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Heute vor dreihundertachtundvierzig Jahren sechs Monaten und neunzehn Tagen erwachten die Pariser unter dem Geläute aller Glocken, welche innerhalb des dreifachen Bereiches der Altstadt, Südstadt oder des Universitätsviertels und der Nordstadt mit lautem Schalle ertönten.
Und dennoch ist der 6. Januar 1482 kein Tag, von dem die Geschichte eine Erinnerung bewahrt hat. Nichts Merkwürdiges war an dem Ereignisse, welches seit dem Morgen die Glocken und die Bürger von Paris so in Bewegung und Erregung versetzte. Weder war es ein Ueberfall der Picarden oder der Burgunder, noch ein glänzender Jagdaufzug, noch ein Studententumult im Weingarten von Laas, noch ein Einzug »unseres allergnädigsten Herrn, des sehr gefürchteten Herrn Königs«, noch auch eine hübsche Aufknüpfung von Spitzbuben und Diebinnen im Gerichtshofe zu Paris. Nein, nicht einmal die im fünfzehnten Jahrhunderte so häufige Ueberraschung durch irgend welche verbrämte und mit Federbüschen geschmückte Gesandtschaft war es. Vor kaum zwei Tagen hatte der letzte derartige Aufzug, nämlich derjenige der flamländischen Gesandten, welche mit Abschließung des Ehebündnisses zwischen dem Dauphin und Margarethen von Flandern beauftragt waren, seinen Einzug in Paris gehalten, zum großen Verdrusse des Herrn Cardinals von Bourbon, welcher, dem Könige zu gefallen, dieser ganzen tölpelhaften Gesellschaft flamländischer Bürgermeister höflich begegnen und sie in seinem Palaste Bourbon mit einem »viel köstlichen Moralitätsspiele, Possen- und Schwankspiele« hatte unterhalten müssen, während ein Platzregen die prächtigen Teppiche vor seinem Thore überschwemmte.
Der 6. Januar, welcher »die ganze Bevölkerung von Paris in Bewegung brachte«, wie Jehan von Troyes erzählt, vereinigte seit undenklicher Zeit ein Doppelfest in sich: das des Königstages und des Narrenfestes.
An diesem Tage mußte es Freudenfeuer auf dem Grèveplatze, Maibaum-Aufstellung bei der Kapelle Braque und geistliches Schauspiel im Justizpalaste geben. Am Abend vorher war es unter Trompetenschall in den Gassen durch des Herrn Oberrichters Leute in ihren Waffenröcken von violettem Camelot, mit großen weißen Kreuzen auf der Brust, ausgerufen worden.
Das Gedränge der Bürger und Bürgerinnen wogte also vom Morgen an, und nachdem Häuser und Verkaufsläden geschlossen waren, von allen Seiten nach einer der drei bezeichneten Stellen hin. Ein jeder hatte Partei genommen: der eine für das Freudenfeuer, der andere für die Maie, der dritte für das geistliche Schauspiel. Zum Ruhme des einfachen, gesunden Menschenverstandes der Pariser Maulaffen muß man sagen, daß der größte Teil der Menge seine Schritte nach dem Freudenfeuer lenkte, welches ganz zum Wetter paßte, oder nach dem Schauspiele, welches in dem wohl verdeckten und geschlossenen Saale des Palastes aufgeführt werden sollte; und daß die Schaulustigen übereingekommen waren, die arme, grüne Maie ganz allein unter dem Januarhimmel auf dem Kirchhofe der Kapelle Braque frieren zu lassen.
Das Volk wogte vornehmlich auf den Zugängen nach dem Justizpalaste, weil man wußte, daß die flamländischen Gesandten, welche vor zwei Tagen eingetroffen waren, sich entschlossen hatten, der Aufführung des Schauspiels und der Wahl des Narrenpapstes beizuwohnen, die gleichfalls im großen Saale stattfinden sollte.
Es war kein leichtes Vorhaben, an diesem Tage in jenen Saal zu gelangen, welcher damals für den größten bedeckten Raum, der in der Welt war, galt (freilich hatte Sauval den großen Saal des Schlosses Montargis noch nicht ausgemessen). Der menschenbedeckte Platz vor dem Palaste bot den Schaulustigen an den Fenstern den Anblick eines Meeres dar, in welches fünf bis sechs Straßen als ebenso viele Strommündungen jeden Augenblick neue Fluten von Köpfen ergossen. Die Wogen dieser unaufhörlich zunehmenden Menge brachen sich an den Ecken der Häuser, welche hier und da, wie ebenso viele Vorgebirge in das unregelmäßige Becken des Platzes hervortraten. In der Mitte der hohen gothischenDas Wort »gothisch« ist in dem Sinne, in welchem man es gewöhnlich gebraucht, völlig falsch, aber ebenso geheiligt. Wir acceptiren es also, und gebrauchen es, wie alle Welt, um die Baukunst der zweiten Hälfte des Mittelalters zu kennzeichnen: diejenige nämlich, bei welcher der Spitzbogen die Grundlage bildet, und welche auf die Baukunst der ersten Periode folgt, bei welcher der Rundbogen das Princip ist. Anm. d. Verfassers. Façade des Palastes wogte die große Treppe unaufhörlich ein Doppelstrom auf und ab, welcher, nachdem er sich unter dem Zwischenperron gebrochen hatte, in großen Wellen auf seine beiden Seitentreppen hinströmte; ohngefähr, behaupte ich, wie eine Cascade in einen See spie die große Treppe unaufhörlich Menschen auf den Platz. Das Schreien, Lachen, Stampfen dieser Tausende von Füßen verursachte einen großen Lärm und mächtiges Toben. Von Zeit zu Zeit verdoppelten sich dieses Toben und Lärmen, sobald der Strom, welcher die ganze Menschenmasse nach der großen Treppe zu trieb, zurückprallte, durcheinander wogte und wirbelte; oder wenn ein Häscher Rippenstöße vertheilte, oder das Pferd eines Sergeanten vom Gerichtsamte hinten ausschlug, um die Ordnung wieder herzustellen: – eine herrliche Ueberlieferung, welche das Obergerichtsamt an die Landreiter, und die Landreiter an unsere Pariser Gendarmerie vererbt haben.
An den Thüren, in den Fenstern, an den Dachluken, auf den Dächern wimmelte es von Tausenden jener guten, ruhigen, rechtlichen Bürgergestalten, welche den Palast betrachteten, das Gedränge beobachteten und nichts weiter verlangten; denn sehr viele Leute in Paris sind schon zufrieden, Zuschauer von Zuschauern sein zu können, und für manche von uns ist schon eine Mauer, hinter der sich etwas ereignet, eine sehr merkwürdige Sache.
Wenn es uns, den Menschen von 1830, erlaubt wäre, im Gedanken uns unter diese Pariser des fünfzehnten Jahrhunderts zu mischen, und mit ihnen, gedrängt, gestoßen und getreten in den ungeheuern Saal des Palastes einzudringen, welcher am 6. Januar 1482 so beengt war, – dies Schauspiel würde für uns nicht ohne Reiz und Vergnügen sein, und wir würden so viel alterthümliche Gegenstände rings um uns erblicken, daß sie uns ganz neu erscheinen müßten.
Wenn es dem Leser recht ist, wollen wir versuchen, den Eindruck zu schildern, den er beim Eintritt in diesen Saal, mitten unter den Schwarm in Wamms, in Jacke und in Weiberrock mit uns empfangen haben würde.
Schon von vornherein sind unsere Ohren betäubt, unsere Augen geblendet. Ueber unseren Köpfen befindet sich ein doppelbogiges Gewölbe, mit Holzbildschnitzereien vertäfelt, azurblau gemalt und mit goldenen Blumen geschmückt; unter unseren Füßen ein abwechselnd aus weißem und schwarzen Marmor zusammengesetzter Boden. Einige Schritte von uns erhebt sich ein riesiger Pfeiler, dann ein zweiter, dann noch einer: im ganzen sieben Pfeiler in der Länge des Saales, der mitten in seiner Breite die Schwibbogen der Doppelwölbung trägt. Rings um die vier ersten Pfeiler stehen Kramläden, die von Glas und Flittertand glänzen, um die drei Letzten Bänke von Eichenholz, die von den Hosen der Processirenden und den Amtskleidern der Sachwalter abgenutzt und glatt gesessen sind. Ringsum im Saale, längs der hohen Wände, zwischen den Thüren, den Nischen und den Pfeilern befinden sich in unabsehbarer Reihe die Statuen aller Könige Frankreichs seit Pharamund: die schwachen Regenten unter ihnen mit herabhängenden Armen und gesenkten Blicken; die tapferen, schlachtberühmten mit muthig zum Himmel erhobenem Haupte und Händen. In den hohen Rundbogenfenstern aber glänzen tausendfarbige Scheiben; an den breiten Ausgängen des Saales sehen wir reiche Thüren mit schöner Holzschnitzerei; und das Ganze: Gewölbe, Pfeiler, Wände, Simswerk, Täfelung, Thüren und Statuen, ist von oben bis unten mit glänzender Malerei in Blau und Gold bedeckt, welche, als schon ein wenig gedunkelt in dem Zeitraume wo wir sie sehen, im Jahre der Gnade 1549, wo Du Breul sie nach der Überlieferung noch bewunderte, fast ganz unter dem Staube und den Spinneweben verschwunden war. Nun denke man sich diesen ungeheuren Saal in rechteckiger Gestalt erleuchtet von dem matten Lichte eines Januartages, überschwemmt von einer lärmenden und bunten Menge, die längs der Wände hinflutend um die sieben Pfeiler brandet, und man wird einen allgemeinen Eindruck von dem ganzen Gemälde haben, das wir in seinen merkwürdigen Einzelnheiten zu schildern versuchen wollen.
Sicher ist, daß, wenn Ravaillac Heinrich den Vierten überhaupt nicht ermordet hätte, es gar keine Proceßacten Ravaillacs, die in der Kanzlei des Justizpalastes lagen, gegeben haben würde; daß keine Mitschuldigen Interesse daran gehabt hätten, die genannten Acten verschwinden zu lassen; folglich keine Brandstifter erforderlich waren, um, mangels eines bessern Mittels, die Kanzlei anzuzünden, um die Acten zu verbrennen, und den Justizpalast einzuäschern, um die Kanzlei mit Feuer zu vernichten; in Folge wovon es schließlich 1618 keine Feuersbrunst gegeben hätte. Der alte Palast mit seinem alten großen Saale würde noch stehen, und ich könnte zum Leser sprechen: »Geh hin und sieh ihn an«; und wir würden demnach alle beide überhoben sein: ich, eine Beschreibung zu geben, und er, eine mittelmäßige Beschreibung zu lesen. – Diese neue Wahrheit beweist, daß große Ereignisse unberechenbare Folgen haben.
Freilich würde es sehr wohl möglich sein können, sobald Ravaillac keine Mitschuldigen hatte; hernach, daß seine Mitschuldigen, sofern er solche zufällig hatte, beim Brande von 1618 umsonst waren. Es giebt dafür zwei andere sehr annehmbare Erklärungen. Erstens: den großen flammenden Stern von ein Fuß Breite und einer Elle Höhe, der, wie jedermann weiß, am 7. März nach Mitternacht vom Himmel auf den Palast fiel. Zweitens: den vierzeiligen Vers Theophiles:
Der Spaß war wahrlich theuer,
Als in Paris der Dame Recht
Vom zu viel Schlingen wurde schlecht,
Der Palast ganz aufging in Feuer.
Was man von dieser dreifachen politischen, natürlichen und poetischen Erklärung des Brandes des Justizpalastes im Jahre 1618 auch denken mag, die unglücklicherweise feststehende Thatsache ist der Brand. Heute ist nur noch sehr wenig vorhanden, Dank diesem Unglücke, Dank vornehmlich den verschiedenen Wiederherstellungsversuchen im Laufe der Zeit, welche vollends zu Grunde gerichtet haben, was er verschont hatte; es ist nur noch sehr wenig von diesem ersten Aufenthaltsorte der französischen Könige, von diesem ursprünglichen Palastbaue des Louvre übrig, der schon zu Philipps des Schönen Zeit so alt war, daß man hier nach den Spuren der prächtigen Bauten forschte, die vom König Robert aufgeführt und von Helgaldus beschrieben worden sind. Fast alles ist verschwunden. Was ist aus dem Zimmer der Kanzlei geworden, wo der heilige Ludwig »seine Ehe vollzog«? Was aus dem Garten, wo er Recht sprach, »angethan mit einem Camelotrocke, mit einem grobwollenen Obergewande ohne Aermel, und mit einem Mantel darüber von schwarzem Sandal, auf Teppichen liegend mit Joinville«? Wo ist das Zimmer des Kaisers Sigismund? Dasjenige Karls des Vierten? Dasjenige Johanns ohne Land? Wo ist die Treppe, von welcher Karl der Sechste sein Gnadenedict verkündete? Die Steinplatte, wo Marcel, in Gegenwart des Dauphins, den Robert von Clermont und den Marschall von Champagne erwürgte? Das Pförtchen, wo die Bullen des Gegenpapstes Benedikt zerrissen wurden, und aus welchem diejenigen mit Spottchorröcken und Bischofsmützen angethan heraustraten, welche sie überbracht hatten, und welche öffentliche Buße durch ganz Paris thaten? Und wo der große Saal mit seiner Vergoldung, seinem Azurblau, seinen Spitzbogen, seinen Statuen, seinen Pfeilern; wo sein ungeheures Gewölbe, das von Steinmetzarbeiten ganz überzogen war? Und das vergoldete Zimmer? Und der steinerne Löwe, der an der Thür stand, mit gesenktem Kopfe, den Schwanz zwischen den Beinen, wie die Löwen an Salomo's Throne, in der demüthigen Stellung, welche sich für die Stärke vor der Gerechtigkeit schickt? Und wo die schönen Thüren, und die farbenprächtigen Fenster? Wo die getriebenen Eisenbeschläge, welche Biscornette abschreckten? Und die zierlichen Schreinerarbeiten Du Hancys? . . . Was hat die Zeit, was haben die Menschen aus diesen Wunderwerken gemacht? Was hat man uns für alles das gegeben; für jene ganze Geschichte unserer Vorfahren, für jene ganze gothische Kunst? Die plumpen Halbwölbungen des Herrn de Brosse, dieses ungeschickten Baumeisters des Portals von Saint-Gervais – das hat man uns für die Kunst gegeben; und was die Geschichte betrifft, so haben wir die geschwätzigen Erinnerungen der dicken Schandsäule, die noch völlig wiederhallt von dem Altweibergewäsch der Leute wie Patru.Patru, Olivier, französischer Schriftsteller und Advocat (1604-81). Das hat keine Bedeutung. – Wir wollen zu dem wirklichen großen Saale in dem wirklichen alten Palaste zurückkehren.
Die beiden Endseiten dieses gigantischen Rechtecks waren gleichfalls nicht frei: die eine war von der berühmten Marmorplatte aus einem Stücke eingenommen, welche so lang, breit und dick war, wie man sie niemals gesehen hat, erzählen die alten Grundbuchacten in einem Stile, der die Begierde Gargantua's, »eines ähnlichen Marmorblockes in der Welt« gereizt haben würde; an der andern Seite befand sich die Kapelle, in welcher Ludwig der Elfte, auf den Knien vor der heiligen Jungfrau liegend, sich in Marmor hatte abkonterfeien lassen, und wohin er, unbekümmert, daß zwei Nischen in der Reihe der königlichen Standbilder leer würden, diejenigen Karls des Großen und des heiligen Ludwig hatte bringen lassen, – zwei Heilige, von denen er glaubte, daß sie als Könige von Frankreich im Himmel großes Ansehn hätten. Diese noch neue, kaum seit sechs Jahren fertige Kapelle war ganz im reizenden Geschmacke jener feinen Bauart und wunderbaren Meisel- und Grabstichelarbeit ausgeführt, die in Frankreich das Ende der gothischen Bauperiode kennzeichnet, und bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts in den zauberischen Phantasiespielen der Renaissance fortdauert. Die kleine, durchbrochene Rosette über dem Portale besonders war ein Meisterwerk von Zartheit und Anmuth: man hätte sie für einen Stern aus Spitzen halten mögen.
Mitten im Saale, der großen Thür gegenüber, war eine mit Goldbrokat bedeckte Erhöhung, die bis an die Mauer reichte, errichtet worden, und auf ihr durch ein Fenster aus dem Gange zu dem sogenannten goldenen Zimmer, ein besonderer Eingang für die flamländischen Gesandten und andere hohe Personen hergestellt, die zur Aufführung des Schauspieles geladen worden waren.
Dieses Schauspiel mußte dem Herkommen gemäß auf der Marmorplatte aufgeführt werden. Am Morgen war sie dazu hergerichtet worden; die große Marmorfläche, die von den Absätzen der Parlamentsschreiber ganz zerritzt war, trug ein ziemlich hohes Balkengerüst, dessen Oberfläche, vom ganzen Saale aus sichtbar, als Theater dienen sollte, während sein mit Teppichen ringsum verhängtes Innere für die Personen des Stückes als Ankleidezimmer herhalten mußte. Eine Leiter, die offenherzig außerhalb angebracht war, sollte die Communication zwischen Scene und Ankleidezimmer unterhalten, und ihre steilen Sprossen den auf- und abtretenden Personen herleihen. Da gab es keine so plötzliche Erscheinung, keine Entwicklung im Schauspiel, keinen Theatereffect, der nicht gezwungen gewesen wäre, auf der Leiter hinaufzuklettern. – O du unschuldige, theuere Einfalt in Kunst und Maschinerien!
Vier Diener des Gerichtsvogtes, die gewöhnlichen Aufseher aller Volksbelustigungen sowohl an den Festtagen, als an den Hinrichtungstagen, standen an den vier Ecken der Marmorplatte. Erst mittags, beim zwölften Glockenschlage auf der großen Palastuhr sollte das Stück beginnen. Das war freilich recht spät für eine Theateraufführung; aber man hatte auf die Zeit der Gesandtschaft Rücksicht zu nehmen.
Nun wartete diese ganze Menge schon seit dem Morgen. Eine gute Anzahl dieser neugierigen Spießbürger fror seit Tagesanbruch vor der großen Treppe des Palastes; ja, einige versicherten, die ganze Nacht dem Thore gegenüber zugebracht zu haben, um sicher zuerst den Saal zu betreten. Die Menge wurde jeden Augenblick dichter, und wie ein Gewässer, das sein Bett verläßt, fing sie an längs der Wände in die Höhe zu steigen, um die Säulen herum anzuschwellen, an den Täfelungen, Karnießen, Fensterbrettern, an allen Vorsprüngen der Architektur und an allen Erhöhungen der Bildhauerarbeit hinaufzusteigen. Dazu der Zwang, die Ungeduld, die Langeweile, die Zügellosigkeit eines frechen Narrenfestes, die Streitigkeiten, welche bei jeder Gelegenheit wegen eines spitzen Ellenbogens, eines eisenbeschlagenen Schuhes ausbrachen, das ermüdend lange Warten, – alles das gaben schon lange vor der Zeit, in welcher die Gesandtschaften anlangen sollten, dem Geschrei dieses eingeschlossenen, eingepferchten, gequetschten, erstickten Volkes einen scharfen und bittern Ausdruck. Man hörte nur Klagen oder Verwünschungen gegen die Flamländer, gegen den Oberbürgermeister, den Cardinal von Bourbon, den Palastvogt, gegen Madame Margarethe von Oestreich, gegen die Polizisten, über Kälte, Hitze und schlechtes Wetter, gegen den Bischof von Paris, gegen den Narrenpapst, gegen die Pfeiler und Statuen, gegen diese verschlossene Thür und jenes offene Fenster, – alles das zur großen Belustigung der unter der Volksmenge zerstreuten Studenten- und Bedientenrudel, welche diese Unzufriedenheit durch ihre boshaften Neckereien erhöhten, und die allgemeine Mißstimmung, so zu sagen, mit Nadelstichen reizten.
Unter anderen befand sich ein Haufe dieser lustigen Teufel, welche die Scheiben eines Fensters eingestoßen und sich keck auf das Gesims gesetzt hatten, und von wo aus sie ihre Blicke und Spöttereien abwechselnd bald nach innen, bald nach außen, auf die Menge im Saale und auf die des Platzes hinschickten. An ihren äffenden Geberden, an ihrem lauten Gelächter, an den spöttischen Zurufen, welche sie von einem Ende des Saales bis zum andern mit ihren Kameraden wechselten, konnte man leicht erkennen, daß diese jungen Gelehrten nicht die Langeweile und die Ermüdung der übrigen Anwesenden theilten, sondern daß sie recht gut verstanden, bei dem, was unter ihren Augen vorging, zu ihrem Privatvergnügen ein Schauspiel zu genießen, welches sie das andere geduldig erwarten ließ.
»Bei meiner Seele, Ihr seid's, Johannes Frollo de Molendino!« rief einer von ihnen einer Art kleinem blonden Teufel mit hübschem und schalkhaften Gesichte zu, der sich an das Laubwerk eines Säulenknaufes angeklammert hatte, »Ihr heißt ganz richtig Mühlenhannes, denn Eure zwei Arme und Beine sehen ganz wie vier Flügel aus, die im Winde tanzen. Seit wie lange seid Ihr hier?«
»Bei der Gnade des Teufels,« antwortete Johannes Frollo, »seit mehr als vier Stunden, und ich hoffe mit Recht, daß sie mir dereinst auf meine Fegefeuerzeit angerechnet werden. Ich habe um Sieben die acht Sänger des Königs von Sicilien die erste Strophe des Hochamts in der heiligen Kapelle anstimmen hören.«
»Schöne Sänger das!« versetzte der andere, »und die eine noch spitzere Stimme haben, als ihre Mütze. Ehe der König dem heiligen Herrn Johannes eine Messe stiftete, hätte er sich erst erkundigen sollen, ob der heilige Herr Johannes lateinischen Psalmengesang mit provençalischem Accent vertragen kann.«
»Blos um die verdammten Sänger des Königs von Sicilien anzubringen, hat er das gethan,« rief ärgerlich ein altes Weib in der Menge unter dem Fenster. »Ich frage Euch nur! tausend Livres Pariser Münze für eine Messe! Und außerdem die Pachtung des Seefisches in den Markthallen von Paris auch noch!«
»Ruhig, Alte!« versetzte ein dicker ernsthafter Mann, welcher sich neben dem Fischweibe die Nase zuhielt, »er mußte wohl eine Messe stiften. Möchtet Ihr etwa, daß der König wieder krank würde?«
»Brav gesprochen, Herr Gilles Lecornu, Meister Hofkürschner!« rief der kleine Student, der am Säulenknaufe sich angeklammert hatte.
Ein lautes Gelächter aller Studenten bewillkommnete den unglücklichenLecornu = der Gehörnte (oder der Hahnrei). Namen des armen Hofkürschners.
»Lecornu! Gilles Lecornu!« riefen die einen.
»Cornutus et hirsutus,«Lateinisch: der Gehörnte und Struppige. entgegnete ein anderer.
»Ei gewiß,« fuhr der Kleine oben auf dem Säulenknaufe fort. »Was ist da zu lachen? Ein Ehrenmann, der Gilles Lecornu, der Bruder des Meisters Johann Lecornu, des Profoß im königlichen Palaste, der Sohn vom Meister Mahiet Lecornu, dem Oberwaldhüter im Gehölz von Vincennes, – alles Bürger von Paris, alle verheirathet vom Vater bis zum Sohne!«
Die Ausgelassenheit verdoppelte sich. Der dicke Kürschner bemühte sich, ohne ein Wort zu sprechen, den Blicken sich zu entziehen, die überallher auf ihn gerichtet waren; – aber vergebens schwitzte und keuchte er: wie ein Keil, der ins Holz getrieben wird, dienten die Anstrengungen, die er machte, nur dazu, sein breites, aufgedunsenes, vor Zorn und Aerger purpurrotes Gesicht noch fester zwischen die Schultern seiner Nachbarn einzuklemmen. Endlich kam ihm einer von diesen, welche kurz, dick und ansehnlich wie er waren, zu Hilfe.
»Abscheulich! Schuljungen, die so mit einem Bürger sprechen! Zu meiner Zeit hätte man sie mit Ruthen ausgepeitscht, und dann hätte man sie verbrannt.«
Die ganze Bande brach nun los.
»Holla he! wer liest da einem den Text? Wer ist der Unglücksrabe?«
»Warte, ich kenne ihn,« sagte ein anderer, »es ist Meister Andry Musnier.«
»Jawohl, es ist einer von den vier geschworenen Universitätsbuchhändlern,« sagte ein anderer.
»Alles ist vierfach in dieser Bude,« schrie ein dritter, »die vier Nationen, die vier Facultäten, die vier Feste, die vier Procuratoren, die vier Wahlmänner, die vier Buchhändler.«
»Nun wohl,« entgegnete Johann Frollo, »man muß ihnen auch den Teufel vervierfachen.«
»Musnier, wir werden deine Bücher verbrennen.«
»Musnier, wir werden deinen Diener prügeln.«
»Musnier, wir werden deine Frau zerdrücken.«
»Die gute, dicke Frau Oudarde.«
»Die so frisch und so lustig ist, als wäre sie Witwe.«
»Möge der Teufel euch holen!« brummte Meister Andry Musnier.
»Meister Andry,« fing Johann wieder an, welcher immer noch an seinem Säulenknaufe hing, »sei stille, oder ich falle dir auf den Kopf!«
Meister Andry hob die Augen auf, schien einen Augenblick die Höhe des Pfeilers, die Schwere des Burschen zu taxiren, multiplicirte in Gedanken diese Schwere mit dem Quadrate der Geschwindigkeit, und schwieg.
Johann, Herr des Schlachtfeldes, fuhr triumphirend fort:
»Ja, das würde ich thun, obgleich ich der Bruder eines Archidiaconus bin!«
»Schöne Herren, unsere Leute von der Universität! nicht einmal an einem Tage, wie dem heutigen, unsere Privilegien in Ruhe zu lassen! Kurz, in der Nordstadt giebt's Maifest und Freudenfeuer, in der Altstadt Schauspiel, Narrenpapst und flamländische Gesandte, und im Universitätsviertel – nichts!«
»Und doch ist der Maubertsplatz groß genug!« entgegnete einer von den Burschen, die auf dem Fensterbrette campirten.
»Nieder mit dem Rector, mit den Wahlmännern, mit den Procuratoren!« rief Johann.
»Diesen Abend wird man im Champ-Gaillard ein Freudenfeuer machen müssen,« fuhr der andere fort, »mit den Büchern Meister Andry's.«
»Und mit den Pulten der Schreiber,« sagte sein Nachbar.
»Und den Stöcken der Pedelle!«
»Und den Spucknäpfen der Decane!«
»Und den Aktenschränken der Procuratoren!«
»Und den Kasten der Wahlmänner!«
»Und den Fußschemeln des Rectors!«
»Nieder!« rief der kleine Johann mit falscher Baßstimme, »nieder mit Meister Andry, mit den Pedellen und Schreibern, nieder mit den Theologen, Medicinern und Decretisten; mit den Procuratoren, den Wahlmännern und mit dem Rector!«
»Das ist ja das Weltende!« murmelte Meister Andry, indem er sich die Ohren verstopfte.
»Ei seht da, der Rector! Da geht er auf dem Platze,« rief einer von denen im Fenster. Die Folge war, daß sich alles nach dem Platze wandte.
»Ist das wirklich unser ehrwürdiger Rector, Meister Thibaut?« fragte Johann Frollo du Moulin, der an einem Pfeiler im Innern hängend, nicht sehen konnte, was draußen vorging.
»Ja, ja,« antworteten alle andern, »gewiß, er ist es, Meister Thibaut, der Rector.«
Es war in der That der Rector mit allen Würdenträgern der Universität, welche in feierlichem Zuge der Gesandtschaft entgegengingen, und in diesem Augenblicke den Platz des Palastes überschritten. Die in das Fenster gedrängten Studenten empfingen sie beim Vorübergehen mit Spottreden und ironischem Beifallsgeschrei. Der Rector, welcher dem Zuge voranschritt, erhielt die erste Salve; sie war stark.
»Guten Tag, Herr Rector! Holla! ei! Guten Tag denn!«
»Wie kommt es, daß er hier ist, der alte Spieler? Er hat also seine Würfel verlassen?«
»Wie er auf seinem Maulesel einhertrottet! der hat weniger lange Ohren, als er.«
»Holla, he! Guten Tag, Herr Rector Thibaut! Tybalde aleator!Lateinisch: Thibaut, du Spieler! Alter Esel, alter Spieler!«
»Gott schütze Euch! Habt Ihr vergangene Nacht oft Doppel-Sechs geworfen?«
»O! seht einmal das hinfällige, bleifarbige, matte Gesicht, mit den Spuren der Spielwuth darin!«
»Wo geht es jetzt hin, Thibaut, Tybalde ad clades,Lateinisch: Thibaut, zu Verlusten. weil Ihr der Universität den Rücken zugekehrt habt und nach der Stadt trabt?«
»Zweifelsohne will er eine Wohnung in der Straße ThibautodéThibautodé: ein Wortwitz = Thibaut aux dés: Thibaut bei den Würfeln. Anm. d. Uebers. suchen,« schrie Johann du Moulin.
Die ganze Bande wiederholte den faulen Witz mit donnerndem Geschrei und wüthenden Händeklatschen.
»Ihr wollt Euch in der Straße Thibautodé Wohnung suchen, nicht wahr, Herr Rector, Ihr Spielcumpan des Teufels?«
Dann kamen die andern Würdenträger an die Reihe.
»Nieder mit den Pedellen! nieder mit den Stabträgern!«
»Sage mir doch, Robin Poussepain, wer ist denn jener dort?«
»Das ist Gilbert von Suilly, Gilbertus de Soliaco, der Kanzler des Collegiums Autun.«
»Da hast du meinen Schuh: wirf ihn diesem an den Kopf; du hast einen bequemeren Platz als ich.«
»Saturnalitias mittimus ecce nuces.«Lateinisch (in freier Übersetzung): Heute giebt's faule Aepfel an den Kopf.
»Nieder mit den sechs Theologen in ihren weißen Chorhemden!«
»Das dort sind die Theologen? – Ich dachte, es wären die sechs weißen Gänse, welche Sanct Genoveva der Stadt für das Lehngut von Roogny geweiht hat.«
»Nieder mit den Medicinern!«
»Fort mit den schwerfälligen und abgeschmackten Redeübungen!«
»Da fliegt dir meine Mütze an den Kopf, Kanzler von Sanct Genoveva! Du hast mir Unrecht gethan.«
»Jawohl! er hat meine Stelle in der normannischen Landsmannschaft dem kleinen Ascanio Falzaspada gegeben, der zur Provinz Bourges gehört, weil er ein Italiener ist.«
»Das ist eine Ungerechtigkeit,« sagten alle Studenten. »Nieder mit dem Kanzler von Sanct Genoveva!«
»Ho he! Meister Joachim von Ladehors! Ho he! Ludwig Dahuille! Ho he! Lambert Hoctement!«
»Hole der Teufel den Procurator der deutschen Landsmannschaft!«
»Und die Kapläne der heiligen Kapelle in ihren grauen Pelzmänteln, cum tunicis grisis.«
»Seu de pellibus grisis fourratis!«Lateinisch: Oder in ihren grauen, pelzgefütterten Mänteln. Anm. d. Uebers.
»Holla, seht, die Meister der freien Künste! Die ganzen schönen Schwarz- und Rothmäntel!«
»Die bilden einen schönen Schweif für den Rector!«
»Man möchte ihn für einen Dogen von Venedig halten, der sich mit dem Meere vermählen will.«
»Sind das die Canonici von Sanct Genoveva, Johann?«
»Zum Teufel mit den Canonicis!«
»Abt Claude Choart! Doctor Claude Choart! sucht Ihr Marie la Giffarde?«
»Sie wohnt in der Straße Glatigny.«
»Sie macht dem Hurenkönige das Bett.«
»Sie zahlt ihre vier Heller; quator denarios.«
»Aut unum bombum!«
»Soll sie Euch hinter die Ohren bezahlen?«
»Kameraden! Meister Simon Sanguin, der Wahlmann der Picarden, der seine Frau hinter sich auf dem Pferd hat!«
»Post equitem sedet atra cura.«Lateinisch: Hinter dem Reiter sitzt die finstre Sorge. Anm. d. Uebers.
»Muthig, Meister Simon!«
»Guten Tag, Herr Wahlmann!«
»Gute Nacht, Frau Wählerin!«
»Sind die doch glücklich, alles sehen zu können,« seufzte Johannes de Molendino, der immer noch am Blätterwerke seines Säulenknaufes hing.
Währenddem neigte sich Meister Andry Musnier, der geschworene Universitätsbuchhändler, zum Ohre des Hofkürschners, Meister Gilles Lecornu.
»Ich sage Euch, Herr, es ist das Ende der Welt da. Man hat wohl niemals solche Zügellosigkeiten der Studentenschaft gesehen! Das kommt aber von den verfluchten Erfindungen dieses Jahrhunderts, die noch alles verderben: von den Geschützen, Feldschlangen und Donnerbüchsen, und vor allem vom Buchdruck, dieser zweiten deutschen Pest. Giebt's keine Manuscripte mehr, giebt's keine Bücher mehr! Der Buchdruck vernichtet den Buchhandel. Das Ende der Welt ist nahe.«
»Ich merke es auch recht am Überhandnehmen der Sammetstoffe,« sagte der Pelzhändler.
In demselben Augenblicke schlug es Zwölf.
»Ah! . . .« machte der ganze Haufe mit einem Munde.
Die Studenten schwiegen. Nun entstand eine große Verwirrung, eine geräuschvolle Bewegung der Füße und der Köpfe, ein starkes, allgemeines Gehuste und Geschneuze; jeder stellte sich zurecht, richtete sich in die Höhe. Nun tiefes Schweigen; alle Hälse blieben gereckt, alle Mäuler offen, alle Blicke nach der Marmortafel gerichtet . . . nichts war dort zu sehen. Die vier Diener des Vogtes waren immer noch da, starr und unbeweglich, wie vier bemalte Statuen. Alle Augen wandten sich nach der, für die flamländischen Gesandten bestimmten Tribüne. Die Thür blieb geschlossen, und die Tribüne leer. Diese Menschenmasse erwartete nun seit der Frühe dreierlei: die Mittagsstunde, die flandrische Gesandtschaft, das geistliche Schauspiel. Der Mittag allein war da, auf die Minute. Das war für diesmal zu viel!
Man wartete eine, zwei, drei, fünf Minuten, eine Viertelstunde: nichts kam. Die Tribüne blieb leer, das Theater stumm. Da folgte der Ungeduld der Zorn auf dem Fuße nach. Gereizte Worte flogen umher, allerdings noch mit leiser Stimme. »Das Schauspiel! das Schauspiel!« murmelte man dumpf. Die Köpfe erhitzten sich. Eine Wetterwolke, die nur erst noch grollte, zog über die Häupter dieser Menge hin und her.
Johann du Moulin war es, der ihr den ersten Funken entlockte.
»Das Schauspiel, und zum Teufel mit den Flamländern!« schrie er aus Leibeskräften, indem er sich wie eine Schlange um seinen Säulenknauf wand.
Die Menge klatschte in die Hände.
»Das Schauspiel,« wiederholte sie, »und mit Flandern zu allen Teufeln!«
»Wir müssen das Stück auf der Stelle haben,« fuhr der Student fort, »oder ich bin der Ansicht, wir hängen den Palastvogt, als Ersatz für Lustspiel und Schauspiel.«
»Wohl gesprochen,« schrie das Volk, »und laßt uns mit den Gerichtsdienern das Hängen beginnen.«
Rauschender Beifall folgte. Die vier armen Teufel fingen an blaß zu werden und sich gegenseitig anzusehen. Die Menge drang auf sie ein, und sie sahen schon das schwache Holzgeländer, das sie von ihr trennte, sich biegen und unter dem Drängen der Menge zusammenbrechen. Der Augenblick war kritisch.
»Drauf! drauf!« schrie man von allen Seiten.
In diesem Augenblicke hob sich der Teppich des Ankleidezimmers, welches wir oben beschrieben haben, und ließ eine Person herein, deren bloßer Anblick die Menge plötzlich zum Stehen brachte, und wie mit einem Zauberschlage ihren Zorn in Neugierde verwandelte.
»Still! still!«
Die Person trat, ziemlich bestürzt und an allen Gliedern zitternd, an den Rand der Marmorplatte unter vielen Verbeugungen, die, je näher sie kam, zu förmlichen Kniebeugungen wurden.
Indessen war die Ruhe nach und nach wieder hergestellt. Nur jenes leise Geräusch blieb übrig, das selbst noch beim Schweigen der Menge vernommen wird.
»Meine Herren Bürger,« sagte die Person, »und meine werthen Bürgerinnen, wir sollen die Ehre haben, ein sehr schönes Schauspiel mit Namen: »Das gerechte Urtheil unserer lieben Jungfrau Maria« vor Seiner Eminenz dem Herrn Cardinal vortragen und aufführen. Ich selbst gebe den Jupiter. Seine Eminenz begleitet in diesem Augenblicke die sehr ehrenwerthe Gesandtschaft des Herrn Herzogs von Oesterreich; diese ist gegenwärtig noch an der Pforte Baudets aufgehalten, um die Begrüßungsrede des Herrn Universitätsrectors anzuhören. Sobald der hochwürdigste Herr Cardinal angekommen sein wird, wollen wir anfangen.«
Sicherlich bedurfte es nichts weniger, als der Dazwischenkunft Jupiters, um die vier unglücklichen Diener des Palastvogtes vom Verderben zu retten. Wenn wir das Glück hätten, diese sehr glaubwürdige Geschichte erfunden zu haben, und folglich vor unserer Dame, der Kritik, dafür verantwortlich zu sein, so könnte man sich in diesem Augenblicke uns gegenüber nicht auf die klassische Vorschrift berufen: »Nec deus intersit.«Lateinisch: Kein Gott soll die Hand im Spiele haben. Anm. d. Uebers.
Uebrigens war das Costüm des Herrn Jupiter sehr schön, und hatte nicht wenig dazu beigetragen, die Menge zu beruhigen, deren ganze Aufmerksamkeit er auf sich zog. Herr Jupiter war in ein Panzerhemd aus schwarzem Sammet, der mit vergoldeten Nägeln beschlagen war, gekleidet; er trug einen Helm mit vergoldeten Silberknöpfen auf dem Kopfe; und wäre der rothe und lange Bart, welcher die Hälfte seines Gesichts bedeckte, wäre die Rolle vergoldeter Pappe nicht gewesen, die er, mit eisernen Haken übersäet und starrend von Flittergoldstreifen, in der Hand trug, und in welchem geübte Augen leicht den Blitzstrahl erkennen konnten; wären die fleischfarbenen, nach griechischer Weise bebänderten Beine nicht gewesen, er hätte wegen der Ernsthaftigkeit seiner Haltung mit einem bretonischen Bogenschützen vom Corps des Herrn von Berry den Vergleich aushalten können.