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Der Weg zur Einheit.

Die Einheitsbestrebungen in der deutschen Maurerei treten immer deutlicher und dringender hervor. Daraus ist zu entnehmen, dass unter den deutschen Maurern das Bewusstsein der Nothwendigkeit, zu festeren bestimmteren Verhältnissen zu gelangen, immer lebendiger wird.

Der deutsche Grosslogenbund in seiner jetzigen Gestaltung krankt an der Bestimmung, dass seine Beschlüsse nur mit Einstimmigkeit aller Grosslogen Gesetzeskraft erlangen können. Dies macht seine Wirksamkeit für die Einigung der deutschen Maurerei aussichtslos.

Wir haben die Ueberzeugung, dass, um die Einigung der deutschen Maurerei herbeizuführen, diejenigen deutschen Grosslogen, welche sich über die Grundlagen einer neuen lebensfähigen Vereinigung verständigen können, darauf hin vorläufig einen neuen Bund unter sich zum Abschluss bringen und eine etwaige Minderheit bis auf Weiteres ausser Betracht lassen. Das ist der einzige Weg, der zum Ziele führen kann. Wenn dieser Weg nicht betreten wird, so ist an eine Einigung der deutschen Maurerei überhaupt niemals zu denken. Wenn aber dieser Weg eingeschlagen wird, so werden wir aus einer vorläufig nur theilweisen Einheit auch gewiss bald zu einer allgemeinen Einheit gelangen. Die Minderheit, welche einstweilen zurückbleibt, wird wohl nachkommen. Aber wenn sie das wider Erwarten nicht thun sollte – soll denn die grosse Mehrheit der deutschen Maurer einer Minderheit wegen auf die zu einer gedeihlichen Entwickelung durchaus nothwendige grössere Einheit verzichten? Wenn die Reformatoren des Bundes solche Rücksicht genommen hätten, dann wäre die Maurerei schon vor 100 Jahren untergegangen. Und wenn uns heute eine falsche Rücksichtnahme veranlassen kann, unsere Ideale und das Streben nach ihrer Verwirklichung als eine Angelegenheit zu behandeln, welche man des lieben Einvernehmens wegen gar nicht erörtern darf, dann müssen wir auf unsere Einigkeit und damit auf jede Machtstellung und auf unseren Einfluss in der Welt verzichten.

Das grosse Hinderniss, welches der Einigung und damit der Machtentfaltung der deutschen Maurerei entgegensteht und welches ihr in ihrer jetzigen Gestalt immerfort entgegenstehen wird, ist die Judenfrage. So lange diese Frage offen bleibt, ist aller Liebe Mühe umsonst, sind alle Bestrebungen zur Einheit vergeblich.

Die Judenfrage muss gelöst werden. Erst dann werden wir so viel Vertrauen zu einander gewinnen, dass wir unter einander wirklich bündnissfähig sind.

Die Lösung der Judenfrage ist durchaus nicht schwierig. Es liegen ihr nur Missverständnisse zu Grunde.

Christliches Princip und Humanitätsprincip sind nicht Gegensätze, sondern bedeuten dasselbe. Diejenigen Grosslogen, welche israelitische Suchende grundsätzlich ablehnen, weisen aber doch die Auffassung entschieden zurück, dass sie mit christlicher Dogmatik irgendwie in Beziehung ständen. Sie erklären vielmehr ausdrücklich, dass ihr christliches Princip nur auf der Humanitätslehre Jesu beruhe.

Die Auffassung, dass in der Lehre Jesu vom Reiche Gottes das Humanitätsprincip und alle Ideale des Maurerthums enthalten und sogar aus ihr hervorgegangen seien, ist durchaus zutreffend. Man braucht nicht Mitglied einer christlichen Kirchengemeinschaft zu sein, um dies anzuerkennen. Es ist darum auch anzunehmen, dass etwas Trennendes eigentlich nicht vorhanden und eine Einigung möglich ist, wenn von allen Seiten gleiches Entgegenkommen dafür geboten wird.

Dieses Entgegenkommen besteht darin, dass die Humanitätssysteme ihr Humanitätsprincip auf die Lehre Jesu vom Reiche Gottes stellen und dass die christlichen Systeme alsdann dieses Humanitätsprincip auch für sich annehmen. Hiernach würde die allgemeine grundsätzliche Bestimmung folgende Fassung erhalten müssen:

»Stand, Nationalität oder Farbe, Religionsbekenntniss und politische Meinung dürfen in dem Gebiete sämmtlicher im Deutschen Grosslogenbunde verbundenen Grosslogen kein Hinderniss der Aufnahme sein. Der Freimaurerbund erblickt in der Lehre Jesu von einem alle Völker und alle wahre Gottesverehrung umfassenden Reiche Gottes auf Erden die Grundlage und das Ziel seiner Bestrebungen.«

Wenn eine Verständigung auf solcher Grundlage nicht erzielt werden kann, dann gewinnen wir damit die Erkenntniss, dass wir überhaupt gar nicht bündnissfähig und auch keine einheitliche Gemeinschaft sind. Dann kann bei den grundsätzlichen Verschiedenheiten in der Auffassung des maur. Wesens von einem internationalen Freimaurerbunde, auch von einer deutschen Maurerei keine Rede mehr sein.

Ueber das Wesen des Freimaurerbundes herrschen thatsächlich sehr verschiedene Auffassungen. Das kommt allein daher, dass uns ein klares, einheitliches Programm fehlt.

Das einzig mögliche und einzig zutreffende Programm ist die Lehre Jesu vom Reiche Gottes.

Der Freimaurerbund hat den Zweck, das Reich Gottes auf Erden, welches Jesus verkündet und begründet hat, auszubauen und immer mehr zu vollenden. In dieser Arbeit am Reiche Gottes sind alle idealen Bestrebungen und alle Werke der Menschenliebe mit enthalten.

Diese Lehre Jesu vom Reiche Gottes steht über allen Bekenntnissen und allem Gottesdienst der Menschheit, auch über allen christlichen Confessionen. Sie schliesst kein Bekenntniss aus, aber versöhnt alle Verschiedenheiten der Bekenntnisse in einem einheitlichen Grundgedanken.

Eine solche Declaration des Humanitätsprincips ist nicht allein darum erforderlich, um die christlichen Systeme zu dessen Annahme zu veranlassen und damit die Judenfrage, das Hinderniss aller Einheit, zu lösen; diese Declaration ist auch nöthig, um dem Humanitätsprincip eine feste, unverrückbare Grundlage zu geben, um dadurch eine Wesenseinheit für alle Zeit zu sichern.

Durch die Berufung auf Jesu Lehre vom Reiche Gottes wird unsere Idee, mehr als durch wortreiche Thesen, so deutlich und genau präcisirt, dass jede Abweichung, jede Abirrung vom rechten Wege damit ausgeschlossen erscheint. Und das ist sehr nothwendig. Der Bund kann nicht seinen Mitgliedern die Freiheit gewähren, das Wesen des Bundes nach ihrem Belieben zu deuten. Durch diese neue Declaration des Humanitätsprincips wird der Bund an Ansehen gewinnen. Nicht alle Angriffe gegen uns sind wissentliche Verleumdung. Unsere Programmlosigkeit und die grosse Verschiedenheit unserer Anschauungen über Maurerei erzeugen immer Missverständnisse und falsche Beurtheilung in der Welt.

Wir befehden uns im Bunde ebenso viel, als der Bund von aussen angegriffen und verdächtigt wird. Die äusserlich brüderliche Form kann an dieser traurigen Thatsache nichts ändern. Dadurch liefern wir unseren Feinden das meiste Wasser auf ihre Mühlen.

Man wirft uns vor, dass wir die Religion bekämpfen. Viele Logen und Brüder sind Förderer des religiösen Lebens. Aber es hilft uns nichts, uns hierauf zu berufen, wenn andere Thatsachen gegen uns sprechen. Wir müssen wohl bedenken, dass die Freimaurerei einen über die ganze Erde verbreiteten Bund darstellt, dass wir selbst uns stets auf diese Allgemeinheit berufen. Darum müssen wir das gegen uns auch gelten lassen, was anderwärts unter dem maur. Namen gefehlt wird. In manchen Gebieten ist die Freimaurerei in der That die Feindin der Religion. So lange wir uns nicht von solchen Abirrungen bündig losgesagt, so lange wir zwischen jenen sogenannten Maurern und uns nicht das blaue Band zerschnitten haben, sind wir voll für alles das mit verantwortlich, was im Zeichen des Maurerthums geschieht und gelehrt wird.

Darum ist die Begründung des so vielen Missverständnissen und Missdeutungen ausgesetzten Humanitätsprincips auf die Lehre Jesu vom Reiche Gottes auch die beste Abwehr.

Für das, was wir durch solche Klarstellung zeitweilig verlieren können, kommt uns reichlicher Zuwachs und Ersatz in Denen, welche längst unsere Genossen wären, wenn sie nur gewusst hätten, dass wir dasselbe wollen, was auch sie erstreben. Wir können nicht sagen, dass ein Nichtmaurer sich leicht über Maurerei unterrichten könne. Es kommt ganz darauf an, wen er fragt. Und wenn er verschiedene Brüder fragt, so kann es leicht geschehen, dass er in den sich widersprechenden Darlegungen sich gar nicht zurecht findet und lieber der unklaren Sache fern bleiben will.

Noch ist es Zeit, eine feste Grundlage wieder zu gewinnen. Noch sind im Bunde und vornehmlich in der deutschen Maurerei genug Kräfte vorhanden, welche in aller sie umgebenden Zersetzung den Geist wahren Maurerthums hochhalten. Wenn sie ihre ganze Kraft und ihre ganze Liebe einsetzen, dann wird eine Wiederaufrichtung des Maurerthums sich vollziehen und der Bund befähigt werden, die ihm gebührende Stellung einzunehmen und seine hohen Aufgaben zu erfüllen.

Möge die deutsche Maurerei den Weg zur Einheit betreten und sich aufraffen zu einer kühnen That.

Br. Friedrich Holtschmidt.


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