg zu schaffen.«
»Und wie ist es mit Miß Gribble?«
»Die habe ich eigentlich nur gefangengesetzt, um Scotland Yard einen Beweis meiner Macht zu geben. Als ich erfuhr, daß sie für die Polizei gegen mich spionieren sollte, hielt ich es für gut, ihnen Furcht einzujagen, damit sie so etwas nicht wiederholten. Ich rief telephonisch an, sie möchte ihren Vater um fünf Uhr beim Marble Arch treffen. Sie ging darauf ein, und das übrige war leicht.«
»Hatten Sie die Absicht, sie auch umzubringen?«
»Gewiß. Nachdem ich sie einmal gefangengenommen hatte, durfte ich sie nicht wieder freilassen. Und ich dachte mir, daß die Beamten nach Auffindung der Leiche in Zukunft keine Außenseiter mehr einstellen würden.«
»Warum haben Sie an jenem Abend in der Wohnung am Hobart Place mit mir gesprochen?«
»Ich war selbst davon überzeugt, daß etwas von dem Plan verraten worden sein mußte, und wollte erfahren, ob Sie etwas davon wüßten. Ich mietete die Wohnung möbliert für sechs Monate und setzte Clancy und seine Frau hinein. Übrigens ist sie Clasons Tochter und meine Nichte. Ich hatte ein Mikrophon in dem Zimmer anbringen lassen, so daß ich alles hören konnte, was gesprochen wurde, und das Telephon, durch das Sie mit mir sprachen, hatte nur eine Leitung von drei Metern.«
»Sie scheinen für alles aufs beste gesorgt zu haben. Aber eben sagten Sie, daß Mariel Ihre Nichte sei. Sie hat Sie nicht gekannt?«
»Sie weiß wohl, daß ich ihr Onkel bin, aber sie kennt mich nicht als Maddick.«
»Und was werden Sie nun unternehmen?«
»Ich fühle mich sehr, sehr müde. Ich werde alt, Cardby, und ich kann nicht mehr so lange arbeiten wie früher. Wahrscheinlich muß ich Ihnen auch ein Mittel geben, daß Sie schlafen. Ich glaube nicht, daß Sie sich freimachen können, aber Sie sind ein so tüchtiger junger Mann, daß ich Ihnen nicht trauen darf. Wenn ich Ihnen eine kleine Morphiumspritze gebe, kann ich selbst ruhig schlafen.«
»Ich glaube, deshalb brauchen Sie sich keine Umstände zu machen«, erwiderte Mick schläfrig. »Ich kann die Augen kaum noch aufhalten.«
Er fühlte sich benommen und atmete langsam und tief. Addison erhob sich von der Sessellehne, setzte sich aber schnell wieder hin. Er blinzelte und schloß die Augen, und es kostete ihn große Anstrengung, sie wieder zu öffnen. Ein schwerer süßlicher Geruch hing in der Luft. Erstaunt sah Maddick sich um und wollte zu Mick gehen, aber er fühlte sich unsicher auf den Beinen und hatte das Gefühl, daß ein schweres Gewicht auf seinen Kopf drückte.
Cardby war bleich und atmete schwer.
Noch zweimal machte Maddick den Versuch, den kleinen Schrank in der Ecke des Zimmers zu erreichen, dann warf er noch einen letzten Blick auf Mick, gab seine Anstrengungen auf und taumelte nach der Couch. Die Luft war schwer, und der sonderbare Geruch verstärkte sich. Maddick legte sich auf der Couch nieder und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Was war nur geschehen?
Aber er konnte nicht mehr scharf denken, und mit einem Seufzer sank er in die Kissen zurück.
Bald war nur noch das schwere Atmen der beiden Männer zu hören. Aber sie schliefen nicht. Sie hatten nur das Bewußtsein verloren!