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Dreiundzwanzigstes Kapitel. Es dämmert

Der Portier war zu einer weiteren Unterhaltung nur zu gern bereit. Man befand sich in der toten Saison, und Langholm gehörte zu der Art von Gästen, die sich in den ruhigeren Hotels stets einer großen Beliebtheit erfreuen, da sie anspruchslos sind und sich nicht für zu gut halten, auch einmal ein freundliches Wort an die Angestellten zu richten. Um so verwunderter starrte der Portier Langholm an, als dieser jetzt auf ihn zukam. Das Gesicht des Gastes war dunkelrot, und die Augen glänzten so eigentümlich, daß ein gewöhnlicher Beobachter nur eine einzige Erklärung dafür hätte finden können. Der Portier wußte jedoch, daß Langholm vollständig nüchtern zurückgekommen und während der letzten zwanzig Minuten in die Fremdenliste vertieft gewesen war.

»Wie ich sehe,« sagte Langholm, dessen Stimme zum Erstaunen des Portiers ganz verändert klang, »wie ich sehe, hat ein Freund von mir gerade vor einem Jahr hier gewohnt. Ob sie sich wohl noch seiner erinnern?«

»Wenn es während der toten Saison war, so ist es leicht möglich.«

»Es war im September, und der Herr hieß Steel.«

»Wie lange wohnte er hier?«

»Soviel ich weiß, nur eine Nacht – es ist ein ältlicher Herr mit schneeweißem Haar.«

Des Portiers Gesicht hellte sich auf.

»Freilich erinnere ich mich seiner. Es war allem nach ein sehr reicher Herr, ja, ja, er übernachtete nur einmal bei uns, und beim Weggehen am nächsten Morgen gab er mir einen Sovereign.«

»Er ist allerdings sehr reich,« sagte Langholm, indem er mit aller Gewalt den Wunsch unterdrückte, sofort eine ganze Reihe von Fragen zu stellen. Allein er hielt den Portier für einen Menschen, den man nicht auszufragen braucht, und seine Geduld wurde denn auch sofort belohnt.

»Ich erinnere mich, daß er spät am Abend ankam, ohne vorher ein Zimmer bestellt zu haben,« fuhr der Portier fort. »Ich selbst bezahlte die Droschke und brachte sein Gepäck herein.«

»Da wird er wohl direkt vom Lande gekommen sein?«

»Ja, wahrscheinlich war er mit dem Zehnuhrfünfundvierzigzuge auf der Station King's Cross eingetroffen, aber er muß sich wohl noch irgendwo aufgehalten haben, ehe er hierherkam, denn bald darauf wurde ich von dem Nachtportier abgelöst.«

»So haben Sie in dieser Nacht also nichts mehr von Mr. Steel gesehen?«

»Doch, ich sah ihn noch einmal ausgehen, nachdem er etwas gegessen hatte,« antwortete der Portier trocken. »Während der toten Saison ist unser Personal ziemlich reduziert, und so überzeugte ich mich selbst, ob er auch alles nach Wunsch bekäme. Zurückkehren aber sah ich ihn nicht.«

Langholm vermochte seinen Ohren kaum zu trauen, und um seine Erregung zu verbergen, brach er in lautes Lachen aus.

»Der Schwerenöter!« rief er. »Wissen Sie denn, ob er überhaupt zurückgekommen ist?«

»So zwischen zwei und drei Uhr glaube ich,« antwortete der Portier im gleichen Ton.

Langholm lachte von neuem auf, stellte jedoch keine Fragen mehr, sondern ging wenige Minuten später mit fieberhaft erregtem Gesicht und langen, schwankenden Schritten in seinem Schlafzimmer auf und ab, eine Bewegung, die er den größeren Teil dieser Augustnacht fortsetzte.

Man wäre jedoch auf falscher Fährte, wenn man annehmen wollte, der Schriftsteller habe düsteren Gedanken nachgehangen – im Gegenteil, er verbrachte alle diese Stunden damit, die in seinem Gehirn sich jagenden finsteren Gedanken zu verscheuchen. Denn schon wieder hatte seine Phantasie ihn beim Schopf gepackt; diesmal aber wehrte er sich mit aller Macht gegen sie, was so viel hieß, als ein Kampf gegen seine stärkste Charaktereigenschaft. Sein Geist glich tatsächlich bald einer Gemäldegalerie, bald einer Schaubühne. Die tollsten Bilder, die fürchterlichsten Szenen gaukelte seine Phantasie ihm vor. Sie war eben unter seinen Verstandeskräften die vorherrschende, wie sie bei andern die Schärfe des Urteils oder das Sprach- oder Rechentalent ist. Langholm konnte ebensowenig für diesen Phantasiereichtum als für die Farbe seiner Augen verantwortlich gemacht werden. An diesem Abend aber tat er sein Möglichstes, sie im Zaum zu halten. Schon einmal hatte er eine Einbildung seines Geistes für eine Entdeckung angesehen, nun war er aber fest entschlossen, daß ihm dies nicht ein zweites Mal passieren solle.

Steel deshalb zu verdächtigen, weil er sich während der Nacht des Mordes zufällig in dem Stadtviertel Chelsea aufgehalten und während der Zeit des Verbrechens nicht in seinem Hotel befunden hatte, wäre ebenso sinnlos gewesen, als sein früherer Verdacht gegen einen Mann, dem man nachweisen konnte, daß er während jener Zeit zwischen Leben und Tod geschwebt hatte. Überdies hatten zwischen Severino und dem Ermordeten gewisse gesellschaftliche Beziehungen bestanden, nicht aber, nach Langholms Wissen, zwischen Minchin und Steel. Immerhin aber war Steel die rätselhafteste Persönlichkeit, die Langholm, von seinen eigenen Romangestalten abgesehen, je vorgekommen war. Kein Mensch wußte, auf welche Weise er sein Geld erworben hatte. Es mochte ja wohl in Australien gewesen sein, wo die beiden Männer sich möglicherweise auch kennen gelernt hatten. Langholm erinnerte sich plötzlich des australischen Goldgräbers, der sich von einem nur wenige Meilen von Normanthorpe entfernten Wirtshaus gerühmt hatte, »seinen Scheck versaufen« zu wollen. Auch Steels freiwillig gegebene deutliche Erklärung, daß weder er noch seine Frau jemals in ihrem Leben in Australien gewesen seien, fiel ihm ein. Ein Teil dieser Behauptung war jedenfalls erlogen, warum nicht beide? Die eine erwiesene Lüge mochte allerdings von Steel nur deshalb vorgebracht worden sein, um jeglichen etwa aufsteigenden Verdacht über die Identität seiner Frau fernzuhalten, was allenfalls noch zu entschuldigen wäre. Durch seine traurigen Erfahrungen gewitzigt, ging Langholm diesmal sogar so weit, viel eifriger nach einer natürlichen Erklärung, als nach einem verdächtigen Umstand zu suchen.

Er sagte sich, daß er bei allem, was er bisher vom Montagmorgen bis zu diesem Mittwochabend unternommen hatte, viel zu hastig vorgegangen sei. Sogar die Abreise am Montag war verfrüht gewesen. Ohne Steels vorher noch einmal gesprochen zu haben, hatte er sich in den Zug gesetzt, anstatt sich vorher noch mit einem von ihnen oder mit beiden über seine Aufgabe zu beraten. Aber Steels halb feindlicher, halb spöttischer Haltung noch einmal ruhig zu begegnen, war eine Probe für Langholms Nerven, der er sich nicht gewachsen fühlte, und auf die Hoffnung, Mrs. Steel allein sprechen zu können, hatte er längst verzichtet, obwohl diese ihm über eine Menge Einzelheiten hätte wertvollen Aufschluß geben können. Seine Erwartung, diesen Aufschluß aus den Akten zu gewinnen, war vergeblich gewesen, weil alle amtlichen Berichte von der Voraussetzung ausgingen, daß niemand anders als Minchins Gattin dessen Tod herbeigeführt haben könne. Kein einziger Geschäftsfreund des Verstorbenen war als Zeuge vorgeladen gewesen, und den finanziellen Verlegenheiten, in denen er sich zur Zeit seiner Ermordung befunden hatte, war vor Gericht nicht die geringste Beachtung geschenkt worden.

Langholm, dessen Verstandeskräfte durch seine neue Entdeckung aufs höchste angespannt waren, sah plötzlich in diesem Punkte allerlei günstige Möglichkeiten, und sobald am nächsten Morgen das Telegraphenbureau geöffnet war, ließ er eine ziemlich lange Depesche mit bezahlter Antwort an Mrs. Minchin abgehen. Er bat darin um die Geschäftsadresse ihres verstorbenen Mannes und zugleich um Namen und Wohnort eines etwaigen Geschäftsteilhabers oder sonstigen Geschäftsmannes, mit dem Mr. Minchin in der City in Verbindung gestanden hatte. War die Linie frei, so konnte Langholm schon nach wenigen Stunden die Antwort in Händen haben, und richtig traf sie auch noch am Vormittag ein. Sie lautete: »Gemeinsames Bureau mit Mr. Crofts, 2, Adams-Court, Old Broad Street. Sein Freund, aber nicht der meinige. Rahel Steel.«

Langholms erster Blick galt der Unterschrift, und er war dankbar, daß die Antwort von Rahel selbst kam. Die Schlußbemerkung aber gab ihm zu denken. Sie mußte irgend eine tiefere Bedeutung haben, denn er konnte nicht annehmen, daß sie der zwecklose Ausdruck einer persönlichen Antipathie sei. Jedenfalls las er eine Warnung darin, eine ihm selbst geltende Warnung, sich jenem Mr. Crofts nicht als Abgesandter der Gattin des Ermordeten vorzustellen. Dieser Umstand erhöhte die Schwierigkeit, brachte ihn aber auf den Gedanken, einen Schritt zu unternehmen, dessen Kühnheit ihm einigermaßen gegen den Strich ging, den er aber doch um Rahels Willen ohne Zögern auszuführen beschloß.

In seiner Tasche befand sich nämlich noch die Karte jenes Beamten, der ihn im Kriminalgebäude herumgeführt hatte, zum Glück in vollständig unverdorbenem Zustand, und während Langholm sich auf den Weg machte, hatte er nur den einen Wunsch, daß auch sein Äußeres mehr zu seiner neuen Rolle passen möchte.

Mr. Crofts war zu sprechen, wie dessen kleiner Kommis Langholm versicherte, worauf der Pseudodetektiv, mit der Karte des echten in der Hand, dem Kommis nach dem im dritten Stockwerk gelegenen, dumpfigen Bureau folgte. Mit einem Ausdruck des Entsetzens saß Crofts auf seinem hohen Drehstuhl, das traurige Bild eines Mannes, der fühlt, daß die Stunde der Vergeltung gekommen, der sich zugleich aber auch voll Neugierde fragt, welches von seinen Vergehen wohl ans Licht gebracht worden sei. Er war ein breitschultriger Mann mit großer Glatze und gefärbtem Schnurrbart. Seine auch für gewöhnlich recht blühende Gesichtsfarbe aber hatte eine beunruhigend blaurote Färbung angenommen, als der angebliche Detektiv hereingeführt wurde.

»Es tut mir leid, Sie belästigen zu müssen, Mr. Crofts,« begann Langholm, »allein ich möchte gern einige Fragen hinsichtlich des verstorbenen Alexander Minchin an Sie richten, der, soviel mir bekannt ist ...«

»Gewiß, gewiß,« warf Crofts ein, während die Purpurfarbe seines Gesichtes allmählich wieder in das normale Rot überging: »Alexander Minchin – ja, ja, der arme Kerl! Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Inspektor, nehmen Sie Platz. Mit dem größten Vergnügen werde ich Ihnen jegliche Auskunft geben, soweit es irgend in meiner Macht steht.«

So erleichtert Mr. Crofts auch aussah, für Langholm war es erst recht eine Erleichterung, wenigstens nicht gleich auf den ersten Blick erkannt worden zu sein. Den angebotenen Sitz nahm er um so bereitwilliger an, als dieser sich dicht bei der Tür befand.

»Der Tod Mr. Minchins ist, wie Sie wissen, noch immer nicht aufgeklärt ...«

»Das ist mir neu,« unterbrach ihn Crofts, dessen Lebensgeister wieder vollständig erwacht waren. »Ich dachte, unaufgeklärt und unbegreiflich sei nur die Tatsache, daß zwölf Männer mit gesundem Verstand seine Frau freigesprochen haben.«

»Dieser Ansicht waren damals allerdings viele Leute, doch ist es eben eine Ansicht, durch die wir uns nicht beeinflussen lassen dürfen, wir mögen sie nun teilen oder nicht. Der Fall erheischt auch jetzt noch unsere Aufmerksamkeit, die nicht nachlassen darf, bis wir jeden Weg, der uns eine Aufklärung bringen könnte, aufs gewissenhafteste durchforscht haben. Meine Bitte an Sie, Mr. Crofts, besteht nur darin, mir einen möglichst genauen Bericht über Mr. Minchins finanzielle Lage zur Zeit seines Todes zu geben.

»Schlecht war sie,« antwortete Mr. Crofts ohne Besinnen, »so schlecht, als sie nur sein konnte. Er hatte einmal mit Glück spekuliert, und seither ließ ihn der Spielteufel nicht mehr los. Er traute seinem Glück etwas gar zu viel zu und wurde schmählich von ihm im Stich gelassen. Der arme Kerl!« fügte der teilnehmende Crofts mit einem Seufzer hinzu. »Er hatte sein Schäfchen ins Trockene zu bringen gehofft, und statt dessen wäre er vor Ablauf einer Woche ruiniert gewesen.«

»Kannten Sie ihn schon lange, Mr. Crofts?«

»Kaum sechs Monate. Wir lernten uns ganz zufällig in Brighton kennen, wo wir uns einmal über australische Werte unterhielten. Ich war es, der ihm dabei die Nase auf die einzige Spekulation stieß, die ihm geglückt ist. Seine Frau war damals auch mit – mir eine unausstehliche Person! Sie war mir und meiner Frau viel zu hochmütig, von ihrem Mann gar nicht zu reden. So erinnere ich mich zum Beispiel eines Abends auf dem Pier ...«

»Ach, bitte, bemühen Sie sich nicht mit diesen Einzelheiten, Mr. Crofts,« unterbrach ihn Langholm so höflich, als er es fertig brachte. »Mr. Minchin war aber wohl auch später kein wirklicher Geschäftsteilhaber von Ihnen, nicht wahr?«

»Nein, niemals, obwohl ich nicht sagen will, daß es nicht vielleicht noch so weit hätte kommen können, wenn die Dinge einen andern Verlauf genommen und er sich entschlossen hätte, mit einem kleinen Kapital nach Australien zurückzukehren. Inzwischen teilte er das Bureau mit mir, das war alles.«

»Nicht einmal Ihren Rat ließen Sie ihm angedeihen?«

»Wenn er von seiner Spielwut ergriffen war, hätte er ja doch nicht darauf gehört.«

Bis dahin hatte Langholm nur seine eigene Neugierde in Betreff eines Mannes befriedigt, von dem er kaum mehr als den Namen wußte. Von wirklicher Wichtigkeit für seinen Zweck konnte nur die eine Entdeckung sein, daß Minchin in pekuniären Schwierigkeiten gestorben war. Langholm zog nun einige Notizen zu Rate, die er auf seinem Wege in die City auf einen Briefumschlag niedergekritzelt hatte.

»Mr. Minchin war, wie Ihnen bekannt sein dürfte, ebenso wie seine Frau, in Australien geboren,« fuhr er dann fort. »Hatte er wohl noch andre australische Freunde hier in London?«

»Meines Wissens nicht einen einzigen,« erwiderte Crofts.

»Auch nicht irgendwo auf dem Lande?«

»Ich erinnere mich nicht, von einem solchen gehört zu haben.«

»Zum Beispiel im Norden von England?«

Nachdenklich starrte Crofts auf sein Pult, bis endlich ein Ausdruck der Erleuchtung über sein blühendes Gesicht hinhuschte.

»Beim Himmel, ja, richtig!« rief er. »Nun Sie davon sprechen, dämmert mir's wieder, daß er irgend einen Bekannten da oben im Norden hatte; sogar ein reicher Mann muß es gewesen sein. Minchin hatte zufällig von seiner Anwesenheit gehört, und zwar erst ein paar Tage vor seinem Tode.«

»Ein reicher Mann, sagten Sie, und auch ein Australier?«

»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß die beiden sich in Australien kennen gelernt haben. Minchin aber hatte, wie gesagt, keine Ahnung davon, daß jener Freund sich in England befand: erst kurz vor seinem Tode erfuhr er es durch eine Zeitungsnotiz.«

»Erinnern Sie sich des Namens?«

»Nein, aus dem einfachen Grunde, weil er ihn mir niemals genannt hat. Unser Einvernehmen war überhaupt während der letzten Zeit nicht mehr das allerbeste,« fuhr Mr. Crofts erklärend fort. »Geldgeschichten, Geldgeschichten, Herr Inspektor – die können die besten Freunde auseinanderbringen. Und um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, er schuldete mir bereits mehr, als meine Mittel mir zu verlieren erlaubten. Zwei Tage vor seinem Tode kam er plötzlich zu mir und sagte, daß noch vor Schluß der Woche alles klipp und klar zwischen uns gemacht werden solle, und wenn es mir so nicht recht sei, dann könne ich mich zum Kuckuck scheren. Natürlich fragte ich ihn, woher denn das Geld kommen solle, und da antwortete er mir, von einem Manne, der seit Jahren für ihn verschollen gewesen sei. Doch sagte er damals nicht, wie er ihm auf die Spur gekommen sei, sondern nur, er müsse ein Millionär sein. Daraufhin fragte ich ihn, wie es denn zusammenhänge, daß ein Mann, den er so lange Zeit nicht mehr gesehen habe, ihm nur so ohne weiteres seine Schulden bezahlen wolle. Daraufhin lachte aber Minchin nur und beteuerte, daß er ihn schon so weit bringen werde. Dabei setzte er sich sofort an das Pult dort drüben, um an seinen Millionär zu schreiben. Den Brief brachte er selbst zur Post. Dies war das letzte Mal, daß ich ihn am Leben sah, denn er sagte, er werde nicht eher zurückkehren, als bis er eine Antwort habe, und dieser Brief war auch der letzte, den er an diesem Platz geschrieben hat.«

»An jenem Pult dort?« fragte Langholm, indem er einen Blick nach dem ärmlichen, in einer Ecke stehenden Bureaumöbel warf. »Bewahrte er hier nicht auch schriftliche Sachen auf?« fügte er hinzu.

»Allerdings, aber Ihre Herren Kollegen haben sich ja sofort daraufgestürzt.«

»Natürlich, gewiß,« sagte Langholm hastig. »Es ist also nichts zurückgeblieben?«

»Nur seine Feder und sein Notizkalender, in den er aber noch nicht ein einziges Wort geschrieben hatte. Ich warf deshalb beides mit seinen Zeitungen in eine Schublade, wo es noch liegt.«

Langholm war enttäuscht. Das viele Neue, das er erfahren, hatte ihm den Mund nach mehr wässerig gemacht. Wenn er sich nur wenigstens über diesen Millionenfreund des Ermordeten hätte vergewissern können! Für ihn selbst gab es ja keinen Zweifel, aber seine eigenen Ansichten waren eben zu elastisch, als daß er ihnen unbedingt hätte trauen dürfen.

Crofts trommelte mit seinen Fingern auf den vor ihm liegenden Löschblock, und Langholm bemerkte plötzlich einen daran befestigten Notizkalender.

»Minchins Notizkalender war wohl anders als dieser hier?« rief er.

»Nein, ganz gleich,« antwortete Crofts.

»Dann möchte ich ihn doch gern sehen.«

»Es steht indes kein einziges Wort darin geschrieben; einer Ihrer Kollegen hat ihn damals aufs genaueste untersucht.«

»Schadet nichts.«

»Nun, meinetwegen. Er liegt in der oberen Schublade des Pults, an dem er zu schreiben pflegte – falls mein Schreiber ihn sich nicht zur eigenen Benutzung angeeignet hat!«

Mit angehaltenem Atem ging Langholm auf die Schublade zu, und schon im nächsten Augenblick entfuhr ihm ein tiefer Dankbarkeitsseufzer. Der Universalkalender vom vergangenen Jahr war tatsächlich noch vorhanden. Er hing an einem rosenfarbenen Löschblock und glich genau dem, auf dem Crofts noch immer weitertrommelte.

»Kann ich Ihnen sonst noch etwas zeigen?« fragte der Biedermann in bester Laune.

Prüfend starrte Langholm nicht auf den Kalender, sondern auf das rosa Löschpapier. Plötzlich schaute er lebhaft auf.

»Sie sagten, daß jener Brief der letzte gewesen sei, den er auf Ihrem Bureau geschrieben habe?«

»Der allerletzte.«

»Dann – ja – dann möchte ich Sie um einen Spiegel bitten, falls Sie einen haben.«

Crofts hatte in der Tat einen kleinen Spiegel auf dem Kaminsims stehen.

»Beim Satan,« sagte er, indem er ihn Langholm einhändigte, »ihr Polizeispitzel seid doch abgeschlagene Kerls!«


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